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SOMME R 2014
SPECIA L ED ITION LU Z ER N FE ST IVA L
«Psyche»
composer
Unsuk Chin
Johannes Maria Staud
artists
Christian Gerhaher
Barbara Hannigan
Heinz Holliger
Sergey Khatchatryan
thema
Andris Nelsons und das
Lucerne Festival Orchestra
Tod Machover, der
Komponist als Klangsammler
Young Performance – frisch,
unverbraucht, überraschend
2
inserate
Doing now what patients need next
Innovation hat bei Roche Tradition – nicht nur in
der Erforschung neuer Therapien und Diagnoseverfahren, sondern auch bei der Förderung
von Kunst und Kultur.
Konzertkarten Lucerne Festival 2014:
Studierende und Roche-Mitarbeitende
erhalten im Vorverkauf 50 % Rabatt auf
ausgewählte Konzerte.
Details und Buchung auf:
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In Partnerschaft mit Lucerne Festival und
Lucerne Festival Academy vergeben wir im
Rahmen der Roche Commissions und Roche
Young Commissions regelmässig Kompositionsaufträge an herausragende Komponisten
und Komponistinnen der zeitgenössischen
Musik. Die neu geschaffenen Werke werden
vom Lucerne Festival Academy Orchestra am
Lucerne Festival uraufgeführt.
So bringt Roche Innovation nicht nur in die
Forschung, sondern auch in die Musik.
editorial
Liebe Leserin, lieber Leser
Quietschende Zugbremsen, tuschelnde Teenager, ein zischendes
Schweissgerät – was hat das mit Musik und mit einem Festival zu
tun? Zunächst mal nichts, dann aber sehr viel. Auch in Luzern wird
das traditionelle Konzertpublikum nicht jünger. Der festliche Abend
allein ist nicht mehr Attraktion genug. Auch noch so berühmte
und traditionsreiche Orchester füllen nicht mehr bloss dank ihres
Namens den Saal, mag er auch als architektonische Ikone wahrgenommen werden. Das ist in Luzern nicht anders als überall.
Vielleicht läuft inzwischen auch zu viel, das ganze Jahr hindurch,
dass sich eine gewisse Übersättigung an den immer gleichen kulturellen Menügängen bemerkbar macht. Exklusivität scheint keine
Garantie mehr für ein ausverkauftes Haus zu sein, von Salzburg
bis Luzern. Eben da gilt es, die Weichen auf Zukunft zu stellen.
Genau dies regt Michael Haefliger mit seinem stets erfrischend
agilen Team geistreich an. Unter anderem mit einer breiten und
farbigen Palette unterschiedlichster Konzertformen für Menschen
allen Alters. Aber nicht nur. Auch neue soziologische Verhaltensmuster können mit Lust ausgespielt und erkundet werden. Zum
Beispiel mit einem Projekt wie der dieses Jahr lancierten «Sinfonie
für Luzern». Lassen Sie sich davon inspirieren, mit offenen Ohren,
jugendlicher Neugier und Freude am sinnlichen Spiel. Dann kann
ein derart offenes Projekt gelingen, Ideen anregen, vom Schneeball zur Lawine wachsen. Luzern als klingende Stadt – das ist eine
verlockende Vision. Weit über einen touristischen Werbeslogan hinaus. Aber für anbiedernde Banalität auf dieser Ebene hätte Tod
Machover ohnehin bloss ein ironisches Lächeln übrig. Aber lesen
Sie doch das Gespräch mit dem amerikanischen Komponisten
über seine Motivation, seine Ideen und seine ersten Begegnungen
mit Luzern in dieser Ausgabe!
Ich wünsche Ihnen eine an- und aufregende Festivalzeit in Luzern. Selbstverständlich auch mit grandiosen Konzerterlebnissen
im ganz gewohnten Rahmen!
Herzlich Ihr,
Andrea Meuli
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inserate
inhalt
Editorial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
composer
Unsuk Chin: Ein dichtes Spiel von Licht und Farben . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
Johannes Maria Staud und die Rolle des Komponisten in unserer Zeit . . 38
artists
Ihre Sensibilität für Klanglichkeit
und Farben faszinieren immer
wieder. Diesen Sommer ist die Koreanerin Unsuk Chin «Composer in
Residence» am Lucerne Festival.
Seite 12
Barnara Hannigan: «Ich bin gesund!» . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
Sergey Khatchatryan: «Wir Armenier lieben das Drama» . . . . . . . . . . . . . . 34
Christian Gerhaher: «Ich bin ein Epigone» . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
thema
Die Sopranistin Barbara Hannigan
gehört zu den schillerndsten Persönlichkeiten der heutigen Musikszene, auch bei Lucerne Festival.
Das grosse M&T-Interview.
Seite 24
Andris Nelsons: «Sein Herz öffnen» . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
Tod Machover: Wie klingt Luzern? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
Heinz Holliger und sein Hölderlin-Psychogramm. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
Inszenierte Heldenmusik, ein Pilotprojekt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46
studio
Claudio Abbados klingender Nachlass aus Luzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
service
Johannes Maria Staud beschäftigt
sich intensiv mit der Rolle des
Komponisten in unserer Zeit. Und
schreibt ein neues Musiktheater
für das Lucerne Festival.
Lucerne Festival im Sommer – die Special Events . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
Sergey Khachatryan ist der
diesjährige Preisträger des Credit
Suisse Young Artist Award. Das
Gespräch.
Titelfoto: Priska Ketterer
Seite 38
Andris Nelsons leitet diesen
Sommer das Lucerne Festival
Orchestra. Das M&T-Gespräch.
Seite 6
Seite 34
Tod Machover begibt sich auf Klangsuche in Luzern. Das Gespräch zu
einem ambitiösen Projekt.
Seite 16
Christian Gerhaher ist der Christus
in Peter Sellars’ Umsetzung von
Bachs Matthäuspassion.
Seite 30
5
6
thema
Pulsierend, energiegeladen: Andris
Nelsons dirigiert diesen Sommer das
Lucerne Festival Orchestra.
Andris Nelsons über Claudio Abbado, das Lucerne Festival Orchestra und bedingunslose Ehrlichkeit beim Musizieren
«Sein Herz öffnen»
An Ostern leitete Andris Nelsons das Lucerne Festival Orchestra im Gedenkkonzert für seinen Gründer und Leiter Claudio Abbado. Im
Sommer übernimmt er nun auch dessen Programme zur Eröffnung des Festivals. Ein Gespräch mit dem lettischen Dirigenten nach
seiner ersten Begegnung mit diesem Orchester.
Andrea Meuli
Bild: Priska Ketterer
thema
wir uns alle wieder begegnen. Er ist bereits in jener anderen Welt. Neben tiefer
Trauer gibt es jedoch auch den Glauben
an die Auferstehung. Das mag ein wenig
philosophisch klingen, aber wir dürfen
auch dankbar sein über dieses reiche
künstlerische Leben. In diesem Konzert
sollte noch einmal seine spezielle Liebe
zum Lucerne Festival Orchestra erlebbar werden. Mir war es wichtig, mich vor
ihm zu verneigen und mit dem Orchester durch die Musik in diesen Gefühlen
verbunden zu sein. Mit Musik konnten
wir uns alle bei ihm bedanken. Wie wir
alle wissen, war er – ob in den Proben
oder in seinem Leben – ein eher wortscheuer Mensch. Er drückte sich und
seine Gefühle durch Musik aus. Und so
versuchten auch wir, unsere Dankbarkeit
und unsere Bewunderung durch Musik
statt durch Reden auszudrücken. So
wollten wir an Claudio als grossen Maestro erinnern.
M&T: War es für Sie schwierig, in dieser besonderen Situation eine eigene musikalische Konzeption zu verwirklichen?
Andris Nelsons: Es gibt nur einen Weg,
ein Stück zu dirigieren, und das ist der
eigene. Ich kann nur versuchen, aus
meiner Perspektive das zu vermitteln,
was uns der Komponist zu sagen hat.
Dabei möchte ich mich allerdings nie
selber in den Vordergrund stellen, sondern die Musik sprechen lassen – sozusagen durch meine Gefühle, durch meine
Vorstellungen hindurch. Wir sollen den
Komponisten dienen und dürfen uns
glücklich schätzen, ihre grossen Meisterwerke aufzuführen. In diesem Gedenkkonzert erklangen ja alles Werke,
die Claudio sehr viel bedeutet haben
und die uns daher in diesem Augenblick
noch mehr berührten. Zumal in Schuberts «Unvollendeter», die zu Beginn
ohne Dirigent erklang. Auf jeden Fall
war seine Seele an diesem Nachmittag
mit dabei.
M&T: Sie haben im April das Lucerne Festival
Orchestra im Gedenkkonzert für Claudio Abbado dirigiert. Wie haben Sie diese erste Begegnung mit diesem besonderen und für Sie neuen
Orchester erlebt?
Andris Nelsons: Es war natürlich ein sehr
emotionaler Moment, für alle. Für das
Orchester, da die Musiker erstmals seit
Claudio Abbados Tod zusammenkamen.
Und für mich, da ich in diese Situation
mit einbezogen wurde, war es die emotionalste Konzerterfahrung bisher. Auf
der andern Seite war es eine Begegnung
mit einem fantastischen Orchester. Wie
wir ja wissen, kamen alle in dieser Besetzung als Freunde und Kollegen Claudios
zusammen – geeint einzig vom Willen
und der Leidenschaft, Musik zu machen. Diese Atmosphäre, Musik miteinander zu leben und auch zu geniessen
war in diesem Moment sehr intensiv zu
spüren, auch wenn der Anlass natürlich
ein anderer war als die üblichen Konzerte im Sommer.
M&T: Zweifellos aufwühlend auch für Sie.
Andris Nelsons: Auf jeden Fall. Dieses
Ereignis erlebte ich sowohl als Gedächtniskonzert für Claudio, aber genauso als
Feier seines Lebens, was er alles erreicht
und gegeben hat. Als Christ glaube ich
an ein Leben nach diesem irdischen, wo
M&T: Wenn Sie nun im Sommer die Konzerte
des Lucerne Festival Orchestra dirigieren, finden Sie andere Voraussetzungen vor. Werden
dieselben Orchestermusiker wie letzten Sommer nach Luzern zurückkehren, oder gibt es da
Veränderungen?
Andris Nelsons: Es werden mehr oder
weniger dieselben Musikerinnen und
Musiker mit dabei sein, allerdings in einer etwas kleineren Besetzung. Brahms
ist ja nicht Mahler! Aber die Programme
hatte Claudio noch vollständig selber
geplant. Abgesehen davon, dass Maurizio Pollini nun nicht das erste Klavierkonzert von Brahms, sondern jenes von
Chopin spielen wird. Ich liebe Brahms
so sehr! Diese grosse Musik mit diesem
grossen Orchester an diesem bedeu-
7
thema
Johann Sebastian
Ravel
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thema
tenden Festival aufzuführen, das spornt
mich an.
M&T: Das Lucerne Festival Orchestra wurde
immer wieder als «Orchester der Freunde» tituliert. Was bedeutet Ihnen ein partnerschaftliches Musizieren?
Andris Nelsons: Unabhängig davon, ob
ich für ein Orchester verantwortlich bin
oder als Gast eingeladen werde, ist für
mich ein gegenseitiges musikalisches
Verstehen sehr wichtig. Aber mindestens
genauso die menschliche Chemie zu den
Musikern, mit denen ich arbeite, Sensibilität untereinander und füreinander. Als
Claudio dieses Orchester gründete und
zusammenstellte, lud er seine Freunde
ein, weil er genau wusste, dass sie dafür
brannten, mit ihm zu musizieren, dass
sie ihn gleichsam trugen. Und alle spürten es, wie eng er ihnen verbunden war.
Das war die Basis für all die wunderbaren Resultate. Natürlich gelangen ihm
auch mit allen anderen Orchestern, die
er dirigierte, grosse Konzerte. Aber das
familiäre Gefühl, der innere Zusammenhalt mit dem Lucerne Festival Orchestra
verlieh diesen gemeinsamen Auftritten
eine unvergleichliche Tiefe. Auch bedeutet dieses Gefühl einer tiefen gegenseitigen Verbundenheit sehr viel.
M&T: Also werden Sie im Sommer versuchen,
mit dem Lucerne Festival Orchestra ebenfalls
ein Verhältnis familiärer Harmonie zu schaffen?
Andris Nelsons: Auf jeden Fall! Mit meinem Orchester in Birmingham pflegen
wir ebenfalls eine wirklich familiäre Atmosphäre, auch wenn die kommende
Saison meine letzte als Musikdirektor
M&T: Ist das im heutigen Betrieb überhaupt
möglich?
Andris Nelsons: Ich glaube daran. Zunächst der Musik, dann den Musikern
gegenüber. Gelingt uns dies, überträgt
sich diese Intensität auch auf das Publikum. Dann ist es leicht, die Hornhaut
unserer Gefühle zu durchbrechen und
wirklich die Herzen und Seelen zu erreichen, ein Publikum zu berühren. Das
erlebt natürlich jeder sehr individuell.
Und es gibt durchaus Dirigenten, die
anders denken mögen. Um grosse Musik
zu machen, scheint es mir jedoch unentbehrlich, dass Dirigent und Musiker in
einen gemeinsamen Fluss der Gefühle
und Empfindungen kommen.
M&T: Ein Plädoyer für bedingungslose künstlerische Ehrlichkeit also.
Andris Nelsons: Es mag idealistisch
klingen, aber für mich ist genau dies
unabdingbare Voraussetzung, wenn ich
musiziere. Wie wollen Sie einen «Tristan», eine Pastorale oder was immer
dirigieren, wenn Sie nicht die Musik zutiefst lieben? Und auch den Menschen,
mit denen Sie zusammenarbeiten, positive Gefühle entgegenbringen? Wenn
Sie vor einem Orchester wissen, dass
fünfzig Prozent Sie hassen: Wie wollen
Sie da dirigieren? Ich kann mir heute
kaum mehr vorstellen, dass Leute wie
Toscanini oder auch Karajan und andere vor einem Orchester funktionieren
konnten.
M&T: Die Musiker würden heute wohl bald
einmal gegen allzu autokratische Pultheroen
rebellieren…
«Dirigieren hat so viel mit
Psychologie zu tun»
dort sein wird. Menschlich wie musikalisch gibt es eine wunderbare, gegenseitig ermutigende Chemie zwischen
uns. Mir liegt viel daran, eine solche Atmosphäre auch bei meinem künftigen
Orchester, dem Boston Symphony, zu
erreichen: gemeinsam zu wachsen, einander gegenseitig zu unterstützen. Ich
bin zutiefst überzeugt davon, dass man
sein Herz öffnen und all seine Sensoren
aktivieren muss, um wirklich das Beste zu erreichen. Auch wenn man dabei
verletzlich und angreifbar wird und man
sich manchmal entblösst vorkommt.
Andris Nelsons: Sicher, schon dirigiert
zu werden mögen viele nicht, gesagt zu
bekommen, was man zu tun hat. Daher
ist es in unserer Zeit umso wichtiger, seine Forderungen auf eine diplomatische
Art und Weise anzubringen, um seine
musikalischen Vorstellungen zu verwirklichen. Man sollte auch nicht vergessen,
es sind letztlich immer die Musiker, welche ein Werk zum Erklingen bringen.
Als Dirigent sollte man Charisma und
Fantasie ins Spiel bringen und die Musiker damit infizieren und ermutigen, dass
sie einem folgen. Nicht weil ich oder je-
Bild: Georg Anderhub
Andris Nelsons: «Auf jeden Fall war Claudio
Abbados Seele an diesem Nachmittag mit
dabei.»
mand anderer etwas Bestimmtes so haben möchte, sondern weil die Musik es
verlangt. Dirigieren hat so viel mit Psychologie zu tun: die Musiker anspornen
ihr Bestes zu geben, nicht zu zerstören,
vielmehr zu helfen, wo sie einen brauchen!
M&T: Charakter und Persönlichkeit eines Dirigenten als Voraussetzung für wirklich erfolgreiches gemeinsames Musizieren?
Andris Nelsons: Wenn ein Dirigent auf
eine naiv-ursprüngliche Weise besessen von der Musik ist, kann es gelingen die Musiker so mitzureissen, dass
sie ihr Bestes geben. Das muss das Ziel
sein, das eigene Ich und alle eigenen
Qualitäten während des Spielens einzusetzen, um es zu überwinden. Man
braucht Ambitionen, aber während einer Aufführung muss man das Leben
des Komponisten leben. Das ist sehr
individuell, auch mystisch. Claudio
Abbado sprach wenig, aber durch sein
Dirigieren, durch die Sprache seiner
Hände erreichte er, was er vermitteln
wollte. Ein Genie wie Carlos Kleiber
vermittelte ebenso etwas Geistiges, was
weit über das hinausging, was er in seinen Problem formulierte. Auch Mariss
Jansons und einige andere haben diese
unbegreifliche Intensität.
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thema
MOZART
WOCHE
2015
Konzerte
Wissenschaft
Museen
Mozart DAVIDE PENITENTE Bartabas, Regie und Choreographie · Pferde und Reiter der Académie équestre de
Versailles · Marc Minkowski, Dirigent · Les Musiciens du Louvre Grenoble, Salzburger Bachchor, Christiane Karg,
Marianne Crebassa, Stanislas de Barbeyrac Dirigenten Pierre-Laurent Aimard, Giovanni Antonini, Laurence
Equilbey, Thomas Hengelbrock, Pablo Heras-Casado, Christoph Koncz, Antonello Manacorda, Lorin Maazel,
Marc Minkowski, Andrés Orozco-Estrada, Ainars Rubikis, András Schiff, Juraj Valcuha Orchester Camerata Salzburg,
Cappella Andrea Barca, Chamber Orchestra of Europe, Il Giardino Armonico, Insula Orchestra, Les Musiciens du
Louvre Grenoble, Mozart Kinderorchester, Mozarteumorchester Salzburg, Sinfonieorchester der Universität
Mozarteum, Wiener Philharmoniker Sänger Kerstin Avemo, Stanislas de Barbeyrac, Marianne Crebassa, Diana
Damrau, Julie Fuchs, Benjamin Hulett, Christiane Karg, Genia Kühmeier, Alastair Miles, Michael Nagy, Christine
Schäfer, Toby Spence, Johannes Weisser, Markus Werba Solisten Pierre-Laurent Aimard, Piotr Anderszewski,
Kristian Bezuidenhout, Florian Birsak, Gautier Capuçon, Francesco Corti, Veronika Eberle, Isabelle Faust, MarieElisabeth Hecker, Jos van Immerseel, Sunnyi Melles, Sabine Meyer, Thibault Noally, Emmanuel Pahud, Fazil
Say, András Schiff, Eric Schneider, Midori Seiler, Daniel Sepec, Mitsuko Uchida Ensembles & Chöre Chœur de
Chambre Accentus, Dimitri Naiditch Trio, Hagen Quartett, Salzburger Bachchor, Superar-Chor
Mozartwoche
22. JÄNNER – 1. FEBRUAR
Tickets: Tel. +43-662-87 31 54, www.mozarteum.at
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thema
Bild: Marco Borggreve
zu kommen, um Musik als die höchste
der Künste adäquat umzusetzen, ist der
Intellekt unentbehrlich.
M&T: Was letztlich wohl auch für die Musik selber gilt.
Andris Nelsons: Natürlich, bei Brahms
etwa finden wir die perfekte Form, die
viel Intellekt voraussetzt. Oder auch die
Architektur bei Bruckner. Aber es geht
darüber hinaus. Man fühlt die Berührung von Gott.
M&T: Sie musizieren stets mit sichtbar höchstem physischem wie emotionalem Einsatz. Befürchten Sie nie, sich zu überfordern?
Andris Nelsons: Jedem menschlichen
Wesen sind seine physischen wie emotionalen Grenzen gesetzt. Mir fällt es sehr
schwer nein zu sagen…
Andris Nelsons: «…die Musiker anzuspornen ihr Bestes zu geben.»
