Mädchen- und Frauenbildung in den deutschen Afrika

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Fazit und Ausblick
Diese Studie bietet durch die historische Rekonstruktion eine umfassende
und systematische Bestandaufnahme der kolonialen und missionarischen
Bildung des weiblichen Geschlechts in den deutschen Kolonien in Afrika
nach den Kolonialgebieten und den unterschiedlichen Missionsgesellschaften zwischen 1884 und dem Ausbruch des ersten Weltkrieges im
Jahre 1914.
Mädchen und Frauen wurden aus dem kolonialen Regierungsbildungswesen fast total ausgeschlossen und waren im missionarischen Bildungssystem im Allgemeinen unterrepräsentiert, jedoch stellt sich durch den Vergleich der einzelnen Kolonialgebiete heraus, dass in Deutsch-Südwestafrika im Gegensatz zu den drei anderen Kolonien (Togo, Kamerun und
Ostafrika) Mädchen in allgemein bildenden Missionsschulen in der Überzahl waren. Der Vergleich zwischen den Missionen (evangelischen und
katholischen) lässt feststellen, dass die katholischen Missionen mehr spezielle Mädchenschulen gegründet hatten, während die evangelischen Missionen die einheimischen Mädchen überwiegend in allgemein bildenden
Schulen, jedoch mit getrenntem Hand- und Hausarbeitsunterricht, gebildet
hatten.
In den missionarischen allgemein bildenden Schulen, in den speziellen
Mädchenschulen, in den Abend-, Sonntags- und Frauenschulen sowie in
den Frauenvereinen wurden die einheimischen Frauen und Mädchen nach
dem deutschen Frauenideal des ausgehenden 19. Jahrhunderts zu christlichen Müttern, Hausfrauen und Gattinnen ausgebildet. Die vergleichende
Analyse der Bildungsumstände und -institutionen des einheimischen weiblichen Geschlechts sowie der Berufsmöglichkeiten der gebildeten Frauen in
den Kolonialgebieten zeigt die koloniale und missionarische Frauen- und
Mädchenbildung nicht als ein bloßer Transfer bzw. Export des deutschen
Frauenideals in die Kolonien, wie es Prodolliet (1987 und 1993) dargestellt
hat, sondern als eine verzerrte, an die Kolonialumstände und -zusammenhänge angepasste Reproduktion der damaligen deutschen Mädchenbildung
in den Kolonialgebieten.
Die Gegenüberstellung der kolonialen und missionarischen Frauen- und
Mädchenbildung mit der Geschlechterverteilung im heutigen Bildungswesen in den aus den deutschen Kolonien entstandenen Ländern deutet eine
Kontinuität der Geschlechterverhältnisse im Bildungssystem an, die nur
durch weitere Forschungen über die Bildungspolitik nach der deutschen
Kolonialzeit bestätigt werden soll.
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Die koloniale und missionarische Mädchenbildung in Afrika war nur ein
kleiner Teil eines ganzen Bildungssystems in den Kolonien, dessen eigentliches Ziel darin bestand, den einheimischen Bevölkerungsgruppen die
okzidentale Zivilisation zu bringen, ob sie sich es wünschten oder nicht,
und somit implizit günstige soziokulturelle Bedingungen zur Kolonisierung
Afrikas zu schaffen. Diese europäische missionarische und koloniale Intervention in Afrika basierte eigentlich nicht auf dem evangelischen Missionierungsruf oder auf der aus den evolutionistischen Theorien abgeleiteten
Pflicht, nach der die ‚zurückgebliebenen Völker’ von den ‚Fortgeschrittenen’ ‚zivilisiert’ werden sollten, wodurch Mission und Kolonisation dann
als humanitäre Hilfsmaßnahmen ausgewiesen werden konnten (vgl. Erny/
Rothe 1992, S. 106), sondern mehr und fast ausschließlich auf den sozioökonomischen Interessen sowie auf der überseeischen Expansionspolitik
Europas im 19. Jahrhundert.
