Planen & Bauen Nachhaltig Bauen zahlt sich aus. Wer beim Bau seines Eigenheims auf einen schonenden Umgang mit Ressourcen achtet und eine Energie sparende Bauweise sowie innovative Heizsysteme bevorzugt, schont nicht nur die Umwelt, sondern auch das Portemonnaie. 01 | 2012 traumhaus 67 Planen & Bauen plusenergiehaus Kompakt, flexibel und natürlich Redaktion Anita Simeon Lutz FOTOS Alex ander Gempeler D ie Bauherrschaft, Simone und Matthias Niggli-Luder, hat den Wunsch nach einem Eigenheim stark mit dem Grundsatz eines nachhaltigen Hausbaus verbunden (siehe Interview auf Seite 5). Sie hat mit ihrer Offenheit für neue Ideen und Entwicklungen sowie mit dem Einbezug von innova­tiven Partnern entscheidend zu einem gelungenen Bau beigetragen. Bereits der Entscheid, nicht irgendwo auf der grünen Wiese, sondern inmitten des bestehenden Siedlungsgebietes zu bauen, unterliegt dem zukunftsfähigen Grundgedanken, den Siedlungsraum im Innern qualitativ zu verdichten. Dieser Gedanke der Quartiersverdichtung bedingt eine präzise Setzung des Baukörpers, damit eine möglichst hohe Privatheit von Aussen- und Innenräumen gewährleistet werden kann. Das Plusenergiehaus am Luchliweg in Münsingen passt sich hervorragend in die vorhandene Umgebung ein. Nachhaltig von innen wie von aussen. Kompakt, aber Flexibel Luft, Licht und Sonne bilden die Basis der Architektur. Die offene Raumabfolge (Wohnen-EssenArbeiten) über drei Geschosse nutzt den Sonneneinfall, schafft unterschiedliche Lichtstimmungen und definiert geschützte Ein- und Ausblicke. Im 68 traumhaus 01 | 2012 Die Öffnungen sind präzise gesetzt und reflektieren in ihrer Art und Grösse die Räume, die sich dahinter verbergen. 01 | 2012 traumhaus 69 Planen & Bauen plusenergiehaus chen Anstellwinkels (5° und 10°) der Module werden mehr als 95 Prozent des maximal möglichen Energieertrags erreicht. Zusätzlich reduziert der ressourcenschonende Holzofen den Energiebedarf der Wärmepumpe. Die Komfortlüftung mit der Tag-Nacht-Zonenschaltung optimiert den Wärmeverlust. Mannigfaltige Raumbezüge in der Vertikalen wie in der Horizontalen machen den Charme des Gebäudes aus. Dicht konstruierte Gebäude stellen zur Gewährleistung eines optimalen Luftwechsels mittels Öffnen und Schliessen von Fenstern hohe Anforderungen an die Bewohner. ­Im Gegensatz dazu ermöglichen Komfortlüftungsanlagen die Bereitstellung eines hygienisch und energetisch optimalen Luftwechsels, welcher zudem, je nach den individuellen Bedürfnissen, automatisch gesteuert werden kann. Ein raffiniertes Beschattungssystem verhindert eine Überhitzung im Sommer. Die Räume sind flexibel nutzbar und damit auf Veränderungen vorbereitet. Dank der Konstruktion und der Gebäudetechnik weist das Gebäude eine positive Ge- Die passive Sonnennutzung macht einen grossen Teil des Energiekonzepts aus. «Holz, SchafwOlle, lehm und K alkputz lassen das haus atmen und generieren behaglichkeit.» Sommer durch Vordächer und Storen geschützt, strahlt im Winter die Sonne tief ins Innere und erwärmt die Speicherwände und Holzoberflächen. Präzise Fensteranordnungen verleihen den Räumen ihren jeweiligen Charakter. Nebst der passiven Sonnennutzung versorgt die integrierte und vollflächige Fotovoltaikanlage auf dem Flachdach das Gebäude mit Solarstrom. Mit der richtigen Kombination von Holz und Kalksandstein wurde die nötige Speichermasse im Haus eingebaut, die ermöglicht, dass die Sonnenwärme über Stunden in die Räume abgestrahlt wird. Der individuell geplante und zum grössten Teil vorfabrizierte Holzbau wurde in nur zwei Tagen aufgerichtet. Die Vorfertigung in der Werkstatt und die trockene Bauweise ermöglichten kurze Bauzeiten und eine hohe Bauqualität. holz aus Schweizer wald Die ganze Holzkonstruktion ist mit Schweizer Schafwolle ausisoliert und aussen mit einer lasierten Bergfichtenholzverkleidung gegen Wind und Wetter geschützt. Die Aussenwände und das Dach sind hinterlüftet konstruiert, 70 traumhaus 01 | 2012 womit im Sommer ein grosser Teil der Strahlungswärme ausgelüftet und die dunkle Fassade vor allzu starker Erhitzung geschützt wird. Das verbaute Holz stammt aus heimischen Wäldern und wächst in der Schweiz in rund zwei Minuten wieder nach. Die Nachhaltigkeit des Projekts zeigt sich aber nicht nur in der Materialisierung des Gebäudes. Auch konzeptionell wird am gleichen Strick gezogen. Nutzungsflexible