Christine Steuernnagel M.A. Einführung in die Ausstellung „Entdeckungen“ Skulpturen von Wolfgang Daum im Gewölbekeller der Burg Dringenberg 2010 Bei Wolfgang Daum sind es Steine, kleine und große mit feinen Schichtungen, Einsprengseln und linearen Zeichnungen, mal mehr, mal weniger bearbeitet, die zumeist auf Sockeln in der Ausstellung im Burgkeller gruppiert sind. Der Gewölbekeller der Burg auf den Fundamenten von Muschelkalk mit Pfeilern und Bögen aus Bruchsteinmauerwerk des anstehenden Gesteins, präsentiert sich in den nächsten sieben Wochen als Ausstellungsort einer großen Anzahl unterschiedlich bearbeiteter Steine. Der Dank geht an Wolfgang Daum, der mit viel Kraftaufwand seine Steinskulpturen von Lichtenau nach Dringenberg und dann fachkundig und sorgsam in die unteren Verließe transportiert hat. Es sind Steine unterschiedlicher Herkunft und Beschaffenheit, Marmor, Granite und besondere Tuffe aus Frankreich, Sandsteine aus Rüthen, der Egge und dem Weserbergland, Kalkgestein der paderborner Hochfläche und Findlinge, die einen weiten Weg im Geschiebe des Eises zurückgelegt haben. So ein Stein bringt immer schon seine eigene Geschichte mit, seine geologischen und petrografischen Bedingungen, den Fundort und die Zusammensetzung, Faktoren, mit denen sich der Bildhauer auseinander setzen muss. Je nach Werkzeug, ob handwerklich mit Hammer und Meißel und all den möglichen Steinbearbeitungsgeräten oder maschinell bearbeitet, bedarf jeder Stein ganz unterschiedlicher Kraftanwendungen. Der weiche Tuffaut aus Frankreich zum Beispiel bildet einen extremen Gegensatz zum Granit aus Tschechien. Wissend um die Beschaffenheit und den Anspruch des Gesteins, lässt sich der Bildhauer auf den Dialog ein und bearbeitet das jeweilige Werkstück im Sinne eines sich Herantastens an Vorgegebenes, wie Linien, Ritzungen, Spalten, Abschuppungen, Formen und Härtegrad. In der voran schreitenden Bearbeitung wird manche Idee einer neuen geopfert. Im experimentellen Prozess findet immer wieder ein Umdenken statt, z. B. wenn das individuelle Gefüge des jeweiligen Steins zu einer anderen Formgebung motiviert. Als Wolfgang Daum 1997 an einem von dem Paderborner Bildhauer Hagebölling angebotenen Workshop in Rüthen teilnahm, ist sein lang gehegter Wunsch, mit Stein zu arbeiten, belebt und gefestigt worden. Im Rahmen dieses Workshops bearbeitete Wolfgang Daum grüne Sandsteinkuben, von denen einige hier gezeigt werden. Bis jetzt hatten sie ihren Platz im Garten des Bildhauers. Es sind reliefartig mit Falten strukturierte Steine von etwa einem halben Kubikmeter. Die Zeit und unsere klimatischen Verhältnisse haben Moos über Teile der Steine wachsen lassen, und Daum hat es zugelassen. Ab 2002 nahm Wolfgang Daum immer wieder an Internationalen Bildhauer-Symposien in Tschechien teil. Der Leiter des Symposions war Josef Andrle, der ihn in die Technik und Gestaltung von Granitskulpturen einführte. Aus dieser Begegnung wuchs eine bis heute andauernde Freundschaft, die zu weitreichenden gemeinsamen Arbeiten mit Stein führte. Granit, dieses aus der glühendflüssigen Schmelze in der Tiefe der Erdkruste entstandene Gestein, ist besonders hart und schwer zu bearbeiten. Solch ein Granitstein - manchmal in einer verwitterten rauen Außenhaut wie ein Findling - kann einen überraschen mit dem, was sich innen verbirgt. Durch ein abgeschliffenes Oval oder eine konkave Höhlung legt der Bildhauer das Innere frei, so dass wir die Struktur des Steines anschauen können. Je nach Intensität und Art der Bearbeitung entstehen ganz unterschiedliche Oberflächen. Der Bildhauer Wolfgang Daum zeigt uns eine Reihe von Beispielen, die diesen ganz verschiedenen Gestaltungsprinzipien folgen. Das gilt aber nicht nur für Skulpturen aus Granit, sondern auch für andere, wie beispielsweise die aus Wesersandstein. Der Weserstandstein ist ein durchaus widerständiges Gestein. Die Arbeiten des Künstlers mit gegensätzlich bearbeiteten und unbearbeiteten Flächen verführen geradezu, die haptische Qualität unter den Fingerspitzen zu spüren. Eine große Anzahl von Skulpturen, besonders auch die neueren, sind aus dem Material der Paderborner Hochfläche, dem Kalkstein entstanden. Schon in der Vorauswahl der Werkstücke sprechen den Bildhauer Formen an und senden Signale, die einen schöpferischen Prozess in Gang setzen. Ein Beispiel dafür ist ein schlanker, säulenartiger Stein aus Henglarn von 90 cm Länge. Das