Diesseits und Jenseits - Radio Freundes

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Josef Schmid
Diesseits und Jenseits
Ein Erlebnisbericht
Signet
Freundes-Dienst Verlag
CH-5023 Biberstein
3. Auflage 2009
ISBN 3-906111-53-9
Alle Rechte, auch das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten.
Copyright by Freundes-Dienst, Biberstein (Schweiz)
Die Bibelstellen sind grundsätzlich der Übersetzung Luther 1984 entnommen.
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort zur ersten Auflage
- Vorwort zur zweiten Auflage
- Seit mehreren Jahren
- Eine Reise mit Todesgefahr
- Erholungsurlaub - es droht der Tod
- Herzoperation
- Es geschah im Wald
- Schlag auf Schlag
- Weitere Prüfungen
- Nächster Schritt
- Harte Fakten
- Im Diesseits und im Jenseits
- Ein weiterer Eingriff
- Die Kraft Jesu Christi überwindet!
- Leidenszeiten sind Segenszeiten
- Was seither passiert ist...
Vorwort
Ergriffen, erschüttert und fasziniert zugleich ist man beim eingehenden Lesen des Buches Hiob
im Alten Testament. Da wird berichtet von einem Mann, der alles verloren und körperlich und
seelisch schwer zu leiden hatte - und dennoch vertraute er dem allmächtigen Gott. Er konnte
nicht verstehen, wozu all das Leid nötig sein sollte, weshalb Gott gerade ihn so sehr auf die
Probe stellte und wohin das führen würde. Dieser Hiob wird uns nicht einfach nur als
Glaubensheld mit unerschütterlicher Zuversicht geschildert. Auch von seinen inneren Nöten
und Krisen erzählt uns die Bibel in aller Offenheit. In Hiob begegnet uns ein Mann, der trotz
allen Schwierigkeiten, trotz allem Unglück und Elend, trotz aller Krankheit und Schwachheit,
trotz allen Anfechtungen und Kämpfen Seinem HERRN in Demut und völliger Hingabe
nachfolgte und Ihm sein Leben zur Verfügung stellte.
So bezeugte Hiob mitten im Leiden: «Ich weiß, dass mein Erlöser lebt, und als der Letzte wird
er über dem Staub sich erheben» (Hiob 19,25). Diese Gewissheit gab ihm Kraft zum Leben,
Kraft zum Vertrauen. Für unzählige Menschen ist Hiob ein Beweis für Gottes Liebe und Treue zu
den Seinen, und dass der HERR uns ganz bestimmt bis zum Ziel durchträgt.
Auch der vorliegende Erlebnisbericht ergreift, erschüttert und fasziniert. Das Leben von Josef
Schmid, meinem Vater, ist gezeichnet von großen gesundheitlichen Schwierigkeiten, die sich in
kurzer Zeit derart gesteigert hatten, dass sein Leben am Ende zu sein schien. Die folgenden
Monate standen unter der Spannung zwischen Diesseits und Jenseits.
Würde Gott wohl eingreifen? Würde Er Heilung oder das Ende dieser Leiden geben?
Mein Vater erinnerte mich während dieser Zeit immer wieder an das Bild des leidenden
Gottesknechtes Hiob. Trotz aller innerer und äußerer Nöte hat er nicht von seinem Erlöser und
Herrn gelassen. Die Auferstehungskraft Jesu Christi ist die einzige Kraft, die auch in solchen
Prüfungen durchträgt. Denn nichts und niemand kann uns scheiden von der Liebe Gottes in
Christus Jesus, unserm Herrn (vergl. Römer 8,38-39).
So sei dieses Büchlein ein Zeugnis zur Ehre unseres mächtigen HERRN.
Es ist mein Gebet, dass alle Leserinnen und Leser reichen Segen empfangen und in ihrer
jeweiligen Situation die persönliche Erfahrung machen:
«Ich weiß, dass mein Erlöser lebt.»
Im August 1996
Pfr. Samuel J. Schmid
Vorwort zur 2. Auflage
Viele Leser bezeugen, wie sie durch diese Schrift gestärkt, ermutigt und im Glauben
aufgerichtete wurden. Möge auch diese zweite Auflage für viele ein großer Segen und zu Ehre
unseres gekreuzigten, auferstandenen und bald wiederkommenden Herrn Jesus Christus
gereichen.
Seit der ersten Veröffentlichung dieses Zeugnisses hatte mein Vater weitere schwere
Krankheitsnöte und Operationen zu bestehen. Sein Leben war 1997 erneut in großer Gefahr.
Aber unser Herr Jesus Christus, in Seiner unendlichen Liebe und Gnade, hat an ihm Wunder
getan. Freudig und mit brennendem Herzen steht mein Vater im Dienst unseres Erlösers. Und
der HERR segnet mit unzähligen Bekehrungen.
Im März 2000
Pfr. Samuel J. Schmid
Seit mehreren Jahren...
Seit mehreren Jahren leide ich gesundheitlich. So wurde schon im Jahr 1990 ein schweres
Darmleiden festgestellt, das sofort hätte operiert werden müssen. Keine ungefährliche
Operation. Ich bat den Herrn Jesus Christus um Gnade und Seine Leitung. Wie froh war ich, als
ein anderer Arzt von einer Operation dringend abriet mit der Begründung, dass, wenn man den
Bauch öffne, zuviel Unerwartetes zum Vorschein kommen würde. Im Vertrauen auf den HERRN
unterzog ich mich der Operation nicht in der Hoffnung, dass der HERR, dem kein Ding
unmöglich ist, mich berühren und heilen kann. Er tat es nicht, sodass die verschiedenen Leiden
mir sehr Mühe bereiteten. Oftmals verließen mich die Kräfte, und ich fiel zu Boden. Einmal
brach ich mir dabei das Nasenbein und benötigte Spitalaufenthalt. Dem Darmproblem und dem
Zwerchfellriss wurde keine weitere Beachtung geschenkt.
Im Dezember 1994 verschlechterte sich mein Zustand derart, dass ich fast nicht mehr die
Treppe hoch gehen konnte und mich große Schmerzen in der Brust quälten. Meine Lunge war
stark angegriffen. Wieder war eine Antibiotika-Kur fällig. Mein Hausarzt stand vor Rätseln.
Zeitweilig war ich ans Bett gebunden. Viel Gebet und Handauflegung nach Jakobus 5 brachten
Erleichterung, aber nicht Heilung. Ich vermutete ein Herzleiden. Doch die ersten
Untersuchungen brachten das schwere Leiden noch nicht ans Licht.
Als die ersten Frühlingsboten da waren, fühlte ich mich erleichtert. Ein großer Berg
unerledigter Arbeit und viele unbeantwortete Briefe füllten mein Büro. Von ärztlicher Seite
empfahl man mir einen Erholungsurlaub, möglichst weit weg von meiner Arbeitslast.
Glaubensgeschwister teilten diese Meinung.
Doch vorab musste eine Missionsreise nach Ungarn und Österreich eingeschoben werden, weil
wichtige unaufschiebbare Entscheidungen und ein Transport mit Traktaten, Evangelien und
Neuen Testamenten überfällig war.
Eine Reise mit Todesgefahr
Anfangs April 1995 sahen wir uns geführt, diese Missionsreise nach Österreich und Ungarn zu
unternehmen. Unseren erst kürzlich günstig erworbenen Camping-Bus hatten wir mit Schriften
gefüllt. Der Bus war bis zum maximal Erlaubten beladen. Mit dabei waren wir als fünfköpfiges
Missionskomitee. In Ungarn mussten wir nämlich an Ort und Stelle über das Ausmaß des
Ausbaues der Missionszentrale entscheiden.
Es war am 24. April, als wir schwer beladen mit 100 km/h Geschwindigkeit auf der Autobahn
Richtung Innsbruck fuhren. Der Bus begann plötzlich schrecklich zu schwanken, so sehr, dass
ein Überschlagen die Böschung hinunter unvermeidbar schien. Unser Sohn hielt das Steuer mit
allen Kräften fest. Mir hätte die Kraft dazu gefehlt. Ich betete zu Jesus. Alles ging so rasch.
Doch unser Herr Jesus Christus war stärker als die vernichtenden Todesmächte, die ich deutlich
wahrnahm. Der Bus kam zum Stillstand. Ein Reifen war geplatzt und völlig unbrauchbar
geworden. Wir waren alle sehr erschrocken, aber mit großer Dankbarkeit erfüllt, dass der
HERR uns vor Schlimmerem bewahrt hatte. Zum Wechsel des defekten Rades fehlte uns
einiges. Wir waren ratlos. Die Autos rasten mit großer Geschwindigkeit an uns vorbei. Wir
beteten - und schon hat der HERR uns Hilfe gesandt. Ohne unser Dazutun hielt ein Auto an ein Mechaniker stieg aus, der unser Unglück auf der anderen Seite der Autobahn beim
Vorbeifahren beobachtet hatte. Er meinte, es wäre Schlimmeres passiert. Er half und brachte
uns in die richtige Reparaturwerkstatt. Der HERR ist treu!
