1.Tumoren 1 1.2.6 Paraneoplasien von <Karin Schad und Antonio Cozzio> Inhalt 1.2.6.1 1.2.6.2 1.2.6.3 1.2.6.4 1.2.6.5 Einleitung Einteilung der kutanen paraneoplastischen Syndrome Obligate Paraneoplasien: Acanthosis nigricans Leser-Trélat Zeichen Tripe Palms Akrokeratosis Bazex Erythema gyratum repens Gammel Erythema necrolyticum migrans (Glucagonom Syndrom) Hypertrichosis lanuginosa acquisita Paraneoplastischer Pemphigus (PNP) Fakultative Paraneoplasien: Dermatomyositis bei Erwachsenen Sweet-Syndrom (Bullöses) Pyoderma gangraenosum Bullöses Pemphigoid Subakut kutaner Lupus erythematodes (SCLE) Erythrodermie Literatur 1.2.6.1 Einleitung und Definition Paraneoplasie ist eine Sammelbezeichnung für Funktionsstörungen oder Erkrankungen, die im Zusammenhang mit Neoplasien stehen, jedoch nicht durch Metastasen oder das direkte Tumorgeschehen verursacht sind. Häufig handelt es sich um Blickdiagnosen. An die Möglichkeit einer Paraneoplasie sollte man auch bei aussergewöhnlicher Therapieresistenz und widersprüchlichen diagnostischen Befunden denken. Die zugrundeliegenden pathophysiologischen Mechanismen sind unterschiedlich. Einerseits kann es zur Freisetzung von Mediatoren sowie Peptiden und Hormonen aus dem Tumorgewebe kommen, andererseits können Tumorantigene auch zu einer immunologischen Abwehrreaktionen gegen Strukturen der Haut im Sinne einer Kreuzreaktion führen. Ein weiterer möglicher Mechanismus besteht in der Ablagerung von Immunkomplexen (Tumorantigen-Antikörper-Komplexe) an der Basalmembran. Grundsätzlich können die paraneoplastischen Syndrome dem Tumor zeitlich vorausgehen, gleichzeitig auftreten oder sich im Verlaufe einer Tumorerkrankung bemerkbar machen. Ein Wiederauftreten der Paraneoplasie kann ein Hinweis auf ein Rezidiv der malignen Erkrankung sein. Wird der Tumor erfolgreich behandelt, verschwindet meist auch die kutane paraneoplastische Manifestation. Therapeutisch geht es bei allen Paraneoplasien primär um die Suche und Behandlung des Tumors. In unserem Beitrag geben wir einen Überblick über die kutanen paraneoplastischen Erkrankungen. 2 1.2.6 Paraneoplasien Tabelle 1: Pathomechanismen der Paraneoplasien Pathogenese Autoimmunreaktionen Granulozytäre Entzündungszeichen Hormone Beispiele Paraneoplastischer Pemphigus (Antikörper und T-Zellen) Paraneoplastische Dermatomyositis (T-Zellen) Sweet-Syndrom Pyoderma gangraenosum ACTH-produzierendes Bronchialkarzinom Erythema necrolyticum migrans Metabolische Veränderungen Erythema necrolyticum migrans (Zink- und Aminosäurenmangel) Wachstumsfaktoren (EGFund TGF-α) Acanthosis nigricans Unbekannt Hypertrichosis lanuginosa acquisita Tripe Palms 1.2.6.2 Einteilung der kutanen paraneoplastischen Syndrome Die Klassifikation erfolgt entweder nach betroffenem Organsystem, nach der zugrunde liegenden Pathophysiologie oder nach der Wahrscheinlichkeit, mit der eine Dermatose mit dem Tumor assoziiert ist. Bei den obligaten Paraneplasien findet sich zu fast 100% eine zugrunde liegende Tumorerkrankung, bei den fakultativen hingegen ist die Assoziation zu einem Tumor häufiger als statistisch erwartet und beträgt etwa 3-30%. Tabelle 2: Übersicht - Obligate Paraneoplasien und assoziierte