M&T: Kann es sein, dass es gerade die von Ihnen angeführte hundertprozentige Ehrlichkeit
der Kunst gegenüber ist, welche solche Energien erlebbar macht?
Andris Nelsons: Man kann subjektiv
falsch liegen, aber wenn man ehrlich
ist, spürt das ein Orchester. Das kann
man nicht lernen. Orchester können
sehr wohl unterscheiden, ob einer aufrichtig musiziert oder bloss eine Show
abzieht. Aber noch einmal: Was ist der
richtige Weg? Es gibt ganz verschiedene Wege des Dirigierens, heute wie in
der Geschichte. Nicht gering zu achten
ist auch die Selbstdisziplin, sich perfekt
auf jede Probe vorzubereiten. Das habe
ich von Mariss Jansons mitbekommen –
zu wissen, wie man proben will, und an
jede Probe voller Ideen zu erscheinen.
Orchestermusiker wollen jemanden vor
sich haben, der sie zu inspirieren vermag, der Ideen in den Raum stellt.
M&T: Also nicht den harmlos netten Herrn am
Pult, der möglichst keine Probe überzieht…
Andris Nelsons: Anbiederung funktioniert nie, weder musikalisch noch auf
einer menschlich gesellschaftlichen
Ebene. Letztlich ist nur menschliche wie
musikalische Qualität gefragt. Geliebt zu
werden kann man nicht aktiv beeinflussen.
M&T: Ganz verschiedene Persönlichkeiten werden sich auch verschieden verhalten. So wie es
ganz unterschiedliche Meinungen darüber gibt,
wie aktiv ein Dirigent auf dem Podium agieren
soll.
Andris Nelsons: Einer meiner Lehrer,
Jorma Panula, hat immer gesagt: Das
Orchester muss schwitzen, nicht du! Natürlich garantiert wildes Herumhüpfen
nicht eine grössere Autorität. Aber man
kann das nicht immer steuern. Noch
einmal: Man muss sich selber sein. Wenn
jemand eine impulsivere Natur ist, kann
er nicht ruhig dastehen. Gelassenheit
hat vielleicht auch etwas mit Erfahrung
zu tun.
M&T: Hat sich Ihr Verständnis von Dirigieren
im Lauf der Zeit, mit zunehmender Erfahrung,
gewandelt?
Andris Nelsons: Ja, etwa mit dreissig hat
sich etwas geändert in meinem Verständnis, was Dirigieren sein kann. Ich vertraue heute viel mehr, statt zu kontrollieren. Das schliesst eine klare und konzise
Arbeit an den Details keineswegs aus.
Ich weiss genau, was ich erwarte und was
ich erreichen möchte. Aber auch, was
ich bieten möchte. Das vermengt sich in
den Proben mit allen Impulsen, die von
den Orchestermusikern kommen. Es
gibt kein richtig oder falsch, es gibt kein
definitiv festgeschriebenes Tempo. Jewgeni Mrawinski hat das immer gesagt.
Letztlich zählt nur, ob eine Interpretation berührt und fesselt. Schafft es ein
Dirigent mit seiner Interpretation, etwas
auszulösen beim Publikum, seien es Tränen oder Glücksgefühle – dann hat es
funktioniert. Nur dies zählt.
M&T: Was ist wichtiger beim Dirigieren, Intellekt
oder Emotion?
Andris Nelsons: Wagner formulierte einmal, dass die Musik die höchste Kunstform sei, um Gott näher zu kommen,
weil sie alles überhöhe und in Bereiche
erhebe, die man weder erklären noch
rational verstehen könne. Das heisst,
Musik hat mehr mit emotionaler und
kosmischer Energie zu tun. Da, wo ich
heute in meinem Leben stehe, bedeutet
mir dies sehr viel. Um allerdings dahin
M&T: …noch eine Gemeinsamkeit mit Ihrem
Lehrer und Vorbild Mariss Jansons…
Andris Nelsons: …aber ich komme mit
meinen festen Aufgaben nicht darum
herum, auch Orchestern abzusagen,
die mir viel bedeuten. Musik ist mehr
als ein Beruf. Ohne sie zu exisitieren
wäre schwierig. Sie ist wie Nahrung: Man
braucht sie, man kann nicht darauf verzichten, aber man sollte sich auch nicht
überessen. (Lacht) Sonst wird man fett.
Vielleicht ist es dasselbe mit der Musik.
Pausen können die Lust auf ein Werk erO
höhen…!
Andris Nelsons und das
Lucerne Festival Orchstra
15. und 16. August, 18.30 Uhr
Brahms: Serenade Nr. 2 A-Dur op. 16
Alt-Rhapsodie op. 53
Sinfonie Nr. 2 D-Dur op. 73
Sara Mingardo, Alt
22. und 24. August, 19.30 Uhr
Chopin: Klavierkonzert Nr. 1 e-Moll op. 11
Brahms: Sinfonie Nr. 3 F-Dur op. 90
Maurizio Pollini, Klavier
Andris Nelsons und das
City of Birmingham Symphony
Orchestra
30. August, 18.30 Uhr
Beethoven: Klavierkonzert Nr. 5 Es-Dur op. 73
Elgar: Sinfonie Nr. 2 Es-Dur op. 63
Rudolf Buchbinder, Klavier
31. August, 11. 00 Uhr
Wagner: Auszüge aus «Parsifal» und
«Lohengrin»
Beethoven: Sinfonie Nr. 7 A-Dur op. 92
Klaus Florian Vogt, Tenor
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composer
composer
Die Koreanerin Unsuk Chin ist Composer-in-Residence beim diesjährigen Lucerne Festival
Spiel von
Licht und Farben
Als «Abbild meiner Träume» hat die Koreanerin Unsuk Chin ihre Musik einmal bezeichnet. Ihren schöpferischen Sinn für
Klangfarben kann man diesen Sommer beim Lucerne Festival von ganz unterschiedlichen Seiten her erleben. Unter anderem
in der Uraufführung eines neuen Stückes, «Le Silence des Sirènes», im Rahmen der Roche Commissions. Simon Rattle dirigiert
dabei erstmals das Lucerne Festival Academy Orchestra, Barbara Hannigan ist die Solistin.
Thomas Meyer (Text) & Priska Ketterer (Bilder)
Eines der grossen, unvollendeten Projekte des 2006 verstorbenen ungarischen Komponisten György Ligeti war
eine Oper nach dem zweiten Alice-Buch
von Lewis Carroll: «Through the Looking Glass». Er schaffte es nur, 1988 einige Nonsense-Verse Carrolls zu vertonen.
Eine seiner Schülerinnen aber holte die
Oper später für ihn nach: Unsuk Chin,
1961 in Seoul geboren, studierte 198588 bei Ligeti in Hamburg. Mit «Alice in
Wonderland» legte sie ihre erste Oper
vor, in der sie die fantastischen Szenen
auf ungemein farbige Weise vertonte.
Diese Idee hatte sie schon jahrelang mit
sich herumgetragen. 1991 schon vollendete sie mit «Akrostichon-Wortspiel» ein
erstes Werk auf Texte von Carroll sowie
von Michael Ende; aber, so schrieb sie,
«erst als ich erfahren hatte, dass Ligeti
das Projekt wahrscheinlich nicht realisieren wird, wagte ich, die Idee zu konkretisieren.»
2003/04 entstand mit dem Zyklus
«snagS&Snarls» eine Art Vorstudie zur
Oper, die dann 2007 in München uraufgeführt wurde. Eine weitere Oper über
das zweite Alice-Buch entsteht zur Zeit
für das Royal Opera House in London.
Unsuk Chin empfindet das, so schreibt
sie in einer Mail, «als eine noch grössere Herausforderung, da ‚Through
the Looking Glass‘ ja kaum noch narrativ ist, sondern auf quasi mathematisch durchgeführten Sprachspielen
basiert». Die Uraufführung ist für die
Saison 2018/19 geplant, und man darf
annehmen, dass die Engländer Freude
an dem Stück haben werden, denn einerseits liebt Unsuk Chin das Wortspiel
und andererseits arbeitete sie schon in
ihrer ersten Oper auf oft parodistische
Weise mit den musikalischen Genres:
Das Stück ist voller Anspielungen und
Ironie.
Man möchte also von einem Schlüsselwerk sprechen: Da widerspricht die
Komponistin allerdings. «Alice in Wonderland» sei «von Stil und Faktur her
doch sehr anders als die meisten anderen Kompositionen von mir, was nicht
nur am Operngenre liegt, sondern an
der Charakteristik des ausgewählten
Stoffes. Ich hatte versucht, in Entsprechung zu den intertextuellen Techniken
Lewis Carrolls und der Fantastik der
Handlung eine Musik zu schreiben, die
einem Zerrspiegel gleicht und ironisch
ist.»
Überhaupt wolle sie sich nicht wiederholen. Mit jedem neuen Werk «versuche ich der jeweils gestellten Aufgabe
gerecht zu werden, einer Aufgabe, die
von Stück zu Stück sehr variieren kann.
Eines der Qualitätskriterien für mich
ist überhaupt, zu versuchen, dass jedes
Stück vom Charakter her einzigartig ist.
So gesehen bin ich mir persönlich nicht
sicher, ob es ein Stück von mir gibt,
das man als Schlüsselwerk bezeichnen
kann.»
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14
composer
Immerhin aber ist die Oper in ihrer bildhaften, fantastischen Art schon
typisch für Unsuk Chin. Ihre Musik ist
nie von der Blässe des Gedankens angekränkelt. Schon Ligeti habe ihr die
abstrakten Kompositionstechniken wie
den Serialismus ausgetrieben. Bald fand
sie zu ihrer eigenen musikalischen Logik
und Imagination: «Meine Musik ist das
Abbild meiner Träume. Die Visionen
von immensem Licht und von unwahrscheinlicher Farbenpracht, die ich in al-
Alice und ihren verrückten Abenteuern.
Sie sei erstaunt gewesen, als sie als Erwachsene erstmals Lewis Carroll las und
dabei Parallelen zu ihren Träumen entdeckte, sagt Chin.
Es wäre naheliegend, diese Bilderwelt und diesen Farbenreichtum auch
mit ihrer Herkunft in Verbindung zu
bringen. Weniger als bei anderen Komponisten, die aus dem Fernen Osten
nach Europa oder Amerika gekommen
sind, fallen bei Unsuk Chin allerdings
«…Visionen von immensem Licht und
von unwahrscheinlicher Farbenpracht»
len meinen Träumen erblicke, versuche
ich in meiner Musik darzustellen als ein
Spiel von Licht und Farben, die durch
den Raum fliessen und gleichzeitig eine
plastische Klangskulptur bilden, deren
Schönheit sehr abstrakt und auch distanziert ist, aber gerade dadurch unmittelbar die Gefühle anspricht und Freude
und Wärme vermittelt», äusserte Unsuk
Chin einmal – und diese Neigung geht
offenbar auf ihre frühe Kindheit zurück:
«Dank meiner Träume beschäftigte ich
mich schon als ganz kleines Kind mit vielen Fragen. Wo und wie existieren diese
Phänomene und was ist das Geheimnis
der Einheit von Licht, Farbe, Klang und
Zahlen, die in einem zeitlichen Verlauf
fliesst, aber gleichzeitig in einem winzigen Moment der Zeitlosigkeit plastisch
eingefroren ist? Von meiner Kindheit
an bis jetzt habe ich nie aufgehört, mir
diese Frage, die für mich auch die Frage nach dem Wesen der Musik ist, zu
stellen. Vielleicht werde ich in diesem
Leben nie an die Wahrheit herankommen». Diese Träume seien eine existenzielle Erfahrung und «die grösste Freude meines Lebens».
Auch darin folgt sie ihrem Lehrer.
«Musikalische Bedeutung und musikalische Logik verhalten sich, in den
Worten György Ligetis, zu tatsächlicher
Bedeutung und Logik wie Träume zur
Realität», schreibt sie. Logik nämlich
erweist sich in der Musik als etwas zuweilen Skurriles: Sie zeitigt mechanistische,
zuweilen quasi-mathematische und aufs
erste unsinnige, «unmusikalische» Gebilde, die dann aber doch höchst eindringliche Abläufe erzeugen. In den
Klängen steckt ja zuweilen ein faszinierender Nonsens, eine andere Logik.
Und da sind wir wieder in der Nähe von
Anlehnungen an asiatische Musik auf.
Sie sei in einem Korea aufgewachsen,
«das von neuen Ideen und rasanten Entwicklungen im Gegensatz zu der uralten
Tradition geprägt war». Die multikulturelle Vermittlung bleibt so weitgehend
ausgeblendet.
Chin versucht nur selten, koreanische Volksmusik mit europäischer Avantgarde zu verbinden, aber sie habe, wie
sie selber sagt, «eine gewisse Abneigung
gegen das typische Klangbild des europäischen Orchesters», das aus dem 19.
Jahrhundert stammt, und versuche deshalb die Farbnuancen auch aussereuropäischer Musik einzubringen: «Wir sind
ein Volk, das Farben sehr mag. Schon
als Kind hatte ich, wenn ich Musik hörte, von jedem Ton eine Farbvorstellung,
zum Beispiel Gelb mit schwarzen Streifen oder ähnliches. Das ist ein in meiner
Arbeit sehr wichtiger Punkt.»
Schön zu erleben ist das im Doppelkonzert für präpariertes Klavier, Schlagzeug und Orchester von 2002. «Ich wollte eine Musik schreiben, die sehr farbig
im Charakter und im Ausdruck ist, frei
fliessend und beweglich und die sich mitunter in gänzlich unerwartete Richtungen bewegt.» Verspielt kann sie deshalb
sein, die Musik von Unsuk Chin, frech
und witzig. Für ihr Ensemblestück «Graffiti» zum Beispiel, liess sie sich von knalliger Strassenkunst inspirieren. Längst ist
ihre Musik international bekannt: 2004
erhielt ihr Violinkonzert den renommierten Grawemeyer Award. Ihre Werke
werden nicht nur uraufgeführt, sondern
auch nachgespielt; auf den AvantgardeZirkel bleiben sie nicht beschränkt.
Unsuk Chin, die seit einiger Zeit in
Berlin lebt, steuert dieses Jahr im Auftrag der Roche ein neues Stück zum
Lucerne Festival bei: «Le Silence des
Sirènes». Die Sopranistin Barbara Hannigan, Artiste-étoile des Festivals, wird
das Monodrama zusammen mit dem
Academy Orchestra unter Simon Rattle
uraufführen. Der Titel erstaunt. Tatsächlich erwartet man von den Sirenen, die
einst Odysseus zu verführen suchten,
doch eher einen Gesang. Hier aber wird
ihr Schweigen beschworen, das noch
viel furchtbarer sei. Der Gedanke dazu
stammt von Franz Kafka: «Es ist zwar
nicht geschehn, aber vielleicht denkbar,
dass sich jemand vor ihrem Gesang gerettet hätte, vor ihrem Verstummen gewiss nicht. Dem Gefühl aus eigener Kraft
sie besiegt zu haben, der daraus folgenden alles fortreissenden Überhebung
kann nichts Irdisches widerstehn.» Das
Libretto des neuen Werks entstammt
zwei Quellen: dem zwölften Kapitel der
«Odyssee» Homers sowie dem Anfang
des elften Kapitels des «Ulysses», in dem
sich James Joyce auf die Sirenen bezieht.
«Diese Quellen werden äusserst frei
verwendet und keineswegs auf traditionelle Weise ‚vertont‘. Das Stück besteht
aus unzählig vielen kleinen Fragmenten, die aneinandergereiht werden. Mit
dem Resultat, dass die so daraus entstehende Gesamtstruktur einem Labyrinth
gleicht. Zusammenhalt bietet da eine
Art Leitmotiv, welches in verschiedenster Verkleidung und oft versteckt das
Monodram wie ein roter Faden durchzieht.» Es ist anzunehmen, dass Unsuk
O
Chin von Sirenen geträumt hat.
Unsuk Chin am Lucerne Festival
17. August, 11.00 Uhr
Doppelkonzert für Klavier, Schlagzeug
und Ensemble
Ensemble intercontemporain;
Matthias Pintscher, Leitung
23. August, 18.30 Uhr
«Li Silence des Sirènes» für Sopran
und Orchester
Uraufführung, Auftragswerk Roche
Commissions
Lucerne Festival Academy Orchestra;
Simon Rattle, Leitung
Barbara Hannigan, Sopran
4. September, 12.15 Uhr
Etüden für Klavier
Mei Yi Foo
11. September, 20.00 Uhr
Porträtkonzert
Studierende der Hochschule Luzern
und der Lucerne Festival Academy
composer
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thema
Tod Machover über Klänge und Kunst, über Technologie und Freiheit sowie über seine ersten Erfahrungen als klangsensibler Stadtbegeher
«Mit einem
offenen Ende»
Tod Machover ist ein offener Geist. Und ein Komponist, der die Schranken zwischen Kunst und ihrer gesellschaftlichen Wahrnehmung aufzubrechen sucht. Zum Beispiel, indem er ganze Städte auf ihre klangliche Individualität untersucht. Dies unter Mitwirkung
möglichst breiter Kreise und mit dem Einsatz aktuellster Technologien. Sein neuestes amibitiöses Projekt ist eine «Sinfonie für
Luzern», die im Sommer 2015 beim Lucerne Festival uraufgeführt wird. Doch der Prozess dazu hat bereits begonnen.
Andrea Meuli (Text) & Priska Ketterer (Bild)
thema
Tod Machover: «Ich versuche, einen ideellen
Kontext zu schaffen, in welchem Leute über einen
Ort und seine Klänge nachdenken.»
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thema
HAYDN 2032
Haydn Lounge No. 1 «La Passione»
H o c h u l i Ko n z e r t AG
w w w. h o c h u l i - ko n z e r t . c h
Tonhalle Zürich, Grosser Saal
Freitag, 7. November 2014
NEUE KONZERTREIHE ZÜRICH 2014/15
Il Giardino Armonico
Giovanni Antonini
8 Abonnementskonzerte
Haydn Sinfonien Nrn. 1 d-Moll, 39 g-Moll
und 49 f-Moll «La Passione»
Gluck Don Juan ou le festin de Pierre
Rahmenprogramm
Das Projekt Haydn2032 lässt eine Vision lebendig werden:
Unter der musikalischen Leitung von Giovanni Antonini
werden bis zum 300. Geburtstag Joseph Haydns im Jahr
2032 alle 107 Sinfonien in einem einzigartigen Konzertzyklus europaweit und eben auch bei uns in Zürich aufgeführt:
www.haydn2032.com
Tonhalle Zürich, Grosser Saal
Montag, 17. November 2014 – 19.30 Uhr
Orchestra Sinfonica Nazionale Rai Turin
Juraj Valčuha Leitung
Arcadi Volodos Klavier
Tschaikowsky Klavierkonzert Nr. 1 b-Moll op. 23
Dvořák Sinfonie op. 95 «Aus der Neuen Welt»
Montag, 1. Dezember 2014 – 19.30 Uhr
Vilde Frang Violine
Michail Lifits Klavier
BUILDING BRIDGES
Werke von Beethoven, Brahms, Albéniz,
Strauss und Ravel
Sir András Schiff präsentiert junge Pianisten
Tonhalle Zürich, Kleiner Saal
Samstag, 17. Januar 2015 – 17.00 Uhr
Roman Rabinovich Klavier
Bach, Smetana, Brahms und Bartók
Samstag, 7. Februar 2015 – 17.00 Uhr
Adam Golka Klavier
Beethoven und Brahms
Samstag, 17. Januar 2015 – 19.30 Uhr
Kammerorchester Basel
Giovanni Antonini Leitung
Khatia Buniatishvili Klavier
Beethoven Klavierkonzert Nr. 3 c-Moll op. 37
und weitere Werke von Haydn und Mozart
Samstag, 7. Februar 2015 – 19.30 Uhr
Sol Gabetta Violoncello
Bertrand Chamayou Klavier
Werke von Beethoven, Mendelssohn und Chopin
Montag, 9. März 2015 – 17.00 Uhr
Kuok-Wai Lio Klavier
Schubert, Schumann und Janácek
Montag, 9. März 2015 – 19.30 Uhr
Camerata Bern
Radovan Vlatković Horn
Luis Vieira Horn
Mozart Hornkonzert Nr. 3 Es-Dur KV 447
und weitere Werke von Haydn, Rosetti und Mozart
Unsere Kulturreisen 2014/15
Do, 6. – So, 9. November
Fr, 23. – So, 25. Januar
Do, 30. April – Mo, 4. Mai
Freitag, 10. April 2015 – 19.30 Uhr
Wir senden Ihnen gerne die Detailprogramme.