Äußere zeigt natürliche Schuppungen und Kerben. Ein Endstück verläuft eckig und schräg mit den typischen braunen Verwitterungsspuren des Kalksteins. Das andere Ende fügt sich konisch zu einer Spitze. Erst auf den zweiten Blick sieht man die Spuren der Bearbeitung. Die wie beiläufig an die Wand des Wintergartens im Haus des Künstlers gelehnte Skulptur, zeigt im oberen Teil, proportional gesehen wie ein Kopfstück, zwei gegenüber liegende bearbeitete Seiten, geglättet und poliert. Als Wolfgang Daum diese Steinsäule in Henglarn entdeckte, beschloss er, sie nur ganz sparsam zu bearbeiten, Und unser entdeckendes Auge folgt ihm und ist bereit, eine menschliche Figur zu sehen. Andere Kalksteinplatten sind an einer Bruchkante glatt geschliffen, so dass ein abstrahiertes menschliches Profil assoziiert werden kann. Daneben gibt es Steine, die in ihrem Urzustand eine Kopfform erkennen lassen. Sie werden als Fundstücke bezeichnet, haben keine oder nur minimale Bearbeitungsspuren. Ein Kalkstein mit einer partiell polierten Fläche ist in Eichenholz gefasst. Auch in dieser plastischen Gestaltung mit Stein und Holz können wir eine menschliche Form ausmachen. Ebenso erinnert sie an eine präindustrielle Vorrichtung, die Menschen zur Bearbeitung eines Materials erfunden haben könnten. Alle Skulpturen sind von Wolfgang Daum systematisch erfasst unter Kürzeln. So sind Formenkreise mit gemeinsamen Gestaltungsmerkmalen unter den Anfangsbuchstaben eingeordnet, nicht nach Steinzugehörigkeit, sondern nach ihrer künstlerischen Bearbeitung. Da sind zum Beispiel die beschriebenen Rüthener Sandsteine unter der Rubrik "Falten und steinerne Zier" eingeordnet und erhalten die Abkürzung FZ und eine Erkennungszahl. Neben jeder Skulptur liegt ein Tudorfer Pflasterstein mit den Kürzeln, die Sie in einer Liste nachschauen können. Andere Abkürzungen sind MF, für "Menschliche Formen", BZ für "Bizarre Formen", RG für "Rund und glatt", S für "Spaltungen“. Zur Gruppe der "Menschlichen Formen" gehört auch die Skulptur aus einem fast kubikmetergroßen Stein, der aus Tschechien stammt. Dabei handelt es sich um ein Fundstück vom Straßenbau, also eines sekundären Fundortes. Dieser Stein hat somit eine anonyme wie auch zum Teil eine nachweisbare Geschichte. Das roh belassene Mittelstück verläuft von unten reliefartig, leicht schwingend und sich wölbend bis zum oberen Grat. Von hier aus setzt es sich fort über den ganzen rückwärtigen bearbeiteten Stein - wenn wir überhaupt eine Rückseite bestimmen wollen - und lässt die konkav auslaufenden seitlichen Halbrunde wie verletzte Stellen wirken. Diese raumgreifenden, konkav geschliffenen Ausläufer des grauen Basalts, wirken sehr viel dunkler als die verwitterte hellgraue Außenhaut des übrigen Steins. Die Skulptur ermöglicht einen weit über die formale Betrachtung der Arbeit reichenden offenen Erfahrungshorizont, vielleicht hin zu einem inneren Erleben. In ihrer Dreidimensionalität und je nach Ausmaß benötigt manche Skulptur, um sich entfalten zu können, einen freien Raum um sich herum. Dieses Moment des Raumgreifenden trifft in dem Beispiel der oben beschriebenen Skulptur zu, weil die seitlichen Ausläufer weiter gedacht werden können zu sich entfaltenden Schwingen. Ob eine Skulptur auf einem Sockel präsentiert wird, in vorhandene Nischen eingebettet oder auf dem unebenen Grund aufgestellt ist, hat der Künstler mit Blick auf die Gegebenheiten und den individuellen Anspruch einer jeden Arbeit für diese Ausstellung zu finden gesucht. Zum Schluss will ich noch auf eine Idee hinweisen, die noch Skulptur werden soll. Vielleicht hatte der eine oder andere schon Zeit, einen Blick ins Kellergewölbe zu werfen. Dort ist gleich im ersten Raum ein verwitterter Baumstamm aufgestellt, der voller eingesägter Fächer ist. Daneben liegen Steinfragmente ganz unterschiedlicher Art, Die Idee des Künstlers ist, dass wir alle an dieser Skulptur mitbauen. Daum nennt sie Mitmachskulptur. Sie dürfen einen Stein aussuchen und den Baum gestalten. Wir wandern zurück zum Ausgangspunkt, den Entdeckungen, die Peter Amici und Wolfgang Daum in der Natur gemacht haben, Entdeckungen, " von der Kunst als Übergang aus der Natur zur Bildung, und aus der Bildung zur Natur", um es mit Hölderlin zu sagen. Ich wünsche lhnen viel Freude bei der Betrachtung der Bilder von Peter Amici, den Skulpturen von Wolfgang Daum und beim eigenen Mitmachen. Christine Steuernagel M.A.