Auf der Weiterfahrt gab es weitere kritische Momente. Doch der HERR war mit uns.
Erholungsurlaub – es droht der Tod
Unser Sohn Samuel hatte im März 1995 erfolgreich die Abschlussexamen des
Theologiestudiums bestanden. Harte Jahre der Arbeit hatte er hinter sich, gehörte er doch mit
22 ½ Jahren mit Abstand zu den jüngsten Absolventen. Dazu kamen noch die Strapazen der
Ungarnreise, von der wir innerhalb einer Woche zurückgekehrt waren. Nun war uns eine Woche
Ferien am Roten Meer in Ägypten geschenkt worden. In der letzten Aprilwoche bestiegen wir
das Charter-Flugzeug. Die Reise verlief gut. Auch wenn ich große gesundheitliche Probleme
hatte, war doch meine Hoffnung groß, dass ein Urlaub, der erste seit Jahren ohne begleitende
Arbeit, mir gut tun würde.
Kaum waren wir einen Tag in Ägypten, kamen erneut die Todesmächte. Dieses Mal war nicht
ich das erste Ziel, sondern mein Sohn Samuel. Er wurde bewusstlos, der Pulsschlag setzte aus.
Ich legte ihn in die Hände des HERRN und betete mit Handauflegung, bis er wieder zu sich
kam. War es eine Folge der Übermüdung oder ein Angriff des letzten Feindes? Schon tags
darauf war ich an der Reihe. Todesmächte griffen mich so sehr an, als wollten sie mein Leben
auslöschen.
Das Meer und die Sonne konnten wir nicht richtig genießen. Dafür bekamen wir beide noch
mehr eine wunderbare, innige Gemeinschaft im Herrn Jesus Christus. Wir durften zusammen
das Wort Gottes lesen und eine Vertiefung unserer Gemeinschaft erleben. Der HERR hat uns
eine wohltuende Gemeinschaft geschenkt und einige Wegweisungen für den zukünftigen
gemeinsamen Dienst. Innerlich gestärkt und aufgerichtet, sind wir in die Schweiz
zurückgekehrt mit viel Freudigkeit, gemeinsam dem HERRN dienen zu dürfen. Körperlich war
ich jedoch sehr krank und hatte große Schmerzen.
Ab 5. Mai 1995 hatte mein Sohn ein Vikariat (kirchliches Praktikumsjahr) zu absolvieren und
danebst mich in der Missionsleitung und Radiomission stark zu unterstützen.
Herzoperation
Kaum war ich wieder eine Woche an der Arbeit, stellten zwei Herzspezialisten ein schweres
Herzleiden fest. Ohne Operation hätte ich nur noch kurze Zeit zu leben, lautete ihr Befund. Das
war endlich die Erklärung für meine starken Schmerzen und das Abnehmen meiner
körperlichen Kräfte.
Dann begannen sich die Ereignisse zu überstürzen. Viele termingebundene Arbeiten sollte ich
erledigen. Meine letztwilligen Weisungen für die Mission mussten geschrieben werden. Ich
flehte zum HERRN, dass Er mir Seinen Willen zeigen möge betreffend dieser Operation, ob ich
sie ausführen lassen oder mich nun dem Tod ergeben solle. Niemand gab mir Gewähr, dass die
Operation in meinem Zustand überhaupt gelingen wird, hatte ich doch noch andere
lebensgefährliche Leiden. Dann kam eine starke Erkältung mit Husten und Lungenentzündung
dazu. Das Aufgebot zur Operation lag vor mir.
Am 12. Juni 1995 wurde ich in die Herzklinik gebracht. Diese war mir nicht fremd, hatte ich
doch bereits chirurgische Herzuntersuchungen hinter mir. Der HERR schenkte mir eine gewisse
Zuversicht. Am Tag vor der Operation bezeugte ich dem Herzchirurgen, dass ich volles
Vertrauen in Gott und auch zu ihm hätte. Ich war für die Ewigkeit bereit, auch wenn mir der
Abschied von meinen Lieben hart zusetzte. Trotz des inneren Friedens und der Gewissheit,
dass diese Operation dem Willen Gottes entsprach, wusste ich nicht, ob ich die Klinik wieder
lebend verlassen würde. Ich hatte eine Vorahnung, dass mein langer Leidensweg nicht beendet
war.
Gott schenkte zur Operation Gnade. Er hat auf die vielen Gebete der Glaubensgeschwister
geantwortet. Der Husten verursachte mir in den folgenden kritischen Tagen große Schmerzen,
war doch der ganze Brustkasten geöffnet und das Herz zur Operation für einige Stunden
herausgenommen worden.
Mein Aufenthalt in der Herzklinik dauerte etwas länger als normal. Auch konnte ich nicht wie
üblich nach Hause entlassen werden, weil sich einige Liter Wasser in meiner Brust
angesammelt hatten. Ein Professor, ein Lungenspezialist, wurde zugezogen. Die Versetzung in
eine andere Klinik war der einzige Weg.
In der Herzklinik durfte ich die Güte des HERRN in meiner großen äußeren Schwachheit durch
die freundliche und gute Behandlung seitens der Ärzte und des Pflegepersonals erleben, sodass
ich täglich für jedes Einzelne danken und Fürbitte tun konnte.
Der HERR hat viel Gnade und Kraft geschenkt. Eine klare Antwort Gottes auf die treuen Gebete
vieler Glaubensgeschwister.
Es geschah im Wald
Hoch auf einem Hügel und umgeben von Wald steht die Klinik, früher für Lungenkranke, heute
auch für Herzpatienten und andere. Erneut erlebte ich Gottes Güte. Der liebenswürdige und
erfahrene Professor hat mir zuoberst im Haus ein schönes Einerzimmer bereitstellen lassen. Im
Folgenden wurden gründliche Untersuchungen von meinem gesamten Gesundheitszustand
sorgfältig durchgeführt. Ich brauchte mehr Medikamente als üblich. Auch das Herz schien trotz
der komplizierten Operation noch nicht ganz in Ordnung zu sein. Mein Zustand verlangte viel
Pflege. Es ist wunderbar, wie der HERR für die Seinen sorgt. Ich fühlte mich von liebevollen
Menschen umgeben, die alles zu meiner Genesung dransetzten. Die gute ärztliche Betreuung
trug langsam aber sicher Früchte.
Nach vier Wochen war ich soweit hergestellt, dass ich in Begleitung im Freien kleine
Spaziergänge machen konnte. Ich war dankbar, dass der HERR mich wieder aufgerichtet hatte.
Zwischendurch war ich mir selber gegenüber misstrauisch betreffend meiner Gesundheit. War
es eine leise Vorahnung?
Die anfänglich nur kurzen Spaziergänge im kühlen Wald – der Monat Juli 1995 war ziemlich
warm – wurden immer etwas länger, und ich konnte sie mit immer weniger Mühe bewältigen.
Am 19. Juli fühlte ich mich nach meiner täglichen Morgenstille sehr wohl. Ich freute mich, dass
ich in wenigen Tagen nach Hause gehen könnte. Mit vier weiteren genesenden Herzpatienten,
unter denen ich sichtbar der Schwächste war, und in Begleitung einer jungen Therapeutin,
wiederholten wir am Nachmittag einen Waldspaziergang, den wir schon zwei Tage zuvor
gemacht hatten. Ich freute mich in der schönen Natur, die Gott so wunderbar geschaffen hat.
Doch dann geschah es - ein schrecklicher Schmerz in der Brust überfiel mich mitten im Wald.
Die sofort eingenommenen Herzmedikamente halfen nicht. Die Therapeutin schlug Alarm mit
ihrem Mobiltelefon. Ich sank auf dem Waldweg zu Boden. Die Therapeutin und ein Patient
blieben bei mir. Der Rest der Gruppe ging weiter Richtung Klinik. Für kurze Zeit war ich nicht
mehr bei Bewusstsein. Als nächstes nahm ich wahr, wie die Therapeutin ihre Jacke auszog und
über mich legte. Ich spürte, wie mir der Tod nahe stand. Ich war bereit für die Ewigkeit. Doch
ein mächtiges Heimweh nach meinen Lieben überkam mich.
Ein Forstarbeiter mit Auto, der dazugekommen war, führte uns in die Klinik. Dort entstand
ziemliche Aufregung. Die Ärzte und das Pflegepersonal stellten Apparate um mich herum auf.
