Schriftliche Information gemäß § 6 EU-InfoG

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Schriftliche Information gemäß § 6 EU-InfoG:
Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend
die Transparenz von Maßnahmen zur Regelung der Preisfestsetzung bei
Humanarzneimitteln und ihrer Aufnahmen in die staatlichen
Krankenversicherungssysteme
1.
Inhalt und Ziel der Vorlage:
Zweck des Vorschlages ist es, die Regelungen der Richtlinie 89/105/EWG 1 an die
heutigen Gegebenheiten (Generika, Entwicklung immer innovativerer Arzneimittel,
komplexere Preisfestsetzungsverfahrendes, Anstieg der Arzneimittelausgaben der
öffentlichen Hand) des Arzneimittelmarktes anzupassen, wobei sie angesichts der
umfassenden Änderungen aus Gründen der Klarheit nicht novelliert, sondern durch
eine neue Richtlinie ersetzt werden soll.
Das Ziel der Europäischen Kommission (EK) besteht darin, die Verfahrenspflichten der
Mitgliedstaaten (MS) zu präzisieren und die Wirksamkeit der Regelungen sowohl bei
der Vermeidung von verspäteten Preisfestsetzungs- und Kostenerstattungsentscheidungen als auch bei der Verhinderung von Hemmnissen für den
Arzneimittelhandel zu gewährleisten.
Die neue Richtlinie (RL) stützt sich auf Art. 114 AEUV (Binnenmarkt) und unterliegt
somit dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren.
Der Vorschlag regelt, wie schon die derzeitige RL, die Fristen und das Verfahren der
Preisfestsetzung sowie die Aufnahme von Humanarzneimitteln in die staatlichen
Krankenversicherungssysteme.
Er gilt nicht für
freiwillige vertragliche Vereinbarungen, die zwischen öffentlichen Behörden
und dem Inhaber der Zulassung eines Arzneimittels geschlossen werden, um
die effektive Versorgung der Patienten mit diesem Arzneimittel unter
besonderen Bedingungen zu ermöglichen;
nationale Maßnahmen, die zur Festlegung der Preise oder der
Kostenerstattung für Arzneimittel durch die staatlichen
Krankenversicherungssysteme bestimmt sind und die nationalen oder EURechtsvorschriften über das öffentliche Beschaffungswesen, unterliegen.
1
Richtlinie des Rates vom 21. Dezember 1988 betreffend die Transparenz von Maßnahmen zur Regelung der
Preisfestsetzung bei Arzneimitteln für den menschlichen Gebrauch und ihre Einbeziehung in die staatlichen
Krankenversicherungssysteme
1
Folgende maßgebliche Änderungen bzw. Ergänzungen werden vorgeschlagen:
Verkürzung der Entscheidungsfristen um ein Drittel für die Preisgenehmigung,
außer die MS führen eine Gesundheitstechnologiebewertung durch (Art. 3);
Verkürzung der Entscheidungsfristen um ein Drittel für die Aufnahme in das
staatliche Krankenversicherungssystem außer die MS führen eine
Gesundheitstechnologiebewertung durch (Art. 7);
Speziell verkürzte Entscheidungsfristen (jeweils 15 Tage) für Generika (Art. 3
und 7);
Verkürzung der Entscheidungsfrist um ein Drittel bei Antrag auf Erhöhung der
Preise (Art. 4);
Die Fristen nach den Art. 3, 4, 5 und 7 umfassen alle administrativen Schritte,
die erforderlich sind, damit die Entscheidung getroffen und wirksam werden
kann, also auch die amtliche Verlautbarung der Entscheidung (Art. 12).
Im Rahmen der Gewinnkontrolle wird nunmehr auf die Rentabilität abgestellt
(Art. 6);
Es werden nicht nur, wie bis dato, Preisstopps, sondern auch Preissenkungen
geregelt;
Festlegung eines Rechtsmittelverfahrens an eine von der Unabhängigen
Heilmittelkommission unabhängige Stelle inkl. weitreichender Sanktionen (u.a.
Zwangsgeld, Schadenersatz) bei Nichteinhaltung der Fristen für die Aufnahme
von Arzneimitteln in die staatlichen Krankenversicherungssysteme (Art. 8);
Bei Nichteinhaltung der Fristen nach Art. 3 und 4 ist der Antragsteller
berechtigt, das Arzneimittel zu dem vorgeschlagenen Preis in Verkehr zu
bringen bzw. die beantragte Preiserhöhung anzuwenden.