Montag, 18. Mai 2015 – 19.30 Uhr
Grigory Sokolov Klavier
Das Programm wird noch bekannt gegeben.
VORVERK AUF
Kammerorchester Basel
Julia Lezhneva Sopran
Neue Konzertreihe Zürich
ab 1.9.2014: Tonhalle-Billettkasse 044 206 34 34
«Arianna in Arcadia» – Arien und Werke von
Torelli, Albinoni, Sarro, Händel und Porpora
Haydn 2032 und Building Bridges
ab sofort: schriftlich bei Hochuli Konzert AG
Dienstag, 7. Juli 2015 – 19.30 Uhr
spezielle Konditionen für Abonnenten der Neuen Konzertreihe Zürich
Aktuelle Informationen: www.hochuli-konzert.ch
Hochuli Konzert AG, Postfach 41, 9056 Gais
Tel. 071 791 07 70, Fax 071 791 07 72 [email protected]
Anne-Sophie Mutter Violine
Lambert Orkis Klavier
Werke von Beethoven, Ravel, Respighi und Bartók
thema
M&T: Tod Machover, Sie nutzen die Klangprofile
bestimmter Städte als musikalisches Material.
Haben Sie Luzern schon erkundet?
Tod Machover: Heute habe ich damit begonnen! Ich war letztes Jahr am Ende des
Sommerfestivals erstmals hier in Luzern.
Damals führten wir erste Gespräche über
dieses Projekt. Allein machte ich mich
für einige Stunden auf, um Luzern zu
begehen. Ich wusste, dass es den See und
den Fluss gibt, aber nicht viel mehr.
M&T: Wie müssen wir uns das vorstellen, wenn
Sie sich in einer Stadt auf Klangexpedition begeben?
Tod Machover: Das hängt ganz vom Ort
ab. Erstens einmal ist es mir wichtig, vorweg viel über eine Stadt zu lesen. Dann
liebe ich es, mich auf lange Stadtwanderungen zu machen, mich auf die Besonderheiten eines Ortes einzulassen.
Luzern kannte ich nicht sehr gut. Als
auffallendes visuelles Wahrzeichen prägte sich mir die Natur mit den markanten
Bergen ein.
M&T: Wie lassen sich solche Erfahrungen in
Klänge und letztlich in strukturierte Musik umwandeln?
Tod Machover: Das ist eine wichtige
Frage! Ich denke, das Interessante eines
solchen Prozesses ist es, gemachte Erfahrungen in Klang zu übersetzen. Das
beginnt bei einer ganz direkten, authentischen Bestandesaufnahme: Welche
Klänge nehmen wir in der Stadt wahr?
Was hören wir? In welchem Kontext sind
sie interessant oder definieren eine Besonderheit des betreffenden Ortes. Der
imaginäre Weg, eine Stadt über ihre
klangliche Wirklichkeit zu erforschen,
hat ein starkes Potenzial. Es fällt auf,
dass in dieser Stadt, neben den erwähnten kraftvollen visuellen Eckpunkten der
Berge, sehr viele Details zu entdecken
sind – die Stadt ist nicht auf ein Wahrzeichen wie eine Kathedrale oder einen
zentralen Platz als urbaner Mittelpunkt
konzentriert. Es gibt mehrere Brücken,
alles hat hier seinen Reiz, seine besondere Atmosphäre, jedes kleine Gässchen. Ja, die Details faszinieren mich in
Luzern vor dieser starken Naturkulisse.
Und langsam beginne ich einige der
wichtigen Fragen zu verstehen, die mich
hier interessieren.
M&T: Welche Fragen brechen auf?
Tod Machover: Etwa jene nach der Mischung zwischen progressiven Ideen und
einem konservativen Geist, woran ich zuvor nicht gedacht hatte. Ungewöhnlich
ist, dass dieser Ort – mitten in Europa,
umgeben von Bergen, alles ist beschützt
– seit Jahrhunderten auch ein Ort des
Durchgangs war und ist. Leute kommen
und machen hier Urlaub, andere fahren
durch mit dem Ziel Italien. Es ist sehr unüblich, einen Ort zu finden, an welchem
diese beiden Voraussetzungen in einer
solchen Balance vorhanden sind. Wenn
wir über eine Art psychologischen Zugang
zu einem Ort reden, wie wir eine Stadt
oder eine Gegend erkunden, damit sie
auf eine bestimmte Art und Weise in Musik ausgedrückt werden kann – dann treffen wir den Punkt, der mich interessiert.
M&T: Eine Stadt wie Luzern oder überhaupt die
europäischen Städte sind ganz verschieden zu
den amerikanischen Metropolen entstanden
und gewachsen. Konsequenterweise haben
sich über die Jahrhunderte hinweg auch andere
Strukturen entwickelt.
dauerte, während jenes aus Toronto 35
Minuten lang war. Mit meiner jüngsten
Arbeit in Perth denke ich, nun so etwas
wie einen Ausgleich erreicht zu haben.
M&T: Welche Leitplanken stellen Sie für die
«Lucerne Symphony» auf?
Tod Machover: Ich weiss es noch nicht.
Sicherlich wird es kein Stück für das
Tourismusbüro, um damit Werbung für
die Stadt zu machen. Es ist aber auch
nicht als Kritik gedacht, vielmehr als
eine emotionale wie psychologische Erfahrung. Vielleicht bringt das Werk Leute dazu, Dinge zu erkennen und darüber
nachzudenken, die ihnen bis dahin gar
nicht bewusst waren.
«Luzern so zu hören,
wie es niemand erwartet hätte!»
Tod Machover: Auf jeden Fall. In einer
Stadt wie Toronto beispielsweise gibt es
viele Brachflächen, die einen animieren,
diesen Raum mit neuen Ideen zu besetzen. Man muss dort nicht alles in bereits
bestehende Strukturen integrieren. Sogar in Manhattan ist das ganz anders.
Sicher sind es genau diese Zusammenhänge, die einen Ort wie diesen hier einzigartig machen.
M&T: Wie wichtig ist Ihnen der Gedanke, wie
eine Stadt oder ein Ort sich selber gerne erfahren möchte?
Tod Machover: Das ist eine wichtige Frage! Und ich bin ständig daran, dieser
Frage nachzugehen, Antworten darauf
zu finden. Mit jedem neuen Projekt. In
Toronto, bei meinem ersten derartigen
Projekt, versuchte ich, so viele Materialien wie möglich einzubauen und letztlich
in dem Stück zu verwenden. Sehr viele
Leute waren daran beteiligt und steuerten Klangmaterial bei, und ich verwendete möglichst alles, was irgendwie zu verwenden war. Mit dem Resultat, dass das
Stück zwar interessant wurde. Aber heute
denke ich, dass ich zu zaghaft und zu respektvoll in der Auswahl war. Könnte ich
das Stück heute nochmals herausbringen, würde ich selektiver auswählen. Das
zweite Werk entstand in Edinburgh – mit
einem entgegengesetzten Resultat. Ich
kannte wohl die Stadt seit Langem, reiste
für das Projekt allerdings bloss zweimal
hin und entwickelte das Stück vorwiegend in meinem Studio in Boston. Dabei
verarbeitete ich ausschliesslich Material,
welches mir für das Stück unentbehrlich
schien – also das genaue Gegenteil des
ersten Projekts! Mit der Konsequenz,
dass das Stück noch ganze zwölf Minuten
M&T: Wie bewahren Sie Ihre Projekte davor, bloss
oberflächliche, additive Klangsammlung zu sein?
Tod Machover: Wesentlich sind zwei Aspekte: wie viel von einem Konzept, von
einer strukturierten Idee früh in das Projekt einfliesst und zu welchem Zeitpunkt
die Materialsammlung gestoppt wird, bevor sie ins Beliebige ausufert. Für Luzern
habe ich mir vorgenommen, so lange als
möglich zu warten, bevor das Material in
eine konkrete Form gebracht wird.
M&T: Was entzündet Ihre künstlerische Fantasie, was ist Ihre Strategie?
Tod Machover: Ich bin zutiefst davon
überzeugt, dass wir eine neue Beziehung
zwischen Künstler und Publikum finden
müssen. Dabei darf allerdings der qualitative Anspruch nie einer flachen Banalität geopfert werden. Man muss nur mal
schauen, was heute in den Social Media
abläuft, wie darin jeder – überall und zu
jedem Thema – sich ein Urteil anmasst
und dies als öffentliche Meinung kundtut. Demgegenüber versuche ich ein
anderes Modell der Zusammenarbeit zu
aktivieren, bei dem Leute Material beisteuern und den Weg der Ideen mitbestimmen können.
M&T: Wie geschieht das?
Tod Machover: Es gibt viele Stufen des
Projekts: wenn jemand Ideen und Klänge
einsendet, wenn Klänge vermischt werden können, wenn ich Resultate miteinander verbinde und wieder nach aussen
senden kann. Wir entwickeln eine Software, welche es den Leuten ermöglicht,
mit den verschiedenen Teilen eines Stückes zu experimentieren und sie auch zu
bearbeiten. Schliesslich suche ich an je-
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thema
Die Konzertreihe ausserhalb der Festivals
im Kultur- und Kongresszentrum Luzern
Saison 2014 / 2015
lucerne
chamber
circle
Sonntag, 7. Dezember 2014, 11.00 Uhr (Matinee)
Sonntag, 18. Januar 2015, 18.30 Uhr
Adventsmatinee: Hespèrion XXI
«Folías Antiguas y Criollas»
Cuzzoni vs. Bordoni:
2 Diven – 2 Rivalinnen
Andrew Lawrence-King, Harfe
Jordi Savall, Viola da gamba und Leitung
Cappella Gabetta
Andrés Gabetta , Violine und Leitung
Simone Kermes, Sopran (Cuzzoni)
Vivica Genaux, Mezzosopran (Bordoni)
Sonntag, 21. Dezember 2014, 18.30 Uhr
J. S. Bach: Weihnachtsoratorium
Cappella Amsterdam
Le Concert Lorrain
Daniel Reuss, Leitung
Hana Blažíková, Sopran
Marie-Claude Chappuis, Alt
Thomas Hobbs, Tenor
Peter Harvey, Bass
Dienstag, 30. Dezember 2014, 19.30 Uhr
Karfreitag, 3. April 2015, 18.30 Uhr
J. S. Bach: Matthäus-Passion
Balthasar-Neumann-Chor
Le Concert Lorrain
Christoph Prégardien, Evangelist und Leitung
Hana Blažíková, Sopran
Sophie Harmsen, Alt
James Gilchrist, Tenor
Konstantin Wolff, Bass
Dietrich Henschel, Bass
Nussknacker zu 8 Händen
Gershwin Piano Quartet
Mischa Cheung, André Desponds,
Benjamin Engeli, Stefan Wirth
Montag, 13. April 2015, 19.30 Uhr
Macht süchtig: Opium II
Sonntag, 4. Januar 2015, 11.00 Uhr (Matinee)
Philippe Jaroussky, Countertenor
Jérôme Ducros, Klavier
Quatuor Ébène
Salzburger Neujahrskonzert:
Grüsse aus Küche und Keller
Sonntag, 10. Mai 2015, 18.30 Uhr
Camerata Salzburg
Gregory Ahss, Chefkoch und musikalische Leitung
Josef Radauer, Oberkellner und Kontrabass
Frühromantik zum Muttertag
Kammerorchester Basel
Christian Zacharias, Klavier und Leitung
Vorverkauf: Wählen Sie online Ihren Sitzplatz aus: www.kulturticket.ch
Bezahlung mit Kreditkarte (MasterCard/Visa), Postcard oder gegen Rechnung Tel. 0900 585 887 oder 0900kultur
(Mo-Fr, 10.30-12.30 h, CHF 1.20/Min.)
Veranstalter: swiss classics gmbh, sängergasse 5, 4054 basel. www.swissclassics.ch, [email protected]
Programmänderungen vorbehalten
thema
dem dieser Orte nach unverwechselbaren
Dingen, die wirklich interessant sind und
auch überraschen. Ansonsten würden die
Projekte ja überall gleich daherkommen.
Es gehört auch dazu, bestimmte Kreise –
Schulen etwa mit dem richtigen Lehrer –
einzubinden. Dann können geradezu berührende Resultate entstehen. Vielleicht
kommt jemand darauf, Luzern so zu hören, wie es niemand erwartet hätte! Vielleicht ein fünfminütiger Gang durch das
Stadtzentrum, vielleicht eine besondere
psychologische Situation. Solche Dinge
geschehen. Und wenn sie geschehen,
dann entsteht ein Stück, wie ich es selber
nie verwirklichen könnte. Ich versuche,
eine offene Struktur zu schaffen, welche
es ermöglicht, dass solche Überraschungen tatsächlich geschehen.
M&T: Ihre Stadtprojekte sind ausgesprochen
prozessual angelegt. Betrachten Sie den Weg
dorthin als das eigentliche Werk – oder doch
eher das am Ende aufgeführte Stück als musikalisches Kondensat?
Tod Machover: Ich denke, es gibt noch
eine dritte Option: eine Umgebung zu
schaffen, einen ideellen Kontext, in welchem Leute fortlaufend über einen Ort
und seine Klänge nachdenken. Mit einem
offenen Ende. Das Luzerner Projekt hingegen sehe ich als eine Kombination der
beiden von Ihnen genannten Optionen.
Würde es auf eine der beiden Haltungen
eingeschränkt, wäre ich unglücklich. In
Toronto war eine Tendenz zu beobachten die vielleicht generell gilt: Die Musikkritiker betrachteten das Projekt und
meinten: «Fantastischer Prozess, aber wir
mögen das Stück nicht!» In Edinburgh
wie in Perth war das Werk an sich stärker
in den Prozess integriert. Ich will wirklich,
dass die Stücke ein Eigenleben bekommen! Möglich, dass mir dies nicht gelingt,
aber ich strebe es an. Es ist mir wichtig.
M&T: Sie möchten am Ende ein musikalisches
Werk präsentieren, welches ein Orchester auch
an einem anderen Ort spielen könnte?
Tod Machover: Ja, genau! Vielleicht werden wir uns in unserem nächsten Projekt
nach Luzern auf diesen dritten Aspekt
konzentrieren: Können wir einen Prozess und ein Stück initiieren, bei dem im
Vordergrund steht, dass das daraus entstehende Werk weiterlebt und auch für
spätere Eingriffe offen bleibt?
M&T: Ist es möglich, dass ein so konzipiertes
und realisiertes Werk eigenständig, ohne seinen
Initiator überleben kann?
Tod Machover: Ja. Ich denke, das kann
funktionieren. Einige meiner Werke
sind schwierig aufzuführen. Meine letzte
Oper, «Death and the Powers», verlangt
beispielsweise Roboter auf der Bühne,
man braucht dafür ein sehr kompliziertes Set mit komplexen Geräten und
Anlagen. Hier in Luzern spielt das Orchester unverstärkt, die elektronischen
Klänge werden hinzugemischt. Aber
alle meine Vorstellungen – etwa von
Klangeinblendungen – sind notiert. Das
schafft überhaupt keine Probleme, ein
solches Werk später oder anderswo wieder aufzuführen.
M&T: Andernfalls gäbe es kein künstlerisches
Weiterleben für Sie als Komponist…
Tod Machover: … ich versuche natürlich
die Voraussetzungen zu schaffen, damit
es gelingt, dem Werk ein Weiterleben
Tod Machover – The Lucerne Symphony
Der amerikanische Komponist Tod Machover
demonstriert mit seiner Musik eine aussergewöhnliche stilistische Bandbreite, die dazu
beigetragen hat, die Definition der Musik
selbst und ihre Wirkung auf die Gesellschaft
weiterzuentwickeln. Machover ist für seine innovativen Werke bekannt wie zum Beispiel die
«Roboter-Oper» Death and the Powers. Seit
2012 arbeitet Machover an einer Serie von
«Stadt-Sinfonien», so entstanden in Toronto,
Edinburgh und Perth (Australien) ähnliche Sinfonien wie die geplante in Luzern.
Er wurde 1953 in New York geboren, studierte
an der Juilliard School bei Elliott Carter und
wirkte an Pierre Boulez‘ IRCAM in Paris als
«composer-in-residence» und als erster Director of Musical Research. Machover ist als
«Muriel R. Cooper Professor of Music and Media» und Director der sogenannten Opera of
the Future Group am MIT Media Lab in Boston
tätig. Er ist bekannt dafür, neue Technologien
für musikalische Aufführung und Komposition
zu entwickeln. Tod Machover ist der Erfinder
der Hyperinstruments, die die musikalischen
Ausdrucksmöglichkeiten für Künstler wie YoYo Ma oder Prince erweitert haben.
Darüber hinaus wurden vom MIT Media Lab
für die breite Öffentlichkeit die revolutionären
Videospiele «Guitar Hero» oder «Rock Band»
entwickelt. Machover arbeitet ausserdem an
musikalischen Systemen und Technologien, die
die Förderung der physischen und mentalen Gesundheit und des Wohlbefindens zum Ziel haben.
Das gesamte Projekt «Eine Sinfonie für Luzern» wird von Lucerne Festival filmisch begleitet. Am Ende steht eine Dokumentation, die
im Zusammenhang mit der Uraufführung des
Werks am 5. September 2015 gezeigt wird.
www.todmachover.com
ohne mich für eine hoffentlich lange
Zeit zu sichern. Aber solchen Strategien
sind immer Grenzen gesetzt. Über einen
gewissen zeitlichen Rahmen hinaus ist
das kaum zu beeinflussen oder gar zu
kontrollieren. Kommt hinzu, dass Dinge, die uns heute beschäftigen oder gar
berühren, in zehn oder zwanzig Jahren
möglicherweise oberflächlich und banal
erscheinen. (Lachend) Vielleicht gelingt
das jemand anderem besser als mir…
M&T: Ihre Ideen nutzen das kreative Potenzial
komplexer Technologien. Öffnet Ihnen die Technologie auch künstlerische Freiräume?
Tod Machover: Ich denke, wenn Sie die
die Technologie beherrschen, kann Sie
Ihnen tatsächlich eine bestimmte Art
von Freiheit geben. Aber natürlich gibt
es nicht nur diese eine Freiheit. Ich versuche die aktuellen technologischen Möglichkeiten zu nutzen, um die verschiedensten Fragen zu erkunden: wie sich
eine Ausdrucksgeste umsetzen lässt, was
eine Phrase bedeuten kann, wie komplex ein Klang sein kann oder wie die
Beziehung zwischen Ausführenden und
Publikum einbezogen werden kann.
Ich glaube heute – auch wenn es mittels
technologischer Mittel geschieht –, es
braucht den direkten menschlichen Kontakt, um einen wirklichen Prozess in Gang
zu bringen. Das möchte ich auch mit diesem Luzerner Projekt erreichen. Wenn
ich im August zurückkehre, versuche ich
daher so viele kommunikative Situationen
als möglich zu schaffen: Leute können
mir Klänge bringen, mir eine Geschichte
erzählen, wir können uns über die Stadt
unterhalten. Sicher wird das der Start zu
einem Prozess voller Überraschungen! O
Tod Machover am
Lucerne Festival 2014
23. August: 11.00 – 13.00
Street Studio mit Tod Machover, Europaplatz
24. August: 16.00 – 18.00
Street Studio mit Tod Machover, Europaplatz
25. August: 19.30
Workshop, KKL Luzern, Clubräume
Teilnahme am Workshop nach Voranmeldung unter [email protected]
26. August: 16.00 – 18.00
Street Studio mit Tod Machover, Europaplatz
27. August: 19.30
Workshop, KKL Luzern, Clubräume
Teilnahme am Workshop nach
Voranmeldung unter
info@sinfoniefuerluzern
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inserate
Saison-Höhepunkte 2014/15
mit Chefdirigent James Gaffigan
und dem LSO.
