Konzept Ärztliche Psychotherapie

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Weiterbildungsverein Psychiatrie
und Psychotherapie, Zürich,
Zentral-, Nord- und Ostschweiz
MAS und DAS Ärztliche Psychotherapie
MAS und DAS Ärztliche
Psychotherapie
Leitung Studiengang
lic. phil. Regula Flury
Sekretariat
Gulnara Berger
Jutta Storck Rom
UniversitätsSpital Zürich
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Culmannstrasse 8
CH-8091 Zürich
Konzept Ärztliche Psychotherapie
Tel: +41 44 255 51 08
Fax: +41 44 255 98 04
[email protected]
www.forum-psychiatrie.ch
1. Arbeitsfeld und Arbeitsweise des Psychiaters/Psychotherapeuten
Der Psychiater/Psychotherapeut ist Mediziner. Er arbeitet in einem medizinischen Netzwerk und
spricht im Austausch mit dem medizinischen Netzwerk eine medizinische Sprache: ICD-10; DSM-IV.
Der Psychiater/Psychotherapeut arbeitet im Spannungsfeld verschiedener Störungsmodelle deren
Auswirkungen er in die Konzeption seiner Psychotherapie miteinbeziehen muss:
•
•
•
Im medizinischen Akutmodell werden Störungen als Mangel bzw. Defekt betrachtet, die
behoben bzw. deren Auswirkungen mindestens gelindert werden sollen. Hauptakteur ist der
Arzt. Der Patient ist mehr oder weniger passiver Empfänger der Behandlung. Das Akutmodell
geht fliessend über in das medizinische Rehabilitationsmodell.
Beim medizinischen Rehabilitationsmodell (chronischen Erkrankungen) liegt das
therapeutische Schwergewicht auf der Verbesserung der Funktionalität. Es wird mehr mit den
gesunden Anteilen des Patienten gearbeitet. Arzt und Patient begegnen sich auf gleichem
Niveau. Der Patient übernimmt mehr Verantwortung als im medizinischen Akutmodell. Die
Entscheidungen werden gemeinsam erarbeitet.
Im psychotherapeutischen Störungsmodell wird eine Störung als Ausdruck eines
Konfliktes, einer Entwicklungskrise, eines Ungleichgewichts, eines Fehllernens oder einer
ungünstigen Beziehungskonstellation o.ä. interpretiert. Der Psychotherapeut arbeitet mit den
gesunden Anteilen der Persönlichkeit des Patienten und wahrt dessen Autonomie soweit wie
möglich. Der Therapeut ist eher Facilitator. Die Hauptverantwortung für den Fortschritt liegt
beim Patienten.
Der Psychiater/Psychotherapeut ist mit Patienten mit biopsychosozialen Störungen konfrontiert. Seine
Diagnostik ist dementsprechend komplex. Er ergänzt die medizinische mit einer multiaxialen,
biopsychosozial orientierten Diagnostik: Achse I Psychische Störung, Achse II Persönlichkeit,
Achse III Somatische Krankheiten, Achse IV Psychosoziale und umgebungsbedingte
Krankheitsfaktoren, Achse V Funktionsniveau. Er ergänzt diese mit weiteren an seinem
psychotherapeutischen Modell ausgerichteten Kriterien.
Der Psychiater/Psychotherapeut
stellt die Behandlungsindikation. Dabei berücksichtigt er
medizinische Kriterien wie Art, Schweregrad und Komplexität der Störung, aber auch die persönlichen
Eigenheiten des Patienten und nicht-medizinische Kriterien wie etwa die soziale Situation des
Patienten, sowie die Verfügbarkeit bzw. Finanzierbarkeit eines adäquaten (psycho-) therapeutischen
Angebots.
Der Psychiater/Psychotherapeut hat im medizinischen und speziell im psychiatrischen
Versorgungssystem eine Triage-und Koordinationsaufgabe. Er übernimmt die Behandlung selbst
oder weist seinen Patienten der adäquaten Behandlung zu.
Die Behandlungsziele einer ärztlichen Psychotherapie werden in einem Spannungsfeld zwischen
den Zielen, Erwartungen und Ressourcen des Patienten, dem Auftrag des Überweisers, der
psychotherapeutischen Fallkonzeption und den Möglichkeiten des Therapeuten definiert. Die
gemeinsame Definition der Behandlungsziele mit dem Patienten ist ein zentraler Teil des
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therapeutischen Prozesses. Die Behandlungsziele unterliegen den Rahmenbedingungen, die durch
die Finanzierung der Behandlung gesetzt werden. Neben der Verbesserung der Lebensqualität des
Patienten ist die Wiederherstellung der Funktionalität (soziale und berufliche Reintegration) prioritär.
Der Psychiater/Psychotherapeut muss sich häufig auf das Erreichen von Teilzielen beschränken.
Entsprechend der multaxialen Diagnostik ist auch der Gesamtbehandlungsplan des Psychiaters/
Psychotherapeuten häufig mehrdimensional: Psychotherapeutisch, somatisch und sozial
unterstützend.