Die deutschen Kolonisatoren, denen alle Wege recht waren, sofern sie zu
ihren Zielen, nämlich der Etablierung der kolonialen Herrschaft und der
wirtschaftlichen Ausbeutung der Kolonien führten, scheuten kein Mittel,
die Missionsschulen unter ihren Einfluss und ihre Aufsicht zu stellen und
sie somit ausschließlich in dem Dienst der Kolonialpolitik zu halten. Dies
machte aus dem gesamten missionarischen und kolonialen Schulwesen ab
den 1900er Jahren einen exklusiven Kolonialapparat zur Entfremdung und
zur Unterdrückung der Einheimischen, was den Ausschlag für den fast
nicht mehr zu verhindernden „Ethnozid d.h. Verlust der eigenen Kultur“
(Treml 1992, S. 125) gab, der dann den afrikanischen Gesellschaften bis zu
den heutigen Tagen droht. Durch diese mehr oder weniger gewaltige
Kulturberührung bzw. diesen Kulturtransfer, den Erny und Rothe (1992,
S. 105) als „gelenkte Akkulturation“ bezeichnen, und der mit dem Hintergrund ungleicher Machtverhältnisse sowie eines Ausdrucks von Herrschaft
und Unterdrückung verlief (ebd.), entstand das Identitätsdilemma 24 , unter
dem die Afrikanerinnen und Afrikaner auch heute noch leiden.
Jedoch ermöglichten die Ausdauer und die Widerstandskraft der Afrikanerinnen und Afrikaner ein Fortbestehen der einheimischen Kulturen, wenn
auch stark geschwächt und bedroht, die sich mit der westlichen Kultur zu
einer einzigartigen Kultursynthese weiter vermischen: „Das Neue ersetzte
nicht einfach das Alte, sondern vermischte sich vielmehr mit diesem, belebte es manchmal neu und führte zu neuartigen und spezifisch afrikanischen Formen der Synthese“ (Iliffe 2003, S. 285). Die aus der Synthese
entstandenen neuen Formen, die weder afrikanisch noch europäisch waren,
machten aus dem gebildeten Afrikaner einen kulturellen Hybriden, der
24
Zur allgemeinen Debatte über das Identitätsproblem und die kulturelle Hybridität der
Schwarzen siehe u.a. Fanon 1952: Peau Noire, Masques Blancs.
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nach seinem inneren kulturellen Identitätsausgleich sucht. Diese Situation
versuchte ein Missionar der katholischen Pallottiner-Mission in Kamerun,
Pater H. Skolasta P.S.M., schon 1910 durch den sehr großen Unterschied
zwischen den beiden Kulturen zu erklären, eine „gähnende Kluft“, die,
wenn sie im Namen des Evolutionismus geschlichtet werden sollte, nicht in
wenigen Jahren überwunden werden könne:
„Zwischen der Kultur unserer Neger und der europäischen liegt eine
weite, gähnende Kluft, die nicht übersprungen werden kann, sondern
überbrückt werden muss. Das, was wir dem Neger bringen, liegt so hoch
über seinem bisherigen Horizont, ist so neu und steht so im Gegensatz zu
seinen Jahrhunderte alten Gewohnheiten, daß die paar Jahre europäischen Einflußes und Unterrichtes nicht imstande sein konnten, ihm jene
Dauerhaftigkeit auf dem neu betretenen Wege zu geben, die man von
einem selbständigen Menschen vernünftigerweise verlangen muss“ (Der
Stern von Afrika 1910, S. 164).
Diesen Prozess von Kulturbegegnung, wodurch sich unterschiedliche Kulturen über die Kontrolle der handelnden Personen hin vermischen, so dass
neue kulturelle Verhaltensweisen, Werte und Repräsentationen entstehen,
bezeichnen die Kulturwissenschaftler als Transkulturalität (vgl. Lubrich
2002, S. 110) 25 .