Festlegung, dass die MS im Rahmen der Entscheidungen keine erneute
Bewertung der Elemente (etwa Qualität, Sicherheit, Wirksamkeit und
Bioäquivalenz) vornehmen, auf denen die Zulassung beruht (Art. 13);
Klarstellung, dass es sich bei Entscheidungen nach Art. 3, 7 und 9 um
Verwaltungsverfahren handelt und der Schutz des Rechts des geistigen
Eigentums keine Grundlage zur Versagung, Aussetzung oder dem Widerruf
dieser Entscheidungen bietet (Art. 14);
Verpflichtung zur Konsultation interessierter Kreise (Art. 15);
Notifikation an die EK von geplanten Maßnahmen der MS die unter diese RL
fallen, inklusive Begründung. Anmerkungen der EK sind möglichst weitgehend
zu berücksichtigen (Art. 16)
Berichtspflicht des MS über die Anwendung der Fristen (Art. 17).
2.
Stand des Verfahrens auf europäischer Ebene:
01.03.2012 EK
06.03.2012 Rat
26.03.2012 RAG
Vorschlag
Übermittlung an MS
Vorstellung durch EK
COM(2012) 84 final
Dok. 7315/12
2
3.
Position:
Das BMG steht dem Entwurf der EK aufgrund der weitreichenden Einschnitte in das
bestehende und bewährte System des Erstattungskodex, der überaus kurzen
Umsetzungsfrist, der zu erwartenden Mehrkosten sowie des unverhältnismäßigen
Eingriffs in die Souveränität der MS ablehnend gegenüber.
4.
Auswirkungen auf die österreichische Gesetzeslage:
Eine Umsetzung des von der Kommission vorgeschlagenen Entwurfs hätte massive
Auswirkungen auf die derzeit in Österreich bestehende Gesetzeslage. Beispielsweise
seien angeführt:
eigenes Verfahren für wirkstoffgleiche Nachfolgeprodukte
Das ASVG unterscheidet bei den geltenden Fristen nicht zwischen generischen
und nicht-generischen Produkten. Es müsste ein eigenes – stark verkürztes –
Verfahrensrecht für Generika geschaffen werden. Da die Entscheidung über
die Aufnahme in das staatliche Krankenversicherungssystem (Art. 7) und den
Preis (Art. 3) in Summe nicht nur binnen 30 Tagen getroffen und zugestellt,
sondern auch amtlich verlautbart werden muss, erscheint eine Befassung der
Heilmittel-Evaluierungs-Kommission (§ 351g Abs. 2 ASVG) ebenso wenig
möglich, wie ein gesondertes Stellungnahmerecht des betroffenen
Unternehmens während des Verfahrens. Das ASVG und insbesondere die
Verfahrensordnung zur Herausgabe des Erstattungskodex (VO-EKO) definieren
den Begriff des wirkstoffgleichen Nachfolgeproduktes, der mehr umfasst als
bloß Generika2. Sinnvollerweise sollten die neu zu schaffenden Regelungen
daher nicht bloß für Generika, sondern alle wirkstoffgleichen
Nachfolgeprodukte gelten.
untermonatige Verlautbarungen
Die Fristen der Art. 3, 4, 5 und 7 umfassen alle administrativen Schritte, die
erforderlich sind, damit die Entscheidung getroffen und wirksam werden kann,
daher inkludieren sie auch die monatlichen amtlichen Verlautbarungen, die
der Hauptverband nach §§ 31 Abs. 8 und 351c Abs. 1 ASVG vorzunehmen hat.
Insbesondere bei Generika aber auch bei Nicht-Generika3 können daher
untermonatige Verlautbarungen erforderlich sein. Dies bedeutet für den
Hauptverband einen erhöhten administrativen Aufwand.
2
Ein solches liegt vor, wenn es den gleichen Wirkstoff, die gleiche Wirkstoffstärke und die gleiche oder praktisch gleiche
Darreichungsform hat wie eine bereits im Gelben oder Grünen Bereich des Erstattungskodex angeführte Arzneispezialität
(vgl. Entscheidungen der Unabhängigen Heilmittelkommission zu 106/1-UHK/08, 109/1-UHK/09 und 123/0001-UHK/2010).
3
Wenn dem zuvor gemachten Vorschlag, diese Regelungen nicht nur auf Generika, sondern alle wirkstoffgleichen
Nachfolgeprodukte anzuwenden, gefolgt wird, dann sind untermonatige amtliche Verlautbarungen selbstverständlich auch
bei den wirkstoffgleichen Nachfolgeprodukten notwendig, die keine Generika sind.
