Interview Industry Sector Building Technologies Division Zug (Schweiz), 12. März 2012 „Die grünste Energie ist immer noch die, die man einspart“ Interview mit Christoph Conrad, Head of Marketing Business Unit Building Automation, Siemens Building Technologies Division, Zug, Schweiz Es herrscht derzeit eine wahre Inflation des Wortes Nachhaltigkeit. Wie definieren Sie diesen Begriff? Da gebe ich Ihnen Recht, der Begriff wird leider inflationär gebraucht. Wenn Sie zehn Personen fragen, was diese unter Nachhaltigkeit verstehen, werden Sie zehn unterschiedliche Antworten bekommen. Aus Sicht der Gebäudetechnik bedeutet Nachhaltigkeit in geschäftlich genutzten Gebäuden in erster Linie, dass der Energiebedarf für die Heizung, Klimatisierung und Beleuchtung optimiert ist. Aber auch die verbesserte Wärmedämmung und ein fortschrittliches Gebäude-Design gehören dazu. Neben diesen umweltbezogenen Punkten spielen auch die Kosten über die gesamte Lebensdauer eines Gebäudes eine Rolle sowie Nachhaltigkeit für die Nutzer, beispielsweise in Bezug auf ihre Gesundheit. Nachhaltige Gebäude nach dieser Definition verbrauchen im Schnitt 30 Prozent weniger Energie als konventionelle Bauten, haben niedrigere Instandhaltungskosten und benötigen in aller Regel auch weniger Wasser. Wie viel Energiekosten lassen sich in Gebäuden denn typischerweise einsparen? Als Faustregel kann man sagen, dass durch energetische Sanierung zwischen 15 und 40 Prozent Energie in Gebäuden eingespart werden kann. Allein in der Schweiz schlummert ein Einsparpotenzial von hunderten Millionen Franken in Gebäuden mit technisch veralteten Anlagen. Sie generieren hohe Kosten und sind auch punkto Sicherheit im Betrieb heikel. Es gibt vier wesentliche Hebel, um bestehende Gebäude auf Nachhaltigkeit zu trimmen. Das beginnt beim Austausch von Komponenten in Heizungs-, Lüftungs- oder Klimaanlagen und der Beleuchtung durch energiesparende Varianten. Viel kann auch durch den Einsatz eines Gebäudemanagementsystems erreicht werden. Sehr wichtig ist eine gute Wärmedämmung der Gebäudehülle und nicht zuletzt kann durch die Sensibilisierung der Nutzer ihr Verbrauchsverhalten verbessert werden. Eine Studie in England hat gezeigt, dass der grösste Einzeleffekt über eine Sanierung der Fassade generiert werden kann, allerdings amortisiert sich dies erst über eine 1/4 Siemens Schweiz AG Industry Sector - Building Technologies Division Gubelstraße 22, CH-6301 Zug, Schweiz Informationsnummer: ICBT201203.020d IN Public and Press Relations: Cornelia von Dewitz Telefon: +41 41 724-4363 E-Mail: [email protected] Laufzeit von 30 bis 40 Jahren. Die Gebäudetechnik und Beleuchtung schafft einen ähnlich hohen Einspareffekt in Bezug auf die CO2-Emission, allerdings mit einem viel schnelleren Payback von drei bis sechs Jahren. Anders sieht es dagegen im Neubau aus. Hier muss von vornherein sichergestellt werden, dass der Energieverbrauch möglichst gering ist, vor allem wenn das Gebäude nicht genutzt wird. Denn 80 Prozent der Kosten eines Gebäudes fallen über die Lebensdauer während des Betriebs an. 40 Prozent davon sind Energiekosten. Mit anderen Worten: Im Lebenszyklus eines Gebäudes übersteigen die Einsparungen die anfänglichen Zusatzkosten für Energieeffizienzmassnahmen. Und das meist in kurzer Zeit. Die Lebenszyklus-Betrachtung entlastet also die Umwelt und gleichzeitig den Geldbeutel der Gebäudeeigner. Sind die Kosten das einzige Motiv? Angesichts steigender Energiepreise sind Kosten schon ein Thema. Neben der reinen Kostenreduktion gibt es aber auch weitere gute Gründe für Lebenszyklus-Betrachtungen beim Planen, Bauen und Betreiben von Gebäuden: für viele Unternehmen spielt beispielsweise die Kundenbindung durch bewiesenes nachhaltiges Verhalten eine immer grössere Rolle. Ausserdem haben nachhaltige Gebäude einen positiven Effekt auf die Arbeitsproduktivität und Gesundheit