In aller Leute Mund.
Rezital Jonas Kaufmann
Montag, 13. Oktober 2014 | 19.30 Uhr | KKL Luzern, Konzertsaal
Jonas Kaufmann, Tenor | Helmut Deutsch, Klavier
Robert Schumann: Auswahl aus den «Kerner-Liedern» op. 35 «Dichterliebe» op. 48
Richard Wagner: «Wesendonck-Lieder» WWV 91
Franz Liszt: Tre sonetti di Petrarca S. 270
Preise: CHF 250 | 190 | 140 | 90 |40
Eine der bedeutendsten Pianistinnen
der Gegenwart.
Maria João Pires spielt Beethoven
Mittwoch, 15. Oktober 2014 & Donnerstag, 16. Oktober 2014
19.30 Uhr | KKL Luzern, Konzertsaal
Luzerner Sinfonieorchester LSO | James Gaffigan, Leitung | Maria João Pires, Klavier
Carl Maria von Weber: Ouvertüre zur romantischen Oper «Oberon»
Ludwig van Beethoven: Konzert für Klavier und Orchester Nr. 3 c-Moll op. 37 und
Sinfonie Nr. 5 c-Moll op. 67
Preise: CHF 110 | 90 | 65 | 45 | 25
Händels erfolgreichste italienische Oper.
Cäsar und Cleopatra mit Natalie Dessay
inserate
Dienstag, 18. November 2014 | 19.30 Uhr | KKL Luzern, Konzertsaal
Le Concert d’Astrée | Emmanuelle Haïm, Leitung
Natalie Dessay, Sopran | Christophe Dumaux, Countertenor
Georg Friedrich Händel: Ausschnitte aus der Oper «Giulio Cesare in Egitto»
Preise: CHF 110 | 90 | 65 | 45 | 25
Eine Legende mit Mozarts letztem
Klavierkonzert.
Menahem Pressler & Thomas Dausgaard
Mittwoch, 3. Dezember 2014 & Donnerstag, 4. Dezember 2014
19.30 Uhr | KKL Luzern, Konzertsaal
Luzerner Sinfonieorchester LSO | Thomas Dausgaard, Leitung
Menahem Pressler, Klavier
Wolfgang Amadeus Mozart: Konzert für Klavier und Orchester Nr. 27 B-Dur KV 595
Anton Bruckner: Sinfonie Nr. 7 E-Dur
Preise: CHF 110 | 90 | 65 | 45 | 25
Stargitarrist Miloš zu Neujahr.
Il Regno di Napoli
S
NICHT
–
SSEN
VERPA ES
GROSS !
EN
ERLEB
Donnerstag, 1. Januar 2015 | 17.00 Uhr ] Freitag, 2. Januar 2015 | 11.00 Uhr
jeweils KKL Luzern, Konzertsaal
Luzerner Sinfonieorchester LSO | James Gaffigan, Leitung | Miloš, Gitarre
Joaquín Turina: «Danzas gitanas» für Orchester
Joaquín Rodrigo: «Concierto de Aranjuez» für Gitarre und Orchester
Alessandro Scarlatti: Concerto grosso Nr. 5 d-Moll
Domenico Scarlatti: Eine Sonate für Klavier
Domenico Cimarosa: Ouvertüre zur Oper «Il matrimonio segreto»
Giuseppe Verdi: Ouvertüre zur Oper «Alzira»
Nino Rota: Tänze aus der Filmmusik zu «Il Gattopardo» und andere
Preise: CHF 110 | 90 | 65 | 45 | 25
Bestellen Sie jetzt das Saisonprogramm 2014/15 und sichern Sie sich Ihre Plätze!
Beratung & Verkauf: Telefon 041 226 05 15 oder www.sinfonieorchester.ch
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artists
Barbara Hannigan über Mahlers Parodiefalle, den Umgang mit Tradition und die Kraft der Stille
«Ich bin gesund!»
Sie zählt zu den vielseitigsten Musikerpersönlichkeiten der Gegenwart. Als Sopranistin und Dirigentin pflegt Barbara Hannigan
ein breites Repertoire, das von der alten bis zur neuesten Musik reicht. Darüber hinaus lebt sie als Dirigentin ein kollegiales
Miteinander, fernab von jeglichem Dünkel. Beim Lucerne Festival ist die Kanadierin nun «artiste étoile», mit umfassenden
Einblicken in ihr Wirken. Wir trafen sie in München, wo sie jüngst in Bernd Alois Zimmermanns «Die Soldaten» zu erleben war.
Marco Frei (Text) & Priska Ketterer (Bilder)
artists
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artists
artists
M&T: Barbara Hannigan, wie singt man im
Zweiten Streichquartett von Arnold Schönberg
die «Luft von anderem Planeten» – oder den
«kindlich heiteren Ausdruck» im Finalsatz der
Vierten Sinfonie von Gustav Mahler?
Barbara Hannigan: Indem man bei Mahler nicht in die Parodiefalle tappt. Mahler hat diese Anweisung ernst gemeint.
Zudem muss der «kindliche Ausdruck»
nicht zwangsläufig den Ton meinen, sondern eine Haltung – die Art des Vortrags.
Ich liebe es, die Vierte von Mahler zu
singen. Insbesondere heute. Es war eines
meiner ersten Orchesterstücke, als ich
jung war. Ich hörte all die Aufnahmen,
aber vor allem in den zurückhaltenden
Momenten war es oft so gross und dick.
Das konnte ich nicht verstehen, weil es
mir wie Protzerei vorkam – mit viel Vib-
rato. Für mich war es sehr schwer, damit
umzugehen. Aber jetzt bin ich älter und
muss niemandem mehr beweisen, dass
ich singen kann. Ich bin nicht in einem
Wettbewerb und fühle mich einfach wohl
in dieser Musik – in der Unschuld des
Klanges eines Kindes, das im Himmel die
Tiere rennen sieht und sich nicht vorstellen kann, dass das Essen dort so gut
sei. Es ist eine Art Bewusstseinswerdung,
die sehr spontan ist und sehr rasch. Deswegen verlangt Mahler ständig: «Nicht
schleppen». Denn die Assoziationen von
Kindern kommen und gehen schnell,
auch das meint das «Kindlich». Es bewegt sich stets vorwärts, ohne zu zögern.
M&T: Und das Zweite Streichquartett von
Schönberg?
Barbara Hannigan: «Ich promote Partituren, das ist mein Job.
Denn Musik ist das Medium, durch das ich den Menschen
helfen kann, sich selber zu betrachten.
Barbara Hannigan: Dort trage ich eine
Art Wettbewerb mit mir selber aus. Und
wie viel Geld ich verliere, wenn ich dieses
Stück singe! Ich singe es nämlich oft umsonst, weil ich keine Gelegenheit verpassen möchte – dafür liebe ich es zu sehr.
Wie man die «Luft von anderem Planeten» singt? Ich denke, indem man vor
allem sehr genau und sehr tief zuhört.
Ich höre dem Klang des Streichquartetts
zu, um wirklich die Luft in diesem Klang
zu spüren. Und wenn das Quartett die
letzten fröstelnden Noten spielt, bevor
der Gesang anbricht, und es schwingt
bereits die Ahnung einer Farbe in der
Luft mit: Das ist es. Es ist für mich eine
türkis-blaue Kühle, die diesen Klang
hervorruft und Gänsehaut verleiht – ein
Klang jenseits der Sterne.
M&T: Ist auch für den «Klang jenseits der Sterne» die Frage nach dem Vibrato entscheidend
– auch im Sinne eines «non vibrato»?
Barbara Hannigan: Der Gebrauch des
Vibratos ist tatsächlich sehr entscheidend. Ein Dauervibrato wirkt künstlicher und hat nichts zu tun mit der
Freiheit oder Unschuld eines Kindes.
Ich benutze das Vibrato sehr bewusst,
mache den Ton straffer und klarer oder
füge Vibrato hinzu. In komischen Rollen parodiere ich auch das Vibrato, bei
Mahler aber sollte das Vibrato wirklich
minimal sein – allerdings ohne Zwang,
weil das auch wieder künstlich wäre und
gewollt. Bei Schönberg hingegen muss
man im Klang des Quartetts sein, es ist
ein miteinander Atmen. Man kann das
Zweite Streichquartett nicht ganz ohne
Vibrato singen, wegen des klanglichen
Volumens, gerade in den tieferen Registern. Für mich steht grundsätzlich fest,
dass ein Dauervibrato, wie es noch heute
gerne gelehrt wird, ziemlich langweilig
ist. Man muss es beherrschen, ja, aber
frei einsetzen. Generell arbeite ich sehr
hart und mit viel Disziplin an meiner
Technik, um frei zu sein.
M&T: Weil flexibel?
Barbara Hannigan: Ja. Natürlich muss
man spontan sein, aber wie schon Pierre
Boulez stets zu mir sagte: «Du kannst
erst spontan sein, wenn du diszipliniert
gearbeitet hast, um alle Möglichkeiten
zu besitzen. Erst sie erlauben dir, das zu
erreichen.» Wenn ich das Zweite Streichquartett von Schönberg singe, spüre ich
den musikhistorischen Wandel – die
Tradition und das Loslassen von ihr. Wir
müssen unser Musizieren mit unserem
Wissen konfrontieren, aber ohne den
Zwang von Tradition. Die Tradition sollte nichts damit zu tun haben, wie man
ein Stück singt. Kein Komponist hat mir
je gesagt: «Bitte singe mein Stück so, wie
es andere tun.» Sie sagen: «Schau in die
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M&T: Woher rührt Ihre Neugierde für neue
Musik?
Barbara Hannigan: Ich komme aus einer
kleinen Stadt in Kanada, wo ich zwar einen guten Gesangsunterricht hatte, aber
keinen allzu kenntnisreichen Musikunterricht. Mit 17 zog ich nach Toronto.
Dort begann ich, Mahler zu hören und
Bruckner, auch Ligeti und Boulez. Alles
war neu für mich. Ich bin mindestens
drei- oder viermal die Woche ins Konzert gegangen, alte und moderne Musik,
alles. Für mich war nie ein Stil besser als
der andere.
M&T: Viele junge Sänger meinen, neue Musik
ruiniere die Stimme.
Barbara Hannigan: Ach, das wurde
schon immer gesagt. Seit der zweiten
Hälfte des 20. Jahrhunderts haben sich
diese Ressentiments wohl noch verstärkt. Aber echte Sängerinnen, wie
Cathy Berberian, haben bewiesen, dass
neue Musik die Stimme nicht ruinieren
muss. Sie waren erfolgreich und hatten
gesunde Stimmen. Ich habe über 80 Stücke uraufgeführt – und es geht mir sehr
gut. Ich bin gesund!
M&T: Sie geben in Luzern diesen Sommer einen
Meisterkurs. Was ist Ihr «Geheimrezept», das
Sie in Luzern dabei verraten werden?
Barbara Hannigan: Zunächst einmal
sind die meisten Stimmen durch übermässiges Singen ruiniert. Schauen Sie
sich die Wagner-Sänger an: Es gibt so
viele, die medizinische Hilfe benötigen
für ihre Stimmbänder. Wir kennen sie,
und das hat nichts mit moderner Musik
zu tun. Eine gesunde Technik ist eine
gesunde Technik. Man muss diszipliniert
sein und einen Plan haben, um Musik
einzustudieren. Ich bin auf Proben sehr
vorsichtig und muss niemandem etwas
beweisen. Ich gebe in der Aufführung
mehr als in den Proben.
Noten.» Nur das ist ihr Erbe, nicht irgendeine Interpretationstradition.
M&T: Was hat Ihnen Boulez gegeben?
Barbara Hannigan: Zuerst haben wir
Anton Webern und Igor Strawinsky gemacht, und dann kam sein eigenes Werk
«Pli selon pli». Das war für mich unvergesslich. Wir kannten uns bereits gut und
vertrauten uns sehr. Er sagte mir nie, wie
ich zu singen hätte. Ich fühlte mich frei,
spürte den Fluss, fast schon eine improvisierende Qualität – obwohl die rhythmische Kontrolle und die Koordination
mit den Instrumentalisten in dem Werk
wirklich hart ist. Was wir gemeinsam entdeckten, war die dramatische Präsenz
des Stücks. Zuvor hatte mich György Ligeti als erster für vieles befreit. Die Herausforderungen in seiner Musik waren
so gross, aber ich sage oft, dass moderne
Komponisten meine Gesangslehrer seien. Natürlich – wenn du Mozart nicht
singen kannst, ist etwas falsch. Er ist der
Test. Aber ich habe Klänge und Farbe
M&T: Sie mögen Yoga, oder?
Barbara Hannigan: (lacht) Ich habe mir
für meinen Meisterkurs in Luzern tatsächlich einen Yogalehrer gewünscht,
aber es hätte auch etwas anderes sein
«Heute umarme ich diese
Einsamkeit!»
entdeckt durch so viele moderne, zeitgenössische Komponisten. Sie alle haben
mir etwas beigebracht und mich unterrichtet. Und sie tun es noch immer.
können. Ich bin keine Yoga-Fanatikerin
– überhaupt nicht. Aber ich wollte einen
Bewegungskurs integrieren, weil es wirklich wichtig ist, den ganzen Körper zu
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trainieren. Sehr viel häufiger gehe ich
ins Fitnesscenter, einfach um gesund zu
bleiben.
M&T: Zumal heute der kulturpolitische Druck
auf die Klassik wächst, und auch die PR-Maschinerie gnadenlos ist?
Barbara Hannigan: Natürlich, das ist
wahr. Aber noch wichtiger ist, dass man
sich selber gegenüber ehrlich und aufrichtig ist. Wenn du nicht dem folgst, was
andere meinen, was du tun solltest, gibt
es dir wirklich Energie. Ich habe immer
sehr viel gearbeitet, auch heute noch.
Schon als Kind wollte ich viel beschäftigt
sein. Andere Menschen benötigen mehr
Raum. Es geht also darum, was man selber braucht. Und was die «PR-Maschine»
betrifft: Ich möchte die Komponisten
promoten, seien sie nun tot oder lebendig. Ich promote Partituren, das ist mein
Job. Denn Musik ist das Medium, durch
das ich den Menschen helfen kann, sich
selber zu betrachten. Die Botschaften in
Zimmermanns «Soldaten» oder in Bergs
«Lulu» künden davon, Dinge zu ändern.
M&T: In Luzern sind Sie auch als Dirigentin zu
erleben. Warum sind bis heute Vorbehalte gegenüber dirigierenden Frauen weit verbreitet?
Barbara Hannigan: Jedenfalls ist der
Druck auf Frauen, besser zu sein, sehr
viel höher – das stimmt. Eigentlich muss
man als Frau immer besser sein. Für
mich muss man einfach ein guter Musiker sein, ob Mann oder Frau. Punkt. Für
mich ist das Dirigieren normal. Es macht
15 Prozent meines Jahres aus, und es
wird mehr werden – zumal man nicht
ewig singen kann. Ich mache es seit einigen Jahren und sage nicht: «Hey, ich
bin eine Frau.»
M&T: Haben Sie Angst vor der Stille?
Barbara Hannigan: Nein, die Stille ist so
wichtig wie der Klang. Ich geniesse sie.
Und für meine Stimme ist das Schweigen notwendig. Wann immer ich kann,
fahre ich nach Nova Scotia in Kanada,
wo es sehr still ist. Da komme ich her.
Für mich war es anfangs sehr hart, meine Heimat zu verlassen – die innere
Einsamkeit. Aber jetzt bin ich daran gewöhnt und sehe das Alleinsein als etwas
Positives. Um es mit Rilke zu sagen: Heute umarme ich diese Einsamkeit.
M&T: War die Einsamkeit der Preis der Karriere?
Barbara Hannigan: Ja, und heute ist
es ein schöner Preis. Man muss dem
Nachwuchs erklären, dass man bereit
sein sollte, etwas aufzugeben. Es ist ein
grosses Opfer. Du bist selten zu Hause,
immer woanders, deine Freunde und
persönlichen Sachen sind weit weg. Man
muss wenig reden, um die Stimme zu
schonen. Manchmal kann ich deswegen
nicht mit meiner Familie sprechen. Aber
ich habe einen wundervollen Partner,
der mich genau versteht und weiss, wie
ich arbeite. Er schenkt mir den Raum,
den ich brauche – für meine Kunst. O
Barbara Hannigan
am Lucerne Festival
16. August, 22.00 Uhr («Late Night»)
Werke von Rossini, Mozart, Ligeti und Fauré
Mahler Chamber Orchestra,
Barbara Hannigan, Dirigentin und Sopran
23. August, 18.30 Uhr
Chin: «Le Silence des Sirènes»
(Uraufführung)
Lucerne Festival Academy Orchestra &
Chorus
Simon Rattle, Dirigent
25. – 30. August, 11.00 Uhr
Meisterkurs Gesang mit Barbara Hannigan
Studierende der Lucerne Festival Academy
30. August, 22.00 Uhr («Late Night»)
Abschlusskonzert Meisterkurs
29. August, 22.00 Uhr
Barbara Hannigan in der Festival Lounge
6. September
Mahler 4. Sinfonie G-Dur
Lucerne Festival Academy Orchestra,
Matthias Pintscher, Dirigent
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Christian Gerhaher über Gesangs-Emphase, seine Entwicklung als Liedersänger und die Ikone Dietrich Fischer-Dieskau
«Ich bin ein Epigone»
Seine Liedinterpretationen schürfen tief, und in der Oper dringt er Schritt für Schritt in neue Gefilde vor. Der Bariton Christian Gerhaher hat viel erreicht in seiner Karriere. Und Selbstzweifel wie Eigenkritik dabei nie verloren. Diesen Sommer verkörpert er am Lucerne Festival in der halbszenischen Umsetzung von Johann Sebastian Bachs «Matthäuspassion» den Christus. Eine ganz besondere
Herausforderung.
Kai Luehrs-Kaiser
Bilder: Sony Classical / Jim Rakete
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zer. Aber ein richtiger Musiker bin ich
nicht.
M&T: Wie bitte?!
Christian Gerhaher: Das Material meiner
Stimme, glaube ich, gibt mir bestimmte
Möglichkeiten. Aber zugleich muss ich
zugeben, dass ich die Musik, die mein
Beruf ist, oft nicht verstehe. Gestern
in der Berliner Philharmonie habe ich
Simon Rattle mit der 3. Snfonie von
Brahms gehört. Er hat es phantastisch
dirigiert, und doch weiss ich überhaupt
nicht, wie das aufgebaut ist. Ich empfinde mich als Laien.
M&T: In die Schweiz, nach Luzern, kommen Sie
diesen Sommer mit Bachs «Matthäus-Passion»,
inszeniert von Peter Sellars. Den Jesus haben
sie auch früher schon gesungen. Hat Sellars etwas an Ihrer Interpretation bewirkt?
Christian Gerhaher: Oh ja, sehr viel. Ich
hatte die «Matthäus-Passion» sogar früher schon einmal mit Simon Rattle in
Birmingham aufgeführt. Ich fand’s ideal und war nie wieder so überzeugt von
einer Matthäus-Passion. Trotzdem muss
ich sagen, dass ich die Figur des Jesus
erst in Salzburg durch Peter Sellars verstanden habe. Sellars hat einfach zu mir
gesagt: «Bitte freundlicher!»
Christian Gerhaher: «Man darf nicht in den eigenen Empfindungen rühren, aber man muss
doch eigene Empfindungen haben.»