3
detaillierte Bekanntgabe der erforderlichen Unterlagen und Angaben
Nach Art. 3, 4 und 7 haben die MS detailliert festzulegen, welche Angaben und
Unterlagen vom Antragsteller einzureichen sind. Diesen Bestimmungen ist
gleich, dass keinerlei Zusatzangaben nachgefordert werden dürfen, die nach
den nationalen Vorschriften oder administrativen Leitlinien nicht ausdrücklich
erforderlich sind. Die MS müssen somit alle rein theoretisch notwendigen
Unterlagen und Angaben fordern, auch wenn die Wahrscheinlichkeit, dass sie
tatsächlich benötigt werden, gering ist. Dies bedeutet sowohl für die
antragstellenden Unternehmen als auch für die Behörden einen enormen
administrativen Mehraufwand.
keine Prüfung der von der Zulassung geprüften Inhalte
Die Bioäquivalenz ist ein wesentliches Kriterium bei der Feststellung, ob ein
wirkstoffgleiches Nachfolgeprodukt vorliegt bzw. ob die dementsprechenden
Preisbildungsregelungen anzuwenden sind, weil hiermit Aussagen über die
Austauschbarkeit der Produkte getroffen werden. Wenn der Hauptverband die
Bioäquivalenz nun nicht mehr selbst prüft, sondern sie aufgrund der Zulassung
als gegeben betrachten muss, dann hat dies auch für die betroffenen
Unternehmen zu gelten. Allfällige Bedenken sind dann an das Bundesamt für
Sicherheit im Gesundheitswesen zu richten. Dadurch dass keine eingehende
Prüfung der tatsächlichen Austauschbarkeit mit den vorhandenen
Vergleichsprodukten mehr möglich ist, entfällt ein wesentlicher Beitrag zur
Patient/inn/ensicherheit.
jederzeitige Antragstellungsmöglichkeit
Derzeit sieht § 351d Abs. 3 ASVG vor, dass ein neuerlicher Antrag hinsichtlich
ein und derselben Arzneispezialität nur zulässig ist, wenn das antragstellende
Unternehmen wesentliche neue Erkenntnisse nachweist. § 33 Abs. 4 VO-EKO
sieht für Preiserhöhungsanträge vor, dass solche für im Erstattungskodex
angeführte Präparate frühestens 24 Monate nach der Aufnahme bzw. der
letzten Preiserhöhung gestellt werden dürfen. Wenn diese Regelungen
entfallen, führt das dazu, dass mehr Preiserhöhungsanträge gestellt werden
und damit dazu, dass die Heilmittelausgaben der sozialen
Krankenversicherung steigen werden.
eigene Rechtsmittelstelle bei Überschreitung der Fristen nach Art. 7
Art. 8 verlangt, dass dem Antragsteller wirksame und rasche Rechtsmittel zur
Verfügung stehen, falls die Fristen nach Art. 7 nicht eingehalten werden, wobei
diese Stelle von den Behörden unabhängig sein muss, die für die Kontrolle der
Preise von Arzneimitteln oder für die Festlegung, welche Arzneimittel unter
ein staatliches Krankenversicherungssystem fallen, zuständig sind. Diese Stelle
ist jedenfalls als Gericht iSd Art. 267 AEUV einzurichten (Tribunal iSd Art. 6
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MRK) und soll einstweilige Verfügungen erlassen, Schadenersatz zusprechen
und Zwangsgeld verhängen dürfen. Diese Stelle hat somit von der
Unabhängigen Heilmittelkommission verschieden und ein Gericht iSd Art 82 ff
B-VG zu sein, was, insbesondere wenn Sachverständige hinzugezogen werden,
zu erhöhten Kosten für alle Beteiligten führt.
Folgen bei Überschreitung der Fristen nach Art 3 und 4
Bei Nichteinhaltung der Fristen nach Art. 3 und 4 ist der Antragsteller
berechtigt, das Arzneimittel zu dem vorgeschlagenen Preis in Verkehr zu
bringen bzw. die beantragte Preiserhöhung anzuwenden. Dies führt
zwangsläufig zu höheren Heilmittelausgaben für die soziale
Krankenversicherung.
Begrenzung/Förderung der Verschreibung bestimmter Arzneimittel
Art. 11 des Entwurfs regelt die Setzung von Maßnahmen, die auf das
Verschreibeverhalten abzielen. Diese haben auf objektiven und überprüfbaren
Kriterien zu beruhen. Auf Antrag des Zulassungsinhabers, dessen Interessen
oder Rechtsstellung durch solche Maßnahmen beeinträchtigt werden, haben
die zuständigen Behörden die objektiven Daten und Kriterien anzugeben, die
zugrunde gelegt wurden, als diese Maßnahmen gegen das konkrete
Arzneimittel ergriffen wurden. Bei strenger Auslegung dieser Regelungen
haben den Zulassungsinhabern somit Rechtsmittel gegen das Ökotool und die
Richtlinien über die ökonomische Verschreibweise von Heilmitteln und
Heilbehelfen (§ 31 Abs. 5 Z 13 ASVG) zur Verfügung zu stehen.