Die spezielle Bildungsintervention der Missionen an den einheimischen
Mädchen und Frauen erfolgte nicht nur mit der Ansicht, das damalige auf
den herrschenden ideologischen und philosophischen Geschlechterdifferenz-Theorien basierende deutsche Bildungsmodell mit der Trennung der
Geschlechter in den Kolonien zu reproduzieren. Dieses Modell wurde sogar während der kolonialen Epoche in Deutschland heftig diskutiert und
unterlag vielen Reformbemühungen. Die missionarische und koloniale
Mädchen- und Frauenbildung in Afrika wurde eher strategisch gedacht:
Durch die Heranbildung einheimischer Mädchen und Frauen zu christlichen Hausfrauen, Gattinnen und Müttern, die ihren Einfluss auf die Familien nehmen konnten, wollten die Missionen die Jugend und auch die Männerwelt gewinnen und somit eine schnelle Ausbreitung der christlichen Religion, Trägerin der westlichen Kultur, und dadurch die Zukunft sichern.
Wenn auch bis zum plötzlichen und unerwarteten Ende der deutschen Kolonialherrschaft in Afrika durch den im Jahre 1914 ausgebrochenen Krieg
nur eine kleine Gruppe von Mädchen und Frauen an der europäischen
christlichen Bildung teilhatte, nahm diese ideologische Beeinflussung im
kolonialen sozio-psychologischen Kontext schon ein gewisses Ausmaß an
25
Zur allgemeinen Debatte um Mission und Transkulturalität siehe Alsheimer 2000:
Mission, Missionare und Transkulturalität. In: Jahrbuch für Volkskunde der GörresGesellschaft 23, S. 189-240.
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und konnte in den nachkolonialen Regierungs- und Bildungssystemen nicht
beseitigt werden.
Der Ausschluss der Mädchen aus dem Regierungsschulwesen, die allgemeine Beschränkung der missionarischen Mädchenbildung auf das Elementarniveau und die Betonung der Haus- und Handarbeiten sowie die
Festlegung der Bildungsprofile für Mädchen fast ausschließlich auf christliche Hausfrauen, Gattinnen und Mütter positionierten und fixierten die
Schulbildung vorwiegend als Männerbereich in den Mentalitäten der Einheimischen. Das durch die christliche Heranbildung der Mädchen eingeführte Frauenbild und das neue Familienleben entrissen den einheimischen
Frauen ihren traditionellen freien Handlungsspielraum sowie ihre einheimischen wirtschaftlichen Beschäftigungen, zogen sie aus ihrer Unabhängigkeit und führten sie in die Dependenz von den Männern. Diese negativen
Auswirkungen und Folgen der Mädchen- und Frauenbildung liegen nicht
am Wesen der Schule als Erziehungs- und Bildungsinstitution, sondern
mehr am Schulbetrieb in den Kolonien, der durch die Lehrinhalte und -methoden zu stark an das damalige europäische Bildungsmodell angelehnt war
und im einzigen Interesse der Missionen und der Kolonialpolitik durchgeführt wurde.
Darüber hinaus war die Missionierung und die Kolonialisierung Afrikas
durch Europäerinnen und Europäer der Anlass einer Begegnung von zwei
verschiedenen Gesellschaften und Kulturen, die unterschiedlich organisiert
waren und in denen soziale Schichten nach der Arbeitsteilung und Geschlechterdifferenz herrschten (für die europäische Gesellschaft vgl. Durkheim 1988; für die afrikanische Gesellschaften vgl. Müller 1984).
Mit der Kolonisation und der Einführung des kapitalistischen Handels und
der europäisch geprägten Bildung sowie mit der Ansiedlung von europäischem Handels-, Kolonial- und Missionspersonal entstand eine neue
Schichtung der Gesellschaft (Akakpo-Numado 2003, S. 199ff.), die nicht
nur nach der Arbeitsteilung und dem Geschlecht gegliedert wurde, sondern
mehr nach kolonial-rassistischen Prinzipien (vgl. Rohrbach 1910 u. 1937;
vgl. auch Lange 1904), nach denen die Afrikaner die ‚unterlegene Rasse’
sind, die von den Weißen, der ‚überlegenen Rasse’ geführt und ‚zivilisiert’
werden sollten:
„die afrikanischen Rassen sind zwar widerstandsfähiger gegen schädigende Wirkungen des Klimas und der Umwelt als wir Weiße es sind,
aber nach ihrer rassenhaften geistigen Veranlagung stehen sie nicht nur
zeitweilig, sondern dauernd hinter uns zurück und sind daher dazu bestimmt, von uns geführt zu werden“ (Rohrbach 1937, S. 73).
