Ausgabe No 5, MAI 2017 Liebe Leserin, lieber Leser, die onkologische MRT-Diagnostik der Lymphknoten mit USPIO eröffnet neue Perspektiven für fokussierte und individualisierte Therapiekonzepte. Die neue Ausgabe von ­VISIONupdate gibt Ihnen einen Überblick über die aktuellen und künftigen diagnostischen Optionen und Therapieansätze. Lesen Sie außerdem, wie die automatisierte Diagnostik Ärzte bei ihrer täglichen Arbeit entlasten kann, und wie die innovative Hyperpolarisations-MRT die radiologische Landschaft künftig entscheidend verändern könnte. Schließlich finden Sie in diesem Newsletter eine spannende Bestandsaufnahme des neuen Miteinanders von Radiologie und Viszeralmedizin. Viel Freude bei der Lektüre Ihre bender gruppe Inhalt FORSCHUNG PROSTATA INTERDISZIPLINÄR BILDGEBENDE DIAGNOSTIK: DER COMPUTER IST BESSER ALS DER MENSCH ABRECHNUNG MIT DEM PROSTATAKARZINOM S.2 S.7 FORSCHUNG & TECHNIK MAMMA & KONTRASTMITTEL „DEM LEBEN BEI DER ARBEIT ZUGUCKEN“ KOMMT DIE RENAISSANCE DER USPIO-MRT BEIM MAMMAKARZINOM? S.3 S.9 KONTRASTMITTEL DIAGNOSTISCH RADIOLOGIE MEETS VISZERALMEDIZIN VORSTOSS IN DEN SUBMILLIMETERBEREICH DAS NEUE MITEINANDER VON RADIOLOGIE UND VISZERALMEDIZIN S.5 S.10 KONTRASTMITTEL THERAPEUTISCH DAS ZIEL VOR AUGEN, DIE LYMPHKNOTEN IM VISIER S.6 Impressum Herausgeber Dr. Timo Bender b.e.imaging gmbh Dr.-Rudolf-Eberle-Str. 8-10 76534, Baden-Baden Redaktion European Hospital Verlags GmbH, Essen www.healthcare-in-europe.com Layout skrober.de Hinweis Der Inhalt des Informationsservices ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel in der in ihm behandelten Rechtsmaterie machen es jedoch notwendig, Haftung und Gewähr auszuschließen. VISIONupdate® gibt nicht in jedem Fall die Meinung der b.e.imaging gmbh wieder. ISSN 2199-7039 FORSCHUNG Bildgebende Diagnostik: Der Computer ist besser als der Mensch Viele Mediziner sind zunehmend mit den Massen an Daten, die sie zu bearbeiten haben, hoffnungslos überfordert. Daher arbeiten Expertenteams aus Industrie und Forschung an Lösungen, um die Flut der immer komplexer werdenden medizinischen Daten automatisiert zu erkennen und auf dieser Grundlage Unterstützung bei der Diagnosefindung zu leisten. Für den Fraunhofer MEVIS-Forscher Dr. Markus Harz ist das Interesse an Ansätzen zur automatischen Bilderkennung keineswegs überraschend: „Dank Deep-Learning-Methoden befinden wir uns in einer neuen Zeit von automatisierter Diagnostik und sie kommt gerade zur rechten Zeit.“ Woran liegt das große Interesse an künstlicher Intelligenz? Wann immer Forscher feststellen, dass der Computer dem Menschen unterlegen ist, stecken sie ihre volle Energie hinein, um nachzuweisen, dass der Computer es am Ende auch kann. Mittlerweile sind Computer in vielen Domänen auf dem Weg, schneller und genauer zu urteilen als wir Menschen. Das gilt nicht nur für die Medizin. Computer erlernen heute Fähigkeiten, die bis vor kurzer Zeit noch unvorstellbar waren. So können sie kreativ sein, lügen oder Humor zum Ausdruck bringen. Auch können sie inzwischen dichten oder Musik komponieren. Manches davon funktioniert inzwischen beim Computer so gut, dass wir seine Leistungen nicht mehr von denen des Menschen unterscheiden können. Der Computer blufft beim Pokern besser als der Mensch; er kann sogar ein echtes von einem falschen Lachen präziser unterscheiden, natürlich nur auf Bildern, die Computern und Menschen zum Vergleich vorgelegt werden und die sonst keinen Kontext liefern. Menschen sind nicht so www.bendergruppe.com gut darin, ein statisches Gesicht zu beurteilen. Wir brauchen dafür Kontext und Mimik. Gibt es heute schon Fälle, bei denen der Computer Auffälligkeiten entdeckt, die dem Radiologen entgehen und die er dann auch einordnen kann? Unsere Kollegen in Nijmegen haben eine Studie durchgeführt, bei der 13 Experten in Lungen-CTs Läsionen suchen und klassifizieren sollten. Die gleiche Aufgabe haben sie einem Computer gestellt. Im Ergebnis war der Computer besser als jeder der einzelnen Experten. Damit ein solches Ergebnis zustande kommt, muss der Computer Entscheidungen besser getroffen haben als der Mensch. Entweder haben die Experten Dinge übersehen oder sie haben, was sie sahen, falsch beurteilt. Der Computer konnte es in dieser Aufgabenstellung besser als der Mensch. Das führt manche Experten zu der Vorhersage, dass zukünftig die Diagnose von Tumoren eine Aufgabe des Computers sein könnte, selbstverständlich mit abschließender Validierung durch den Radiologen. Datenrechte: Asklepios-Klinik Barmbeck, Hamburg. Bildrechte (c) 2017 Fraunhofer MEVIS Bereits 2016 haben wir das Projekt ‚Automation in Medical Imaging‘ (AMI) vorgestellt. Welche Fortschritte gibt es? Zusammen mit der Diagnostic Image Analysis Group (DIAG) in Nijmegen entwickeln wir eine selbstlernende Software, die tatsächliche klinische Probleme lösen soll. Erst vor wenigen Wochen haben