Zwischendurch nahm ich nicht mehr alles wahr. Ich schwebte in großer Lebensgefahr. Mit der
Ambulanz wurde ich in die Herzklinik, die ich vor vier Wochen verlassen konnte,
zurücktransportiert. Was alles in der darauffolgenden Nacht auf der Intensivstation geschah,
habe ich nur zum Teil mitbekommen. Die Ärzte gaben sich viel Mühe. Untersuchungen und
Behandlungen wurden gemacht. Am nächsten Tag musste ein chirurgischer Eingriff am Herzen
vorgenommen werden. Hierzu wurde die Schlagader in der rechten Leiste geöffnet. Durch sie
führten die Ärzte ein Instrument ins Herz ein.
Mein Leben war erneut gerettet. Doch am Herzen konnte nicht der ganze Schaden behoben
werden. Ein Nachteil blieb zurück. Aber der HERR ist treu.
Aus finanziellen Gründen wurde ich von der Intensivstation wieder direkt in die Höhenklinik
zurückgeführt. Es schien mir, als wären die Bemühungen der letzten vier Wochen umsonst
gewesen. Ich musste nochmals von vorne beginnen. Es war ein Neuanfang, doch leider war
dieser nur von kurzer Dauer.
Schlag auf Schlag
Am 21. Juli 1995 gegen Abend, drei Tage nach meinem Zusammenbruch im Wald, verspürte
ich einen schrecklichen Schmerz. Ich konnte mich im Bett fast nicht mehr bewegen. Zuerst
meinte ich, es handle sich um einen normalen Schmerz in der Leistengegend, wo die
Schlagader vor zwei Tagen geöffnet werden musste. Der blaue Fleck beunruhigte mich nicht.
Jede Operation hinterlässt Spuren. Doch, o weh, der Oberschenkel schwoll an und wurde innert
Minuten immer dicker und dunkler. Ich benützte die Alarmglocke. In wenigen Augenblicken
steigerte sich der Schmerz ins Unerträgliche. Auch der Bauch begann anzuschwellen.
In Kürze war das Pflegepersonal herbeigeeilt. Rasch wurden Ärzte gerufen. Ein Krankenpfleger
realisierte sofort meinen Zustand. Er kniete auf das Bett und drückte mit der Faust und seinem
ganzen Körpergewicht auf meine Schlagader, die geplatzt war. In der ganzen Klinik war Alarm
ausgelöst. Die Ambulanz wurde angefordert. Drei Ärzte von der Herzklinik machten sich auf
den Weg für eine Operation an Ort und Stelle, wenn nötig. Meine letzten Kräfte schienen mich
zu verlassen. Eine große Schwäche und fast unausstehbare Schmerzen machten mir die
Todesgefahr bewusst. Dieses Mal schien der Feind alle Hebel in Bewegung zu setzen. Der
herbeigeeilte Herzchirurg konnte nicht in die Klinik gelangen. Abends sind alle Türen
verschlossen. Auf sein Rufen und Klopfen hin gab niemand Antwort. Die Lage war sehr ernst.
Wie mir später vom Pflegepersonal bestätigt wurde, glaubte niemand wirklich, dass ich dieses
Mal noch überstehen würde.
Auf dem Transport in die Herzklinik stellte ein Arzt nebst der geplatzten Schlagader zusätzlich
einen Durchbruch vom Darm in die Blase fest. Der Transport in die Herzklinik schien allen lang,
ging es doch um Leben oder Tod. Der Blutverlust betrug etwa zwei Liter. Eine Bluttransfusion
musste sofort gemacht werden. Mit einer Pressmechanik versuchten die Ärzte, den Blutfluss zu
stoppen. Sonst wäre eine Operation nötig. Einige Stunden war ich völlig erschöpft und weg. Ich
fühlte mich nahe beim Herrn Jesus Christus. Ich wusste nicht, ob ich noch in diesem Leben war
oder nicht.
An jenem Abend des 21. Juli 1995 war gerade mein Sohn Samuel zu Besuch. Die Ereignisse
schildert er wie folgt: «Mein Vater war sehr gezeichnet von den großen Leiden der letzten
Tage. Schwach und mitgenommen lag er im Bett. Er hatte nur wenig Kraft, um einige Sätze zu
sprechen. Er klagte über starke Schmerzen bei der Wunde des Eingriffs in der Leiste. Der
Schmerz steigerte sich und war kaum auszuhalten. Dies stand deutlich in seinem Gesicht
geschrieben. Der blaue Fleck wurde immer größer, und ich konnte mit ansehen, wie das Bein
mächtig anschwoll. Als mein Vater die Alarmglocke betätigt hatte und das Pflegepersonal diese
Situation vorgefunden hatte, brach große Aufregung aus. Die Krankenschwestern und Pfleger
brachten eilends verschiedene Geräte herbei, mehrere Ärzte wurden zusammengetrommelt.
Ich selber musste das Krankenzimmer mittlerweile verlassen und im Flur warten. Ich wusste
nicht genau, was vorging, spürte aber, wie sich die Todesmächte aufmachten und ein
geistlicher Kampf im Gange war. Ich konnte nur beten und zum HERRN über Leben und Tod
innig flehen. Aus den lauten und bestimmten Anweisungen des Pflegepersonals untereinander
und daraus, wie immer mehr Krankenschwestern dazugerufen wurden und herbeiliefen, ahnte
ich, was passiert war. Ein Arzt erklärte mir zwischendurch in aller Kürze, dass eine schwere
arterielle Blutung vorliege. Durch das Fenster sah ich bald darauf die Ärzte aus der Herzklinik
anbrausen. Aber Minuten vergingen, ohne dass sie zum Krankenzimmer kamen. Den Grund
hierfür vernahm ich später. Endlich waren sie da. Mittlerweile war auch die Ambulanz in großer
Geschwindigkeit mit Blaulicht und Martinshorn angelangt. Sogleich wurde mein Vater, der
regungslos auf der Trage lag, abtransportiert. «HERR, lass ihn die Fahrt überstehen! HERR,
hilf!» So betete ich ohne Unterlass.»
Weitere Prüfungen
Nach einigen Tagen Spitalaufenthalt wurde ich nach Hause entlassen. Nicht etwa, weil mein
Zustand sich stark gebessert hätte, sondern vielmehr waren sämtliche finanziellen
Möglichkeiten erschöpft. Mehrheitlich war ich ans Bett gebunden. Ein altes Darmleiden
verursachte neue Schwierigkeiten. Mein Darm war derart verengt, dass die Nahrung nicht
mehr verdaut werden konnte. Meine tägliche Ernährung musste auf künstliche Flüssignahrung
umgestellt werden. Zur Abwechslung bekam ich eine Schleimsuppe. Mehrere ambulante
Untersuchungen wurden im Spital gemacht unter der Leitung eines vortrefflichen Chirurgen,
der aufopfernd und ohne angemessene Honorierung mich in den nächsten Monaten mit viel
Zeitaufwand betreute. Diese Untersuchungen brachten weitere schwere Leiden ans Licht:
Zeitweiliger Darmverschluss, Darmdeformierungen, Verwachsungen von einem vor dreißig
Jahren erlittenen Unfall und ein Riss im Zwerchfell, der bereits 1962 operiert worden war, aber
nun wieder vollumfänglich aufgebrochen war. Man fasste weitere dringend nötige Operationen
ins Auge. Doch mein Herz war zu schwach, um solche zu überstehen.
Während der nächsten Wochen konnte ich das Bett meistens nicht verlassen. Ich war aber dem
HERRN zutiefst dankbar, dass es mir möglich war, einige schriftliche Arbeiten zu erledigen.
Doch das Leben war mühsam, denn die verschiedenen Krankheiten hatten mich sehr
geschwächt.
Am 4. August 1995 hatten sich die Herzschmerzen derart gesteigert, dass ich in die
Intensivstation der Herzklinik gebracht werden musste. Mit Infusionen und Medikamenten
wurden die Leiden verringert, aber nicht geheilt. Ich dankte dem HERRN für diese
Erleichterung und auch wieder für die baldige Entlassung aus der Herzklinik.
Nun schien es wieder aufwärts zu gehen. An die künstliche Nahrung hatte sich mein Körper
gewöhnt. Der HERR hatte mich sichtbar berührt. Das war die Antwort auf die Gebete vieler
Glaubensgeschwister und die dauernde Hilfe eines Arztes in der Herzklinik. Langsam erholte
ich mich. Physiotherapie verhalf mir zu neuen Kräften. Mit reduziertem Einsatz konnte ich
unserem Sohn Samuel in der umfangreichen Arbeit behilflich sein. Er stand unter ständiger
Arbeitsüberlastung, wie auch die übrigen leitenden Mitarbeiter.
Doch dann gab es am 23. August einen kräftigen Rückschlag. Ein Schüttelfrost mit hohem
Fieber war der Grund, dass ich wieder als Notfall mit der Ambulanz in die Herzklinik auf die
Intensivstation gebracht werden musste. Dieser Kurzaufenthalt brachte aber die eigentliche
Ursache nicht ans Licht - war es das Herz, war es der Darm, war es ein Virus oder alles
zusammen? Erneute Infusionen und viele Medikamente brachten rasche Erleichterung, aber
keine Heilung. Wiederum hatten meine Kräfte einen schweren Rückschlag erlitten. Oft schien
mir der Gesundheitszustand hoffnungslos. Doch der HERR gab mir stets neue Kraft und auch
Lebenszuversicht.