Der
Psychiater/Psychotherapeut
psychotherapeutisch.
behandelt
häufig
kombiniert,
z.B.
pharmako-
und
Der Psychiater/Psychotherapeut arbeitet häufig in einem Mehrpersonensetting, parallel mit andern
Ärzten oder Therapeuten und/oder in einem multiprofessionellen Team.
Der Psychiater/Psychotherapeut arbeitet mit einer psychotherapeutischen Fallkonzeption. Je nach Art
und Schweregrad der Störung behandelt er gleichzeitig oder sukzessiv in einem Therapieverlauf auf
mehreren psychotherapeutischen Ebenen:
•
•
•
•
•
Anwendung allgemeiner psychotherapeutischer Techniken;
Arbeit mit modellspezifischen Elementen;
Durchführung einer modellspezifischen Psychotherapie;
Durchführung einer störungsspezifischen Psychotherapie;
Kombinationen der oben genannten
Der Psychiater/Psychotherapeut behandelt Patienten mit verschiedensten Störungen aller Schwereund Komplexitätsgrade mit unterschiedlichem Störungsverlauf. . Er modifiziert seine Arbeitsweise
dem entsprechend. Er arbeitet häufig in „unperfekten“ Situationen und muss patientenorientiert,
niederschwellig, pragmatisch, undogmatisch und kreativ vorgehen können
Der Psychiater/Psychotherapeut arbeitet in einem komplexen Umfeld, das ihm je verschiedene
Rollen zuschreibt. Er muss die verschiedenen Rollenzuschreibungen erkennen, mit deren
Auswirkungen auf die Patienten-Therapeuten-Beziehung vertraut sein und in seine Psychotherapie
integrieren können:
•
•
•
•
Der Psychiater/Psychotherapeut als Mediziner und Akteur bzw. Partner in einem
medizinischen Netzwerk (Hausarzt, Spitäler, psychiatrische Institutionen).
Der Psychiater/Psychotherapeut als Schlüsselfigur für die Auslösung von Geldleistungen
von Versicherungen und Sozialleistungen.
Der Psychiater/Psychotherapeut in der Rechenschaftspflicht des Finanzierers (Zeugnisse,
Bestätigungen).
Der Psychiater/Psychotherapeut als forensischer Auftragnehmer bei unfreiwilligen oder gar
zwangsweisen Behandlungen und bei behördlich angeordneten Kontrollen (FFE,
Massnahmenvollzug).
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2. Einflussfaktoren auf die Arbeitsweise des ärztlichen Psychotherapeuten
Arbeitsfeld
Auswirkungen auf Arbeitsweise
Patienten und ihre Störungen
•
Modifikation der Arbeitsweise entsprechend
der Ansprechbarkeit des Patienten, dem
Schweregrad seiner Störung und dem
Therapieverlauf
Akteur im medizinischen und
psychiatrischen Versorgungssystem als
•
•
Medizinische Sprache (ICD-10)
Verpflichtung Patienten mit schweren und
komplexen Störungen zu behandeln
Triage- und Koordinationsaufgaben
Psychiatrische Achsendiagnostik (DSM IV)
Arbeit unter verschiedenen Störungsmodellen
(Akutmedizinisch; Reha;
Psychotherapiemodell)
Arbeit im Zusammenarbeit mit andern Akteuren
der Systeme
•
•
•
Psychiatrischer Grundversorger
Facharzt Psychiatrie
Facharzt Psychotherapie
•
•
•
•
Akteur im öffentlichen Gesundheitswesen:
•
•
Kranken, Invaliden-,
Lohnausfallversicherung und Sozialhilfe:
Schlüsselfigur zur Auslösung von
Geldleistungen; Rechenschaftspflicht
(Berichte, Zeugnisse)
• StGB, StVG: Forensische Aufträge mit
Berichts- und Kontrollpflicht
• ZGB: Unfreiwillige und
Zwangsbehandlungen
Störungsmodell
•
•
Psychische Störungen sind biopsychosozial zu
konzeptualisieren
•
Verschiedene Rollenzuschreibungen mit
Auswirkungen auf die Patient-TherapeutBeziehung, die integriert werden müssen.
Orientierung der Behandlungsziele an
Lebensqualität, aber auch an Funktionalität
(Arbeitsfähigkeit, soziale und berufliche
Reintegration). Oft Beschränkung auf Teilziele.