wir unser Halbzeit-Meeting mit Vertretern aus Industrie und Forschung durchgeführt. Dort haben wir aktuelle Ergebnisse sowie Marktpotenziale vorgestellt. Das Interesse an diesem Projekt ist enorm. Zur Verhandlung steht alles von der Lizensierung über den Verkauf von Lösungen bis hin zur Ausgründung eines eigenen Unternehmens. Wir können kaum die Anfragen befriedigen, die wir von überall her bekommen. Wo sehen Sie die Grenzen der automatisierten Diagnostik? Grundsätzlich sind mit Deep-Learning-Methoden gefütterte Computer derzeit noch sehr schlecht darin zu abstrahieren, also beispielsweise Erkenntnisse von einer Domäne auf eine andere zu übertragen. Auch können sie bislang nur in sehr wenigen Fällen Konzepte erlernen und übertragen. Darum brauchen sie viel mehr Beispiele als Menschen, um das Gleiche zu erlernen. Eine weitere Grenze liegt dort, wo dem Computer das Vorwissen oder der Kontext fehlt. In einem hypothetischen Szenario, bei dem der Computer alle Information wie Geschlecht, Alter, Laborwerte, Patienten- und Familienhistorie digital zur Ausgabe N o 5 / Mai 2017 2 Verfügung hat, sehe ich wichtige Grenzen beim Patienteneinverständnis und der Aufarbeitung der Daten. Denn lege ich die Daten einfach nur ab, reicht das nicht aus, um Computerunterstützung zu generieren. Die Daten müssen nach Erkenntniszielen aufarbeitet werden, es bedarf vieler Datensätze und angereichertem Mehrwissen, damit es funktioniert. Das geht bislang nicht automatisch und wird noch lange ein limitierender Faktor sein. Doch sobald Menschen dem Computer auch diese Informationen zugänglich gemacht haben werden, wird er auch dabei sicherere Entscheidungen treffen können. Die Vorhersage ist also klar: Der Computer wird irgendwann auf der kognitiven Ebene alles können, was der Mensch auch kann - nur besser und schneller. Dr. Markus Harz ist Informatiker und arbeitete sechs Monate lang in einem Brustkrebszentrum in den USA und hat seinen Arbeitsplatz derzeit in der Radiologischen Abteilung eines großen Krankenhauses in Hamburg, wo er an Deep-Learning-basierten Methoden zur Unterstützung der Radiologie forscht. Dr. Harz verfügt nicht nur über umfangreiche Kenntnisse in der klinischen Praxis, sondern bringt auch sieben Jahre Erfahrung im Projektmanagement und zehn Jahre Erfahrung in der Analyse medizinischer Bildgebungsdaten mit. In seiner Dissertation entwickelte Dr. Harz Methoden für die Computerunterstützung komplexer bildgebungsbasierter klinischer Aufgaben. FORSCHUNG & TECHNIK „Dem Leben bei der Arbeit zugucken“ Mittels Hyperpolarisations-MRT, die um ein Vielfaches sensitiver ist als die klassische Kernspintomographie, lassen sich Stoffwechselvorgänge im Organismus abbilden. Ein Forschungsteam aus Deutschland hat das Verfahren nun wesentlich vereinfacht. „V ereinfacht ausgedrückt, will es eine Laune der Natur, dass sich manche Atomkerne so verhalten, als hätten sie eine kleine Kompassnadel. Aufgrund ihres Kernspins gibt es Vorzugsrichtungen in einem Magnetfeld, ähnlich einer Kompassnadel im Erdmagnetfeld. Durch eine Anregung von außen können diese ausgelenkt werden. Nachdem die Anregung vorüber ist, werden durch die Kernspin wiederum schwache Radiosignale ausgesendet, die gemessen werden können“: Mit diesen Worten erklärt PD Dr. Jan-Bernd Hövener, Emmy-Noether-Forschungsgruppenleiter in der Klinik für Ra- www.bendergruppe.com Schematischer Aufbau der neuen Technologie zur Herstellung von magnetisch markierten 13C-Kontrastmitteln, die vollständig im MRT untergebracht sind (a,b). Die so hergestellten Kontrastmittel können direkt appliziert (c) und mit Routine MRT-Bildern überlagert werden (d-f). diologie – Medizinphysik des Universitätsklinikums Freiburg, das Prinzip der Magnetresonanztomographie (MRT). Das Problem dabei: „Diese atomaren Kompassnadeln sind so schwach, dass sie von der Wärme hin- und hergeworfen werden. Die Ausrich- Ausgabe N o 5 / Mai 2017 3 tung in eine Vorzugsrichtung ist so schwach, dass wir im Magnetfeld der Erde nur wenige Milliardstel beobachten können. Das ist in etwa so, als würden Sie von allen Menschen auf der Erde nur einen sehen “, wie Hövener betont. „Da steckt noch ein gewaltiges Potential, das wir für die Diagnostik nutzbar machen wollen. Selbst moderne MRTs „sehen“ nur wenige Millionstel, von dem was da eigentlich ist“. Er und seine Gruppe gehören zu den Forschern, die daran arbeiten, die MRT um ein Vielfaches empfindlicher zu machen. Dieses neue Verfahren nennt sich Hyperpolarisations-MRT. Bei der Hyperpolarisations-MRT wird die Ausrichtung der Kernmagnete künstlich so stark erhöht, dass eine vieltausendfache Signalverstärkung entsteht. Dieses magnetisch markierte (hyperpolarisierte) Kontrastmittel wird in anhand der Veränderung des Krebsstoffwechsels frühzeitig zu erkennen, ob eine Therapie anschlägt oder nicht. Als Anwendungsbeispiel nennt Hövener Pyruvat: Dieses Biomolekül wird zu Lactat verstoffwechselt. Dazu braucht es das Enzym Lactat-Dehydrogenase, das sich oft in erhöhten Mengen in Tumoren findet. Hyperpolarisiert man also Pyruvat und führt es dem Organismus zu, wird dies im Tumor verstärkt in Laktat umgewandelt. So kommt man Konzentrationen von Lactat-Dehydrogenase, und damit möglichen Tumoren, auf die Spur. „Dieses Verfahren ist um viele Tausend mal sensitiver als die klassische MRT“, schwärmt Hönever: „Das ist wie eine visuelle Biopsie.