Malignome Obligate Paraneoplasie Assoziierte Malignome Acanthosis nigricans (Abb. 1a, 1b) Adenokarzinome des Bauchraums, meist Magen- CA (64%) Tripe Palms (Abb. 2) Akrokeratosis Bazex (Abb. 3a, 3b) Erythema gyratum repens Gammel (Abb. 4) Erythema necrolyticum migrans (Abb. 5) Bronchial-CA (v.a. Männer) Hypertrichosis lanuginosa acquisita (Abb. 6) Paraneoplastischer Pemphigus (Abb. 7a, 7b) Kolon-CA, Bronchus-CA, Mamma-CA, Blasen-CA ORL Plattenepithel-CA oder zervikale LK-Metastasen eines Plattenepithel-CAs unklarer Herkunft, Lunge, Oesophagus Bronchial-CA, seltener Adeno-CA (gastrointestinal, Mamma), hämatologische Neoplasien Inselzelltumor des Pankreas Hämatologische Neoplasien (Lymphome oder Leukämien), Castleman-Tumor (10%) 1.Tumoren 3 Tabelle 3: Übersicht - Fakultative Paraneoplasien und assoziierte Malignome Fakultative Paraneoplasie Assoziierte Malignome Dermatomyositis bei Erwachsenen (Abb. 8a, 8b) Männer: Darm-, Pankreas-, Bronchus-CA Frauen: Mamma-CA, Ovarial-CA Sweet-Syndrom (Abb. 9) Hämatologische Neoplasien, v.a. Myeloische Leukämie (Bullöses) Pyoderma gangraenosum (Abb. 10) Bullöses Pemphigoid (Abb. 11) Subakut kutaner Lupus erythematodes (Abb. 12) Erythrodermie (Abb. 13) Hämatologische Neoplasien Keine Assoziation zu spezifischem Tumor Bronchus- und Mamma-CA Lymphoproliferative Erkrankungen inkl. CTCL und SézarySyndrom, Ca der Cervix, Lunge, Kolon, Magen, Prostata, Schilddrüse 1.2.6.3 Obligate Paraneoplasien Acanthosis nigricans Definition und Klinik Typischerweise treten symmetrische papilläre, bräunlich-schwarze Pigmentierungen vor allem in den Beugen, im Nacken, in den Achselhöhlen und an den Extremitäten auf, die Palmae und Plantae können betroffen sein. Manchmal findet sich eine Papillomatose der Schleimhaut. Die Acanthosis nigricans umfasst verschiedene klinisch ähnliche Hauterkrankungen unterschiedlicher Ätiologie. Es bestehen sowohl erbliche als auch erworbene Formen, wobei die Assoziation zur Insulinresistenz im Rahmen einer Adipositas oder einer Endokrinopathie gut bekannt ist. Der paraneoplastischen Acanthosis nigricans liegen meist Adenokarzinome zu Grunde, unter denen die gastrointestinalen Adenokarzinome am häufigsten sind. Die maligne paraneplastische Acanthosis nigricans zeichnet sich dadurch aus, dass sie plötzlich auftritt und sich rasch über den Körper ausbreitet. Pathophysiologisch finden sich erhöhte Spiegel von Wachstumsfaktoren, vor allem TGF-α, welches seine Wirkung via EGF-Rezeptor (epidermal growth factor receptor) entfaltet (Koyama 1997, Ellis 1987, Haase 2002). Leser-Trélat Zeichen: Bei älteren Menschen treten zahlreiche seborrhoische Keratosen auf ohne dass eine Paraneoplasie vorliegt. Ein plötzliches Auftreten von multiplen monomorphen eruptiven seborrhoischen Keratosen mit Entzündungszeichen, Juckreiz und ev. Hämorrhagien sind verdächtig auf ein Leser-Trélat-Zeichen. Manchmal treten die Veränderungen zusammen mit einer Acanthosis nigricans auf. Die auslösenden Tumoren sind identisch mit der Acanthosis nigricans. 