Nun folgten einige Wochen der Genesung. Ich kam wieder soweit zu Kräften, dass ich von
neuem ins Freie gehen und sogar kurze Strecken selber Auto fahren konnte. Die künstliche
Nahrung gab mir die nötigen Nährstoffe zum Überleben. Die Ärzte stellten vom medizinischen
Standpunkt aus eine Veränderung meines Zustandes fest. Für jedermann war es sichtbar, dass
der HERR wirkte.
Inzwischen ging der Herbst vorbei. Schon war es Ende November. Mitten auf dem Weg der
Besserung kam ein neuer Rückschlag. Der Darm ertrug die künstliche Nahrung nicht mehr. Es
war kein Durchlass mehr da. Die Schmerzen stiegen erneut an die Grenzen des Erträglichen.
Wohl war ich innerlich erstarkt, aber die Herzspezialisten fanden, eine weitere Operation vor
Mitte Januar 1996 sei lebensgefährlich. Von Seiten der Darmspezialisten jedoch musste es
sein. HERR, Dein Wille geschehe über meinem Leben!
Nun entstand eine neue Schwierigkeit. Der Chirurg meines Vertrauens und sein Kollege waren
bereit, die komplizierte Darmoperation völlig kostenlos zu machen, denn es fehlten mir die
Mittel. Doch plötzlich kamen Zweifel seitens der Klinik auf, die auch bereit gewesen war,
finanziell entgegenzukommen: Was würde sein, wenn ich nach dieser Operation vielleicht
wochenlang auf der Intensivstation bleiben müsste? Wer könnte solch hohe Kosten
übernehmen? Ich verstand diese begründeten Bedenken, erkannte aber gleichzeitig meinen
gefährlichen Gesundheitszustand und auch das große Risiko einer weiteren Operation. Diese
Mitteilung hatte mich anfangs sehr getroffen. Doch ich erlebte Gottes Hilfe durch den
Chirurgen, der mich in den letzten Monaten betreut hatte und mir nun realistisch meinen
gefährlichen Zustand erklärte und nach einer neuen Lösung suchte. In Kürze übernahm ein
erfahrener Chefarzt eines anderen Spitals die Verantwortung für diesen heiklen Fall. Ich erlebte
Gottes Güte durch seine liebenswürdige Art und seine fachliche Kompetenz. Er war bereit,
diese Operation ohne spezielle Honorierung auszuführen. So schenkte mir Gott in der völlig
neuen Situation großes Vertrauen zum HERRN und auch zu seinen Werkzeugen. Gottes Wege
sind wunderbar, auch wenn wir sie vorerst nicht verstehen.
Nächster Schritt
Der 8. Dezember 1995 war als Termin festgelegt worden für den Eintritt ins Spital zu einer
noch schwereren Darmoperation, als ursprünglich angenommen. Nach außen versuchte ich,
mich zuversichtlich zu zeigen. Im tiefsten Inneren hatte ich aber trotz viel glaubensvoller
Fürbitte zahlreicher treuer Glaubensgeschwister keine Gewissheit, ob ich diese schwere, seit
fünf Jahren fällige Darmoperation noch überstehen würde. Es waren nämlich kaum sechs
Monate her, seitdem ich eine Herzoperation zu ertragen hatte. Einen Monat später wurde dann
durch Notfall ein weiterer Herzeingriff unumgänglich. Und wenige Tage darauf platzte in der
Leiste die Schlagader, was einen beträchtlichen Blutverlust verursachte. Mein Herz war noch
schwach. Die Herzspezialisten rieten von einem Eingriff ab. Und dennoch: seit fünf Monaten
konnte ich mich nur noch mit künstlicher Nahrung versorgen. Nun ließ der Darm auch diese
nicht mehr durch.
Vor wenigen Tagen hatte mir der Chefarzt in liebenswürdiger Weise zugesagt, diese unbedingt
nötige Operation auszuführen. Sie müsste aber wegen meines schlechten Allgemeinzustandes
voraussichtlich in zwei Etappen gemacht werden. Der erste Eingriff wäre jedoch sofort nötig.
Nach viel Gebet gewann ich auch in dieser Sache ein tiefes Vertrauen zu meinem lebendigen
Gott und gleichzeitig volles Vertrauen zum erfahrenen Chefchirurgen, der mir in väterlicher
Weise half, die schwierige Entscheidung anzunehmen.
Knapp zwei Wochen vorher, am 25. und 26. November 1995, fand die Stiftungsrats-Sitzung
vom Freundes-Dienst in Biberstein statt. Die göttliche Harmonie, die brüderliche Liebe
untereinander fanden ihren Höhepunkt mit der Wahl meines Sohnes Samuel zum Präsidenten
der Stiftung Freundes-Dienst und damit auch zu meinem späteren Nachfolger und dessen
Einsegnung im Sonntagmorgen-Gottesdienst, zusammen mit fünf weiteren langjährigen,
treuen Diakonie-Mitgliedern. Während der Abendmahlsfeier am Abend, empfand ich einerseits
tiefe Freude auf die ewige Herrlichkeit hin, und andererseits wollte mich tiefer
Abschiedsschmerz von all meinen Lieben innerlich zerreißen. Aber: «Nicht wie ich will, sondern
wie Du willst. HERR, Dein Wille geschehe. Ja, Vater!» Und die Anfechtung war überwunden.
Welch eine Gnade ist uns in unserem Herrn Jesus Christus geschenkt!
Harte Fakten
Freitag, 8. Dezember 1995. Wir befinden uns im Kantonsspital Aarau bei der Rezeption für
stationäre Patienten. Die gut vorbereitete Anmeldung ist rasch vorübergegangen. Schon bin ich
mit meinen lieben Angehörigen im 7. Stock im Krankenzimmer. Der Abschied ist kurz, weil ich
nicht sicher bin, ob dies wohl mein letzter ist. Wie ganz anders war es am 13. Juni 1995, als
ich mich vor der schweren Herzoperation von meinen Lieben verabschiedete. Damals war ich
zuversichtlich, dass der HERR alles wohl machen wird. Bin ich inzwischen im Glauben schwach
geworden? Oder hänge ich plötzlich mehr an meinen Lieben als am HERRN? Auf alle Fälle
beschäftigte mich jener Abschied, weil ich ihn so kurz wie möglich gestaltet hatte.
Doch es bleibt keine Zeit zum Nachdenken: Eine Reihe von ärztlichen Untersuchungen folgen
Schlag auf Schlag. Ich empfinde meine ganze Umgebung als liebevoll und sehr
zuvorkommend. Dennoch fühle ich mich einsam und unsicher.
Mein Herz, das erst kürzlich operiert werden musste, wird mittels Ultraschall gründlich
untersucht. Dann sagt der Herzspezialist ganz ernst: «Ihr Herz ist sehr krank, und zudem
hatten Sie kürzlich einen Herzinfarkt. Die vorgesehene Operation wird Ihr Herz überbelasten,
auch wenn Sie nur teilweise ausgeführt wird. Dennoch muss ich schon jetzt Ihr Herz einer
starken Belastung aussetzen. Wenn Sie nämlich diese nicht ertragen, werden Sie auch die
Operation nicht überstehen.» Ich bin mit dem Test einverstanden. Die Belastung wird immer
mehr erhöht, mein Puls steigt bis 144 an, die Herzschmerzen steigern sich ins Unerträgliche.
Ich möchte wissen, mit wie viel Watt das Herz jetzt belastet sei. «Machen Sie weiter, ich sage
es Ihnen nachher», ist die Antwort. Bald kommt dieses Nachher: «Ich habe Ihr krankes Herz
so stark wie ein gesundes belastet, und Sie haben es überstanden.» Wohl brauche ich sofort
Medikamente, doch ich habe neue Zuversicht gewonnen. In den Händen des HERRN weiß ich
mich geborgen.
Am späten Freitagnachmittag kommt der Chefarzt und erklärt mir in seiner einfühlsamen Art
das Programm: «Sie werden am Montagmorgen als erster operiert werden. Verschiedene
Vorbereitungsarbeiten, z.B. Reinigung des Darmes, werden am Sonntag einige Stunden
benötigen.
Darauf werden Sie wenige Tage in der Intensivstation gepflegt werden. Was alles zum
Vorschein kommt, kann ich erst sagen, wenn der Bauch geöffnet ist.» Von Herzen danke ich
dem HERRN für Seine Güte und preise Ihn für diesen Arzt. Ich bin mir der schweren Operation
bewusst, doch ich weiß mich im Herrn Jesus Christus sicher und geborgen. «Befiehl dem
HERRN deine Wege und hoffe auf ihn, er wird’s wohl machen» (Ps. 37,4).