“ Zwar ist die Halbwertszeit der polarisierten Kontrastmittel – sie liegt im Bereich von mehreren zehn Sekunden – eher gering, doch glücklicherweise sind ausgerechnet Tumoren besonders schnell beim Verstoffwechseln. „Deshalb scheint die Hyperpolarisations-MRT eine geeignete Diagnosemethode für Tumoren zu sein“, bekräftigt der Freiburger Wissenschaftler. Eigentlich ist ja die Stoffwechselbildgebung die Domäne der Positronen-Emissions-Tomographie (PET). Doch ein Konkurrenzverhältnis zwischen diesen beiden UntersuDie Arbeitsgruppe von Dr. Jan-Bernd Hövener in Freiburg vor dem Universitätsklinikum chungsmethoden besteht nicht, wie Hövener betont: „Hyperpolarisations-MRT und PET den Körper eingebracht und sendet von dort Signale aus, die schauen beide auf den Stoffwechsel, aber von verschiedenen wesentlich stärker sind, als sie bei einer klassischen MRT mögSeiten.“ Tatsächlich gibt es bereits erste Versuche, die beiden lich wären. Auf diese Weise lassen sich in Echtzeit molekulare Verfahren miteinander zu kombinieren, um einen noch genauVorgänge detektieren. Den Weg von Molekülen in vivo nachzueren Blick auf Stoffwechselvorgänge werfen zu können. Hier verfolgen bedeutet nichts anderes, als Stoffwechselvorgänge arbeitet Hövener mit dem Rigshospital in Copenhagen und abzubilden. „Das Versprechen der Hyperpolarisierung ist, dass der Technischen Universität München zusammen. Ziel ist die man dem Leben an sich beim Arbeiten zugucken kann“, erklärt Anwendung dieser Methode im Menschen. Doch dies sei noch Hövener. Natürlich können auch krankhafte StoffwechselvorZukunftsmusik, sagt der Freiburger Forscher. gänge abgebildet werden, etwa bei Krebserkrankungen. Die Originalarbeit wurde veröffentlicht in nature communications und ist frei verfügbar, https://www.nature.com/articles/ncomms14535 Bislang werden flüssige hyperpolarisierte Kontrastmittel vornehmlich mit der sogenannten dynamischen nuklearen Polarisierung (DNP) hergestellt. Den Doktoranden Berner und Schmidt in der Hövener-Gruppe ist es gelungen, diese sehr aufwändige Herstellung von Kontrastmitteln – so ist ein teures externes Gerät vonnöten – extrem zu vereinfachen. In dem sogenannten SAMBADENA-Verfahren werden Biomoleküle – genauer gesagt: das im Molekül enthaltene Kohlenstoffisotop C13 – in einer kleinen Reaktionskammer direkt im MRT-Gerät mit Parawasserstoff zusammengeführt und auf diese Weise hyperpolarisiert. So ist es möglich, die Injektionslösung mit dem Kontrastmittel innerhalb weniger Sekunden direkt am Einsatzort zu produzieren. „Wir arbeiten nun intensiv daran, SAMBADENA auf Biomoleküle anzuwenden, die natürlicherweise im Körper vorkommen, um deren Ab- oder Umbau in Echtzeit beobachten zu können“, berichtet der Experte. Da Krebszellen häufig einen veränderten Stoffwechsel aufweisen, könnte ein verstärkter oder verminderter Abbau des Kontrastmittels auf Tumorgewebe hindeuten. Dadurch ließen sich Metastasen früher detektieren und Tumore genauer charakterisieren. Ebenso möglich scheint es, www.bendergruppe.com Arbeitsgruppe Freiburg: www.hyperpolarization.net PD Dr. Jan-Bernd Hövener ist Emmy-Noether-Forschungsgruppenleiter in der Klinik für Radiologie – Medizinphysik des Universitätsklinikums Freiburg. Der Physiker mit den Schwerpunkten Metabolische und Molekulare MRT, biomedizinische und dentale Anwendungen der Magnetresonanz sowie Hyperpolarisierung ist auch Forscher im EU-gefördertem International Training Network EUROPOL und im Programm Radiotherapie und Bildgebung des Deutschen Konsortiums für Translationale Krebsforschung (DKTK). Hövenener, der 2014 mit dem Young Scientist Award in Medical Physics der International Union for Pure and Applied Physics ausgezeichnet wurde, tritt demnächst eine Professur für translationale MRT an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel an. Andreas Schmidt und Stephan Berner sind wissenschaftliche Mitarbeiter in seiner Gruppe und Physikdoktoranden an der Universität Freiburg. Ausgabe N o 5 / Mai 2017 4 KONTRASTMITTEL DIAGNOSTISCH Vorstoß in den Submillimeterbereich USPIO aus Sicht des Radiologen Bisher ließen sich Lymphknotenmetastasen mithilfe der radiologischen Bildgebung erst dann detektieren, wenn sie eine gewisse Größe erreicht hatten. Beim Prostatakarzinom sind jedoch selbst kleinste maligne Zellablagerungen in den Lymphknoten ein entscheidender Faktor, der den