M&T: Herr Gerhaher, es gibt derzeit wenige
Sänger, die so stark bewundert werden wie
Sie – auch von Musikerkollegen. Wie gehen Sie
damit um?
Christian Gerhaher: Ich fühle mich
eher geniert und kann nur versuchen,
das Lob zurückzugeben. In letzter Zeit,
das stimmt, häufen sich die Dinge bei
mir, zum Beispiel dadurch, dass ich «Artist in Residence» bei den Berliner Philharmonikern war. Es liegt eine Gefahr
darin, Lob zu glauben. Ich selber sehe
mich als einen typischen Stimmbesit-
M&T: Was wollte er damit sagen?
Christian Gerhaher: Ich war davon ausgegangen, dass Jesus sehr stark durch
sein Menschsein geprägt ist. Sellars
dagegen wollte, dass ich die Milde, die
Freundlichkeit und eine unverbrüchliche Liebe stärker zeige. Darauf konnte
ich mich gut einlassen. Für mich hat
Sellars selber etwas stark Auratisches. Er
sagt immer, das Ergebnis sei nicht das
Entscheidende. Und darin hat er Recht.
Genau das ist die Unschärferelation in
allem Künstlerischen. Was wissen wir
schon in Bezug auf das, was wir wirklich
wollen?! Was herauskommt, hat seine eigene Wahrheit.
M&T: Bei Sellars’ «Ritualisierung» handelt es
sich um eine halb- oder dreiviertelszenische
Aufführung, die mit wenig Mitteln den Eindruck
erweckt, in sich vollständig zu sein. Richtig?
Christian Gerhaher: Ja, es fehlt nichts.
Inzwischen haben wir auch die «Johannes-Passion» gemeinsam aufgeführt. Es
ist das viel reflektiertere Stück. Ich habe
den Ausdruck «Ritualisierung» immer
ein bisschen merkwürdig oder sogar prätentiös gefunden. Aber es steht ein unerhörtes musikalisches Vorstellungsvermögen dahinter. Der Mann ist grossartig.
M&T: Ursprünglich erfolgte Ihr Auftritt als Jesus
aus dem Publikum heraus. Sie mussten schon
lange vorher, für alle sichtbar, im Publikum sitzen?
Christian Gerhaher: Ich muss gestehen,
dass das eine schreckliche Situation war!
Man darf sich nicht rühren. Die Angst
steigt. Wir haben das szenisch jetzt Gott
sei Dank verändert.
M&T: Ist es nicht so, dass Lampenfieber und
Angst aufhören, sobald man auf der Bühne
steht?
Christian Gerhaher: So sollte es sein. Es
kann aber auch passieren, dass man
die Angst während des ganzen Auftritts
beibehält. Das merkt man im Publikum
vielleicht nicht. Aber es bleibt ziemlich
schwierig.
M&T: Bei der Schubertiade Hohenems singen
Sie im September einen Liederabend. Wenn
man Ihre heutigen Liedaufnahmen mit früheren
vergleicht, so stellt man eine erstaunliche Entwicklung fest. Ihr Timbre ist weicher und voller
geworden, das Legato hat sich entwickelt und
es ist eine Emphase eingekehrt, die Ihnen heute
keiner nachmacht.
Christian Gerhaher: Dass sich das Legato verbessert hat, freut mich. Dennoch
waren dies alles nicht die Baustellen,
an denen ich gearbeitet habe. Meine
grösste Baustelle ist, dass ich überhaupt
durchgehalten habe. Damit meine ich:
gesundheitlich und konditionell. Dazu
gehört, dass man das Repertoire, das
man bedient, weiterführen kann und
immer neu entwickelt.
M&T: Woran haben Sie konkret gearbeitet?
Christian Gerhaher: An der Aussprache!
Ich habe früher überartikuliert. Und
nicht ganz die Rolle der Konsonanten
beim Singen begriffen. Dieses Missverständnis führt dann zum sogenannten
‚Konsonantenspucken’. Ein anderes
Problem besteht darin, dass ich mein
Bayerisch nie ganz wegbekomme.
M&T: Dietrich Fischer-Dieskau, dem verschiedentlich «Konsonantenspucken» angelastet
wurde, hielt die Mitlaute für das beste Mittel,
um sein Legato zu pflegen. Sie nicht?
Christian Gerhaher: Nein, ich nicht.
Konsonanten sind nicht automatisch
Legatofreunde. Schauen Sie sich die
Gesangskultur in Italien an. Dort werden die Konsonaten traditionell kurzgehalten. Was ich viel wichtiger finde
und woran ich arbeite, ist eine stärkere
Differenzierung der Vokale. Es gibt im
Deutschen so viele verschiedene O’s, I’s,
E’s, A’s und U’s wie in keiner anderen
europäischen Sprache. Es ist ein deutsches Phänomen, vor allem innerhalb
der gesungenen Sprache. Ich bin grundsätzlich gegen ein Patex-Legato. Entscheidend bleibt die Verständlichkeit.
Dabei machen sogar Unterbrechungen
das Legato lebendiger. Ein Zerhacken ist
nicht nötig.
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Christian Gerhaher:
«Meine grösste Baustelle
ist, dass ich überhaupt
durchgehalten habe».
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M&T: Sehen Sie sich als Kritiker Fischer-Dieskaus?
Christian Gerhaher: Nein, ganz im Gegenteil, ich sehe mich als Epigonen von
Fischer-Dieskau. Nur habe ich nie verleugnet, dass man als Sänger eine eigene
Identität haben muss. Was Fischer-Dieskau erreicht hat, kann ich niemals errei-
der Herr Huber und ich ja nun schon
mehr als 25 Jahre mit Liedern arbeiten.
Das geschah am Anfang sehr selbstbezüglich. Mit den Jahren sieht man die
eigene Aufgabe immer stärker in einer
Art Selbstdistanzierung. Man muss von
sich selber wegkommen, um zum Inhalt
übergehen zu können.
«Was herauskommt, hat
seine eigene Wahrheit»
chen. Er ist und bleibt die Ikone des 20.
Jahrhunderts, und zwar wegen des Niveaus, auf welches er das Lied überhaupt
gehoben hat. Durch Fischer-Dieskau ist
Liedgesang nicht mehr abhängig von
Sentimentalität, das ist seine Errungenschaft. Ausserdem hat er sich dafür
eingesetzt, dass die Stimme hell geführt
wird. Das halte ich für keinen Nachteil.
M&T: Es kommt alles vom Inhalt her?
Christian Gerhaher: Ja. Und muss doch
zwangsläufig den Weg über das Selbst
nehmen. Das ist das Paradox des Sängers. Man darf nicht in den eigenen
Empfindungen rühren, aber man muss
doch eigene Empfindungen haben. Worauf es einzig und allein ankommt, ist
die Darstellung des Geschriebenen.
M&T: Glauben Sie, dass im Allgemeinen eine
Gefahr besteht, die Stimme zu dunkel zu führen?
Christian Gerhaher: Jedenfalls gibt es in
der Gesangsschule von Manuel Garcia
eine gewisse ‚Verdunkelungstendenz’.
Garcia sprach von einer Eindunkelung
der Stimme als Ziel. Das erreicht man
durch einen präphonatorischen Druck.
Es wäre im 18. Jahrhundert gar nicht
möglich gewesen. Fischer-Dieskau hat
diese Tendenz ein Stück weit rückgängig gemacht, was bei ihm auch mit einer
Intellektualisierung einherging. Es war
eine Art Aufklärung des Gesangs.
M&T: Halten Sie Liedgesang nicht trotzdem für
eine subjektive Sache?
Christian Gerhaher: Sagen wir so: Ich
halte Selbstbezogenheit für einen nötigen Umweg. Aber für einen Umweg.
Wie Gerald Huber immer sagt: Es muss
einmal durch einen durch.
M&T: Was betrachten Sie als weniger positiv an
Fischer-Dieskau?
Christian Gerhaher: Was ich kritisch
an ihm sehe, ist vor allem, dass er ein
zu grosses Repertoire bedient hat. Der
Grundsatz, nach Möglichkeit alles aufzunehmen, ging auf Kosten der stilistischen Individualität von Werken und
Komponisten. Ich würde dies sogar als
die Tragik Fischer-Dieskaus ansehen.
M&T: Es gibt bei Ihnen ein unverwechselbares
Mass deklamatorischer Intensität, und, wenn
man so sagen kann: an Inständigkeit. Woher
kommt das?
Christian Gerhaher: Es ist, glaube ich,
nach und nach gekommen. Einen bestimmten Ausdruckswillen hatte ich
schon früher, aber der war zu persönlich geprägt. Sie müssen bedenken, dass
M&T: Wie bei einer Kaffeemaschine?
Christian Gerhaher: Ja. Und der Kaffeesatz kann weg.
M&T: Man könnte vermuten, dass Sie auch
durch die Oper zu neuen Ausdrucksmöglichkeiten gefunden haben?
Christian Gerhaher: Das ist auf jeden
Fall richtig. Ohne Wolfram im «Tannhäuser» hätte ich die Karriere so wie sie
sich jetzt entwickelt nie machen können.
Die Partie ist ja nicht so liedhaft wie man
vielleicht denken könnte. Sie ist ziemlich massiv. Daran wächst die Stimme,
und das muss auch so sein. Nach der
Rom-Erzählung im 3. Akt nimmt die Partie des Wolfram heldische Qualitäten an,
die man in sich entwickeln und durchhalten muss.
M&T: Sie könnten gewiss Ihre Opernkarriere
forcieren, wenn Sie das wollten. Nach welchem
Prinzip sortieren Sie die Angebote?
Christian Gerhaher: Das war früher
schwieriger als es heute ist. Weil immer gesagt wurde: ‚Der hat so eine
kleine Stimme.’ Also habe ich mich
erst langsam vorgearbeitet. Wichtig
war Monteverdis «Orfeo» 2005 an der
Oper Frankfurt. Und daran anschliessend weitere Rollen an diesem Haus.
Alle Rollen sind für mich immer stark
verbunden mit der Frage, an welchem
Haus sie herauskommen. In Zürich ist
jetzt ein «Wozzeck» mit Andreas Homoki geplant. In München noch einmal ein Marquis Posa in «Don Carlo».
Irgendwann wird Amfortas folgen. Hoffentlich auch Simon Boccanegra. Und
eventuell Guillaume Tell. Der entscheidende Aspekt bleibt, dass ich durch
Opernrollen meine Liedkarriere nicht
gefährden will.
M&T: Bedeutet die Tatsache, dass Ihre Stimme
nie die Grösste war, eine Beschränkung?
Christian Gerhaher: Anfangs war das
so. Das Problem hat sich erst verloren,
als die Stimme grösser geworden ist.
Und weil man mich inzwischen vielleicht stärker respektiert. Ich hatte immer Komplexe, dass die Stimme nicht
viril und nicht gross genug ist. Aber
wenn man mit dem agiert, was man
hat, und sich den eigenen Komplexen
nicht einfach ergibt, dann wird man
auch damit akzeptiert. Für viele männliche Sänger ist der Verdacht schrecklich, dass an ihrer Männlichkeit gezweifelt wird. Eine gute Sache am Erfolg ist,
dass einem zugetraut wird, was einen
eigentlich überfordern würde: zum
Beispiel Beckmesser oder Amfortas,
der mir schon vor vielen Jahren angeboten wurde. An diesen Dingen wächst
man mit. Man muss nur aufpassen, die
Rollen nicht anzunehmen. Sonst wird’s
gefährlich.
O
Christian Gerhaher
3. September, 18.30 Uhr
Johann Sebastian Bach: «MatthäusPassion»
Regie: Peter Sellars,
Berliner Philharmoniker, Rundfunkchor
Berlin, Luzerner Kantorei,
Simon Rattle (Dirigent)
Mit Magdalena Kozena, Topi Lehtipuu,
Mark Padmore, Eric Owens und Christian
Gerhaher (Christus).
21. September,
Schubertiade Hohenems, 20.00 Uhr
Lieberabend mit Gerold Huber, Klavier
Werke von Schubert und Rihm
Neue CD:
«Nachtviolen». Ausgewählte Lieder von
Franz Schubert
Mit Gerold Huber, Klavier
Sony Classical 88883712172
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Sergey Khachatryan ist Preisträger des Credit Suisse Young Artist Award
«Wir Armenier
lieben das Drama»
Der armenische Geiger ist seit seinem Sieg beim Sibelius-Wettbewerb 2000 ein fester Wert im Universum der Konzertgeiger. Ein
Gespräch über Karriere, Armenien und das Violinkonzert von Beethoven, das Khachatryan im Preisträgerkonzert mit den Wiener
Philharmonikern spielen wird.
Reinmar Wagner
«Wenn man in einem
Werk nicht wirklich
etwas Persönliches zu
sagen hat, dann sollte
man es nicht spielen.»
Bild: Terry Linke
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M&T: Das Preisträgerkonzert des Credit Suisse
Young Artist Award am 13. September leitet
Gustavo Dudamel. Kennen Sie ihn schon?
Sergey Khachatryan: Wir haben vor einigen Jahren zusammen musiziert, mit
dem Orchester aus Göteborg. Ich fand
damals toll, wie er das Orchester mitreissen konnte, und ich denke, das ist schon
eine der wichtigsten Eigenschaften für
einen Dirigenten. Wie Dudamel seine
Energie transformieren und auf die Musiker übertragen kann, das hat mich sehr
beeindruckt.
M&T: Sie spielten das Violinkonzert von Sibelius, für das Sie seit ihrem Sieg beim SibeliusWettbewerb wohl sehr oft angefragt wurden?
Sergey Khachatryan: Es war damals mein
Lieblingskonzert, deswegen wollte ich
auch den Sibelius-Wettbewerb machen.
Inzwischen liebe ich es immer noch, und
ich habe es auch noch besser verstanden, nachdem ich in Finnland war, finnische Literatur gelesen, die Landschaften mit den vielen Seen gesehen habe.
Die Melancholie in diesem Werk hat
mich schon immer fasziniert, und nachdem ich die Atmosphäre erlebt habe,
sind gewisse Bilder sehr stark geworden.
Dennoch ist es ein sehr dramatisches
Konzert, und wir Armenier lieben das
Drama.
M&T: Auch die Melancholie?
Sergey Khachatryan: Armenische Folklore ist sehr rhythmisch, aber was mich daran mehr fasziniert, was auch die Komponisten eingefangen haben wie etwa
Khatchaturian in seinem Violinkonzert,
ist die Tiefgründigkeit, die Melancholie,
die Tragödie, die auch in der Folklore
sehr tief ist. Natürlich auch aus der armenischen Geschichte heraus.
M&T: Der Völkermord wird von der Türkei immer
noch geleugnet.
Sergey Khachatryan: Wissen Sie, dieses
Leugnen hat nichts mit wirklichen Zweifeln zu tun, historisch ist ja alles belegt.
Heute ist das Politik. Und viele europäische Länder sind im Moment nicht interessiert, die Türkei zu brüskieren, leider
Gottes. Als Armenier darf man so etwas
natürlich nicht vergessen. Aber ich finde
auch, wir sollten vielleicht etwas mehr
in die Zukunft schauen. Schmerzvoll
ist diese nationale Erfahrung natürlich,
weil der Völkermord nicht anerkannt
wird. Eineinhalb Millionen Tote, auch
die ehemals armenischen Gebiete, die
wir dadurch verloren haben. Aber heute denken die meisten Armenier nach
vorne.
M&T: Spielen Sie auch armenische Musik?
Sergey Khachatryan: Ja, meine nächste CD wird armenischer Folklore aber
auch klassisch armenischer Musik gewidmet sein. Man kennt in Europa vielleicht
Khatchaturian oder Komitas, der wie
Bartok durch die Dörfer zog und noch
vor dem Genozid die Volksmusik sammelte. Aber es gibt noch viele weitere
interessante Komponisten.
Sergey Khachatryan: Es war eigentlich
sehr einfach. Wir haben spielerisch
Deutsch gelernt, hatten einen tollen
Lehrer, der zu unserem Glück auch musikbegeistert war. Die Sprache war natürlich neu, aber der andere Schulstoff
war für uns eher einfach, weil man in Ar-
«Heute ist alles schneller
und routinierter»
M&T: Welche Rolle spielt die Geige in diesem
Repertoire?
Sergey Khachatryan: Die originalen Melodien sind in erster Linie für Stimme,
also Lieder. Komitas hat Volkstänze für
Klavier arrangiert und dabei auch ein
wenig seine eigene Sprache mit eingebracht. Es ist eine ganz eigenständige
Welt, ich kann es mit keinem anderen
Idiom oder Stil vergleichen. So eigen
wie die Sprache oder unser Alphabet. Es
existiert seit dem fünften Jahrhundert,
hat 39 Buchstaben und ist weder mit kyrillisch noch Latein verwandt.
M&T: Überdurchschnittlich viele klassische Musiker haben armenische Wurzeln. Woher kommt
diese Affinität?
Sergey Khachatryan: Schwer zu sagen.
Auf jeden Fall muss man festhalten, dass
es zur Sowjet-Zeit tolle Schulen gab, die
Sowjetunion hatte auch gute Seiten. Bildung wurde auch in dezentralen Gegenden wie Armenien sehr hoch geschätzt.
Die besten Musiker konnten in Moskau
studieren und kamen als Lehrer wieder
zurück. Man kann über die russische
Geigenschule streiten, ihre Ästhetik
hinterfragen, aber es war eine blühende, lebendige und technisch sehr hoch
stehende Schule. Und die Armenier hatten schon immer eine sehr innige Beziehung zur Geige. Ich weiss nicht warum.
M&T: Ihre Eltern waren Pianisten...
Sergey Khachatryan: ...auch meine ältere
Schwester. Ich bin die Ausnahme. Meine
Schwester hat mit Klavier angefangen,
und da haben meine Eltern gefunden,
ich soll ein anderes Instrument lernen.
Wobei sie mich nicht gezwungen haben,
Musiker zu werden. Es war sehr üblich
damals, dass alle Kinder ein Musikinstrument spielen, so wie in Deutschland
früher.
M&T: Sie kamen mit sieben Jahren nach
Deutschland. Wie haben Sie diesen Wechsel
erlebt?
menien früher ein höheres Schulniveau
hat. Ich finde wirklich schade, wie in
Deutschland die Kinder die ersten vier
Jahre eigentlich nur Zeit verschwenden.
Sie wären in diesem Alter so aufnahmefähig. Das sind meiner Ansicht nach verschenkte Möglichkeiten.
M&T: Auch das Geige spielen ist Ihnen offenbar
leichtgefallen. Sie galten als Wunderkind.
Sergey Khachatryan: Ich habe mit sechs
angefangen, mit neun das erste Solokonzert gespielt. Ich bin schnell voran
gekommen, das stimmt. Ich hatte eigentlich kaum Schwierigkeiten, habe aber
auch nicht so viel geübt. Wenn die Eltern
nicht zu Hause waren sogar überhaupt
nicht. Wie ein ganz normales Kind.
M&T: Gab es später Momente, in denen Sie
Schwierigkeiten überwinden mussten?
Sergey Khachatryan: Mir ist alles wirklich sehr leichtgefallen. Meine Karriere
hat sich wie von selbst entwickelt. Sie
startete in Südfrankreich über einen
befreundeten Musiker, und mit der internationalen Öffentlichkeit nach dem
Sieg beim Sibelius-Wettbewerb.
M&T: Sie spielen oft im Duo mit Ihrer Schwester.
Sergey Khachatryan: Wir sind uns auch
menschlich nach wie vor sehr nahe. Lusine ist einer der wenigen Menschen,
denen ich komplett vertraue, das macht
auch unser Duo für mich einzigartig.
Abgesehen davon dass sie eine tolle Musikerin ist, mit viel Fantasie, die viel zu sagen hat. Wir sind als Menschen verschieden, aber es herrscht eine unglaubliche
Harmonie zwischen uns. Ich denke, das
wäre nicht möglich mit einem anderen
Pianisten. Sicher wäre es interessant,
sofern überhaupt einer bereit wäre, die
nötige Zeit zu investieren.