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Der Verfasser führte fort und betonte noch die angebliche fehlende geistige
Veranlagung bei den schwarzen Menschen, die die Weißen dazu legitimierte, „die große Sanierungsarbeit“ in den Kolonien in Afrika durchzuführen:
„Nach allen vorliegenden Erfahrungen ist in diesem Sinn der Neger
gegenüber dem Weißen rassenhaft inferior, darum gehört er unter die gerechte und humane Vormundschaft des Weißen, denn dieser allein ist im
Stande, die große Sanierungsarbeit durchzuführen und die Masse von
physischer Kraft und Bildungsfähigkeit, die im Neger steckt, für das Ziel
der Kulturförderung im ganzen zu organisieren. [...] An physischer Kraft
fehlt es dem Neger nicht, wohl aber an der höheren seelischen Qualität,
jenem immateriellen Anhauch, der uns höhere Ziele setzt als die bloße
Erhaltung des Daseins“ (ebd., S. 124f.).
Die Kolonialgesellschaft teilte sich nach den kolonial-rassistischen Prinzipien in zwei große Klassen: die obere Klasse der herrschenden Europäer
bzw. der Weißen, die viele Privilegien in den Kolonialverhältnissen genossen, und die untere Klasse der Einheimischen bzw. der Schwarzen, die Untertanen des deutschen Reiches, dessen Vertreter die Kolonialherren und
auch die Missionare waren. Die einheimischen Afrikanerinnen und Afrikaner sollten für die deutsche Wirtschaft arbeiten, und daher sollten sie nach
den Kolonialtheoretikern zur ‚Arbeit erzogen’ (vgl. Cohen 1993) und sogar
gezwungen werden. Carl Peters (1912) schrieb in diesem Sinne:
„Der Neger ist von Gott zur Roharbeit geschaffen. [...] Es würde dem
Neger nicht eben schaden, eine Reihe von Jahren dem Staate dienen zu
müssen, wie das der deutsche, französische und russische Staatsbürger
zu tun hat. [...] Im weißen Staatswesen hat der Einzelne für Sicherheit
von Leben und Eigentum mit Gegenleistungen zu zahlen. Weshalb soll
wohl gerade der Schwarze, der an moralischer Qualität durchaus hinter
unserer Rasse zurücksteht, solche Vorteile geschenkt bekommen? Man
beweise mir, dass es inhuman ist, einen Faulpelz zur Arbeit zu zwingen.
[...] Kein Mensch verlangt Rückkehr zur Sklaverei. Aber wir wollen
durch den gesetzlichen Zwang, den Staaten auszuüben vermögen, eine
Erziehung des Negers zu den Anschauungen unseres europäischen Wirtschaftssystems“ (S. 129f.; zit. in: Markmiller 1994, S. 156).
Damit die Einheimischen dieses Untertanengefühl verinnerlichen konnten 26 , wurden die Beziehungen und die Kontakte zwischen den Europäern
26
In Togo beispielsweise verordnete der Gouverneur Graf Zech Anweisungen über zu
lehrende „Pflichten der Eingeborenen gegenüber der Regierung“, deren Punkte zehn
bis zwölf lauteten:
10. Was müssen aber alle Eingeborenen dem deutschen Kaiser erweisen? Alle Eingeborenen müssen dem deutschen Kaiser Treue und Gehorsam, Liebe und Ehrfurcht erweisen.