Verlauf der Erkrankung bestimmt. Deshalb gehört es heute zur Standardbehandlung, die Lymphknoten im Zweifelsfall vorbeugend zu entfernen oder bei Risikopatienten zu bestrahlen. Mithilfe von Eisenkontrastmitteln, sogenannten USPIOs, ist es erstmals möglich, selbst kleinste lymphatische Tumorherde nachzuweisen. S eit jeher war die bildgebende Diagnostik auf Größen­ kriterien angewiesen, um einen Lymphknotenbefall sichtbar zu machen. Durch funktionelle Verfahren wie die Perfusions- und Diffusionsbildgebung konnte zwar die Differenzialdiagnostik erheblich verbessert werden, dennoch blieb die Grundvoraussetzung, um eine ausreichende Bildauflösung zu erreichen, die Größenveränderung. „Das gilt zwar so nicht für die Positronenemissionstomografie, da das Bildsignal hier im Vergleich zur MRT tausendfach stärker ist“, räumt Prof. Dr. Stefan Schönberg, Direktor am Institut für Klinische Radiologie und Nuklearmedizin, Universitätsklinikum Mannheim, ein, „dennoch hat sich die Erwartung, mit spezifischen PET-Tracern in den Submillimeterbereich vorzudringen, nicht erfüllt. Die PET ist der MRT klar überlegen, wenn es um die Dignitätsbeurteilung von Lymphknoten geht, aber kleinste Herde von 1 bis 2 Millimetern aufzuspüren, schafft auch sie nicht.“ Mit USPIO ist dieser Vorstoß nun gelungen. Dabei handelt es sich um ultrakleine superparamagnetische Eisenoxidpartikel (Ultrasmall SuperParamagnetic Iron Oxides), die als Kontrastmittel injiziert werden. Dank ihrer ultrakleinen Größe können die Partikel in das Lymphsystem eindringen, wo sie von bestimmten Zellen des Immunsystems in den Lymphknoten, den Makrophagen, aufgenommen werden. „Das Eisenoxid wird von den Makrophagen internalisiert und stellt sich im Bild schwarz dar“, erklärt Prof. Schönberg. „Dort, wo die Krebszellen das Lymphdrüsengewebe infiltriert haben und die Makrophagen nicht mehr am Werk sind, bleibt das Bild weiß. Dadurch kann eindeutig zwischen Nichtbefall (schwarz) und Befall (weiß) unterschieden werden.“ a b Abbildung 1a und 1b. (a) 3-D Illustration der Beckengefäße und der markierten Lymphknoten der MRT mit Ferumoxtran-10 vor Bestrahlung. Grüne Lymphknoten wurden als benigne eingestuft, für gelbe Lymphknoten wurde Abbildung 2. Bestrahlungsplanung zur bildgeführten Strahlentherapie ein Verdachtsgrad von 3 ermittelt und für rote Lymphknoten ein Verdachts- der Prostataloge, der Anastomosenregion und Ferumoxtran-10 positiver grad von 4–5 (metastatisch). (b) Beispiel eines metastatischen Lymphkno- Lymphknoten mit einer Höchstdosis von 60 Gy, nachdem Prostataloge und ten iliakal intern links mit einem Verdachtsgrad von 5. Links der metastati- die gesamten Lymphabflusswege mit einer Dosis von 44 Gy bestrahlt wur- sche Lymphknoten in der axialen T1-gewichteten VIBE-Sequenz, rechts der den. Coronare Ansicht links oben, sagittale Ansicht rechts oben, transversa- weiß erscheinende Lymphknoten ohne Ferumoxtran-10-Aufnahme in der le Ansicht unten. Anschließend wurde die Bestrahlung der Prostataloge und axialen T2*-gewichteten Aufnahme. der Anastomose bis zu einer Gesamtdosis von 71/75 Gy fortgesetzt. www.bendergruppe.com Ausgabe N o 5 / Mai 2017 5 Bekannt ist dieses einfache Prinzip bereits seit den 1990er Jahren. Damals fehlte es jedoch an den technologischen Voraussetzungen, um ≥ 2 Millimeter große Läsionen abbilden zu können. Erst Prof. Dr. Jelle Barentsz vom Radboud University Medical Center Nijmegen gelang es, an einem 3-Tesla-MRT bis in den Submillimeterbereich bei Lymphknoten des Beckens vorzudringen. Wobei man bei der USPIO-Untersuchung nicht länger von der Größe der Lymphknoten abhängig ist, sondern die pathophysiologischen Prozesse abbildet, die im Körper stattfinden. „Speziell beim Prostatakarzinom legen die Erkenntnisse, die wir aus der bisherigen Forschung gewonnen haben, nahe, dass es so etwas wie eine kritische Größe bei der Lymphknotenmetastasierung nicht gibt“, sagt der Radiologe Schönberg. „Das heißt, in dem Moment, wo es zu ersten Zellabsiedlungen kommt, ist die Krankheit bereits im vollen Gang.“ Mit USPIO besteht die große Hoffnung, diese Mikrometastasen zu erkennen, um sie schonend und effektiv zu bekämpfen. Die ersten Behandlungsergebnisse scheinen sehr vielversprechend, es bedarf jedoch weiterer klinischer Prüfungen, um die Wirksamkeit der Methode zu untermauern. Dabei gibt es jedoch ein Problem: Das USPIO-Kontrastmittel steht zurzeit in Deutschland nicht zur Verfügung. Die Zulassungshürden der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMEA) sind hoch und für die Pharmaindustrie mit gewissen finanziellen Risiken verbunden – zumal es sich um ein Kontrastmittel handelt, dessen Anwendung auf eine bestimmte Indikations- Prof. Dr. Stefan Schönberg studierte Humanmedizin an der Ruprecht-Karls-Universität in Heidelberg und ließ sich danach am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) zum Radiologen weiterbilden. 