Der Sonntag wickelt sich planmäßig ab. Die Darmreinigung geschieht über eine Magensonde.
Sie ist unangenehm, jedoch ziemlich einfach, habe ich doch seit fünf Monaten nur künstliche
Nahrung zu mir nehmen können. Leider kann ich von meinen lieben Angehörigen nicht besucht
werden. Doch erlebe ich seitens des Pflegepersonals viel Freundlichkeit.
Aber dann kommt der harte Schlag: Am Sonntagabend sucht mich die Narkoseärztin auf. Sie
stellt einige Fragen. Anschließend erklärt sie mir zum großen Erstaunen der anwesenden
Krankenschwester und der Mitpatienten, ich sei ein großer Risikofall. Ich bezeuge ihr meine
Dankbarkeit, dass sie so offen mit mir über diese Gefahren spreche. Dann fährt sie fort, sie
habe die Unterlagen studiert, auch den Herztest, sowie meine verschiedenen schweren
Operationen mit Narkosen und könne diese Verantwortung nicht übernehmen. Sie sehe ein
mächtiges Risiko. Sie wolle alles noch mit ihrem Vorgesetzten besprechen. Wo ist nun meine
innere Zuversicht und Hoffnung? Alles ist zerschlagen! Ich schätze diese Anästhesieärztin sehr.
Sie hat mir die Wahrheit gesagt. Dies wird sich später bestätigen. Ich habe ja die Wahrheit
wissen wollen, obwohl ich sie jetzt nicht ertragen kann.
Mein Innerstes schreit zum HERRN. Ich werde innerlich stille, ganz stille, bin ich doch bereit,
abzuscheiden und allezeit beim HERRN zu sein - aber dann werde ich derart verunsichert und
hin- und hergeworfen, dass ich den Chefarzt nochmals sprechen und ohne Operation friedlich
sterben will. Doch er ist nicht mehr erreichbar! Will ich dem harten Leidensweg ausweichen?
Seit Monaten kann ich doch nur noch künstliche Nahrung aufnehmen und habe keinerlei
Kontrolle über ungewollte Stuhlentleerung. Mein schweres körperliches Leiden ist die eine, aber
gleichzeitig das innerliche Hin- und Hergeworfensein, ob ich den Willen des HERRN richtig
erkannt und danach gehandelt habe, ist die andere große Not. Ich fühle mich aber im Herrn
Jesus Christus geborgen, obwohl ich verunsichert bin, ob nicht das Befolgen der vielen
gutgemeinten Ratschläge von Gläubigen, allen Ärzten abzusagen und den Weg einer
Glaubensheilung zu gehen, für mich richtiger gewesen wäre. Der HERR hat mich in Seiner
Gnade im Dienst oft gebraucht, um Kranke zu heilen. Dennoch hatte ich seit jeher erkannt, wie
der HERR auch die Ärzte zum Segen für Viele gebraucht. Zur Ehre Gottes darf ich bezeugen,
dass auch ich zu diesen gehöre.
Im Diesseits und im Jenseits
Am Montagmorgen kurz vor sieben Uhr werde ich in den Operationssaal transportiert. Der tiefe
Friede Gottes erfüllt mich: «Lebe ich, so lebe ich dem Herrn, sterbe ich, so sterbe ich dem
Herrn. Darum, ob ich lebe oder sterbe, so bin ich des Herrn» (vergl. Röm. 14). Ich preise den
HERRN für Seine Güte, Gnade und Liebe, die Er mir während dieses Lebens geschenkt hat. Ich
danke und bete für den gütigen Chefarzt, auch für die Anästhesieärzte, meine lieben
Angehörigen, Mitarbeiter und Freunde. Dann bin ich weg. Es ist Montag, der 13. Dezember
1995, morgens um sieben Uhr.
Wie lange die Operation gedauert hat, weiß ich nicht. Ich habe geschlafen. Später habe ich
vernommen, dass weit mehr vom Darm entfernt werden musste, als angenommen worden
war, und dass über zwanzig Divertikel herausgeschnitten wurden. Der HERR hat zur Operation
Gnade geschenkt.
Ich werde auf die Intensivstation gebracht. Nach ärztlichen Angaben bin ich dort einige
Stunden zwischen Leben und Tod geschwebt.
Meine tiefen Erlebnisse mit Schweben vom Diesseits zum Jenseits und zurück habe ich nach
viel Gebet mit Furcht und Zittern aufs Papier gebracht, mit der ernsten Bitte zum HERRN, dass
nichts missverstanden und keine falschen Schlüsse gezogen werden mögen. Aus diesem
Grunde werden nicht alle Erlebnisse diesbezüglich veröffentlicht. Möge aber das Wenige alle
Leser in tiefe Gottesfurcht und festen Glauben an die Gnade Jesu Christi versetzen.
Wie weit ich zeitweise noch im Leib oder außerhalb gewesen bin, weiß allein der HERR!
Verschiedene Male höre ich meinen Namen rufen. Ich will die Augen öffnen. Sie bleiben jedoch
geschlossen. Die Rufe werden lauter. Ich kann aber nicht einmal meine Lippen bewegen. «Herr
Schmid, aufwachen!» Ich nicke mit meinem Kopf. Ob er sich wirklich bewegt hat, weiß ich
nicht. Jemand öffnet mir die Augen und zündet mit der Taschenlampe hinein. Ich will ein
Lebenszeichen geben, aber ich kann nicht. Dann sagt eine Stimme: «Es hat keinen Sinn mehr.
Sollen wir die künstliche Beatmung abschalten? Er ist nicht mehr fähig zu atmen.» Ich bemühe
mich, meine Finger zu bewegen. Anscheinend geht es nicht. Ich verstehe sehr vieles, was
gesprochen wird. Ob ich alles richtig gehört habe, bleibt offen.
Dann höre ich nichts mehr. Es ist still geworden, ganz still. Wie lange dieser unbewusste
Zustand dauert, weiß ich nicht. Leise werde ich emporgehoben. Dann sehe ich auf Distanz
meinen Leib, gelb und blass, wie eine leicht glänzende Wachsfigur im Bett auf der
Intensivstation liegen. Der Körper scheint von mir weg zu sein. Ich schaue weiter empor, ohne
die eher düster wirkende Umgebung richtig wahrzunehmen. Dagegen werden mir unerkannte
Sünden klar gezeigt, wie Ängstlichkeit, falsche Zurückhaltung, zu wenig Stille, Seufzen unter
den schweren Aufgaben, den Krankheiten und Schmerzen usw. Doch sogleich höre ich: «Du
bist von allen Sünden durch das Blut des Lammes gereinigt.» Ich danke dem HERRN für diese
unermessliche Gnade. Mein häufiges Gebet: «HERR, vergib mir auch meine unerkannten
Sünden», war erhört. Ich werde in eine neue Phase versetzt - in die himmlische Herrlichkeit.
Vor mir liegt eine herrliche Weite des unbegrenzten göttlichen Lichtes. Ich fühle mich in die
Liebe Gottes und in die Gnade Jesu Christi und in die Gemeinschaft des Heiligen Geistes tief
eingetaucht. Ich höre Lobgesang der himmlischen Heerscharen, so rein, klangvoll und herrlich!
Noch nie habe ich solch herrliche Chöre gehört, in perfekter Harmonie und wunderschön.
«Stimm mit ein!», ruft immer wieder eine Stimme.
«Ich kann nicht, meine Stimme war nie rein. Ich bin unreiner Lippen.» Ich hatte mich
angestrengt, mein Leben lang besser zur Ehre Gottes zu singen. Es ging nie. Es wird finster
und die Lobgesänge sind weit weg. Ich zittere, ich verzage. Dann sehe ich das Lamm Gottes.
Ich flehe: «Herr Jesus Christus, o Du Lamm Gottes, Du allein kannst mich durch Dein Blut
befreien. HERR, sei mir gnädig!» In diesem Moment zeigt mir der HERR einiges, wo ich mich in
der gesegneten Missionsarbeit abgekehrt und gequält habe, statt ein Werkzeug Seiner Gnade
zu sein. «HERR, vergib! Reinige mich, Herr Jesus Christus!» Und alle Last ist weg. Die
himmlischen Heerscharen sind wieder da. Ich singe mit in völliger Harmonie, meine Stimme
fällt in den himmlischen Chören nicht mehr aus der Reihe. Ich fühle mich nicht mich selbst,
sondern bin in diesen himmlischen Klängen völlig integriert. Wo ich hinsehe, ist nur göttliche
Liebe, eine unermessliche Weite, und doch ganz nahe beim HERRN!