4 1.2.6 Paraneoplasien Abb. 1a: 78 jährige Patientin mit Acanthosis nigricans der Lippen Abb. 1b: 60 jährige Patientin mit Acanthosis nigricans, Nacken Differenzialdiagnosen Pemphigus chronicus benignus familiaris, Pemphigus vegetans, Dyskeratosis follikularis, M. Dowling-Degos, kutanes T-Zell-Lymphom, M. Addison. Diagnostik Tumorsuche, Blutzuckerbestimmung, Nüchtern-Cortisol, ACTH-Test. 1.Tumoren 5 Histologie Die Histologie zeigt eine Hyperkeratose mit papillärer Hyperplasie und Akanthose, wobei sich die benigne Form histologisch nicht von der malignen unterscheidet. Therapie Acanthosis nigricans: Symptomatisch mit austrocknenden zinkhaltigen Cremes, ev. keratolytische Salizylsäure-haltige Externa, Präparate mit niedrig dosierter VitaminA-Säure. Systemisch mit Acitretin oder Isotretinoin, bei Juckreiz Antihistaminika. Leser-Trélat: Symptomatisch, Kürettage der seborrhoischen Keratosen. Tripe Palms Definition und Klinik Bei Tripe Palms handelt es sich um einen Teilaspekt der Acanthosis nigricans, welche eine isolierte gyrierte Hyperkeratose der Handflächen beschreibt (Pachydermodaktylie). Der Name Tripe Palms kommt vom italienischen „trippa“ für Kutteln, also Kuhmagen, da die Oberfläche der Palma der Mukosa eines Kuhmagens ähnlich sieht. Die Tripe Palms ist vor allem mit Bronchialkarzinomen assoziiert und tritt meist bei Männern auf. Das klinische Bild ist charakteristisch, es handelt sich um eine Blickdiagnose. Abb. 2: 78 jähriger Patient mit Tripe Palms Diagnostik Tumorsuche. Das histologische Bild ist vergleichbar mit der Acanthosis nigricans. 6 1.2.6 Paraneoplasien Akrokeratosis Bazex Definition und Klinik Die Akrokeratosis Bazex betrifft fast ausschliesslich Männer nach dem 40. Altersjahr und zeigt sich mit unscharf begrenzten, fest haftenden erythematosquamösen hyperkeratotischen Läsionen der Akren (Ohren, Nägel Nase, Finger, Palmae und Plantae). Im Krankheitsverlauf können sich die Veränderungen auf das gesamte Integument ausbreiten und eine ödematöse Schwellung der Akren sowie eine Onychodystrophie und eine entzündetes Paronychium zeigen. Die Morphologie erinnert an die Psoriasis vulgaris, aber das Verteilungsmuster ist unterschiedlich. Meist handelt es sich beim zugrundeliegenden Tumor um Plattenepithelkarzinome aus dem ORL Bereich (Oropharynx, Larynx, zervikale Lymphknotenmetastasen eines Plattenepithelkarzinoms unklarer Herkunft, Lunge, Oesophagus) (Ellis 1987). Abb. 3a: 51 jährige Patientin mit Akrokeratosis Bazex, linke Hand. Abb. 3b: 51 jährige Patientin mit Akrokeratosis Bazex, Füße. 1.Tumoren 7 Differenzialdiagnosen Psoriasis vulgaris, Lupus erythematodes chronicus discoides, Pityriasis rubra pilaris. Diagnostik Tumorsuche. Die Biopsie ist unspezifisch und zeigt eine Hyperkeratose, Parakeratose, Akanthose und ein perivaskuläres lymphohistiozytäres Infiltrat (Thomas 2005). Therapie Die kutanen Veränderungen und insbesondere die Nagelveränderungen können trotz erfolgreicher Tumortherapie persistieren. Therapeutische Ansätze der Hautveränderungen beinhalten Retinoide und PUVA (Wishart 1986, Gill 2001). Erythema gyratum repens Gammel Definition und Klinik Meist am oberen Stamm betont finden sich konzentrisch angeordnete rasch wandernde (Wanderung 1 cm pro Tag), häufig mit Juckreiz verbundene Erytheme mit einer Breite von 1-3 cm und collerette-artiger Schuppung. Das