2001 wechselte er an das Institut für Klinische Radiologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München, wo er zunächst als Oberarzt und Leiter der MRT und später als geschäftsführender Oberarzt tätig war. Seit 2007 ist Schönberg Direktor des Instituts für Klinische Radiologie und Nuklearmedizin am Universitätsklinikum Mannheim. Er veröffentlicht vor allem über vaskuläre und abdominelle Bildgebung, funktionelle MRT und CT, Hochfeld-MRT und die onkologische Bildgebung. Ende Mai übernimmt er die Präsidentschaft der Deutschen Röntgengesellschaft. stellung beschränkt ist. Seit 2014 wird die Substanz jedoch von der Radboud Universität in Nijmegen in Eigenregie produziert. In einer Kooperation mit den Niederländern bereitet das Universitätsklinikum Mannheim zurzeit eine prospektive Studie vor, um die Etablierung von USPIO weiter voranzutreiben, damit noch mehr Patienten von der diagnostischen Anwendung profitieren können. Dieser Artikel basiert auf Informationen aus: Anja M. Weidner et al: Ferumoxtran-10 MR Lymphography for Target Definition and Follow-up in a Patient Undergoing Image-Guided, Dose-Escalated Radiotherapy of Lymph Nodes upon PSA Relapse, Strahlentherapie und Onkologie No. 3/2011, S. 206-212. KONTRASTMITTEL THERAPEUTISCH Das Ziel vor Augen USPIO aus Sicht des Strahlentherapeuten Das Prostatakarzinom ist die am meisten verbreitete Krebserkrankung von Männern in Deutschland. Seit fast drei Jahrzehnten nimmt die Häufigkeit von Prostatakrebs laut der Deutschen Krebsgesellschaft sogar zu. Diese Entwicklung geht vorwiegend auf die verbesserten Methoden der Früherkennung zurück. Breitet sich der Prostatakrebs weiter aus, dann typischerweise entlang der Nervenfasern in Lymphbahnen und -knoten. Deshalb spielt die Lymphknotendiagnostik bei der Therapieplanung eine wichtige Rolle. Erste Behandlungserfolge legen nahe, dass durch die USPIO-verstärkte Magnetresonanztomografie die Heilungschancen verbessert werden können. a O perative und strahlentherapeutische Verfahren werden beim Prostatakrebs heutzutage gleichwertig eingesetzt. Doch während der lokal begrenzte Primärtumor durch eine radikale Prostatektomie komplett entfernt werden kann, gestaltet sich die Bekämpfung von Lymphknotenmetastasen als weitaus schwieriger. Denn im unmittelbaren Umfeld der Prostata befindet sich ein ganzes Netzwerk von Lymphknoten, in das die Tumorzellen abwandern und sich ansiedeln können. Operativ lässt sich dem Befall kaum beikommen, meist sind es zwischen 10 und 15 Lymphknoten, die reseziert werden. Deshalb sind die Metastasen die Domäne der Radiotherapie. www.bendergruppe.com b Abbildung 3a und 3b. (a) 3-D Illustration der Beckengefäße und der markierten nicht metastatischen Lymphknoten der zweiten MRT mit Ferumox­ tran-10 acht Wochen nach Bestrahlung. (b) Zweite MRT mit Ferumoxtran-10 8 Wochen nach Strahlentherapie ohne Nachweis metastatischer Lymphknoten entsprechend der Region in Abbildung 1b. Axiale T1-gewichtete VIBE-Sequenz links, axiale T2*-gewichtete Sequenz rechts. Ausgabe N o 5 / Mai 2017 6 „Für die Planung der Bestrahlung ist es zunächst einmal wichtig zu wissen, ob die Lymphknoten überhaupt befallen sind oder nicht“, betont Prof. Dr. Frederik Wenz, Direktor der Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie, Universitätsklinikum Mannheim. „Wenn keine Lymphknoten befallen sind, kann sich das Bestrahlungsvolumen auf die Prostata und die Samenblase beschränken, wodurch die Therapie sehr gut verträglich ist. Es gibt praktisch keine Nebenwirkungen. Gibt es Hinweise darauf, dass die Lymphknoten ebenfalls befallen sind, dann müssen wir das Bestrahlungsvolumen deutlich ausdehnen, sodass auch gesundes Gewebe wie der Darm, Nerven und Gefäße im kleinen Becken mitbestrahlt werden. In diesem Fall spüren die Patienten Belastungen durch die Therapie wie beispielsweise gastrointestinale Beschwerden.“ Der Grund, warum weiträumig bestrahlt werden muss: Man weiß, dass die Metastasen da sein müssen, man sieht sie aber nicht. Diagnostische Früherkennungsmaßnahmen wie der PSA-Test weisen auf eine fortgeschrittene Erkrankung und das Vorhandensein von Metastasen hin, bildgebende Verfahren waren aber bisher nicht in der Lage, diese darzustellen und damit auch genau anzuzeigen, wo die Miniherde sitzen. „Diese diagnostische Wissenslücke wird die USPIO-verstärkte MRT aller Voraussicht nach schließen“, mutmaßt Wenz. Die Sensitivität der MRT wird durch die ultrakleinen, superparamagnetischen Eisenoxidpartikel signifikant verstärkt, sodass sich selbst kleinste maligne Zellabsiedlungen detektieren lassen. Im Universitätsklinikum Mannheim wird die Methode bereits eingesetzt, wenn auch nur sehr eingeschränkt. Denn das Kontrastmittel ist in Deutschland nicht zugelassen. Einzig bei Prof. Jelle Barentsz am Universitätsklinikum Nijmegen in den Niederlanden wird die Substanz momentan hergestellt. Das heißt, auch die USPIO-Untersuchung der Mannheimer Patienten erfolgt in Nijmegen. „Deswegen suchen wir die Patienten sehr sorgfältig aus“, erklärt der Strahlentherapeut. „Es profitieren vor allem diejenigen von der USPIO-verstärkten MRT, bei denen das Therapieregime von dieser einen Information – Lymphknotenbefall, ja oder nein – abhängt. Die diagnostischen Bilder werden dann in Nijmegen angefertigt und die Therapie in Mannheim durchgeführt. Wir können so ganz gezielt nur die Lymphknoten bestrahlen, die nachweislich von Metastasen befallen sind.