Aber schon ist die göttliche Pracht wieder vorbei. Ich höre eine Männerstimme: «Es hat keinen
Sinn. Lasst uns die künstliche Beatmung abhängen. Er kann nicht mehr atmen.» Nochmals will
ich meine Lippen oder Finger bewegen, aber es klappt nicht. In meinem Herzen schreie ich zu
meinem Heiland: «Allein bei Dir ist es herrlich. Halte mich fest in Deiner Gnade!» Eine andere
Männerstimme sagt: «Wir beatmen weiter.» Mein innerer Schrei: «Herr Jesus Christus, wenn
Du mich in dieser Welt noch als Deinen lebendigen Zeugen brauchen willst und kannst, dann
bin ich bereit, auch in größten Leiden Deinen herrlichen Namen zu bezeugen.»
Wiederum bin ich im Jenseits und singe mit in den himmlischen Chören Lob und Anbetung des
allmächtigen Gottes und des Lammes, und wir alle verneigen uns. Die unendliche Weite der
Liebe Gottes und das ewige Licht unseres Herrn Jesus und die Einigkeit der Kinder Gottes im
Heiligen Geist! Unaussprechlich herrliche Dinge! Ich bin dort.
Nochmals werde ich ins Diesseits versetzt. Auch hier erlebe ich die Gegenwart Jesu. Ich wage
nicht, Seine Worte und Aufträge niederzuschreiben oder auszusprechen, obwohl sie nicht allein
mir, sondern vielen gläubigen Kindern Gottes gelten. Ich bin zutiefst berührt über Seine Liebe,
Seine Treue und Güte und Seinen Sieg, aber auch tief erschrocken, wie weit entfernt wir von
Seiner Einigkeit im Geist sind, wie wir nicht immer in einerlei Meinung in der Gesinnung des
HERRN stehen und Ihm nicht völlig ergeben leben. Und wie wenig sind wir bereit, Seiner
Leiden teilhaftig zu sein! Wir betrüben unseren HERRN mit unserem oberflächlichen, aber auch
mit dem schwärmerischen Wesen. In Kürze hat mir der HERR viel offenbart. Er zeigt mir auch
die Nöte und Gefahren einzelner Mitarbeiter innerhalb und außerhalb der Mission, aber auch
jene, die dem Herrn Jesus Christus in völliger Hingabe an Ihn in Demut treu dienen. Nur durch
Seine Gnade, durch Sein am Kreuz vergossenes Blut macht Er uns sich zu wohlgefälligen,
brauchbaren Dienern und Dienerinnen. Lange hat der HERR mit mir gesprochen, wie Er von
uns ein Werk der christlichen Nächstenliebe und der Diakonie erwartet, auch worin wir unsere
falsche Frömmigkeit und pharisäische Gesetzlichkeit ablegen sollen und dass wir nicht mehr
länger schweigen dürfen, wenn Sein Name durch falsche Propheten und Erscheinungen
geschmäht wird! Unser Weg bleibt der Kreuzesweg. In Ihm haben wir Frieden und Ruhe,
Zuversicht und Kraft, Freude und Mut. Jesus ist Sieger und lebt!
Nochmals erlebe ich die ewige Herrlichkeit, die herrlichen himmlischen Chöre, den völligen
Einklang und die absolute Harmonie aufgrund der Reinigung durch das Blut Jesu Christi, der
Liebe Gottes, des Allmächtigen, und der ungetrübten Gemeinschaft des Heiligen Geistes! Hier
fühle ich mich gänzlich befreit in Friede, Freude und Liebe. Es gibt nichts Herrlicheres und
Besseres als die ewige Herrlichkeit, allezeit beim HERRN, für ewig erlöst zu sein! Mitten in
dieser himmlischen Herrlichkeit lässt mich Gott einen Blick auf diese Erde tun. Ich sehe meine
Lieben, meine Frau, meinen Sohn, meine Mitarbeiter, in tiefer Trauer und in großer Mühe, die
gestellten Aufgaben zu bewältigen. Dann sehe ich die vielen Seelen, die verloren gehen, weil
sie die Vergebung durch das Blut Jesu Christi nicht kennen. Ich sehe die ganze Mission in
großem Segen, aber auch mit allen Mängeln. «HERR, darf ich einfach alles verlassen?» Dann
sehe ich meinen weiteren Leidensweg auf dieser Erde. Mir graut. «Was wählst Du?», ist die
Frage. «HERR, Dein Wille geschehe! Ich bin für den Leidensweg bereit.»
«Herr Schmid, aufwachen! Hören Sie mich?» Ich versuche, mit dem Kopf zu nicken. Dann
spüre ich, dass mir jemand auf die Wangen tätschelt. Ich wache auf. Ärzte und
Krankenschwestern stehen um mich herum. Ich kenne sie nicht. Aber einer sagt mit einem
freundlichen Lächeln: «Ich bringe Ihnen jemanden. Ihr Sohn ist hier und will Sie besuchen.»
Welch eine Freude, ihn wieder zu sehen. Wir küssen uns. Ich hatte nur einen Gedanken:
«HERR, lass uns zusammen Dir dienen nach Deinem Willen.»
Mein Sohn fragt mich: «Wie geht es Dir?» – «Ich war weg im Diesseits und Jenseits.» Kurz
sage ich ihm: «Ich hatte alles gehört. Sie wollten die Luft abstellen. Habe ich fantasiert oder
war es wahr?» – «Du hast nicht fantasiert. Der Arzt hat mir alles klar erzählt. Es war sehr
kritisch ...» Dann wollte ich meinem lieben Sohn von den herrlichen Erlebnissen erzählen. Ob
ich es tat oder nicht, weiß ich nicht; denn große Schwäche überkam mich aufs Neue.
Über diese Stunden berichtet mein Sohn Samuel folgendes:
«Während der Operation flehten wir zu unserem HERRN, dass Er in Seiner Gnade eingreifen
und Gelingen schenken möge. Wir wussten nicht, ob wir meinen Vater auf dieser Erde je
wieder sehen würden. Aufrichtig beteten wir: «HERR, nicht unser, sondern Dein Wille
geschehe!» Inbrünstig baten wir unseren Herrn Jesus Christus aber auch, dass Er meinen
Vater erhalten und neu aufrichten möge. Die Zeit schien still zu stehen. Endlich war der
Moment da, wo wir dem Spital telefonieren und uns nach dem Gesundheitszustand meines
Vaters erkundigen konnten. Ich wurde mit einem Arzt der Intensivstation verbunden. Er
erklärte mir, dass die Operation überstanden wäre und sich mein Vater nun auf seiner Station
befände. Auf meine Frage, wann es möglich sei, ihn zu sehen, wurde ich auf einige Stunden
später vertröstet.
Die letzten Tage, Wochen und Monate waren auch für uns Angehörige und Mitarbeiter mit
einer großen psychischen Belastung verbunden. Mit Rücksicht auf meine liebe Mutter, deren
Kräfte durch diese Krankheitszeit besonders strapaziert gewesen waren, hatte ich
vorgeschlagen, zuerst alleine ins Spital zu fahren. Vor der Intensivstation angekommen, hatte
ich mich angemeldet und um Einlass gebeten. Ich musste einige Minuten warten, weil mich ein
Arzt sprechen wollte. Es war derjenige, mit dem ich telefoniert hatte. «Am Telefon konnte ich
Ihnen nicht alles sagen», erklärte er mir, «weil ich nicht wusste, wie Sie reagieren würden.»
Die Operation sei zwar überstanden, habe sich aber schwieriger gestaltet, als angenommen.
Besonders das Herz bereite ihnen jetzt große Schwierigkeiten. «Hören Sie, der Zustand Ihres
Vaters ist sehr ernst. Wir machen unser Möglichstes, da können Sie sicher sein. Wir haben
auch noch einige Dinge, die wir versuchen können.» Einerseits war ich bei dieser Nachricht wie
innerlich erstarrt, andererseits wollte ich mich noch genauer erkundigen. In meinem Herzen
schrie ich zum HERRN und bat Ihn um sein gnädiges Eingreifen. «Ihr Vater ist auf dem
Scheideweg. Manchmal befindet er sich auf der anderen Seite und manchmal wieder mehr auf
der Seite des Lebens. Den Ausgang wissen wir nicht. Beides ist möglich.» Mitfühlend und sanft
offenbarte mir der Arzt, was zurzeit vor sich ging. «Vor allem das Herz und die Atmung
machen uns Sorgen. Wir haben schon vieles probiert. Aber auf die Medikamente hat er bis
jetzt nicht richtig angesprochen. Es gibt einige, die haben Bedenken. Doch ich werde alles
Mögliche unternehmen.» – «HERR, schenk den Ärzten Weisheit und Deine Leitung in der Wahl
der Medikamente und der Behandlung. HERR, schenk Gnade!»