Muster erinnert an die Maserung eines polierten Holzstückes. Palmoplantar finden sich vereinzelt Hyperkeratosen (10% der Patienten). Das klinische Bild ist so charakteristisch, dass eine Blickdiagnose gestellt werden kann. Die Hautveränderungen zeigen sich üblicherweise vor der Tumormanifestation (Thomas 2005), wobei Männer doppelt so häufig betroffen sind wie Frauen. Differenzialdiagnosen Tinea corporis, andere gyrierte und annuläre Erytheme Abb. 4: 78 jährige Patientin mit Erythema gyratum repens Gammel 8 1.2.6 Paraneoplasien Diagnostik Tumorsuche. Die Histologie ist unspezifisch mit fokaler Parakeratose, wenig Akanthose, Spongiose und dichten dermalen lymphohistiozytären Infiltrate, gemischt mit vielen Eosinophilen. In der direkten Immunfluoreszenz können C3, C4 oder IgG Ablagerungen unterhalb der Basalmembran gefunden werden (Eubanks 2001, Caux 1994). Im Blutbild zeigt sich häufig eine Eosinophilie. Therapie Symptomatisch topische Steroide. Erythema necrolyticum migrans (Glucagonom Syndrom) Definition und Klinik Das klinische Bild ist geprägt durch polyzyklische oder randbetonte annuläre schuppende, teils erosive, erythematöse Plaques mit Betonung perioral, periorbital, perianogenital und an den Akren. Typischerweise zeigt sich ein fluktuierender Verlauf mit Übergang auf die übrige Körperoberfläche. Systemisch kommt es zu einer katabolen Stoffwechsellage mit chronischer Diarrhoe und Gewichtsverlust aufgrund der Glukagonerhöhung. Weitere Hinweise sind eine diabetische Stoffwechsellage. Per Definitionem liegt ein Glukagon-produzierender Inselzelltumor des Pankreas (Glukagonom) vor. Differenzialdiagnosen Das Krankheitsbild sieht dem Zinkmangelsyndrom ähnlich. Ebenfalls ist an eine Acrodermatitis enteropathica oder eine subkorneale Pustulose Sneddon-Wilkinson, ein Erythema annulare centrifugum-artige Psoriasis und ein Pemphigus foliaceus zu denken. Diagnostik Tumorsuche. Bei Verdacht auf ein Erythema necrolyticum migrans ist der Nachweis von massiv erhöhten Glukagonwerten im Serum wegweisend. Histologisch zeigt sich eine Parakeratose mit Erythrozyten und Granulozyten, teilweise mit subkornealer Pustelbildung, Eosinophile, vakuolisierte suprabasale Keratinozyten. Subepidermales Ödem mit dichtem lymphozytären und granulozytären Infiltrat. Abb. 5: 61 jährige Patientin mit Erythema necrolyticum migrans. 1.Tumoren 9 Hypertrichosis lanuginosa acquisita Definition und Klinik Das Krankheitsbild tritt meist im Alter zwischen 40 und 70 Jahren auf und zeigt eine klare Gynäkotropie. Die meisten Patienten haben bei Diagnosestellung bereits eine metastasierte Erkrankung, die Prognose ist dementsprechend schlecht (Slee 2007). Bei der Hypertrichosis lanuginosa acquisita kommt es innerhalb kurzer Zeit zu einem raschen Wachstum einer Lanugobehaarung im Gesicht, Nacken, Stamm und Extremitäten. Die Lanugo Haare sind lang, fein und unpigmentiert. Die geschlechtspezifische Behaarung ist nicht betroffen. Im Gegensatz zum Hirsutismus spielen die Androgene pathophysiologisch keine Rolle. Das assoziierte Auftreten mit der Acanthosis nigricans könnte auf einen Zusammenhang mit der Bildung von Insulinlike-growth factor hinweisen. Verschiedene