Entfall der EURIPID-Datenbank
Nach Art. 6 Z. 4 der geltenden RL haben die MS eine vollständige Liste der
Erzeugnisse, die unter ihr Krankenversicherungssystem fallen, sowie deren von
ihrer zuständigen Behörde festgelegten Preise der EK zu übermitteln und diese
Liste einmal jährlich auf den aktuellen Stand zu bringen. Ergebnis dieser
Bestimmung war die Schaffung der EURIPID-Datenbank. Diese wird von vielen
Mitgliedstaaten als sehr nützliches Instrument gesehen, wenn es darum geht,
Transparenz zwischen den einzelnen Staaten zu schaffen. Der nunmehrige
Entwurf sieht keine derartigen Meldungen mehr vor. Es ist zu befürchten, dass
die EURIPID-Datenbank eingestellt wird, wodurch ein wesentlicher Beitrag zu
mehr Transparenz verloren geht.
5.
Finanzielle Auswirkungen:
Da
die Entscheidungsfristen (mit Ausnahme jener Verfahren, in denen
Gesundheitstechnologiebewertungen vorgenommen werden) bei
Gesundheitstechnologiebewertung auf 2/3 bzw. bei Generika (sinnvollerweise
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dann darüber hinaus für alle wirkstoffgleichen Nachfolgeprodukte) auf 1/6
reduziert werden,
im Falle der Generika (sinnvollerweise dann darüber hinaus bei allen
wirkstoffgleichen Nachfolgeprodukte) weniger Zeit für Preisverhandlungen zur
Verfügung steht,
die Entscheidungsfristen alle administrativen Schritte, die zum Inkrafttreten
erforderlich sind (also auch die amtlichen Verlautbarungen), zu enthalten
haben,
untermonatige amtliche Verlautbarungen einen erhöhten administrativen
Aufwand bedeuten,
Aufnahme-, Preis- und Preiserhöhungsanträge jederzeit gestellt werden
können,
im Falle der Nichteinhaltung der Fristen nach Art. 3 und 4 der Antragsteller
berechtigt ist, das Arzneimittel zu dem vorgeschlagenen Preis in Verkehr zu
bringen bzw. die beantragte Preiserhöhung anzuwenden,
im Falle der Nichteinhaltung der Fristen nach Art. 7 ein Gericht als
Rechtsmittelinstanz vorgesehen ist und
eine weitere Rechtsmittelstelle geschaffen wird,
ist mit steigenden Kosten für die Abwicklung der nach dieser Richtlinie gestalteten
Verfahren sowie mit steigenden Heilmittelkosten der sozialen Krankenversicherung
zu rechnen.
6.
Verhältnismäßigkeit und Subsidiarität:
Mit Umsetzung der Vorgabe, dass Änderungswünsche der EK möglichst weitgehend
zu berücksichtigen sind (Art. 16), hätte die EK in einem Bereich, der aufgrund der
Verträge in den primären Gestaltungsbereich der Mitgliedstaaten fällt, einen direkten
Einfluss auf die Rechtssetzung in den MS. Nicht übersehen werden darf, dass die MS
ihre Regelungen schnell an aktuelle Änderungen/Situationen anpassen können
müssen. Den MS wird durch die Forderung, geplante Maßnahmen vorab der EK zur
Stellungnahme zu übermitteln und diese auch abzuwarten, um allfällige
Änderungsvorschläge einzubauen, die Möglichkeit, rasch auf besondere Umstände zu
reagieren, genommen.
Zur Prüfung, ob innerstaatliche Vorschriften mit dem Unionsrecht vereinbar sind, ist
zudem nur der EuGH berufen.
Darüber hinaus ist zu bezweifeln, inwieweit
kürzere Entscheidungsfristen
unterschiedliche Verfahren für Generika bzw. Nicht-Generika
zwei getrennte Rechtsmittelinstanzen
zu transparenteren Entscheidungen führen.
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Nicht zuletzt ist festzuhalten, dass Wettbewerbsverzerrung dahingehend entsteht,
dass eine Gruppe von Unternehmen sehr restriktiven Bedingungen unterworfen und
der Wettbewerb verschiedener Anbieter (Lieferanten) unterbunden wird.
Die vorgeschlagenen Regelungen sind daher überschießend und verstoßen in ihrer
Gesamtheit gegen das Subsidiaritätsprinzip.
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