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und den Einheimischen gesetzlich geregelt. Bezüglich der Sittlichkeit in
den Kolonien hielten die Deutschen es sogar für einen „nationalen Verrat“,
dass die Kolonialbeamten sexuelle Beziehungen mit den Afrikanerinnen
hatten (Koloniale Zeitschrift 1910, S. 39 u. Die Deutschen Kolonien 1911,
S. 295f.; zit. in: Oloukpona-Yinnon 1985, S. 166). Um solche Beziehungen
zu verhindern, wurde „der Frauenbund der Deutschen Kolonialgesellschaft“ gegründet, um die Einwanderung deutscher Frauen in die Kolonien
zu organisieren (vgl. Christiani 1995).
Die aus den Beziehungen zwischen Europäern und Afrikanerinnen geborenen Kinder, die als „Mulatten“, „Mischlinge“ oder „Mischlingskinder“ bezeichnet wurden, wurden von den Kolonisatoren als Afrikaner wahrgenommen und ihrem afrikanischen Elternteil meistens mütterlicherseits zugerechnet:
„Diese werden bloß in sehr beschränktem Maßstabe als Sprößlinge von
Europäern betrachtet und behandelt: Ausgenommen einiger Kleinigkeiten teilen sie in aller und jeder Beziehung das Los ihrer Mutter, die,
wenn der weiße Mann nach Europa abdampft, zu den Sitten und der Lebensweise ihrer schwarzen Verwandten zurückkehrt“ (Zöller 1885, S. 77).
Jede Klasse gliedert sich dann intern weiter nach der Geschlechterordnung,
d.h. die Männer oben und die Frauen an zweiter Stelle.
Die in den Kolonien tätigen Europäerinnen und Europäer, aus welcher sozialen Schicht sie auch in der Heimat stammten, versuchten in Afrika, sich
so hoch wie möglich und je nach dem Geschlecht in der neu entstandenen
Kolonialgesellschaft zu positionieren, d.h. in jedem Fall aber über den Einheimischen. Zu dieser Hochstellung von deutschen Missionaren, Beamten
und Händlern in Togo schrieb Sebald (1988) folgendes:
„Mancher war in die Kolonie gezogen, um den vielfältigen Zwängen im
Kaiserreich zu entgehen, und er fand in der Tat in der Togokolonie eine
größere persönliche Freiheit für sich selbst. Aber, durch das kolonialrassistische System aufgerückt in eine Führungsposition – sei es in der
Administration oder in der Mission –, bediente er sich gegenüber den
Afrikanern der gleichen Methoden, mit denen er im Kaiserreich erzogen
worden war“ (S. 470).
An der Spitze der Kolonialgesellschaft standen die Kolonialbeamten, die
europäischen Händler und das europäische Missionspersonal, also die
Weißen. Dann folgte die einheimische Bevölkerung, die sich durch die
11. Warum müssen sie dies tun? Weil der Kaiser ihr höchster Schirmherr ist.
12. Was sind dagegen alle Eingeborenen, weil sie unter der Regierung des deutschen
Kaisers stehen? Alle Eingeborenen sind die „Untertanen“ des deutschen Kaisers
(BArch R 150 FA 3/176, Bl. 90-93; abgedruckt in: Adick/Mehnert 2001, S. 155).
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europäischen Einflüsse neu gliederte: Die gebildeten Einheimischen, die in
der Kolonialverwaltung, bei den Missionsgesellschaften und im formalen
Kolonialhandel als Hilfspersonal angestellt wurden, sowie deren Gattinnen
positionierten sich hoch. Zu dieser Gruppe gehörten auch die gebildeten
einheimischen Frauen, die bei den Missionen als Gehilfinnen arbeiteten
und auch die einheimischen Händler. Dann kamen die übrigen Männern
und Frauen, die die Mehrheit bildeten und die gewöhnlichen autochthonen
Berufe ausübten, als untere Schicht.
Nimmt man dieses vereinfachte Modell als Basis, so konnte offenbar eine
kleine Gruppe von einheimischen Frauen durch die europäisch geprägte
Bildung und/oder den Erwerb eines formalen Berufes eine Stufe höher in
der kolonialen Gesellschaft kommen. Von der unteren Schicht gelangten
sie in die neu entstandene Mittelschicht, die ihre Existenzgrundlage im
kolonialen und missionarischen System und im Besonderen in der Kolonialwirtschaft hatte.