fibroblastäre Wachstumsfaktoren sind ebenso an der Regulation und Differenzierung des Haarwachstums beteiligt. Unter Therapie mit EGFR Antagonisten kann ebenfalls eine Hypertrichosis des LanugoTyps auftreten, so dass spekuliert wird, dass eine tumorbedingte Produktion von EGFR Liganden zu einer Hypertrichosis lanuginosa acquisita führen könnte. Differenzialdiagnosen Die Lanugobehaarung ist abzugrenzen vom Wachstum kräftiger Terminalhaare beim Hirsutismus und medikamentös bedingte Hypertrichosen. Diagnostik Tumorsuche, Hypogonadotropinurie, Hyperkortisolurie. Therapie Symptomatische Therapie mittels Rasur der Lanugobehaarung. Abb. 6: Patientin mit Hypertrichosis lanuginosa acquisita. Paraneoplastischer Pemphigus (PNP) Definition und Klinik An den Lippen, Gingiva, Mundschleimhaut der Wangen und Gaumen bis zum Ösophagus, Trachea und den Bronchien finden sich schmerzhafte Erosionen, die Konjunktiven können ebenfalls betroffen sein. Im Gesicht, an den seborrhoischen Arealen und den Akren können Erythema exudativum multiforme-artige Exantheme und krustige Erosionen auftreten. Daneben werden auch großflächige Erosionen wie 10 1.2.6 Paraneoplasien bei der TEN (Toxisch epidermale Nekrolyse) gesehen. Anhalt et al (1990) haben erstmals fünf Diagnosekriterien beschrieben. Diese wurden von Camisa und Helm (1993) revidiert. Zur Diagnosestellung werden entweder 3 Haupt- oder 2 Haupt- und 2 Nebenkriterien verlangt: Hauptkriterien • Polymorphe mukokutane Eruptionen • Gleichzeitige interne Neoplasie • Spezifische Immunpräzipitation im Serum Nebenkriterien • • • Histologisch Akantholyse IgG Antikörper und C3 Ablagerungen interzellulär und entlang der Basalmembran in der direkten Immunfluoreszenz IgG Antikörper auf Rattenharnblasen-Übergangsepithel in der indirekten Immunfluoreszenz Abb. 7a: Patient mit paraneoplastischem Pemphigus, Lippen Abb. 7b: Patient mit paraneoplastischem Pemphigus, rechter Fuß (Abb. 7 a und b freundlicherweise überlassen durch Prof. R. Trüeb, Dermatologie Universitätsspital Zürich) 1.Tumoren 11 Der paraneoplastische Pemphigus wird häufig durch hämatologische Neoplasien ausgelöst. Bei ca 10% der Patienten liegt ein Castleman Tumor vor. Die paraneoplastische Autoimmunreaktion kann tödlich verlaufen. Differenzialdiagnosen Erythema exudativum multiforme, Lichen ruber mucosae, systemischer Lupus erythematodes, Pemphigus vulgaris, bullöses Pemphigoid, Stevens-Johnson Syndrom, TEN. Diagnostik Tumorsuche. Im Blut müssen mindestens 2 Antikörper gegen desmosomale und hemidesmosomale Proteine der Plakinfamilie nachgewiesen werden (250, 230, 210, 190 und 170 kD). Die direkte Immunfluoreszenz zeigt eventuell Ablagerungen von IgG mit oder ohne Komplement intraepidermal und entlang der Basalmembran. Beim paraneoplastischen Pemphigus finden sich zudem lineäre C3 Ablagerungen. Die indirekte Immunfluoreszenz ist sensitiv und spezifisch. Die IgG Antikörper auf Rattenharnblasenübergangsepithel sind nur bei der paraneoplastischen Form positiv. In der Histologie treten divergierende Befund auf. Therapie Die Therapie erfolgt einerseits symptomatisch, andererseits wird ein intensive immunsuppressive Therapie (Kortikosteroide, Azathioprin, Cyclophosphamid) empfohlen. Fallbeschreibungen mit Plasmapherese (Schoen 1998) und Mycophenolatmophetil(Williams 2000) liegen vor. Die Krankheit ist jedoch häufig sehr therapieresistent, die Behandlung deshalb schwierig und die Prognose gewöhnlich schlecht. 