Grundrisszonen, eine vielfältige Erschliessung der Räume sowie mannigfaltige Sicht- und Raumbezüge eignen sich hervorragend für eine langfristige, sich wandelnde Nutzung als Wohn- und Arbeitsgebäude. Eine effiziente Wärmepumpe erzeugt die benötigte Wärme für Heizung und Warmwasser. Das ökonomische Heizkonzept hat es ermöglicht, eine neuartige, vollintegrierte Fotovoltaikanlage auf dem Flachdach zu installieren. Das System der «3S Photovoltaics» für Steildächer ist auch optimal für ästhetische und witterungsabweisende Flachdachinstallationen geeignet. Die gebäudeintegrierte Anlage mit 59 «MegaSlate»-Laminate liefert jährlich etwa 7500 kWh. Trotz des fla- samtenergiebilanz auf. Das Gebäude produziert rund zwanzig Prozent mehr Energie, als für die Deckung des gesamten Energiebedarfs (Heizen, Warmwasser und elektrische Stromversorgung) benötigt wird. Der Mehrwert des Plusenergiehaus-Standards (Wohnund Raumkomfort, keine Energiekosten) löst rund fünf bis zehn Prozent Mehrinvestitionen gegenüber dem Minergie-Standard aus. Mittelfristig gesehen rechnen sich diese Investitionen allemal. Gesunde Innenräume Natürliche und nachwachsende Materialien wie Holz, Schafwolledämmung, Kalkputz und Lehmfarbe, verbunden mit der Strahlungsheizung (Wandheizung), schaffen ein gutes Raumklima. Temperatur- und Feuchtigkeitsgefälle werden auf natürliche Weise durch die atmungsaktive und dampfdiffusionsoffene Gebäudehülle ausgeglichen. Die Innengestaltung mit den unterschiedlichen Oberflächen, Farben und Materialen unterstreicht die Raumqualitäten und vermittelt die unvergleichliche Behaglichkeit und den Wohnkomfort eines Holzhauses. Von der Küche sieht man durch das Wohnzimmer in den Garten. 01 | 2012 traumhaus 71 Planen & Bauen plusenergiehaus obergeschoss ERDgeschoss Ximaximet pra sint incturit et ut pres et et atquia imus. Gartengeschoss Fensteröffnungen hat uns sehr interessiert. Aber auch die nachhaltige Materialisierung, verbunden mit einer Gesamtgestaltung war bei diesem Haus einmalig. Dieter Aeberhard dadarchitekten GmbH, Bern www.dadarchitekten.ch Welches waren für Sie die grössten Herausforderungen bei der Planung dieses Hauses ? Die Verbindung eines innovativen Haustechnikkonzepts mit offenen Raumbezügen über drei Geschosse stellte besondere Anforderungen an Planer und Unternehmer. Optimierung war nicht nur bei der Verbindung von Holz- und Massivbau gefragt, sondern auch beim Einsatz von Techniksystemen. Zudem haben wir besonders auf die Einbettung des Gebäudes in das alte Villenquartier wie auch auf die Ausformulierung der Raumabfolgen im Innern des Gebäudes grossen Wert gelegt. Was waren die architekto­ nischen Highlights ? Die Spiel von Licht und Schatten ausgehend von den unterschiedlichen 72 traumhaus 01 | 2012 Sie befassen sich auch bei anderen Projekten mit Energie- und Nachhaltig­ keitsfragen. Wie würden Sie den Zustand des schweizerischen Gebäudeparks einschätzen ? Wie allgemein bekannt, herrscht ein enormer Nachholbedarf in Bezug auf energetische Sanierungen. Uns ist es aber bei einem Um- wie bei einem Neubau wichtig, die vorhanden Qualitäten – sei dies eines Ortes oder eines bereits bestehenden Gebäudes – zu schätzen und den Weiterbau im Sinne des Bestehenden voranzutreiben. Welche Tipps geben Sie unseren Leserinnen und Lesern ? Es lohnt sich, langfristig zu planen. Nachhaltigkeit im Baubereich zahlt sich nicht nur langfristig, sondern auch kurz- und mittelfristig aus. Dabei ist die Auswahl kompetenter Partner sowohl im Planungswie im Ausführungsbereich entscheidend. Technische Angaben Projektgrösse Bruttogeschossfläche 250 m² | Energiebezugsfläche 241 m² | Nettonutzfläche 160 m² | Volumen 908 m³ | Land 400 m² Gebäudehülle U-Werte: Fassade, Dämmung 34 cm, 0,12 W/m²K | Dach, Dämmung 27 cm, 0,15 W/m²K | Fenster (Glas + Rahmen) 0,4 cm, 0,14 W/m²K | Dichtigkeit, gemessen: 0,4/h | Flächenanteil Fenster 27,1 Prozent Energiebilanz berechnet Fotovoltaik: Fläche 65 m², Ertrag 7400 kWh/a | Wärmepumpe Aeroheat, JAZ 3,47, Heizungsbedarf 7030 kWh/a, Warm­wasserbedarf 3883 kWh/a | Energiebedarf: Heizung 2025 kWh/a | Warmwasser 1119 kWh/a | Lüftung 340 kWh/a | Geräte und Beleuchtung (Zielwert) 2500 kWh/a | Energiebedarf Total: 5984 kWh/a, Energieertrag Total: 7400 kWh/a, Bilanz: 1416 kWh/a Überschuss | Energie gemessen 2011: Überschuss 4100 kWh (Bilanz 200 Prozent)