Der Arzt sagte mir, ich könne noch abwarten, ob sich der Zustand meines Vaters verändere. Er
verschwand wieder hinter der Eingangstüre zur Intensivstation. Die Minuten des Wartens
kamen mir vor wie Stunden. «HERR, hilf! HERR, greife ein!» – Endlich kam der Arzt wieder
zurück. In seinem Gesicht konnte ich sofort eine gewisse Erleichterung erkennen. «In der Zeit,
wo wir miteinander gesprochen haben, begann sich sein Zustand etwas zu stabilisieren. Es
scheint, dass er wieder auf der Seite des Lebens steht. Sie können ihn jetzt sehen.»
Wie wunderbar war es, meinen Vater lebend sehen zu dürfen. Der Arzt sagte ihm, dass ich hier
sei. Er öffnete die Augen und begann ganz leise zu sprechen. Ich merkte dabei, welche
Anstrengung dies für Ihn bedeutete. «Ich war weg im Diesseits und Jenseits. Ich hatte alles
gehört. Sie wollten mir die Luft abstellen.» Ich bestätigte ihm, dass nach den Aussagen des
Arztes sein Zustand äußerst kritisch gewesen war. Er fährt fort: «Ich habe die himmlische
Herrlichkeit geschmeckt. Es war herrlich, wunderbar!» Erschöpft schloss er die Augen. Aber auf
seinem Gesicht stand die Geborgenheit in unserem Erlöser, die Freude und der Friede in
unserem Herrn Jesus Christus deutlich geschrieben.»
Die folgenden Stunden und Tage waren schwer. Oft ging es durch Tiefen und Anfechtungen.
Doch der Auftrag und der Wille des HERRN waren mir klar. Die Todesgefahr war noch nicht
vorbei. Eines Tages sah ich, wie meine Hand glänzend gelb war und sich die Fingernägel blau
verfärbten. Der Tod war mir nahe, aber unser Herr Jesus Christus hat auch diesen letzten Feind
besiegt. Wie dürfen wir uns doch auf die Ewigkeit freuen! «Ich halte nämlich dafür, dass die
Leiden der jetzigen Zeit nicht wert sind, verglichen zu werden mit der Herrlichkeit, die an uns
geoffenbart werden soll.» (Römer 8,18 nach Menge-Übersetzung).
Ein weiterer Eingriff
In der Nacht vom 21. Dezember erlitt ich eine schwere Darmblutung. Meinen schon stark
geschwächten Körper hat das noch zusätzlich belastet und erneut an die Grenzen gebracht.
Mein Sohn berichtet darüber:
«Die Weihnachtstage 1995 waren geprägt von einem ernsten Rückfall. Mein Vater hatte kaum
die Kraft, sich zu bewegen oder gar zu sprechen. Alle Mitpatienten im Zimmer konnten über
die Feiertage das Spital verlassen. Zurück blieb mein Vater, erneut am Ende seiner Kräfte.
Wann immer es uns möglich war, besuchten wir ihn. Oft schien er davon nicht sehr viel
mitzubekommen. Fiebrig lag er im Krankenbett. Eines Abends war sein Körper gelblich und
fühlte sich kühl an. Wie eine Wachsfigur lag er bewegungslos da. Das Pflegepersonal strahlte
nicht große Hoffnung aus. Wiederum war der Tod ganz nahe an ihn herangekommen. Aber
Jesus Christus, unser treuer Herr, hat Seine Siegesmacht offenbart und ihn durchgetragen.»
Wegen großen körperlichen Schmerzen wurde ich am 26. Dezember erneut unter Narkose
gesetzt. Es musste ein weiterer chirurgischer Eingriff gemacht werden. Eiter hatte sich
angesammelt. Große Schwäche zeichnete die folgenden Tage aus. Doch das Eingreifen des
HERRN war ebenfalls sichtbar. Auch bin ich sehr dankbar für alle ärztliche Betreuung.
Am 12. Januar 1996 konnte ich vom Akutspital in die Höhenklinik gebracht werden, wo der
Heilungsprozess langsam weiterging. Mein schweres Herzleiden konnte trotz der Operation
nicht völlig behoben werden, sodass ich mit einer reduzierten Herztätigkeit einige
Einschränkungen zu tragen habe. Doch unser Herr Jesus Christus ist unser Leben! Er bestimmt
unsere Tage auf dieser Erde. Möge Er viel Gnade und auch viel Ewigkeitsfrucht schenken.
In der Höhenklinik bekam ich, trotz meiner finanziellen Begrenztheit wieder ein schönes
Zimmer. Der HERR war gegenwärtig. Die ärztliche Versorgung und Pflege war sehr gut. Ich war
stark geschwächt und hatte meistens große Schmerzen. Zweimal erlebte ich Rückfälle, die
mich für einige Stunden in Lebensgefahr brachten. Einmal nachts um drei Uhr kam der leitende
Professor persönlich. Dann ging es langsam besser. Der HERR hat wiederum durch die Hilfe der
Ärzte eingegriffen. Jesus Christus, der am Kreuz wegen unseren Sünden weit größere
Schmerzen erduldet hat, griff in Seiner Gnade ein.
Es gab weitere Stunden der Prüfung: meine körperliche Schwäche, die noch vorhandenen
schweren Krankheiten und die Aussichtslosigkeit, wieder gesund zu werden. Auch war mehr als
fraglich, ob ich je wieder voll in den Missionsdienst eintreten könnte oder ob ich vielmehr eine
Belastung für meine Nächsten würde. Gott schenkte mir immer wieder neue Kraft, wenn ich
mit meinen letzten Kräften die Bibel, Sein Wort, las. Ich empfing Trost und legte mich in die
Hände des HERRN. «HERR, Dein Wille geschehe! Nicht wie ich will, sondern wie Du willst.»
Gerade in dieser Prüfungszeit öffnete Gott mir die Augen für Seine Wohltaten, die Er mir
zukommen ließ durch meine schwergeprüften Angehörigen, den Professor, die Ärzte und das
Pflegepersonal. Darum konnte ich dem HERRN danken, Ihn in meinem Herzen loben, auch
wenn die Genesung nicht wie üblich voranschritt. Auch schien mir, mein Denkvermögen sei
durch die vielen und langen Narkosen stark reduziert worden. Aber der HERR redete zu mir
durch Sein Wort und den Heiligen Geist, schenkte mir neue Kraft zur Fürbitte und gab mir den
Auftrag, die schweren und herrlichen Erlebnisse der letzten Monate niederzuschreiben. Oft
wurde ich durch völlige Erschöpfung schon nach kurzer Zeit des Schreibens zur Unterbrechung
gezwungen. Möge doch unser Herr Jesus Christus durch dieses Zeugnis Schwergeprüfte
stärken und alle, die es lesen werden - vielleicht erst, wenn ich schon in der ewigen
Herrlichkeit sein werde - in der Gemeinschaft mit unserem Herrn Jesus Christus vertiefen.
«Ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder
Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Kreatur uns
scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn» (Römer 8,3839).
Die Kraft Jesu Christi überwindet!
Die Schmerzen wurden erträglicher, sodass ich die Höhenklinik am 17. Februar verlassen
konnte. Eine Verlängerung des Aufenthalts erachteten die Ärzte zwar für nützlich, doch ich
sehnte mich nach Hause. Ich war der Meinung, dass es mir doch inzwischen viel besser ginge.
Weitere ärztliche Befunde zeigten aber, dass das Herz nur noch zu 50 % leistungsfähig ist.
Auch der Darm ist nicht in Ordnung. Trotzdem darf ich bezeugen:
Unser Herr Jesus Christus hat meinen kranken Leib berührt. Er tut noch heute sichtbare
Wunder. Auch die Ärzte haben Seine Kraft und Hilfe gesehen. So sagte mir der operierende
Herzchirurg, eine anerkannte Kapazität auf dem Gebiet der Herzmedizin, einige Monate nach
der Herzoperation anlässlich einer Veranstaltung in der Herzklinik folgendes: «Herr Schmid, Sie
waren ein sehr komplizierter Fall. Wir hatten Sie schon aufgegeben.» Und indem er auf meine
Freundes-Dienst-Krawattennadel zeigte - das Kreuz mit dem Spruch «Jesus Christus unser
HERR» -, fügte er hinzu: «Aber dieser da wollte Sie noch nicht wegnehmen, sondern am Leben
lassen.»
Seit April stehe ich wieder voll im Arbeitseinsatz. Neue Radiosendungen durften entstehen. Der
HERR wirkt sichtbar an Leidenden durch das Wort Gottes, die Seelsorge und das Gebet. Die
Krankheit ist nicht verschwunden, aber der HERR gibt mir täglich neue Kraft nach Seinem
Wort: «Die auf den HERRN harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie
Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden» (Jes.
40,31). Der HERR tut Großes. Wir dürfen nicht bei unserer Schwachheit stehen bleiben,
sondern mit dem Apostel Paulus wissen: «Und er hat zu mir gesagt: Lass dir an meiner Gnade
genügen; denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig. Darum will ich mich am allerliebsten
rühmen meiner Schwachheit, damit die Kraft Christi in mir wohne. Darum bin ich guten Mutes
in Schwachheit, in Misshandlungen, in Nöten, in Verfolgungen und Ängsten um Christi willen;
denn wenn ich schwach bin, so bin ich stark» (2. Kor. 12,9-10). Die Kraft Jesu Christi
überwindet unseren schwachen Leib. Er ist treu und hat die Seinen lieb. Welch eine Gnade!