1.2.6.4 Fakultative Paraneoplasien Dermatomyositis bei Erwachsenen Definition und Klinik Die Dermatomyositis ist eine Multisystemerkrankung, bei der primär die Haut und die Skelettmuskulatur erkranken. Daneben kann auch eine Herzmuskelbeteiligung oder eine Überlappung mit anderen Autoimmunerkrankungen vorliegen. Die Dermatomyosits zeigt sich an der Haut mit flächenhaften erythematösen bis fliederfarbenen leicht erhabenen Plaques periorbital, am Hals und am Dekolleté. Der Gesichtsaufdruck ist weinerlich durch das heliotrope Erythem mit Schwellung der oberen Gesichtshälfte und der Augenlider. An den Händen findet man das GottronZeichen (erythematös-livide Papeln) und im Bereich der proximalen Nägel zeigen sich erweiterte Nagelfalzgefäße und Hämorrhagien. Die Patienten beklagen Muskelschmerzen und Muskelschwäche im Schultergürtel und Becken/Beinbereich. Häufig sind sie durch rezidivierendes Verschlucken heiser. Als Folge der Myositis tritt eine Myoglobinurie auf und es kann sich ein Nierenversagen einstellen. Frauen sind häufiger betroffen als Männer und haben ein erhöhtes Mortalitätsrisiko. Pathophsiologisch geht man von einer Schädigung der Muskulatur durch eine TZell-vermittelte Immunreaktion aus. Differenzialdiagnosen Polymyositis. 12 1.2.6 Paraneoplasien Diagnostik Tumorsuche. In der Laboruntersuchung zeigen sich massiv erhöhte Kreatinkinasewerte und eine erhöhte Aldolase. Die ANAs sind zu 95% erhöht, weniger häufig findet man Anti-Jo-1 AK, Anti-PM-Scl, Anti Mi2, Aminoacyl-tRNA-Synthetase. Das Elektromyogramm zeigt eine myogene Schädigung mit polyphasischen Potentialen und Fibrillationen. Die Histologie der Haut beinhaltet eine uncharakteristische InterfaceDermatitis eventuell mit Akanthose. In der Muskelbiopsie fallen Muskelfasernekrosen mit Verlust der Querstreifung und eosinophile granuläre Nekrosen auf. Abb. 8a: 61 jährige Patientin mit Dermatomyositis, Gesicht Abb. 8b: 61 jährige Patientin, Dermatomyositis mit Gottron Papeln der Hände 1.Tumoren 13 Therapie Standard ist eine immunsuppressive Therapie mit Kortikosteroiden (ca. 1-2mg Methylprednisolon/kg KG). Darunter kommt es häufig zu einer Besserung der Myopathie, die Dermatitis kann weiter persistieren. Daneben kann eine steroidsparende Therapie mit Immunsuppressiva oder Immunglobulinen verabreicht werden (Dalakas 1993). Sweet-Syndrom Syn. Akut febrile neutrophile Dermatose Definition und Klinik Charakteristisch für das Sweet-Syndrom sind livide Knoten und Plaques vor allem am Oberkörper. Die Hautveränderungen können auch pustulär, vesikulär oder bullös sein. Häufig haben die Patienten subfebrile Temperaturen und eine Leukozytose. Das Sweet-Syndrom kommt meist bei hämatologischen Erkrankungen, vor allem bei der akuten myeloischen Leukämie vor. Differenzialdiagnosen Leukozytoklastische Vaskulitis, Erythema elevatum diutinum, Erythema exsudativum multiforme, Erythema nodosum, Arzneimittelexanthem, Lupus