der Mitarbeitenden – Aspekte, die für ein Unternehmen aus wirtschaftlicher und sozialer Perspektive wichtig sind. Der Markt verlangt also zunehmend nach neuen, innovativen Lösungen für das Planen, Bauen und Finanzieren. Grundvoraussetzung dafür ist eine intensive Partnerschaft aller Baubeteiligten von Neubauprojekten. Ein weiteres deutliches Signal des Markts sind die Zertifizierungssysteme. Im Verlauf der letzten zehn Jahre hat die Zahl der Zertifizierungssysteme stark zugenommen und sie haben sich auch geografisch verbreitet. Wir sehen sie als Wegbereiter für eine nachhaltige Immobilienwirtschaft, indem sie für Transparenz bei den Nachhaltigkeitskriterien sorgen. Es gibt viele Zertifizierungen, die da einen guten Rahmen bieten: in der Schweiz den Minergie-Standard, in Deutschland DGNB und auf globaler Ebene die LEED-Zertifizierung. Die Standards unterscheiden sich von Land zu Land etwas, dies könnte man sicher von gesetzgeberischer Seite noch besser vereinheitlichen, doch grundsätzlich sind die Standards oder Direktiven wie jene der EU für das emissionsfreie Gebäude ein Schritt in die richtige Richtung. Eine weitere Marktentwicklung ist, dass Betreiber von energieeffizienten Gebäuden mehr Miete oder einen höheren Kaufpreis erzielen können. In einer Studie in den USA hat man 500 Gebäude mit dem Energy Star oder der LEED-Zertifizierung analysiert und sie mit 10.000 Gebäuden mit ähnlichem Qualitätsstandard oder Standort verglichen. Herausgekommen ist, dass in den nachhaltigen Gebäuden 6 Prozent höhere Mietpreise und 16 Prozent höhere Verkaufspreise erzielt werden konnten. 2/4 Siemens Schweiz AG Industry Sector - Building Technologies Division Gubelstraße 22, CH-6301 Zug, Schweiz Informationsnummer: ICBT201203.020d IN Public and Press Relations: Cornelia von Dewitz Telefon: +41 41 724-4363 E-Mail: [email protected] Trotzdem: es ist doch teurer, ein energieeffizientes und nachhaltiges Gebäude zu bauen, selbst wenn man später höhere Mieten erzielen kann. Wie treten Sie diesem Argument entgegen? Energieeffiziente und nachhaltige Gebäude rechnen sich über den Lebenszyklus. Bei bestehenden Gebäuden lässt sich sogar eine Garantie für die Einsparungen abgeben – diese Einsparungen finanzieren die Investitionen. Das Finanzierungsmodell heisst Energiespar-Contracting. Bei diesem Finanzierungsmodell schliesst der Gebäudeeigner eine vertraglich vereinbarte Dienstleistung mit einem Unternehmen oder Contractor ab. Der Contractor führt in dem Gebäude Investitionen und Massnahmen zur Energieeinsparung durch. Seine Aufwendungen lässt er sich durch den Erfolg der Einsparmassnahmen, also über die reduzierten Energiekosten des Gebäudes vergüten. Der Gebäudeeigner muss nicht investieren, trägt kein Risiko und ist trotzdem an dem Erfolg der Einsparmassnahmen beteiligt. Seit 1995 wurden in rund 6.500 Gebäuden weltweit Energieeffizienzmassnahmen durchgeführt. Bis heute konnten dadurch ca. 2 Mrd. € an Energiekosten einspart werden. Davon wurde die Hälfte im Rahmen von rund 1.400 Energiespar-Contracting Projekten mit 4.500 Gebäuden realisiert. Das hat die Umwelt um rund 9,7 Millionen Tonnen CO2 entlastet. Zum Vergleich: Zürich hatte im Jahr 2008 ca. 1,25 Millionen Tonnen CO2-Ausstoss. Über diese Verträge liess sich also fast achtmal die jährliche CO2-Emission von Zürich einsparen. Wo geht die Reise bei energieeffizienten Gebäuden hin? Gebäudeeigner oder -betreiber möchten wissen, wo sie bezüglich ihres Energieverbrauchs stehen und bei der permanenten Nachregelung unterstützt werden. Oft geht dieses Energie-Management und -Monitoring im laufenden Betrieb angesichts anderer Prioritäten oder bei Unternehmen wegen des Drucks auf die Margen oder dünner Personaldecke unter. Beispiel Hotellerie: Eine Reduzierung des Energieverbrauchs wirkt sich dort sehr schnell margenwirksam aus. Durch das Aufschalten aus einer Energie-Monitoring-Zentrale