“ Durch die Kooperation mit Nijmwegen konnten die Mannheimer über die letzten Jahre bereits einige Erfahrungen mit USPIO sammeln. Dabei zeichnet sich ab, dass die fokussierte Radiotherapie beim Prostatakarzinom der nicht-fokussierten Bestrahlung überlegen zu sein scheint. Während die Patienten, die auf Verdacht großvolumig bestrahlt wurden, keinen signifikanten Lebensvorteil hatten, wiesen die Patienten, die vor einer Bestrahlung mit USPIO diagnostiziert wurden, ein langes rezidivfreies Überleben auf. Dieser Artikel basiert auf Informationen aus: Anja M. Weidner et al: Ferumoxtran-10 MR Lymphography for Target Definition and Follow-up in a Patient Undergoing Image-Guided, Dose-Escalated Radiotherapy of Lymph Nodes upon PSA Relapse, Strahlentherapie und Onkologie No. 3/2011, S. 206-212. Professor Dr. med. Frederik Wenz ist seit 2014 Direktor der Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie Mannheim und außerdem Ärztlicher Direktor und Geschäftsführer der Universitätsmedizin Mannheim. Wenz ist zudem C4 Professor für Strahlentherapie an der Medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg. Er entwickelte das Operationsverfahren der Kypho-IORT, ein Meilenstein in der Wirbelsäulenkrebstherapie. Seine akademischen Schwerpunkte sind innovative Bestrahlungstechniken, für die er mehrfach ausgezeichnet wurde und Radiobiologische Grundlagenforschung. Er ist Herausgeber von vier Lehrbüchern und unzähligen Publikationen sowie Promotionsschriften und Habilitationen. PROSTATA INTERDISZIPLINÄR Abrechnung mit dem Prostatakarzinom Die multiparametrische MRT hat den großen Vorteil, dass sie Verdachtsareale bei Prostatakarzinomen spezifisch eingrenzt und damit eine präzise Grundlage für die Fusionsbiopsie legt. Doch Urologen und Radiologen stehen bei der Abrechnung dieser Untersuchungsmethoden vor einem Problem, denn der offizielle Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen bildet diese nicht ab. „Für beide Seiten muss ein Anreiz geschaffen werden, diese neuen Methoden zukünftig stärker in die Diagnostik einzubinden“, ist Dr. Thomas Henkel, Gemeinschaftspraxis „Ihre Urologen“, Berlin, überzeugt. B ei der auffälligen Konstellation eines nicht suspekten Tastbefundes der Prostata mit zugleich erhöhtem PSAWert, ist es Aufgabe des Urologen eine weitere Abklärung durchzuführen. „Das prostataspezifische Antigen gibt generell Auskunft über den Gesundheitszustand der Prostata. Die Biopsie soll dann je nach Höhe des Wertes zu dem histologischen Nachweis von Prostatakrebs führen“, erläutert Henkel. Bis zu diesem Zeitpunkt ist der Radiologe im Allgemeinen an den Untersuchungen nicht beteiligt. Bei der weiteren Ausschlussdiagnostik kommt er allerdings ins Spiel, denn er kann mittels multiparametrischer MRT die Verdachtsareale präziser lokalisieren und folglich eine bessere Detektionsrate erreichen. „Der Radiologe ergänzt mit neuen bildgebenden Verfahren die vom Urologen durchgeführte systematische Biopsie“, so Henkel. www.bendergruppe.com Der PSA-Wert ist nur ein Indiz Ein großer Vorteil der multiparametrischen MRT ist, dass die für den Patienten unangenehme Biopsie effizienter und vor allem zielgerichteter durchgeführt werden kann. Das Problem dahinter: Der PSA-Wert ist kein zuverlässiger Indikator für das Prostatakarzinom und lässt einigen Interpretationsspielraum zu. „Zwar gibt der PSA-Wert genauere Auskunft über die Aktivitäten des Prostatagewebes, allerdings produzieren sowohl gutartige als auch bösartige Zellen in der Prostata PSA“, führt der Urologe aus. Und da Krebszellen vermehrt PSA produzieren, schließt man bei erhöhtem Wert auf ein Karzinom. „Dies ist jedoch lediglich ein Verdachtsmoment, der weiter verifiziert werden muss, um insbesondere Entzündungen der Prostata und damit Fehldiagnosen auszuschließen“, so Henkel. Ausgabe N o 5 / Mai 2017 7 Neue Methoden stellen vor Abrechnungsprobleme Seit vielen Jahren gibt es in der Wissenschaftsgemeinde Auseinandersetzungen über die Aussagekraft des PSA-Wertes, was unter anderem dazu geführt hat, dass die Krankenkassen die Kosten für diesen Test nicht übernehmen. Auch die multiparametrische MRT steht als Untersuchungsmethode nicht im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen und kann von Radiologen in der Folge auch nicht adäquat abgerechnet werden. Anders ist das nur bei Privatpatienten, bei denen die Kassen die Kosten für die multiparametrische MRT übernehmen. „Der jetzt mit diesen neuen Methoden vertraut machen“, stellt er klar. „Im Übrigen steht der Urologe mit der Fusionsbiopsie vor demselben Abrechnungsproblem wie der Radiologe“, verdeutlicht Henkel. Auch für diese Untersuchungsmethode gibt es keine Ziffer im GKV-Leistungskatalog. „Ich hoffe, dass wir es schaffen, eine weitaus bessere Interessenvertretung zu etablieren, damit diese Problematik behoben werden kann“, so Henkel. „Glücklicherweise informieren sich Patienten zunehmend im Internet über neue Methoden und Therapien, sodass der Druck auf die Kassen steigt.