erythematodes. Diagnostik Tumorsuche. Die Hämatologie zeigt eine Leukozytose, ein erhöhtes CRP und eine erhöhte Blutsenkungsgeschwindigkeit. Die alkalische Phosphatase und die Transaminasen können erhöht sein. In der Histologie lässt sich ein diffuses dermales neutrophiles Infiltrat ohne Hinweise auf eine leukozytoklastische Vaskulitis darstellen. Therapie Unter systemischen Glukokortikosteroiden (z.B. 1 mg Methylprednisolon/kg KG) rasche Besserung. Abb. 9: 62 jähriger Patient mit Sweet-Syndrom. 14 1.2.6 Paraneoplasien (Bullöses) Pyoderma gangraenosum Definition und Klinik Beim Pyoderma gangraenosum entwickelt sich aufgrund des Pathergie-Effekts aus einer sterilen Pustel rasch ein schmerzhaftes Ulkus. Meist handelt es sich bei der paraneoplastischen Form um eine oberflächliche bullöse Variante mit ulzerierender Destruktion der Haut und livid-bläulich verfärbtem polyzyklischen Rand. Häufig tritt es im Zusammenhang mit hämatologischen Erkrankungen auf. Abb. 10: Pyoderma gangraenosum, 19 jähriger Patient Differenzialdiagnosen Im Initialstadium ist das Pyoderma gangraenosum klinisch nicht vom SweetSyndrom zu unterscheiden. Infektionen, Vaskulitiden und Insektenstiche sind abzugrenzen. Diagnostik Tumorsuche. Histologisch fällt ein Ulkus mit seitlich angehobener Epidermis auf. Am Ulkusgrund findet sich ein dichtes gemischtzelliges Infiltrat. Therapie In der Regel klingen die Beschwerden rasch ab unter systemischen Kortikosteroiden (z.B. 1mg Methylprednisolon/kg KG). Bullöses Pemphigoid Definition und Klinik Das bullöse Pemphigoid (siehe Kap. 5.1) zeigt pralle Blasen auf erythematösem Grund. Die Prädilektionsstellen sind die intertriginösen Stellen und die Beugeseiten der Extremitäten. Bei der paraneoplastischen Variante heilen die Blasen häufig unter 1.Tumoren 15 Narbenbildung ab. In der Regel tritt die Erkrankung nach dem 60. Lebensjahr auf. Es besteht keine Assoziation zu einem bestimmten Tumor. Abb. 11 Bullöses Pemphigoid, 53 jährige Patientin Differenzialdiagnosen Epidermolysis bullosa acquisita, Pemphigus vulgaris, Lineare IgA-Dermatose, M. Duhring. Diagnostik Tumorsuche. Im Blut lassen sich Antikörper gegen Strukturproteine der Hemidesmosomen der Basalmembran nachweisen. Die direkte Immunfluoreszenz zeigt lineare IgG und Komplement-Ablagerungen entlang der dermo-epidermalen Junktionszone. Die indirekte Immunfluoreszenz ergibt eine Erhöhung der zirkulierenden IgGAutoantikörper gegen BP180 und BP230. Die Salt-Split-Skin-Untersuchung ist hilfreich zur Abgrenzung anderer blasenbildender Dermatosen. Therapie Unter systemischen Kortikosteroiden (z.B. 1mg Methylprednisolon/kg KG) lässt sich in der Regel eine Besserung herbeiführen. Subakut kutaner Lupus erythematodes (SCLE) Definition und Klinik Beim subakut kutanen Lupus erythematodes handelt es sich um eine Sonderform des kutanen Lupus erythematodes mit disseminierten polyzyklisch-annulären oder papulosquamösen Hautveränderungen, die typischerweise an den lichtexponierten Stellen auftreten. In den in der Literatur beschriebenen Fällen lag das durchschnittliche Erkrankungsalter bei 55 Jahren und das weibliche Geschlecht war häufiger betroffen (M:W = 5:6). Als Paraneoplasie