6. Die Kultur Nachdem wir die architektonischen und technischen Aspekte der römischen Badekultur ausreichend besprochen haben, können wir uns nun den sozialen und kulturellen zuwenden. Rom spielte in der Antike eine übergeordnete und herausragende Rolle, wie fast keine andere Stadt zu dieser Zeit. Rom erlangte, besonders da es Hauptstadt des römischen Weltreiches war, enorme Aufmerksamkeit. Auf diese besondere Aufmerksamkeit ist auch die außerordentlich gute, technische und kulturelle Entwicklung der Stadt zurückzuführen. In keiner anderen Stadt der antike gab es soviel Wasser wie in Rom. Die Einwohner Roms waren schon früh an einen gewissen Standard in Bezug auf Wasser gewohnt. So ist es nicht sehr verwunderlich, daß die römischen Bürger die außerordentliche Anzahl an Thermen und Bädern als normal empfanden. Einfache Leute gingen meistens in sogenannte Pachtbäder (Balnea meritoria). Pachtbäder waren Badeanlagen mittleren Stils, die oft von einer Privatperson erbaut worden waren und anschließend an einen Pächter verpachtet. Die Pachtbäder dürften der kosten wegen nicht all zu groß gewesen sein, da sich Privatleute nicht oft im Besitz von solchen Vermögen befanden, wie es die Kaiser und Feldherren hatten. (Man kann aber problemlos mit der Größe des Tullabades rechnen...J ) Besuchten sie nicht die Pachtbäder, so waren es die kleinen öffentlichen Bäder, die sogenannten Balnea publica die den Menschen die nötigen Hygienischen Einrichtungen boten. Balnea publica waren staatliche Anlagen die wie alle anderen Bäder auch, mit Beamten betrieben wurden. Wohlhabendere Bürger besuchten aber meistens die großen öffentlichen Thermen, die Thermä, in denen der Eintritt, der sogenannte Obolus etwas mehr gewesen sein dürfte als in den Pachtbädern. Die Thermä waren große, von den Kaisern oder anderen reichen Personen gestiftete Badeanlagen. Sie boten oft ein reichhaltiges Angebot an Freizeitbeschäftigung (vergl. Abs. 5.1). Von diesen großen Thermen gab es zur Blütezeit der Badekultur 11 Stück in Rom. Natürlich standen die Thermen jedermann zur Verfügung, wurden aber oft nur von Bürgern bestimmter Schichten genutzt. Sklaven z.B. ließen sich nicht in den Thermen finden, außer sie waren von ihrem Herrn mitgebracht worden, um ihm vielleicht den Rücken zu Bürsten, oder ihn mit Heißwasser zu übergießen. Die meisten wirklich reichen Bürger aber besaßen oft große Villen, die mit eigenen Privatbädern ausgestattet waren. Diese Villen und mit ihnen auch die Bäder konnten oft große und luxuriöse Ausmaße annehmen. Somit hatten die Bewohner dieser es nicht nötig, sich zum waschen in die öffentlichkeit zu begeben. Aber Waschen und Baden waren nicht nur notwendige Körpepflegemaßnahmen, sondern auch Freizeitge-staltung und Vergnügen. Mit der zunehmenden Größe und Ausstattung wurde das Baden immer angenehmer. Die Menschen trafen sich zum Beispiel zum Sport, zum Spiel, zur Unterhaltung oder zum Faulenzen. Dabei wurden Neuigkeiten ausgetauscht, Verträge gemacht, Staatsmänner bestochen, Intrigen und Verschwörungen begangen, geplaudert und getuschelt. In den großen Thermen, wie zum Beispiel denen des Diokletian hatten so viele Menschen Platz, daß diese zu richtigen Kommunikationszentren wurden. Die Thermen waren Orte, wie sonst keine anderen in Rom. Man konnte sich zwar auf den großen Piazzen treffen und dort Kommunizieren, aber dies brachte nie die Atmosphäre die in den Thermen geherrscht hat. Sie boten eben Wasch-, Sport-, Spiel- und Unterhaltungsgelegenheiten, und gaben die Möglichkeit zu studieren und sich medizinisch versorgen zu lassen. Demnach waren sie also multifunktionelle Gebilde, die große Anziehungskraft auf die Menschen ausübten. Daß die Menschen der damaligen Zeit einen anderen Tagesablauf hatten, der weniger Arbeit beinhaltete und der ihnen mehr müßige Stunden bescherte als unserer ist anzunehmen, da sonst , man stelle sich einen japanischen 15 Stundenarbeitstag im alten Rom vor, keiner mehr Zeit gehabt hätte die Thermen zu besuchen. Ein altes (mir sympathisches) römisches Motto erläutert diese Frage recht treffend. "Sechs Stunden Arbeit genügen; die folgenden Stunden des Tages rufen mit deutlicher Schrift: "Lebe!" den Sterblichen zu."