“ Zu Hoffnung gibt auch die PROKOMB-Studie Morphologische Darstellung der Prostata mittels multiparametrischer MRT Anatomische Darstellung der PIRADS Klassifikation Version 2 Transversale und sagittale Ansicht der Prostata während der Durchführung einer transperinealen Fusionsbiopsie gesetzliche Kassenpatient hat derzeit nur die Möglichkeit, als Selbstzahler für diese Untersuchung aufzukommen“, so Henkel. Dabei liegen die Vorteile der neuen Methode auf der Hand, denn mit ihrer Hilfe kann der Radiologe anhand der PIRADS-Klassifikation das Verdachtsareal so präzise eingrenzen, dass der Urologe das entsprechende Gebiet mittels Biopsie bzw. Fusionsbiopsie direkt ansteuern kann. „Mit dieser Vorinformation reduzieren wir die Anzahl der Biopsien bei steigender Detektionsrate signifikant“, bekräftigt Dr. Henkel. Argumente für die Zukunft Doch nicht jeder Urologe kann die Bilder der multiparametrischen MRT interpretieren. „In dieser Hinsicht werden sich Urologen in verschiedene Gruppen aufteilen. Es wird diejenigen geben, die sich weiterbilden und die Fusionsbiopsie in der eigenen Praxis durchführen, und es wird die Gruppe geben, die an einen entsprechenden radiologischen Standort verweisen und die Kooperation suchen“, blickt Henkel in die Zukunft. Gute Netzwerke zwischen Radiologen und Urologen werden daher immer wichtiger. „Auch die Weiterbildung ist ein signifikanter Faktor. Gerade junge, noch in der Ausbildung befindliche Urologen sollten sich www.bendergruppe.com Anlass: sie ermöglicht es Urologen, Patienten mit Verdacht auf Prostatakarzinom in diese Studie einzubringen, um eine multiparametrische MRT durchzuführen. Zeigt sich auf Dauer, dass der Urologe dank der multiparametrischen MRT mehr Informationen erhält und eine bessere Detektionsrate erzielen kann, ist nicht nur ein wichtiges Ziel für die Studie - und die Patienten - erreicht, sondern auch die Grundlage für die tiefere Diskussion mit den Kassen geschaffen. Dr. med. Thomas Oliver Henkel ist Facharzt für Urologie und Andrologie sowie Spezialist für LDR-Brachytherapie der Prostata und Medikamentöse Tumortherapie. Er studierte an der University of Windsor, Ontario, Kanada und an der Justus-Liebig-Universität in Gießen Biologie und Humanmedizin. Seit 2015 betreibt er eine Praxis in der MEO Clinic, Berlin, wo er auch die LDR Brachytherapie durchführt. Er ist Präsident der Berliner Urologische Gesellschaft e.V., Gründungsmitglied der wissenschaftlichen PROKOMB Studiengruppe Berlin und Vorstand der Berliner Urologische Gesellschaft. Ausgabe N o 5 / Mai 2017 8 MAMMA & KONTRASTMITTEL Kommt die Renaissance der USPIO-MRT beim Mammakarzinom? Die mit ultrakleinem superparamagnetischem Eisenoxid (USPIO) verstärkte MRT könnte in Zukunft die Sentinel-Node-Biopsie in Zusammenhang mit dem Mammakarzinom ablösen. „D as Nodal Staging bei Patientinnen mit Mammakar­ zinom ist ein wichtiger Baustein in der prätherapeutischen Abklärung“, weiß Prof. Dr. med. Saleh, MBA, Chefarzt des Instituts für Diagnostische und Interventionelle Radiologie und Kinderradiologie sowie Direktor der Klinik für Nuklearmedizin am Klinikum Schwabing in München: „Dieses Staging verfügt über eine erhebliche prognostische Bedeutung und therapeutische Implikationen.“ Daher wird den Leitlinien gemäß jede Patientin mit Mammakarzinom klinisch und mit Ultraschall auf pathologisch vergrößerte Lymphknoten in der Achselhöhle untersucht. Werden dabei keine pathologisch vergrößerten Lymphknoten gefunden, so wird eine sogenannte Sentinel-Node-Biopsie durchgeführt. Dabei wird der Wächterlymphknoten (Sentinel Node) entnommen und untersucht. Weil der Wächterlymphknoten normalerweise der erste Lymphknoten ist, der von wandernden Tumorzellen befallen wird, bedeutet ein negativer Befund mit hoher Wahrscheinlichkeit, dass das Mammakarzinom noch nicht metastasiert hat. Tumoren und im Kopf-Hals-Bereich eingesetzt. Doch die Mittel wurden nicht in Europa zugelassen, weil – so berichtet Saleh – die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA die Daten aus den Effizienzstudien als unzureichend beurteilte. „Die Studien waren schlecht gemacht“, sagt der Münchener Radiologe