Die in den Kolonien arbeitenden Europäerinnen und Europäer, die sich
manchmal auch im Kolonial- und Missionsdienst engagiert haben, um
mehr Freiheit und einen besseren sozialen Status zu genießen, positionierten sich auf der Spitze der Gesellschaft. So wurden die Missionarsfrauen
und die Missionarinnen sowie die Siedlerfrauen zu Herrinnen in Afrika, die
in ihren Häusern von einer Schar von einheimischem Dienstpersonal umgeben waren, die für sie die Hausarbeiten verrichtete und über die sie herrschten (vgl. Konrad 2001, S. 286ff.). Es war für sie der Anlass zu einer gewissen Befreiung und zur Emanzipation, da solche deutschen Frauen in den
Kolonien nicht mehr auf ihre Rollen von Gattin, Mutter und Hausfrau beschränkt wurden, sondern zu ‚Botschafterinnen’ der abendländischen Kultur wurden. Für viele von den unverheirateten Missionarinnen war es die
Möglichkeit, einen selbständigen Beruf als Missionsschwester, als Diakonisse oder als Lehrerin auszuüben. Auch wenn sie auf dem Missionsfeld
immer als Gehilfinnen der Missionare betrachtet wurden und unter deren
Aufsicht arbeiten mussten (vgl. ebd., S. 53f.; vgl. auch S. 306ff.), hatten sie
in kurzer Zeit einen gewissen freien Handlungsraum erlangt, den sie in der
Heimat noch nicht hatten.
Diese erheblichen kolonialen und missionarischen sozialen Umwandlungen
vergrößerten die Geschlechtertrennung und schränkten die Beteiligung der
afrikanischen einheimischen Frauen am formellen wirtschaftlichen und
sozio-politischen Leben in der kolonialen Gesellschaft ein. Trotzdem spielen die Frauen heute noch eine große Rolle im wirtschaftlichen Leben in
den afrikanischen Ländern, nämlich im informellen Sektor, der auch die
größte Stellung in der Wirtschaft in den so genannten Entwicklungsländern
hat. In diesem Sektor sind zumeist genauso viele Frauen wie Männer be-
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schäftigt; sie konzentrieren sich auf Nahrungsmittelhandel und -zubereitung, Kleinhandel und persönliche Dienstleistungen (Friseurin, Näherin
usw.) (vgl. Bass/Wauschkuhn 2004, S. 79).
Abgesehen von diesen eher negativen Folgen der missionarischen und kolonialen Schulbildung in Afrika, die auf das Wesen einer jeden Kolonisation 27 zurückzuführen sind, darf nicht verkannt werden, dass die
Einführung der Schule als formale Erziehungs- und Bildungsinstitution zur
weltweiten Verbreitung der modernen Schule bzw. zur „Universalisierung
der modernen Schule“ in den letzten 200 Jahren (vgl. Adick 1992d) gehört
und den afrikanischen Bevölkerungsgruppen Möglichkeiten anbietet, die
mit den informellen einheimischen Sozialisationsformen und -praktiken
nicht erreichbar waren. Die Einführung von Schule ermöglicht die
Organisation, die Standardisierung und die Homogenisierung der
Erziehungs- und Bildungspraktiken in den unterschiedlichen
Bevölkerungsgruppen und fördert die regionale und die kontinentale
Integration. Dadurch werden die Kommunikation und die Mobilität
innerhalb Afrikas erheblich erleichtert. Darüber hinaus wird die Integration
Afrikas in das internationale moderne Weltsystem ermöglicht, was den
Transfer und die Annahme von Technologien sowie von neuen
Kenntnissen fördert, die zur Entwicklung unentbehrlich sind.
27
Jede Kolonisation zielt auf die Befriedigung imperialistischer und wirtschaftlicher
Interessen der Kolonisatoren und führt zur Unterdrückung und Ausbeutung der Kolonisierten (vgl. Brunschwig 1971).
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