M&T: Warum, weil die Pianisten lieber solo spielen?
Sergey Khachatryan: Nein, weil man allgemein heute immer weniger probt und
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WER MOZART
MAG, WIRD DAS
ZKO LIEBEN.
HIGHLIGHTS AUS UNSEREM PROGRAMM:
Ĝ VIVALDI: DIE VIER JAHRESZEITEN
Ĝ SAINTSAËNS: LE CARNAVAL DES ANIMAUX
Ĝ MOZART: SINFONIE NR. 40
Ĝ BEETHOVEN: KLAVIERKONZERT NR. 3
Ĝ BACH: VIOLINKONZERT NR. 2
zko.ch | Tel. Billettkasse: 0848 848 844
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investiert. Das sieht man vor allem bei
den Orchestern. Meistens gibt es zwei
Proben für ein Solokonzert. Wenn es ein
tolles Orchester ist, und auch die Chemie zwischen Dirigent und Solist stimmt,
dann kann es unglaublich toll werden.
Aber wenn dieses Verhältnis aus irgendeinem Grund nicht stimmt, wenn beide
eine andere Sprache sprechen, andere
Ansichten haben, dann reichen diese
zwei Proben nicht, um wirklich zu arbeiten. Man arbeitet eigentlich gar nicht:
Ein bisschen Schleifen, ein bisschen Balance, etwas Koordination – das ist nicht
wirkliches Arbeiten.
M&T: Mit welchen Dirigenten haben Sie das
Konzertieren besonders partnerschaftlich erlebt?
tinierter, es gibt diese Persönlichkeiten
als Musiker und Menschen kaum mehr,
weil das System es nicht mehr zulässt: alles muss reibungslos und schnell funktionieren. Die Dirigenten werden immer
jünger, vielleicht steht in zwanzig Jahren
ein 15-Jähriger bei den Berlinern am
Pult. Möglicherweise wird das toll, weil
die Jungen sehr schnell denken und reagieren können. Aber die Musik braucht
auch Zeit.
M&T: Bei Ihnen selber, spüren Sie diesen Reifeprozess?
Sergey Khachatryan: Ich spiele 40 Konzerte im Jahr, im Vergleich zu meinen
Kollegen eine lächerliche Anzahl. Aber
ich kann von Glück reden, dass ich mir
diesen Luxus leisten kann. Die Karriere-
«Wenn die Eltern nicht zu Hause waren,
habe ich überhaupt nicht geübt»
Sergey Khachatryan: Mit Valery Gergiev
habe ich oft gespielt, und im ersten Konzert von Schostakowitsch habe ich zum
ersten Mal gespürt, dass der Dirigent
wirklich mit mir atmet, also nicht einfach
nur mitzugehen versucht. Es war der erste Auftritt mit ihm, und wir hatten gar
keine Probe gehabt, weil er ein Problem
mit dem Flugzeug hatte. Das Publikum
sass schon im Saal als er ankam, er besprach mit mir einige Tempi zur Orientierung und wir haben uns reingestürzt.
Ich kenne ihn unterdessen, er braucht
dieses Adrenalin, diesen Stress. So wie
mit ihm habe ich mit keinem Schostakowitsch erstes gespielt. Ich will damit
nicht sagen, es wird gut, wenn man nicht
geprobt hat. Aber es war unglaublich,
wie das Orchester mitgekommen ist. Da
habe ich auch gemerkt, welchen Einfluss
ein Dirigent auf ein Orchester haben
kann. Natürlich, das war sein eigenes
Orchester, das er seit Jahren aufgebaut
hatte und das ihn kennt. Das geht sicher
nicht bei jedem Orchester.
M&T: Sie sind jung, wie ist Ihr Verhältnis zu den
Dirigenten in Ihrem Alter?
Sergey Khachatryan: Ich finde eigentlich
eher die ältere Generation interessant.
Eine Zeit lang bin ich öfter mit Kurt
Masur aufgetreten, wir haben auch die
Schostakowitsch-Konzerte
aufgenommen. Diese ältere Generation hat etwas,
was ich bei den Jungen weniger finde,
vom Gefühl, vom Bezug zur Musik, der
Einstellung, wie sie an ein Werk heran
geht. Heute ist alles schneller und rou-
maschine verlangt von dir, dass du überall präsent bist, damit du oben bleibst.
Bis jetzt konnte ich mich dem entziehen,
ich konnte mit den besten Orchestern
und Dirigenten spielen. Und auf lange
Sicht, denke ich, wird das nachhaltiger.
Mein Lehrer riet mir, jedes Konzert so zu
spielen, als ob es mein letzter Tag wäre.
Ich verausgabe mich sehr bei einem
Auftritt, und ich brauche Zeit um mich
emotional wieder zu füllen.
M&T: Ist in dieser Beziehung jedes Konzert
gleich intensiv?
Sergey Khachatryan: Eigentlich schon,
weil ich natürlich das Repertoire spiele,
das ich auch liebe. Und das würde ich
jedem Künstler raten. Es ist toll, ein grosses Repertoire zu haben, aber wenn man
in einem Werk nicht wirklich etwas Persönliches zu sagen hat, dann sollte man
es nicht spielen.
M&T: Beim Lucerne Festival spielen Sie nun
zum ersten Mal mit den Wiener Philharmonikern. Mit welchem Gefühl?
Sergey Khachatryan: Wir haben lange
versucht, einen Auftritt mit den Wienern zu bekommen, deswegen habe
ich mich auch so gefreut über den
Preis. Und ich kann das Beethoven-Violinkonzert spielen, das ist momentan
mein Lieblingskonzert. Zusammen mit
Schostakowitsch eins. Da hat mich die
Aufnahme von Vengerov mit Rostropowitsch total umgehauen. Seither liebe
ich Schostakowitsch, habe auch die Sonate gespielt, die Sinfonien gehört. Ich
glaube, diese Musik passt zu meinem
Charakter.
M&T: Mehr die tragische oder die sarkastische
Komponente?
Sergey Khachatryan: Das Tragische. Das
Groteske vielleicht nicht wirklich, aber
ich fühle mich in dieser Musik sehr zu
Hause. Vielleicht schätze ich das Konzert
von Beethoven heute noch ein bisschen
höher, wobei man eigentlich in der Musik nicht vergleichen sollte. Aber mich
fasziniert, dass er ein Level erreicht, wo
er übermenschlich ist. Im zweiten Satz
fühlt man sich wie nicht mehr von dieser
Welt. Schostakowitsch schreibt über die
Tragik des Lebens, über das katastrophale Regime und die Tragödie der Menschheit. Beethoven kann sich komplett darüber erheben.
M&T: Welche klangliche Vorstellung haben Sie
im Konzert von Beethoven?
Sergey Khachatryan: Ich bin ein Geiger,
der gerne mit sehr viel Klangintensität
und Vibrato spielt. Ich weiss, dass Beethoven auch ohne oder mit wenig Vibrato gemacht wird, und dass manche das
sehr mögen. Aber ich spiele immer mit
Vibrato, weil das eine Möglichkeit ist,
mit vielen Farben zu arbeiten. So spiele
ich auch Bach.
M&T: Welche CD-Pläne haben Sie neben dem
erwähnten Armenien-Projekt?
Sergey Khachatryan: Ich würde sehr
gerne die Solosonaten von Ysaye aufnehmen. Dies auch deshalb, weil ich die
Ysaye-Geige jetzt spielen darf. Eine Guarneri mit einer Etikette, auf die Ysaye
1928 notierte: «Le plus fidèle companion de ma carrière». Offenbar hat er
die Geige sehr geliebt. Nach seinem Tod
hat man die Geige vor sein Grab getragen.
M&T: Und zum Glück nicht mit begraben...
Sergey Khachatryan: Nein, sie kam zu
Isaac Stern, nach dessen Tod an die Nippon-Foundation, die sie mir ausgeliehen
hat. Ich wollte dieses Instrument schon
immer. Eine Zeit lang spielte es Pinkas
Zukerman, und man bot mir bei einem
seiner Konzerte an, darauf Probe zu
spielen. Aber das wollte ich lieber nicht,
wenn ich nicht eine Chance bekam, die
Geige wirklich zur Verfügung zu haben.
Schliesslich hat das geklappt.
M&T: Der eher dunklere Guarneri-Klang im Vergleich zur Brillanz der Stradivari liegt Ihnen?
Sergey Khachatryan: Ein grosser Vorteil
dieser Guarneri ist, dass sie beides bietet:
dunkle Tiefe und Brillanz. Ich habe eine
Zeit lang gebraucht, mich an sie zu gewöhnen, aber jetzt bin ich sehr glücklich
O
damit.
37
38
composer
Johannes Maria Staud ist composer-in-residence beim Lucerne Festival – ein Porträt
Der Komponist und
die Gesellschaft
Die Rolle des Komponisten in unserer Zeit beschäftigt ihn: Widerständig und gefällig sollte er gleichzeitig sein. Also Erwartungen
erfüllen, die kaum zu erfüllen sind. Woraus Johannes Maria Staud die Konsequenz zieht, dass alles kompositorische Tun vor dem
eigenen Ich Bestand haben muss und seine eigene Lust auf das Hören befriedigt werden will. Nachzuerleben ist das facettenreich
diesen Sommer in Luzern, unter anderem mit mehreren Uraufführungen, so einem Violinkonzert und dem Musiktheater «Die Antilope».
Fritz Trümpi (Text) & Priska Ketterer (Bilder)
composer
Komponieren – sonst nichts. Johannes
Maria Staud hat viel riskiert, und damit ist
der 1974 geborene Tiroler, der mittlerweile in Wien lebt, weit gekommen. Er habe
kein zweites Standbein, keine Professur,
die ihm den Lebensunterhalt sichern
würde, sondern bloss ein Kompositions-
solut notwendig, um der eigenen Arbeit
gegenüber trotz schönen Erfolgen treu
zu bleiben.» Doch Staud ist sich auch bewusst, dass gerade der Musikbetrieb von
relativ starren Erwartungshaltungen der
Konzertveranstalter wie des Publikums
geprägt ist.
«…die pure Freude an der kleingliedrigen Kombinatorik und am
Fortspinnen musikalischer Formen»
studium, das ihm den Rücken gestärkt
habe bei seiner Entscheidung, Komponist
zu werden. «Ich habe damals versucht,
den Übergang vom Studium in die freie
darwinistische Welt fliessend zu gestalten
– und habe mich dann ins Komponieren
gestürzt als gäbe es kein Morgen.»
Seither sind es klingende Namen,
die bei ihm Kompositionen in Auftrag
geben und Uraufführungen seiner Werke gestalten: die Wiener Philharmoniker
(Segue, 2006) und die Berliner Philharmoniker (Apeiron, 2004/5), die Staatskapelle Dresden (Tondo sowie «Der Riss
durch den Tag», 2010/11), das Cleveland
Orchestra («On Comparative Meteorology»,
2009) oder das Symphonieorchester des
Bayerischen Rundfunks (Maniai, 2012),
unter der Leitung von Dirigenten wie
Pierre Boulez, Simon Rattle, Daniel Barenboim oder Mariss Jansons.
Doch ein solches Namedropping
interessiert Staud herzlich wenig. «In einem Kompositionskurs fragte mich eine
junge Studentin einmal, wie man denn
an einen Kompositionsauftrag eines berühmten Orchesters herankomme, und
wie man dann für dieses schreiben müsse», erzählt Staud sichtlich erheitert – er
empfand die Frage als äusserst seltsam.
Denn solch kalkuliertes Komponieren
sei im stets fremd gewesen – und eine
Orientierung an einem vermeintlichen
Geschmack des Auftraggebers wäre wohl
auch nicht zielführend gewesen.
«Es geht beim Komponieren nicht
darum, so zu schreiben, damit das Stück
ein Erfolg wird – handelte ich so, würde ich mich selbst verraten.» Es freue
ihn selbstverständlich, wenn seine Werke positiv aufgenommen würden, doch
nicht um jeden Preis. Denn Erfolg ist für
Staud zwiegesichtig: Er beinhalte beim
Komponieren, wie in allen anderen Berufen, die Gefahr der Bequemlichkeit,
der Etabliertheit, ja der Korrumpierung.
«Eine Erhöhung der Selbstkritik ist ab-
Dies darum, weil der Musikbereich,
anders als etwa die Literatur oder die bildende Kunst, stark vergangenheitsfixiert
ist. «Als Komponist ist man heute weit
stärker mit den grossen Werken der Vergangenheit konfrontiert als dies etwa bei
einem Schriftsteller oder einer Malerin
der Fall ist.»
Staud hält dieser Umstand aber
nicht davon ab, seinen Weg abseits von
ästhetischen Kompromissen zu gehen:
«Wenn meine Kompositionen in einem Abonnementkonzert der Wiener
Philharmoniker keinen Widerspruch
erzeugten, würde ich wohl etwas falsch
machen.» Dazu passt, dass sich Staud
auch schon geweigert hat, mit dem Dirigenten Christian Thielemann bekannt
gemacht zu werden, nachdem dieser
in einem Konzert mit der Staatskapelle
Dresden im Anschluss an Strauss’ Zarathustra Wagners Meistersinger-Ouvertüre als Zugabe in den Saal gepeitscht
hatte: «Die Kombination dieser beiden
in der NS-Zeit so missbrauchten Werke
wird von genügend Leuten, gerade in
Wien, als politischer Subtext verstanden – die frenetische Publikumsreaktion
widerte mich dermassen an, dass ich es
damals vorzog, still und heimlich zu verschwinden.» Auch dort ging es darum,
sich selbst nicht untreu zu werden. Für
einen dezidiert politischen Komponisten hätte Staud wohl zwar allzu hermetische Vorstellungen von Musik, aber sein
feines Gehör für allerlei Arten von Zwischentönen macht auch vor politischen
Zusammenhängen nicht halt.
Schon sein Studium verbrachte er
ohne Scheuklappen: Neben Komposition schrieb er sich auch für Musikwissenschaft und Philosophie ein. Allerdings
habe er bald feststellen müssen, dass er
beide Disziplinen schamlos missbraucht
habe, um auf Ideen für das Komponieren zu kommen: «Das interesselose
Wohlgefallen an puren philosophischen
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composer
Musiques Suisses –
Schweizer Klassik, Neue Volksmusik und Jazz
Am Bruch zur Moderne
Schweizer Lieder nach 1900
Beat Furrer
Grammont Portrait CTS-M CD 141
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5
Aer
. . . cold and calm and moving
Lied
auf tönernen füssen
Studie
MGB CD 6280
Schweizer Lieder von
Emil Frey, Walter Lang, Marcel Sulzberger
Max Zehnder
Solisten: Valentin Johannes Gloor, Tenor
Sybille Diethelm, Sopran; Edward Rushton, Klavier
Zisman / Fulgido
eifachs.ch
Soul Tango Invasion
Bauernkapellen 1825–1925
feat. Billy Cobham, William Evans,
Matthieu Michel, Wolfgang Zwiauer
MGB-NV CD 28
Florian Walser, Klarinette; Heinz Saurer, Trompete/Cornet;
Herbert Kistler, Flügelhorn; Christoph Hertig, Es-Althorn;
Thomas Rüedi, Euphonium; Karl Schimke, Tuba
MGB CD Jazz 12
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5
Escualo
Libertango
El día que me quieras
Fratello
In the Box
Musiques Suisses/Neue Volksmusik wird getragen von Pro Helvetia, Suisa-Stiftung, Gesellschaft
für die Volksmusik in der Schweiz, Haus der Volksmusik Altdorf und Migros-Kulturprozent.
Pro Helvetia, Suisa, Suisa-Stiftung, Schweizerischer Tonkünstlerverein, Schweizer Radio- und
Fernsehgesellschaft und Migros-Kulturprozent bilden die Trägerschaft von Grammont Portrait.
www.musiques-suisses.ch
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9
Milongology
Caruso
Rock on, Mike!
For both of You
Ein Projekt des
composer
auf, dass er früher mitunter «aus einem
Bedürfnis der Verunklarung heraus» operiert habe, während er seinen Umgang
mit dem musikalischen Material heute als
ungleich stringenterer bezeichnet.
Der Aspekt der Stringenz kennzeichnet denn auch Stauds aktuelle Arbeit an
der Oper «Die Antilope», die in Luzern
uraufgeführt wird. Zusammen mit seinem Librettisten Durs Grünbein wollten
sie «konzis und schlüssig eine Endlosschleife auf der Bühne» kreieren, erläutert Staud das Projekt in Abgrenzung zur
verbreiteten Lesart, das Schreiben von
Opern sei heutzutage ein Anachronismus. Dieser würde für Staud höchstens
dann zum Problem, wenn er «die Form
der grossen Oper reanimieren» müsste.
Doch das auf Theatralisches fokussierte
Musikschaffen ist für Staud durchaus
zeitgemäss, zumal er an seinem aktuellen Stoff eine zeit- und gesellschaftskritische Dimension festmacht.
Und überhaupt, die Frage nach adäquaten Kunstformen ist für Staud die
Frage nach dem Sinn von Kunst insgesamt: «Wozu überhaupt Kunst in einer
Welt, die Kunst nicht benötigt?» Antworten darauf wird Johannes Maria Staud in
O
Luzern liefern – zuhauf.
Johannes Maria Staud: «Ich habe
mich ins Komponieren gestürzt als
gäbe es kein Morgen».
Gedanken hat sich bei mir ebenso wenig
eingestellt wie die Begeisterung für Musikanalysen als Selbstzweck.»
Letztere halfen ihm jedoch für die
Verfertigung seiner eigenen musikalischen Konstruktionen. So untersuchte
Staud beispielsweise, wie Morton Feldman mit Oktaven umging und bekennt
heute, dass dies jener Komponist sei, von
dem er kompositionstechnisch am allermeisten gelernt habe. «Alleine schon
was die Akkordfortschreitungen oder
der Verarbeitungsprozess von kleingliedrigen Zellenstrukturen hin zu einem
grossen, dichten Klanggewebe betrifft,
lassen sich bei Feldman unglaublich
spannende Dinge beobachten.»
Aber auch ein György Ligeti bildet
für Stauds eigenes Komponieren eine
zentrale Referenz. «Ich komme aus der
postseriellen Ecke, und es war für mich
schon immer befremdlich, wenn Komponisten mehr über Gefühle als über
ihre Musik reden», bekennt Staud mit
anerkennendem Blick auf Ligeti. Denn
die Musik repräsentiere doch nicht irgendwelche kruden Gefühlsausdrücke,
sondern vielmehr «eine Kompositionsethik», in der es um nichts anderes als
um «die pure Freude an der kleingliedrigen Kombinatorik und am Fortspinnen
musikalischer Formen» gehe.
Dabei gesteht Staud, dass er das Gegenteil eines Improvisators sei. Seine
Kompositionen entstehen denn auch
nach einem streng geregelten Arbeitsprozess. Am Anfang steht eine kleine
Zelle, ein «motivischer Kleinsteinfall»,
wie Staud diese bezeichnet. Diesen Einfall klopft er dann zunächst auf seine
Potenzialität hin ab und spaltet ihn in
der Folge «in seiner Linearität auf», um
daraus harmonische und rhythmische
Strukturen zu entwickeln. Doch trotz
der sich dadurch herausbildenden Vielfalt in Form und Klang möchte er eine
Durchhörbarkeit des Ganzen gewährleisten, wie Staud seine kompositorische
Zielsetzung formuliert: «Ich versuche, in
jedem meiner Werke etwas anderes, eigenes zu entdecken.»