Im Juli 1996 hat mich der HERR so stark körperlich berührt, dass ich sogar eine leichte
Bergwanderung machen konnte, wie es seit vielen Jahren nicht mehr möglich war. Gott tut
auch heute Wunder, wenn wir uns willig unter Seine Königsherrschaft stellen und ein ganzes Ja
zu Seinen Führungen haben.
Sichtbar hat der allmächtige Gott auf die treuen Gebete vieler Glaubensgeschwister
geantwortet. Es wurde Fürbitte für mich getan in Gebetskreisen verschiedener Kirchen und
Gemeinden. Ich bin sehr berührt, wie der HERR weltweit die Fürbitte in die Herzen legte; so
beteten in Europa, Afrika, Amerika und Asien ganze Gemeinden in großem Glauben und
Beharrlichkeit. In der Not erleben wir die Treue und Liebe unseres Herrn Jesus Christus und
Seiner Kinder. Gelobt sei unser Heiland!
Leidenszeiten sind Segenszeiten
Manche Leser mögen mitleidig denken, dass ich sehr schwere Leiden durchzustehen hatte.
Gewiss waren die Leiden groß, aber die erlebte Herrlichkeit unseres Herrn Jesus Christus ist
unvergleichbar größer und schöner. In Seiner Gegenwart wird unser schwacher Leib berührt
und die Seele gestärkt.
«Fürwahr, er trug unsere Krankheit und lud auf sich unsere Schmerzen... die Strafe liegt auf
ihm, auf dass wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt» (Jes. 53,4-5).
Oftmals können wir uns Seiner Gnade erst in großer Schwachheit rühmen!
So bestätigte mir ein Mitpatient, dass er, als ich in einer Nacht von Todesmächten arg
angegriffen war, in mir hätte Gott leuchten sehen. Ein anderer Mitpatient, der sich wegen
seiner schweren Kindheit als absoluter Atheist ausgab, wachte nachts, um sofort die
Alarmglocke zu läuten, wenn meine Atmung aufhören sollte. Seine harte Abweisung des
biblischen Glaubens legte er ab, weil er das Wirken des HERRN sah. Ein anderer Patient schrieb
mir vor einigen Wochen, dass er während seines Spitalaufenthaltes das erste Mal in seinem
Leben ganz akzeptiert worden sei und er in mir die Liebe Jesu Christi erkannt hätte und weiter
in Kontakt bleiben möchte. Auch zwei Glaubensbrüder waren vorausgehend meine
Bettnachbarn. Der HERR segnete die Gebetsgemeinschaft. Auf Empfehlung des einen besuchte
mich kürzlich ein Mann, der nur noch Selbstmord als Ausweg sah. Der HERR griff in Seiner
Gnade und Liebe in seinem Leben ein und schenkte ihm Vergebung der Sünden durch das Blut
Jesu Christi und die Neugeburt. Einige Personen vom Pflegepersonal suchten seelsorgerliche
Hilfe. Der HERR griff in schwierigen Familienverhältnissen ein. Andern gab Er Zuversicht und
Lebensmut.
«... Damit die Kraft Christi bei mir wohne ... Wenn ich schwach bin, so bin ich stark» (2. Kor.
12,9-10). So gebraucht unser Herr Jesus Christus Seine Diener und Dienerinnen in
Lebenslagen, die nach menschlichem Ermessen hoffnungs- und nutzlos erscheinen, um die
Frohe Botschaft und den Samen der göttlichen Liebe in die Herzen auszustreuen zu Seiner
Ehre.
Gott macht aus Leidenszeiten Segenszeiten, Zeiten des Segens für uns und für unsere
Mitmenschen. «Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der Vater der
Barmherzigkeit und Gott allen Trostes, der uns tröstet in aller unserer Trübsal, damit wir auch
trösten können, die in allerlei Trübsal sind, mit dem Trost, mit dem wir selber getröstet werden
von Gott. Denn wie die Leiden Christi reichlich über uns kommen, so werden wir auch reichlich
getröstet durch Christus» (2. Kor. 1,3-5).
Was seither passiert ist...
(Nachtrag zur dritten Auflage)
Im Dezember 1996 hatte sich Josef Schmid einer weiteren Bauchoperation zu unterziehen. Im
Dezember 1997 war er durch zwei schwere Operationen dem Tod nahe. Doch der Leiden nicht
genug. Seither musste er mehrmals als Notfall ins Spital eingeliefert werden.
Im September 2004 erlitt er einen Hirnschlag und war fast vollständig gelähmt. Trotz dieser
herben Prüfung strahlte er Frieden und Zuversicht aus. Meine täglichen Spitalbesuche bei ihm
waren auch für mich ein Segen. Nach ein paar Tagen strahlte er ganz besonders, als ich das
Zimmer betrat. Mit gebrochener Stimme aber voller Freude sagte mein Vater: «Stell dir vor, ich
kann meinen großen Zeh wieder bewegen. Ist unser HERR nicht wunderbar!» Dieser Satz hat
mich tief beeindruckt. Kein Klagen, keine Unzufriedenheit, kein Warum über Gottes Weg. Mein
Vater hatte «Ja» gesagt auch zu diesem schweren Weg und war dem Herrn Jesus Christus
dankbar, dass Er ihm auch in dieser Leidenszeit beistand. So hatte er offene Augen für die
Liebe, die Kraft und das Wirken des Auferstandenen. Er schaute nicht auf seine körperliche
Schwachheit, sondern auf den allmächtigen HERRN.
Gott tut Wunder! Nach einigen Monaten war mein Vater wieder so hergestellt, dass er sogar
sowohl seine Verkündigungsdienste in Gemeinden und am Radio wahrnehmen als auch Auto
fahren konnte. Der HERR macht Unmögliches möglich!
Seither hat mein Vater mehrere Streifungen mit teilweiser Lähmung erlitten. Im Januar 2009
machte der vierte Herzinfarkt einen erneuten operativen Eingriff am Herz notwendig. Auch
hierfür hat unser treuer Herr Jesus Christus Gnade und Gelingen geschenkt.
Vor kurzem sagte mir ein Arzt, der ihn schon jahrelang betreut: «Ihr Vater hat nicht nur
Wunder erlebt, sein Leben ist ein Wunder.» Zwar leidet er dauernd unter Schmerzen, aber die
Freude am HERRN ist seine Stärke (vergl. Neh. 8,10). Auch in fortgeschrittenem Alter steht er
vollzeitlich im Dienst für unseren bald wiederkommenden HERRN.
Trotz den schweren körperlichen Leiden darf Josef Schmid unzähligen Menschen zum Segen
sein. Unser Herr Jesus Christus wirkt mächtig und bestätigt seinen Dienst sichtbar:
Kranke werden geheilt, Besessene werden befreit und Abertausende in aller Welt bekehren
sich. Wo das Wort Gottes in Klarheit und Vollmacht verkündigt wird, greift der Feind auf
mancherlei Weise an. Doch unser Herr Jesus Christus ist Sieger und lebt!
Das Leben von Josef Schmid ist ein Zeugnis für die Liebe und Gnade Gottes und den am Kreuz
vollbrachten Sieg unseres Herrn Jesus Christus. Bis zum letzten Atemzug will er sich weiterhin
für unseren Erlöser einsetzen, die Frohe Botschaft verkündigen und zur Ehre Gottes den Dienst
treu und in Hingabe tun. Seine Nachfolge, sein Dienst und seine Leidensbereitschaft gründen in
der tiefen und innigen Liebe zu unserem Heiland. Aus seinem Zeugendienst entstand 1951 das
Missionswerk Freundes-Dienst. Dieses Glaubenswerk verbreitet das Wort Gottes heute in über
130 Ländern auf verschiedene Weise, z.B. durch tägliche Radiosendungen, biblisch fundierte
Traktate in Millionenauflagen, Bibelmission, Sozialwerke usw. Josef Schmid, Gründer und
Mitleiter, steht auch heute noch mitten im Dienst.
Josef Schmid ist ein Beispiel in unserer Zeit, was der HERR wirken kann durch Menschen, die in
aller Einfachheit und Demut und in kompromissloser Nachfolge ihr Leben dem HERRN weihen.
Dem Sohn Gottes allein gebührt Ehre und Preis dafür! Möge dieses Beispiel noch Viele
motivieren, aus Liebe zum HERRN für Ihn zu leben und die Zeit auszukaufen, bis Er
wiederkommt. Jesus kommt bald!
Im November 2009
Pfr. Samuel J. Schmid, Mitleiter
Missionswerk Freundes-Dienst
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