auf das Gebäudeleit- und -automationssystem lässt sich die Heizungs-, Lüftungs-, Klima- und Lichtregelung kontrollieren und der Energieverbrauch optimieren. Die Berichte, die der Gebäudebetreiber zur Verfügung gestellt bekommt, sind mit konkreten Vorschlägen verbunden, wie sich die Energieeffizienz im laufenden Betrieb halten lässt. Eine Anlage, die nicht überwacht wird, läuft mittel- bis langfristig energetisch aus dem Ruder und die Energiesparpotenziale werden langsam kleiner. Ein weiterer Punkt, der nicht zu unterschätzen ist, ist die Einbindung des Gebäudenutzers beim Energiesparen. Gebäudeautomation und Einbindung des Gebäudenutzers – wie geht das zusammen? Die Regelung innerhalb von Gebäuden ist die eine Seite der Medaille. Doch ohne die Sensibilisierung der Nutzer oder Bewohner kann das volle Potenzial nicht genutzt werden. Warum 3/4 Siemens Schweiz AG Industry Sector - Building Technologies Division Gubelstraße 22, CH-6301 Zug, Schweiz Informationsnummer: ICBT201203.020d IN Public and Press Relations: Cornelia von Dewitz Telefon: +41 41 724-4363 E-Mail: [email protected] sollte man die Verbrauchsdaten, die man beim Energie-Monitoring erhebt, nicht auch den Nutzern zeigen? Eine Möglichkeit ist der „Green Building Monitor“, der Gebäudeeignern die Möglichkeit gibt, ihr Engagement und die Investitionen für den nachhaltigen Betrieb ihrer Gebäude zu visualisieren. Die erzielten Einsparungen an Primärenergie und CO2-Emissionen können gegenüber Mitarbeitenden und der Öffentlichkeit tagesaktuell und an prominenter Stelle präsentiert werden. Darüber hinaus wirbt der Monitor beständig und mit anschaulichen Zahlen, Grafiken oder Beispielen für Verhaltensänderungen beim Umgang mit Energie. Man kann also informieren und gleichzeitig immer wieder das Bewusstsein für energieeffizientes Verhalten aufrechterhalten. Studien haben gezeigt, dass allein schon das Wissen um den Energieverbrauch zu einem niedrigeren Verbrauch führt. Denn die grünste Energie ist immer noch die, die man einspart! Building Technologies Portfolio für Gebäudeautomation ist Teil des Siemens-Umweltportfolios, mit dem das Unternehmen im Geschäftsjahr 2011 einen Umsatz von rund 30 Milliarden Euro erzielte. Das macht Siemens zu einem der weltweit größten Anbieter von umweltfreundlicher Technologie. Kunden haben mit entsprechenden Produkten und Lösungen des Unternehmens im selben Zeitraum fast 320 Millionen Tonnen Kohlendioxid (CO2) eingespart, das ist so viel wie Berlin, Delhi, Hongkong, Istanbul, London, New York, Singapur und Tokio in Summe an CO2 jährlich ausstoßen. Der Siemens-Sektor Infrastructure & Cities (München) mit rund 87.000 Mitarbeitern bietet nachhaltige Technologien für urbane Ballungsräume und deren Infrastrukturen. Dazu gehören integrierte Mobilitätslösungen, Gebäude- und Sicherheitstechnik, Stromverteilung, Smart-Grid-Applikationen sowie Nieder- und Mittelspannungsprodukte. Der Sektor setzt sich aus den Divisionen Rail Systems, Mobility and Logistics, Low and Medium Voltage, Smart Grid und Building Technologies zusammen. Weitere Informationen finden Sie im Internet unter www.siemens.com/infrastructure-cities Die Siemens-Division Building Technologies (Zug, Schweiz) ist weltweit führend auf dem Markt für sichere und energieeffiziente Gebäude („Green Buildings“) und Infrastrukturen. Als Dienstleister, Systemintegrator und Produktlieferant verfügt Building Technologies über Angebote für Gebäudeautomation, Heizungs-, Lüftungs- und Klimatechnik (HLK) sowie Brandschutz und Sicherheit. Weitere Informationen finden Sie im Internet unter www.siemens.com/buildingtechnologies 4/4 Siemens Schweiz AG Industry Sector - Building Technologies Division Gubelstraße 22, CH-6301 Zug, Schweiz Informationsnummer: ICBT201203.020d IN Public and Press Relations: Cornelia von Dewitz Telefon: +41 41 724-4363 E-Mail: [email protected]