kommt der SCLE vor allem beim Bronchus- und 16 1.2.6 Paraneoplasien Mamma-CA vor. Es wird postuliert, dass Tumor-Antigene mit Homologie zu SS-A (Ro) Antikörpern zu einer photosensitiven Autoreaktion mit entzündlicher Zerstörung der dermoepidermalen Junktionszone führen (Trüeb 1999). Abb. 12: SCLE, 55 jährige Patientin (Foto freundlicherweise überlassen durch Prof. R. Trüeb, Dermatologie, Universitätsspital Zürich) Differenzialdiagnosen Sjögren Syndrom, Psoriasis vulgaris Diagnostik Tumorsuche. Die histologischen Befunde zeigen LE-spezifische Veränderungen (lichenoides Entzündungsinfiltrat mit Liquefaktionsdegeneration der Basalzellschicht und lymphozytäres Entzündungsinfiltrat). In der direkten Immunfluoreszenz von befallener Haut finden sich granuläre IgG-Ablagerungen entlang der dermoepidermalen Junktionszone (positiver läsionaler Lupusband-Test). Die zirkulierenden SS-A (Ro) Antikörper sind in >70% und SS-B (La) Antikörper in 33% positiv, die ANAs sind häufig hochtitrig positiv. 1.Tumoren 17 Therapie Tumortherapie, Sonnenschutz, eventuell perorale Kortikosteroide. Erythrodermie Definition und Klinik Die Erythrodermie ist charakterisiert durch ein Erythem mit Ausbreitung über mindestens 90% der Körperoberfläche meist mit ausgeprägter Schuppenbildung und intensivem Juckreiz. Eine Lymphadenopathie und ein Ektropium der Lider sind häufig. Die Erythrodermie tritt meist im Zusammenhang mit vorbestehenden Hautkrankheiten wie atopischer Dermatitis, Psoriasis oder medikamentösen Hypersensitivitätsreaktionen auf. Die paraneoplastische Erythrodermie macht ca 10% aus. Häufig trifft man sie bei Krankheiten aus dem lymphatischen Formenkreis. Die Paraneoplasie hier muss klar abgegrenzt werden von der Hautinfiltration mit histologischem Nachweis von malignen Zellen wie beispielsweise bei einem kutanen Lymphom. Letzteres wird nicht zu den Paraneoplasien gezählt. Weniger häufig kommt sie bei der akuten myeloischen Leukämie und bei soliden Tumoren (Lunge, Prostata, Schilddrüse, Ovar, Rektum) vor. Gewöhnlich geht die Erythrodermie dem Malignom um mehrere Jahre voraus. Pathogenetisch sind vermutlich Zytokine und Adhäsionsmoleküle beteiligt. Abb. 13: 60-jähriger Patient mit Erythrodermie Differenzialdiagnosen Arzneimittelreaktion, sekundäre Erythrodermien (atopische Dermatitis, Psoriasis, seborrhoisches Ekzem, Pityriasis rubra pilaris u.a.), Sézary Syndrom. Diagnostik Hautbiopsie. Tumorsuche. Genaue Anamnese bezüglich vorbestehender Hautkrankheiten, Medikamentenanamnese, Hautbiopsie, Blutbild mit Frage nach Sézary Zellen. Therapie Ausreichende Hydratation und Kalorienzufuhr, rückfettende Pflegeprodukte und topische Steroide, ev. Lichttherapie. 18 1.2.6.5 1.2.6 Paraneoplasien Literatur Anhalt GJ, Kim SC, Stanley JR, Korman NJ, Jabs DA, Kory M, et al. Paraneoplastic pemphigus. An autoimmune mucocutaneous disease associated with neoplasia. N Engl J Med 1990;323(25):1729-35. Camisa C, Helm TN. Paraneoplastic pemphigus is a distinct neoplasia-induced autoimmune disease. Arch Dermatol 1993;129(7):883-6. Caux F, Lebbe C, Thomine E, Benyahia B, Flageul B, Joly P, et al. Erythema gyratum repens. 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