Ob er dies für die frühen Werke auch
geltend machen würde? Auf seine Anfänge als Komponist zurückblickend meint
Staud auf diese Frage, die meisten seiner
älteren Stücke könne er auch heute gelten lassen, obwohl er inzwischen vieles
anders gestalten würde. So fällt ihm etwa
Johannes Maria Staud
am Lucerne Festival
17. August, 11.00 Uhr
Monodram «Der Riss durch den Tag»
Ensemble intercontemporain, Matthias
Pintscher
Robert Hunger-Bühler
27. August, 18.20 Uhr
Lucerne Festival 40min
Ausgewähle Kammermusik
Studierende der Lucerne Festival Academy
27. August, 19.30 Uhr
Violinkonzert (Uraufführung)
Luzerner Sinfonieorchester,
James Gaffigan, Dirigent
Midori, Violine
3., 5., 7. September, 19.30 Uhr
Musiktheater «Die Antilope» (Uraufführung)
Text Lurs Grünbein
Luzerner Sinfonieorchester,
Chor und Solisten des Luzerner Theaters
Dominique Mentha, Regie
Howard Arman, Dirigent
6. September, 18.30
«Zimt. Ein Diptychon für Bruno Schulz»
(Uraufführung der Gesamtfassung)
Lucerne Festival Academy Orchestra
Matthias Pintscher. Dirigent
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thema
Bild: Priska Ketterer
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Extreme kompositorische
Mittel für eine psychische
Extremsituation – Heinz
Holligers Vertiefung in den
späten Hölderlin.
Heinz Holligers klingendes Hölderlin-Psychogramm als Leuchten nach innen
«…wie Wolken um
die Zeiten legt…»
Das Lucerne Festival hat diesen Sommer ein Hauptwerk von Heinz Holliger, den «Scardanelli-Zyklus», sowie eine
Uraufführung nach Gedichten der Bündnerin Luisa Famos im Programm. Und bewegt sich damit gleichsam ins Epizentrum
des Festivalthemas «Psyche».
Thomas Meyer
Die letzten 36 Jahre, und damit seine
ganze zweite Lebenshälfte, verbrachte
Friedrich Hölderlin zurückgezogen in
einem Turmzimmer in Tübingen, oberhalb des Neckars. Dort verfasste er «gegen eine Pfeife Tabak» für die Besucher
kurze Gedichte, häufig über die Jahreszeiten, versah sie teilweise mit völlig
absurden Datierungen («d. 3ten März
1648»; «d. 9ten Merz 1940»), und unterschrieb mit Pseudonymen wie «Scarda-
nelli».War er wahnsinnig? Oder hatte er
sich resigniert in den Wahnsinn geflüchtet? Die Meinungen darüber gehen bis
heute auseinander.
Lange hat es gedauert, bis das Interesse für Hölderlin wieder erwachte,
nachdem er zuvor – völlig zu Unrecht
– «verdächtig» geworden war, weil die
deutschen Soldaten seine Hymnen während des Feldzugs in den Tornister gepackt hatten. Mitte der 70er-Jahre aber
erhielt das Wirtschaftswunder der Nachkriegsjahre mit der Ölkrise und der
Rezession seinen ersten Knacks. Gleichzeitig wurde auch den überzeugtesten
68ern bewusst, dass es mit den Veränderungen so leicht nicht werden würde.
Eine bleierne Zeit brach an.
Entsprach das nicht der Stimmungslage Hölderlins? Jedenfalls begannen
sich die Komponisten wieder für ihn zu
interessieren: Luigi Nono etwa mit sei-
thema
nem Streichquartett «Fragmente – Stille, An Diotima» (1979/80), Wolfgang
Rihm mit seinen «Hölderlin-Fragmenten» (1976/77) und etwas zuvor bereits
Heinz Holliger. In seinem «ScardanelliZyklus», den er 1975 begann und zehn
Jahre später abschloss, widmete er sich
vor allem dem späten Hölderlin. Es
handle sich hier mit den «luziden Korrespondenzen zwischen Text und Musik»
gleichsam um «ein klingendes Psychogramm des Dichters», meint Mark Satt-
verläuft umgekehrt: Die Musik löst die
Gefühle auch bei uns aus.
«Durch die bis zum Äussersten gehende Strapazierung barocker Triosonaten-Konventionen und die bis an die
Grenzen physischer und instrumentaler
Möglichkeiten getriebenen Anforderungen an die Bläser, erhält die Musik eine
innere Spannung, ja eine eigentliche
Körperlichkeit, die sie sehr deutlich von
kleinmeisterlicher barocker Spielmusik
abhebt, die sie aber auch grundlegend
Iso Camartin: «Am Heimweh spüren
die Lebenden, dass die Toten in die
Welt zurückdrängen»
ler vom Lucerne Festival, und deshalb
passe das Werk exemplarisch zum Thema «Psyche». «Hölderlin steht symbolhaft für ein Künstlerschicksal, dessen
Seele an der Wirklichkeit einerseits zerschellt ist, der andererseits mit seinen
so reinen, klaren und scheinbar naiven
Natur beschreibenden Gedichten aus
der Turmzeit eine besondere Seelenharmonie beschwört.»
Die Mittel, die Heinz Holliger in diesem zweieinhalbstündigen Zyklus für Soloflöte, kleines Orchester und gemischten Chor verwendet, sind extrem. So
beispielsweise jene Töne, die ausgelöscht
werden, von «Klanglöchern» schreibt
der Komponist in seinem Kommentar.
Die Sänger singen im Tempo ihres Pulsschlags, im Strohbass oder «jubilierende
Akkorde» im Einatmen. Die Kanonstimmen werden in Viertel- und Achteltönen
geführt. Die Interpreten werden bis an
die Grenzen des Möglichen gefordert.
Aber diese Techniken sind kein Selbstzweck: Auf vielfältige Weise brechen sie
die Leuchtkraft der Klänge, machen sie
fahl, ja matt. Dur-Klänge werden so versetzt, dass sie sich gegenseitig aufheben;
ein Espressivo mit fast leeren Lungen
überträgt sich auch auf den Hörer. Und
selbst wenn der Klang einmal normal
und schön sein könnte, dann wird er auf
spannungslose Weise harmonisiert.
So wirken diese Gesänge nur noch
wie ein Abglanz, ähnlich wie die hier
vertonten Gedichte des späten Hölderlin nur noch einen Schimmer seiner
früheren Sprachgewalt spiegeln. Aber
welche hellen Nuancen zeigen sich in
dieser Fahlheit! Darin zeigt sich die
ausserordentliche kompositorische Leistung Holligers. Er bringt uns Hölderlin
nahe, zwar nicht in der herkömmlichen
Weise, dass nun irgendwelche Gefühle
musikalisch dargestellt würden. Der Weg
von der in sich ruhenden Geschlossenheit und Monumentalität der Bachschen
Kunst unterscheidet.» schrieb Holliger
einst über die Musik des Barockkomponisten Jan Dismas Zelenka, an dessen Wiederentdeckung er massgeblich
beteiligt war. Was er hier hervorhob,
strebte auch er in seiner Musik – und vor
allem in jenen Kompositionen, die etwa
zwischen 1970 und 1980 entstanden, an:
ein bis an die Grenze gehen, ein Sich-Hineinbohren in die Musik bis zur Atemlosigkeit. Das macht letztlich auch die Unmittelbarkeit von Holligers Musik aus.
Heinz Holliger war jedoch immer
auch ein Vorreiter und stand am Anfang gewisser Strömungen, ja Moden.
Mit dem «Scardanelli-Zyklus» eben, dem
bald zahllose Hölderlin-Vertonungen
folgten, in der Beschäftigung mit Robert
Schumann oder mit Robert Walser. Und
sein «Alb-Chehr» steht bei den Avantgardisten am Anfang der «Neuen Schweizer
Volksmusik». In den letzten zehn Jahren
hat er weitere Schriftsteller entdeckt:
den Brienzer Mundartdichter Albert
Streich etwa oder Anna Maria Bacher,
die im Walserdeutsch des Pomattertals
schreibt. Auch da sind ihm mittlerweile
verschiedene Kollegen gefolgt.
Jetzt hat Holliger – nicht als erster
– Gedichte der Bündnerin Luisa Famos
vertont: eine grossartige Dichterin. Sie
war ein Zugvogel, jene Schwalbe, von
der sie schreibt, und blieb doch verbunden mit ihrem Daheim. In Ramosch im
Unterengadin kam sie 1930 zur Welt,
und in diesem kleinen Dorf starb sie
1974 auch. Dazwischen hat sie die Welt
durchquert. Sie wurde in Chur zur Primarlehrerin ausgebildet, unterrichtete
im Bündnerland, im Zürcherischen und
im Appenzellischen, moderierte die
erste rätoromanische Fernsehsendung,
publizierte zunächst unter dem Pseu-
donym Flur da Riva (Uferblume), bald
auch unter ihrem richtigen Namen, sie
lebte in Paris und Zürich, schliesslich
mit ihrem Mann, dem Ingenieur Jürg
Pünter, und den beiden Kindern in Lateinamerika, dann im Urnerland, bevor
sie heimkehrte.
«Increschantüm» heisst Holligers Zyklus für Sopran und Streichquartett. Der
Titel, der die Grundstimmung andeutet,
ist kaum adäquat zu übersetzen. «Im
Wort increschantüm verbirgt sich etwas,
das im deutschen Heimweh gar nicht
aufscheint» schreibt dazu der Philosoph
und Romanist Iso Camartin: «Die Wurzel
ist das Lateinische increscere. Es heisst: hineinwachsen, dann auch: sich steigern.
Heimweh ist etwas, das auf unheilsame
Art heranwächst, eine übertriebene
Form der Anhänglichkeit und Abhängigkeit, die schmerzt und peinigt. Am
Heimweh spüren die Lebenden, dass die
Toten in die Welt zurückdrängen. Beide
leiden an dieser Haftung, und Heimweh
ist danach nie mehr etwas, was sich sentimentalisch verklären lässt.»
Die neuen Gedichtvertonungen erklingen im Konzert mit der finnischen Sopranistin Anu Komsi und dem ZehetmairQuartett. Zu hören sind an diesem Abend
ausserdem Debussys Streichquartett von
1893 und Holligers 2. Quartett von 2007.
Auch dieses Stück bezieht sich übrigens
auf Hölderlin: Zugrunde gelegt sind ihm
– unhörbar – die letzten Worte, die vom
Dichter im Nachruf einer Zeitung überliefert sind, sie stammen wohl aus einem
letzten Herbstgedicht Scardanellis: «…
O
wie Wolken um die Zeiten legt…»
Heinz Holliger am
Lucerne Festival 2014
30. August, 11.00 Uhr
«Scardanelli-Zyklus» für Soloflöte,
Orchester, Tonband und gemischten Chor.
Lucerne Festival Academy Orchestra,
Lettischer Rundfunkchor;
Heinz Holliger, Leitung
Felix Renggli, Flöte
30. August, 16.00 Uhr
Streichquartett Nr. 2
«Increschantüm». Gedichte der Luisa Famos (1930–1974) für Sopran und Streichquartett (Uraufführung)
Zehetmair Quartett
Anu Komsi, Sopran
13. September, 11.00 Uhr
Klaus Huber – Hommage zum
90. Geburtstag
Uraufführung eines neuen Werkes
43
44
studio
Neue Ton- und Filmdokumente vom Lucerne Festival 1977 bis 2013 mit dem Dirigenten Claudio Abbado
«Was bleibet aber»
Werner Pfister
Fast fünf Jahrzehnte lang war Claudio
Abbado dem Lucerne Festival (und den
früheren Internationalen Musikfestwochen Luzern) verbunden – was für eine
enorme Zeitspanne! In den letzten elf
Jahren intensivierte sich diese künstlerische Beziehung auf wohl weltweit einmalige Weise: Im Festspielsommer 2003
konnte Claudio Abbado erstmals das von
ihm neu gegründete Lucerne Festival
Orchestra vorstellen. Fortan dirigierte
er mit diesem Elite-Klangkörper alljährlich die ersten Konzertprogramme zur
Festival-Eröffnung. Wer das Glück hatte,
hier dabei sein zu können, wird es wohl
nie vergessen: Es waren Sternstunden
eines einzigartig erfüllten Musizierens,
welches aus dem tiefsten künstlerischen
und persönlichen Einverständnis zwischen dem Dirigenten und einem von
ihm handverlesenen Ensemble an Orchestermusikern schöpfte.
Ein letztes Mal, im August 2013, mit
Bruckners neunter Sinfonie – es sollte
nicht nur Abbados letzter Auftritt mit
seinem Lucerne Festival Orchestra wer-
den, sondern sein letztes Konzert überhaupt. Am 20. Januar 2014 verstarb er.
Was bleibt, sind unsere Erinnerungen
und, zum grossen Glück, Tondokumente – neu veröffentlichte Luzerner
Konzertmitschnitte, drei von ihnen mit
Bruckner-Sinfonien. Wie gesagt, mit der
Neunten nahm er Abschied – ein ungemein berührender Abschied. Weich im
Klangbild, raumgreifend in der Klangentfaltung, luzide und ohne jede kathedralenhafte Monumentalität. Schopenhauers Diktum, dass Architektur
Bild: Priska Ketterer
Claudio Abbado bei der Generalprobe zu seinem letzten Konzert mit dem Lucerne Festival Orchestra im Sommer 2013.
studio
gefrorene Musik sei, wird hier gleichsam
ins Gegenteil gekehrt: Formale Architektur ergibt sich unter Abbados Dirigat dadurch, dass er die Musik auf natürlichste Weise in lebendigem Fluss hält. Eine
Interpretation, die nach Sternen greift
und dabei den Himmel erreicht – besonders überwältigend im leisen Abgesang
des feierlichen Adagios, den Abbado mit
unendlicher Zartheit gestaltet.
Verletzlicher Bruckner
Überhaupt scheint es charakteristisch zu
sein für Abbados spätes Bruckner-Bild
(im Unterschied zu seinen früheren
Einspielungen mit den Wiener Philharmonikern), dass er selbst die grossen
kathartischen
Blechbläser-Kaskaden
sozusagen mit leichter Hand anfasst –
was, zumindest vom Ansatz her, auch
für seine memorable Interpretation von
Bruckners fünfter Sinfonie vom Luzerner Sommer 2011 gilt, die hier in einer
vorzüglich gefilmten Version vorliegt. In
den leisen Stellen (und davon gibt es bei
Bruckner viele) ergibt sich daraus eine
Atmosphäre von zarter Verletzlichkeit –
so wie man sie aus vielen (späten) Werken Schuberts, aber kaum bei Bruckner
kennt.
An Schubert erinnert auch Abbados sehr kantables Musizieren – in den
liedhaft ausgestalteten Melodien ebenso wie in den idyllischen Ländlerpassagen. Und das selbst in einem so kecken,
ja sperrigen Werk wie Bruckners erster
Sinfonie. Einen Sonderstatus hat dieses
Luzerner Tondokument, weil Abbado
hier die selten gespielte, späte Wiener
Fassung dirigierte (im Unterschied zu
seiner DG-Einspielung, wo er die Linzer Fassung wählte). Unnachahmlich
der stürmische Elan in den pochenden
Bassrhythmen – hier scheint das Recht
des noch jungen Komponisten auf Rebellion mitzuklingen, und gleichzeitig
spürt man in dieser Musik den Aufbruch
zu einer neuen sinfonischen Dimension.
Eine Referenz-Einspielung.
Beethoven mehrdimensional
Ebenfalls von Abbados letztem Luzerner
Sommer mit dem Lucerne Festival Orchestra stammt ein DVD-Mitschnitt mit
Brahms‘ Tragischer Ouvertüre, dem Zwischenspiel sowie dem Lied der Waldtaube aus Schönbergs «Gurre-Liedern», einem von Abbado besonders geschätzten
Werk, sowie Beethovens «Eroica». Hier
fällt auf, wie wenig Abbado in seinen allerletzten Jahren dem herkömmlichen,
sogenannt «modernen» Beethoven-Bild
gehuldigt hat. Im Gegenteil, so getragen,
so sehr nach innen gewendet, so zeitversunken hat man den Trauermarsch noch
nie gehört. Und selbst der Finalsatz, mit
über 16 Minuten Spielzeit viel breiter als
früher (in den Einspielungen mit den
Berliner und Wiener Philharmonikern)
genommen, wirkt irgendwie abgeklärt
– utopische Grösse aus altersweiser Distanz reflektiert?
Denn früher klang Abbados Beethoven anders, wie das ein Luzerner
Konzertmitschnitt von 1988 mit dem
Chamber Orchestra of New York und
hier mit Beethovens Zweiter zeigt. Die
Tempi orientieren sich (zwar nie sklavisch) an Beethovens sehr schnellen
Metronomangaben, wobei aber auch
hier der langsame zweite Satz im Tempo
merklich gedehnter genommen wird.
Eine «klassische», aber detailgenau ausgehorchte Interpretation von Schuberts
«Unvollendeter» (1978 mit den Wiener
Philharmonikern) sowie – eine Premiere in Abbados Diskografie – Wagners
«Siegfried-Idyll» runden auch diese
Produktion zu einem wertvollen Dokument.
«Was bleibet aber, stiften die Dichter»: Der letzte Vers in Hölderlins später
Hymne «Andenken» wird oft – und missverständlich – als Selbstlob des Dichters
gedeutet. Dabei meint er allein dies:
Nicht schon die grosse Tat allein macht
den Helden unsterblich, sondern erst
der ihn wortgewaltig rühmende Dichter.
Dürfte man daraus folgern: Nicht schon
das grosse Werk allein macht Komponisten unsterblich, sondern erst der sie
kundig auslegende, eben «rühmende»
Interpret? In diesem Sinne wäre Claudio Abbado tatsächlich mit jenem vielbeschworenen Dichter zu vergleichen
– einer, der viele der grössten Werke der
Musikgeschichte bezwingender «zu Wort
gebracht», also interpretiert hat, als die
meisten anderen Dirigenten seiner Generation. Diese Luzerner Mitschnitte
zeigen es erneut – ein Andenken ganz
O
besonderer Art.
Claudio Abbado
bei Lucerne Festival
Bruckner, Sinfonie Nr. 9. Abbado.
CD DG 479 3441
Bruckner, Sinfonie Nr. 1. Abbado
CD Accentus Music 30274
Bruckner, Sinfonie Nr. 5. Abbado.
DVD Accentus Music 20243
Schubert, Sinfonie Nr. 7 «Unvollendete»; Beethoven, Sinfonie Nr. 2; Wagner,
«Siegfried-Idyll». Abbado. Audite CD 95.627
Brahms, Tragische Ouvertüre; Schönberg,
Zwischenspiel und Lied der Waldtaube aus
den «Gurre-Liedern»; Beethoven, Sinfonie
Nr. 3. Fujimura, Abbado.
Accentus Music DVD 20282
Sternstunde der Bartók-Interpretation Rafael Kubeliks
Er war in diesem Fall – am 15. August
1962 an den Internationalen Musikfestwochen Luzern – nur Einspringer, aber gleichzeitig einer der bedeutendsten Dirigenten
seiner Zeit: Rafael Kubelík übernahm für
den erkrankten Ferenc Fricsay die Leitung
einer konzertanten Aufführung von Bartóks
Operneinakter «Herzog Blaubarts Burg». Mit
Irmgard Seefried und Dietrich Fischer-Dieskau standen bedeutende, geradezu ideale
Sängerpersönlichkeiten zur Verfügung – ein
einzigartiges Gipfeltreffen, das in dieser legendären Konstellation auf Schallplatte nie
verewigt wurde und nur hier, im erstmals
veröffentlichten Live-Mitschnitt aus dem
Luzerner Kunsthaus, zu erleben ist.
Weise, die Kräfte zu bündeln und zu binden
und aus der von allem Anfang an spürbaren Glut Feuer zu schlagen. Seefried und
Fischer-Dieskau erschliessen auf suggestive Weise die den sieben Seelenbildern
innewohnenden psychologischen Schichten
und identifizieren sich derart stark mit
ihren Rollen, dass die Aufführung zu einem
veritablen Krimi gerät, dessen vibrierender
Spannung man sich kaum entziehen kann.
Dass Irmgard Seefried da und dort (vor
allem in tiefen Lagen) an Grenzen geht (und
auch an Grenzen stösst) und zudem von
der Tontechnik etwas zweitrangig behandelt
wurde, vermag dieser Sternstunde der
Bartók-Interpretation kaum Abbruch zu tun.