Achsendiagnostik (DSM IV): Die psychische
Störung wird auf dem Hintergrund der
Persönlichkeit, der lebensgeschichtlichen
Entwicklung, somatischer Aspekte und des
Umfeldes gesehen
Komplexer Behandlungsplan mit Interventionen
auf verschiedenen Achsen, Kombinations-,
Parallelbehandlungen und Behandlungen im
Mehrpersonensetting
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Psychotherapieverfahren
•
Auswirkungen auf Arbeitsweise
Allgemeine psychotherapeutische Techniken,
Modell- bzw. störungsspezifische
Psychotherapien
•
Erweiterte Diagnostik auf dem Hintergrund des
Psychotherapiemodells: Psychodynamik;
Kognitionen/Verhalten bzw. systemische
Einbindung des Patienten; spezifische
Interventionen
Arbeit auf verschiedenen
psychotherapeutischen Ebenen auf dem
Hintergrund einer psychotherapeutischen
Fallkonzeption: Allgemeine
psychotherapeutische Techniken; modell- bzw.
störungsspezifische Psychotherapie bzw.
Kombinationen davon.
•
3. Eine operationalisierte Definition des Psychiaters/Psychotherapeuten
3.1 Rollendefinition Arzt: Siehe CANMEDs
3.2 Rollendefinition: Psychiater/Psychotherapeut
(1) Der Psychiater/Psychotherapeut ist Arzt, Psychiater und Psychotherapeut in einem öffentlich
finanzierten, medizinischen und speziell psychiatrischen Versorgungssystem. Er integriert die daraus
resultierenden, z.T. widersprüchlichen Rollenzuschreibungen, Störungsmodelle sowie die finanziellen
und gesetzlichen Rahmenbedingungen in seine Arbeit und wahrt dabei die Autonomie des Patienten
soweit als möglich. Er arbeitet mit den anderen Akteuren des Versorgungssystems zusammen und
spricht ihre Sprache.
(2)
Der
Psychiater/Psychotherapeut
hat
als
Psychotherapeut
eine
spezifische
psychotherapeutische Identität. Er verfügt neben seinen modell- und störungsspezifischen
Kompetenzen über eine breite Palette von allgemeinen psychotherapeutischen Techniken. Er kann
diese mit modell- und störungsspezifischen Psychotherapie-Elementen kombinieren.
(3) Der Psychiater/Psychotherapeut konzeptualisiert psychische Störungen biopsychsozial. Er
ergänzt die mehrachsige psychiatrische Diagnostik entsprechend seinem Psychotherapiemodell.
(4) Der Psychiater/Psychotherapeut stellt die Behandlungsindikation und definiert zusammen mit
dem Patienten die Behandlungsziele unter Berücksichtigung von Art und Schwere der Erkrankung,
den Zielen, Erwartungen und Ressourcen des Patienten, dem Auftrag des Überweisers, der
psychotherapeutischen Fallkonzeption und den Möglichkeiten des Therapeuten. Neben der
Verbesserung der Lebensqualität achtet er auf das Erreichen funktionaler Ziele.
(5) Der Psychiater/Psychotherapeut triagiert den Patienten in eine adäquate Behandlung. Er leitet
aus der mehrdimensionalen Diagnostik einen Gesamtbehandlungsplan auf mehreren Achsen ab,
interveniert auf mehreren Achsen, führt Kombinationsbehandlungen durch und arbeitet je nach
Situation solo oder in einem Mehrpersonensetting. Er koordiniert im Bedarfsfall verschiedene
Behandlungen.
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(5) Der Psychiater/Psychotherapeut modifiziert je nach Ansprechbarkeit des Patienten, dem
Schweregrad der Störung und/oder dem Therapieverlauf seine Arbeitsweise. Er geht dabei
patientenorientiert, niederschwellig, pragmatisch und kreativ vor.
3.3. Definition der Schlüsselkompetenzen
Der Psychiater/Psychotherapeut:
(1) Erkennt die Konsequenzen aus seiner Stellung und seinen Aufgaben im Gesundheitssystem und
integriert die z.T. differierenden Rollenzuschreibungen, Störungsmodelle und Rahmenbedingungen in
seine Arbeit.
(2) Arbeitet mit den andern Akteuren des Versorgungssystems effektiv zusammen, koordiniert wo
indiziert und kommuniziert mündlich und schriftlich effizient mit den andern Versorgern.
(3) Verfügt neben seinen modell- und störungsspezifischen Kompetenzen über eine breite Palette
von allgemeinen psychotherapeutischen Techniken. Er kann diese mit modell- und
störungs¬spezifischen Psychotherapien bzw. Psychotherapie-Elementen kombinieren.
(4) Konzeptualisiert psychische Störungen biopsychosozial auf mehreren Achsen und erweitert die
psychiatrische Diagnostik entsprechend den Vorgaben seines Psychotherapiemodells. Er stellt die
Behandlungsindikation, definiert mit dem Patienten die Behandlungsziele und leitet daraus einen
Gesamtbehandlungsplan ab.
(5) Interveniert im Rahmen des Gesamtbehandlungsplans auf mehreren Achsen, kombiniert
psychotherapeutische Behandlungselemente wo notwendig. Er modifiziert seine Arbeitsweise
patientenorientiert, pragmatisch und kreativ je nach Ansprechbarkeit des Patienten, nach Art,
Schweregrad und Verlauf der Störung, gemäss dessen Umfeld und je nach Therapieverlauf.
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