Zwar bekundet das Schweizerische Festspielorchester zu Beginn noch etwas Mühe
mit der ihm wohl ungewohnten Partitur,
doch Kubelik versteht es auf magistrale
Werner Pfister
Bartók, «Herzog Blaubarts Burg». Seefried,
Fischer-Dieskau, Kubelik. CD Audite 95.626
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thema
Bild: Lucerne Festival / Peter Fischli
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«Lucerne Festival Young Performance» – ein Pilotprojekt erkundet neue Konzertformate
Inszenierte
Heldenmusik
Erstmals gibt es mit «Lucerne Festival Young Performance» ein eigenes Ensemble für Kinderkonzerte. Die jungen Musiker haben
eine eigene musikalische Geschichte kreiert: «Heroïca» – eine Heldenmusik für Neunjährige.
Jenny Berg
Seit einigen Jahren investiert das Lucerne Festival vermehrt Energie und
Kreativität in die Entwicklung neuer
Konzertformate. Gerade im Sektor der
Kinder- und Jugendkonzerte ist vieles
in Bewegung. Einerseits, weil Kinder ein
anspruchsvolles Konzertpublikum darstellen und sich nur selten durch alther-
gebrachte Konzertrituale und strenges
Stillsitzen für klassische Musik begeistern lassen. Andererseits sind die meisten Kinder vorurteilsfrei und offen für
thema
Inszenierte Heldenklänge von agilen jungen
Musikerinnen und Musikern aus drei Kontinenten.
Neues. «In einem Sinfoniekonzert die
Rituale zu ändern, ist deutlich schwieriger», weiss Johannes Fuchs, Leiter von
Lucerne Festival Young.
Deshalb hat er für diese Saison ein
auf drei Jahre angelegtes Pilotprojekt
lanciert: «Lucerne Festival Young Performance» heisst es. Dank Unterstützung der Zürich Versicherungs-Gesellschaft AG können junge Musiker mit
erfahrenen Regisseuren und Choreografen intensiv und in einem längeren
Probenprozess an neuen Konzertformaten arbeiten. Theoretisch bedeutet
das: «Die Trennung, ja Zersplitterung
von zeitgenössischer Komposition, pädagogischer Forschung, künstlerischinterpretatorischer Produktion und
der Ausbildung junger Musiker soll
hier aufgehoben werden», so Johannes
Fuchs. «Wir möchten diese Aspekte in
der Praxis kreativ vernetzen, um neue
Erfahrungen des Musizierens und neuartige Formen der Musikpräsentation zu
gestalten.»
Praktisch sieht das bei den Proben
erst einmal so aus: Eine Klarinettistin,
die im Liegen auf ihrem Instrument
spielt und dabei von acht Händen in
höchster Höhe getragen wird. Eine Hornistin, die mit ihrem Hornkoffer ganz
selbstverständlich in einer komplexen
Choreografie mit ihren Mitspielern mittanzt. Eine Geigerin, die stehend auf
dem wackeligen Rücken ihres Kollegen
musiziert. Und bei all dem erklingt live
gespielt Musik von Mozart, Holst, Fauré,
Bach, Kurtág, Stockhausen.
Es ist eine agile, wache Gruppe
junger Musikerinnen und Musiker. Sie
stammen aus vier Nationen und drei
Kontinenten; sind allesamt ehemalige
Teilnehmer der Lucerne Festival Academy, die in einem aufwendigen Casting
ausgewählt wurden. Hier mussten sie
ihre Bereitschaft zur Körperarbeit unter
Beweis stellen, auch ihre Bühnenpräsenz und ihre musikalische Kreativität.
Denn die Instrumentalisten sollen sich
selbst in die Gestaltung des neuen Konzertformates einbringen. Der Regisseur
Dan Tanson und die Choreografin Laura van Hal leisten dabei im besten Sinne
Geburtshilfe für das neue Projekt.
Johannes Fuchs: «Es soll nicht darum gehen, den Kindern wie in einem
normalen Konzert Musik vorzuspielen. Denn sie sind Hörzuschauer und
nehmen Musiker als Personen eines
Bühnengeschehens wahr.» Deshalb
konnten die sieben Instrumentalisten
auch selbst Stücke vorschlagen, die zu
ihnen passen oder die ihnen gerade
wichtig sind. «Anfangs war es für sie
ungewohnt, über die gespielte Musik
mitzuentscheiden. Aber dann purzelten die Vorschläge nur so auf uns herein», berichtet Fuchs lachend. «Aus
den Werkvorschlägen der Musiker sind
dann die Figuren entstanden, welche
die Geschichte erzählen – ganz ohne
Worte, nur mit Tönen.»
Diese Art Stückentwicklung ist im
Theater bereits eine Selbstverständlichkeit – für die klassische Musik aber ist
sie komplett neu. Doch die jungen Musiker geniessen den kreativen Freiraum,
den sie sonst nicht einmal in ihrer Ausbildung an den Musikhochschulen eingeräumt bekommen, berichtet Fuchs.
«Hier treten sie auf wie eine Band, sie
spielen alles auswendig. Es gibt ein sehr
breites Spektrum an Sounds, von der
Solonummer bis hin zum orchestralen
Vollklang.» Erik Borgir arbeitet musikalisch mit den Studierenden – denn
da sind die jungen Musiker ehrgeizig:
Auch beim Kinderkonzert muss die mu-
sikalische Qualität auf höchstem Niveau
sein.
Inhaltlich geht es bei «Heroïca» um
das Heldendasein der Neun- und Zehnjährigen. «In diesem Alter ist man halb
Kind, halb erwachsen», sagt Fuchs, «man
muss sich ständig ein Herz fassen, um
neue Dinge zu wagen. Im Stück werden
klanglich auch bedrohliche Situationen
dargestellt, für deren Bewältigung es viel
Mut braucht – Helden eben.»
Die Altersbeschränkung ist für Fuchs
ein ganz wichtiger Aspekt bei Kinderund Jugendkonzerten: «Kinder machen
eine rasante Entwicklung durch. Der Humor eines Siebenjährigen kann sich von
dem eines Neunjährigen grundlegend
unterscheiden. Und wenn ein Zwölfjähriger in den vorderen Reihen Kleinkinder sieht, will er die Veranstaltung am
liebsten gleich wieder verlassen», berichtet Fuchs von seinen Erfahrungen.
Deshalb gibt es bei Lucerne Festival
für die Heranwachsenden ganz verschiedene Angebote: Ein Sitzkissenkonzert
für Kinder ab vier Jahren über «Oskar
und der sehr hungrige Drache», ein Figurentheater mit dem Titel «Rusalka,
die kleine Meerjungfrau» für Kinder
ab fünf Jahren, ein inszeniertes Familienkonzert für Kinder ab sieben Jahren mit dem Titel «Das goldene Herz»,
schliesslich ein Jugendkonzert, bei dem
Strawinskys «Geschichte vom Soldaten»
als multimediale Inszenierung mit Kammermusik, Schauspiel, Erzählung, Tanz
und Animationen gezeigt wird – auch
im Late-Night-Programm für Erwachsene. Und eben «Heroïca», das szenische
Konzert, das die Musiker zu handelnden
Figuren, die Musik zur Erzählsprache
werden lässt.
«Das ist mein Credo», sagt Johannes Fuchs abschliessend: «Es darf nicht
darum gehen, Musik zu illustrieren,
etwas dazu zu erzählen. Sondern man
muss die Dinge wie in einer Komposition zusammenbringen, muss Musik und
Theater, Szene und Klang zu einer ganzheitlichen, sinnlichen Erfahrung verschmelzen lassen».
Mit diesem Ansatz betritt das Lucerne Festival Neuland – eines, welches
das junge Publikum sogar ausserhalb
Luzerns entdecken kann: Im Herbst
gibt es mit «Heroïca» Gastspiele in St.
Gallen, Lausanne und Basel; im Frühjahr in Bern und Winterthur. Und in der
nächsten Saison wird eine neues, anderes Konzertformat erarbeitet. Die Ideen
dafür scheinen Johannes Fuchs nicht
auszugehen.
Informationen:
http://www.lucernefestival.ch/de/entdecken/
young/
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thema
Neue Konzertformate für die jüngsten
Luzerner Festivalbesucher. Impressionen von
Proben des neu gegründeten Ensembles.
Bilder: Priska Ketterer
O
service
LUCERNE FESTIVAL im Sommer
15. August – 14. September 2014
LUCERNE FESTIVAL 40MIN
Kein Dresscode, kein Vorwissen. Stattdessen
Musik zum Kennenlernen und für Kenner, zum
Einsteigen und Eintauchen. In der Reihe «LUCERNE
FESTIVAL 40min» können Sie abwechslungsreiche
Programme erleben, die länger sind als ein blosser
Appetizer und doch nicht so lang wie ein komplettes Konzert – und das auch noch gratis!
Ausgewählte Festival-Künstler, grosse und kleine
Formationen, präsentieren Werke von der Renaissance bis zur Jetztzeit – und richten das Wort
direkt ans Publikum, berichten davon, wie eine
neue Komposition entsteht, wie ein Orchester probt
und was sich bei der Interpretation im Wortsinn
«abspielt».
10x während des Festivals | jeweils 18.20 – 19.00
Uhr | KKL Luzern, Luzerner Saal
Montag, 18. August 2014 |
LUCERNE FESTIVAL 40min 1
Ganz nah dran: Das Mahler Chamber Orchestra
probt Dvořák
Dienstag, 19. August 2014 |
LUCERNE FESTIVAL 40min 2
Auftritt mit Fanfare! Die Blechbläser des LUCERNE
FESTIVAL ORCHESTRA
Mittwoch, 20. August 2014 |
LUCERNE FESTIVAL 40min 3
Festivalorchester en miniature:
Kammermusikalische Hors d’Œuvres
Freitag, 22. August 2014 |
LUCERNE FESTIVAL 40min 4
40 Minuten für 40 Sänger
Mittwoch, 27. August 2014 |
LUCERNE FESTIVAL 40min 5
Komponieren heute: «composer-in-residence»
Johannes Maria Staud stellt sich vor
Freitag, 29. August 2014 |
LUCERNE FESTIVAL 40min 6
Der Meister und seine Schüler. Abschlusskonzert
des «Meisterkurses Dirigieren»
Montag, 1. September 2014 |
LUCERNE FESTIVAL 40min 7
Aus erster Hand: Matthias Pintscher präsentiert
eigene Kammermusik
Dienstag, 2. September 2014 |
LUCERNE FESTIVAL 40min 8
Saite an Saite: Streicher satt mit der LUCERNE
FESTIVAL ACADEMY
Freitag, 5. September 2014 |
LUCERNE FESTIVAL 40min 9
Zwei neue Orchesterwerke entstehen: Ein Blick in
die Komponierwerkstatt
Dienstag, 9. September 2014 |
LUCERNE FESTIVAL 40min 10
Was sehen meine Ohren, was hören meine
Augen? Musik, szenisch gespielt
LUCERNE FESTIVAL LOUNGE
Und was passiert nach dem Schlussapplaus?
Immer freitags läutet die LUCERNE FESTIVAL
Lounge das Wochenende ein:
mit Live-Performances zwischen Klassik
und Clubkultur.
LUCERNE FESTIVAL Lounge 1
22. August | ab 22.00 Uhr | Bourbaki
Midori | Michael Zismann
LUCERNE FESTIVAL Lounge 2
29. August | ab 22.00 Uhr | Bourbaki
Barbara Hannigan, Huw Watkins & Studierende der LUCERNE FESTIVAL ACADEMY | Alliage
Quintett
LUCERNE FESTIVAL Lounge 3
5. September | ab 22.00 Uhr | Bourbaki
Kaleidoscope String Quartet | David Bithell &
Studierende der LUCERNE FESTIVAL ACADEMY
LUCERNE FESTIVAL Lounge 4
12. September | ab 22.00 Uhr | Bourbaki
Klaus Steffes-Holländer | Ensemble This/
Ensemble That
Sämtliche Termine:
15. August | 19.15/20.30/22.00 Uhr | Europaplatz
(bei schlechtem Wetter im KKL-Foyer)
The Place of Whispers. Live-Performance mit
David Bithell
22. August | 19.15 Uhr | Kunstmuseum Luzern
The Place of Whispers. Live-Performance mit
David Bithell und Flüsterchor
31. August | 19.00 Uhr | Seebad Luzern
The Place of Whispers. Live-Performance mit
David Bithell und Studierenden der LUCERNE
FESTIVAL ACADEMY
11. September | 19.15 Uhr | Kunstmuseum Luzern
The Place of Whispers. Live-Performance mit
David Bithell und Flüsterchor
IN DEN STRASSEN
Dienstag, 26. August – Sonntag, 31. August |
18.00 – 22.00 Uhr (anschliessend Sentitreff) |
Strassen und Plätze der Stadt Luzern
Musik kennt viele Spielarten – und so ist es zu
einer schönen Tradition geworden, dass LUCERNE
FESTIVAL im Sommer die Strassen und Plätze
der Luzerner Altstadt mit Musikgruppen aus aller
Welt bevölkert: ein faszinierendes musikalisches
Panorama unseres Planeten.
ZU GAST BEI DER BUVETTE
Abwechslungsreiche Open-Air-Konzerte am Ufer
des Vierwaldstättersees, gestaltet von FestivalKünstlern, die sich abseits der grossen Bühne
und in ungezwungener Atmosphäre mit eigenen
Projekten präsentieren: Auch diesen Sommer ist
LUCERNE FESTIVAL wieder zu Gast bei der Buvette,
der Freiluft-Bar auf dem Luzerner Inseli. Die Konzerte finden an insgesamt drei Donnerstagen von
18.00 bis 19.00 Uhr statt; der Eintritt ist frei. Bei
schlechtem Wetter bleibt die Buvette geschlossen.
Aktuelle Angaben zum Programm erhalten Sie
während des Festivals auf www.lucernefestival.ch
Sämtliche Termine:
21. August | Open-Air-Konzert mit Überraschungsprogramm
28. August | Belcirque: Swing der Zwanziger und
Dreissiger Jahre
4. September | Open-Air-Konzert mit Überraschungsprogramm
SOUNDZZ.Z.ZZZ…Z
Passend zum Festivalthema «Psyche» hat
David Bithell, Gewinner des gemeinsam mit dem
Kunstmuseum Luzern lancierten Wettbewerbs
Soundzz.z.zzz…z, fünf interaktive Klangskulpturen
entwickelt, in denen Passanten ihre innersten Seelenregungen aufzeichnen können – im Flüsterton.
Aus diesem Material entstehen fünf Live-Performances. Bei zweien von ihnen
(am 22.8. und am 11.9.) kann jeder mitmachen:
www.placeofwhispers.com.
Belcirque | Carmatango | Ensemble Mahasarakham | Guappecarto | Hudaki Village Band |
Mercadante & Battaglia | Ny Malagasy Orkestra |
Palmas & Cernuto
Eröffnungsveranstaltung mit allen Gruppen:
Dienstag, 26. August | 17.30 Uhr | Europaplatz
beim KKL Luzern
Abschlussfest mit allen Gruppen:
Sonntag, 31. August | ab 14.00 Uhr auf der Seepromenade | ab 16.00 Uhr auf dem Europaplatz
beim KKL Luzern
Karten und Informationen
www.lucernefestival.ch
[email protected]
+41 41 226 44 80
FESTIVAL-TERMINE | VORSCHAU
LUCERNE FESTIVAL am Piano
22. – 30. November 2014
Evgeny Kissin | Leif-Ove Andsnes & Mahler
Chamber Orchestra | Marc-André Hamelin |
Martin Helmchen | Maurizio Pollini | Paul Lewis |
Pierre-Laurent Aimard u. a.
Online-Direktbuchung ab Montag, 4. August 2014,
12.00 Uhr | Schriftlicher Kartenverkauf ab Montag,
11. August 2014 | Schalterverkauf im KKL Luzern
ab 15. August 2014 | Telefonischer Kartenverkauf
ab Montag, 15. September 2014
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inserate
Premierenübersicht
Jubiläums-Spielzeit 2014/15
30.8.2014
Schmutzige Schöpfung – Making of Frankenstein | SE
Schauspiel von Thomas Melle; Inszenierung: Johanna Wehner
3.9.2014
Die Antilope | UA
Oper von Johannes Maria Staud Koproduktion mit LUCERNE FESTIVAL und der Oper Köln
Gefördert durch die Ernst von Siemens Musikstiftung
Musikalische Leitung: Howard Arman; Inszenierung: Dominique Mentha
14.9.2014
Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch | WA
Komische Oper von Elisabeth Naske; Koproduktion mit der Oper Graz
Musikalische Leitung: Florian Pestell; Inszenierung: Dominique Mentha
1.10.2014
Tanz 16: Don Juan
17.10.2014
The Black Rider
8.11.2014
Die lustige Witwe
25.11.2014
A Christmas Carol | DSE
26.11.2014
Pippi Langstrumpf
27.11.2014
Tanz 17: Cosa Nostra | UA
Tanzstück von Sandra Marín Garcia und Zoran Marković
13.12.2014
| UA
Choreografie von Fernando Melo; Musik von Christoph Willibald Gluck
Schauspielmusical von William S. Burroughs, Tom Waits und Robert Wilson; Inszenierung: Andreas Herrmann
Operette von Franz Lehár; Musikalische Leitung: Howard Arman; Inszenierung: Dominique Mentha
Schauspiel von Enda Walsh; Inszenierung: Katharina Cromme
Kinderstück von Astrid Lindgren; Inszenierung: Benno Muheim
Antigone
Tragödie von Sophokles; Inszenierung: Wojtek Klemm
10.1.2015
Cantos de Sirena | UA
Musiktheater von «La Fura dels Baus»; Koproduktion mit der Oper Köln und dem Festival Castell de Peralada
Musikalische Leitung: Howard Arman; Inszenierung: Carlus Padrissa
17.1.2015
Strange Case(s) of Dr. Jekyll and Mr. Hyde | UA
Monologe von Martina Clavadetscher, Verena Rossbacher und Ivna Žic; Inszenierung: Marc Wortel
28.1.2015
30.1.2015
Die Affäre Rue de Lourcine
Komödie von Eugène Labiche; Inszenierung: Andreas Herrmann
Dracula oder Frust der Unsterblichkeit
Eine theatralische Soirée; Inszenierung: Lia Schmieder
27.2.2015
La Bohème
5.3.2015
Die lächerliche Finsternis | SE
14.3.2015
Die Verfolgung und Ermordung Jean Paul Marats dargestellt durch die
Schauspielgruppe des Hospizes zu Charenton unter Anleitung des Herrn de Sade
Oper von Giacomo Puccini; Inszenierung: Achim Thorwald
Hörspiel von Wolfram Lotz; Inszenierung: Andreas Herrmann
Drama von Peter Weiss; Inszenierung: Bettina Bruinier
1.4.2015
Tanz 18: Celebration! | UA/SE
Choreografien von Andonis Foniadakis, Cayetano Soto und Fernando Hernando Magadan
19.4.2015
Ariadne auf Naxos
8.5.2015
Geister sind auch nur Menschen (Arbeitstitel) | UA
13.5.2015
Prima la musica, poi le parole
29.5.2015
Dancemakers Series #6 | UA
UA
SE
DSE
WA
Oper von Richard Strauss; Musikalische Leitung: Howard Arman; Inszenierung: Holger Müller-Brandes
Schauspiel von Katja Brunner; Inszenierung: Tina Lanik
Divertimento teatrale von Antonio Salieri; Koproduktion mit der Hochschule Luzern - Musik
Musikalische Leitung: Andrew Dunscombe; Inszenierung: Christian Kipper
Choreografien aus dem Tanzensemble; Künstlerische Leitung: Kathleen McNurney
Uraufführung
Schweizer Erstaufführung
Deutschsprachige Erstaufführung
Wiederaufnahme
www.luzernertheater.ch
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inserate
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