geradeheraus. Gegen Ende der Nullerjahre stellten die Hersteller die Produktion der Kontrastmittel ein. Seither wird die Untersuchungsmethode in Europa nur noch an der Radboud Universität in Nijmegen, Niederlande, durchgeführt. Das Mammakarzinom stand bei den alten, qualitativ ungenügenden Studien nicht im Vordergrund – weniger aus Kalkül, denn aus Zufall, wie Saleh berichtet. „Grundsätzlich sinkt zwar der Stellenwert der Axilla-Diagnostik“, erläutert der Radiologe: „Aber für die neue Methode spricht, dass sie ein invasives Verfahren ablösen könnte. Ich gehe also davon aus, dass die USPIOMRT genutzt würde, wäre sie verfügbar und gesetzt den Fall, sie ließe sich in Studien und in der täglichen Routine so umsetzen, wie sich das im Moment alle vorstellen.“ Saleh ist sich auch der EinDie Sentinel-Node-Biopsie ist 3D-Darstellung eines Lymphknotenbereichs schränkungen der Methode allerdings eine aufwändige bewusst: „Das Verfahren kann Prozedur, die eine nuklearmedizinische Diagnostik und den ope- aus methodenimmanenten Gründen keine Mikrometastasen rativen Eingriff nach sich zieht. Um den Wächterlymphknoten detektieren.“ Allerdings werden Mikrometastasen, also Tochzu identifizieren, wird ein Radionuklid (99mTechnetium) in oder tergeschwülste in der Größe von 0,2 bis 2,0 Millimeter, beim in die Nähe des Tumors gespritzt, das sich dann im Sentinel Mammakarzinom heutzutage als weniger bedrohlich angesehen Node anreichert. Tags darauf wird der solcherart markierte als in früheren Zeiten. Wurden in der Vergangenheit bei einer Lymphknoten bei einer Operation unter Narkose entnommen. Sentinel-Node-Biopsie Mikrometastasen gefunden, hat man zur Sicherheit alle Achsellymphknoten entfernt. „Wenn nur MikDa liegt es nahe, sich nach einer nicht-invasiven Methode für rometastasen gefunden werden, dann entscheidet sich heute das Nodal Staging umzusehen. Als Möglichkeit bietet sich hier ein modernes Tumorboard gegen die Entfernung der axillären eine Lymphknoten-MRT an, die mittels USPIO verstärkt wird. Lymphknoten“, berichtet Saleh. Liegen jedoch Makrometasta„Die ersten Ergebnisse sind sehr vielversprechend“, erklärt sen vor, dann werden bei den meisten Brustkrebspatientinnen Saleh. Das liege daran, dass Small-Part-Regionen wie die nach wie vor die Achsellymphknoten herausgenommen. Achselhöhle mit dem Kernspin sehr gut zu untersuchen seien: „Die Lymphknoten liegen sehr nah an der Oberfläche und es Prof. Dr. Andreas Saleh, MBA, ist seit gibt keine Bewegungsartefakte, die Untersuchung ist also nicht 2011 Chefarzt des Instituts für Diagnostidurch Atmung, Darmbewegung oder Herzschlag limitiert.“ Das sche und Interventionelle Radiologie und diagnostische Verfahren sei auch bezüglich Patientenlagerung, Kinderradiologie, seit 2013 außerdem Spulentechnik und Sequenzen „vollkommen unkompliziert“, wie Direktor der Klinik für Nuklearmedizin im der Radiologe erklärt. Klinikum Schwabing, München. Dabei sind USPIO-Kontrastmittel keine neue Entdeckung. Bereits vor 20 Jahren wurde die USPIO-MRT für das Lymphknoten-Staging beim Prostatakarzinom, bei gynäkologischen www.bendergruppe.com Ausgabe N o 5 / Mai 2017 9 RADIOLOGIE MEETS VISZERALMEDIZIN Flucht aus dem Elfenbeinturm – das neue Miteinander von Radiologie und Viszeralmedizin Sie konnten beisammen nicht kommen – ähnlich wie einst um die berühmten Königskinder war es lange Zeit auch um die Radiologen und Viszeralmediziner bestellt. Ein echter Austausch zwischen den Disziplinen fand im Klinikalltag kaum statt. V on diesen wenig märchenhaften Verhältnissen ist man aber mittlerweile ein ganzes Stück entfernt, erklärt Prof. Dr. Wolfgang Schima, Vorstand der Abteilung für Diagnostische und Interventionelle Radiologie der Vinzenzgruppe in Wien. Er wird im kommenden Oktober auf dem von netzwerk wissen organisierten 11. Petersberger Symposium in Bonn vortragen, das unter dem Motto „Radiologie meets Viszeralmedizin“ steht. „Meet“, also das Zusammentreffen, ist dabei das Schlüsselwort, denn inzwischen hat die Kooperation zwischen den Disziplinen begonnen. Die klassische Abgrenzung zwischen Radiologie und Chirurgie hält Prof. Schima für wenig praxisnah: „Bei vielen Erkrankungen ist die Behandlung zu einer multidisziplinären Angelegenheit Bei einem Patienten mit Lebermetastasen kann die Intervention etwa so aussehen, dass Chirurg und Radiologe gemeinsam im OP stehen: Der Chirurg schneidet die eher oberflächlichen Metastasen heraus, und der interventionelle Radiologe behandelt per Tumorablation die schwer zugänglichen Herde tief im Parenchym.“ Diese Herangehensweise nützt dem Patienten, da bei einem rein chirurgischen Eingriff viel gesundes Parenchym geopfert werden müsste, um an alle Metastasen heranzukommen. Auch in der Diagnostik hat sich die Rollenverteilung verändert: „Die Radiologie hat gottseidank in den vergangenen Jahren die Flucht aus dem Elfenbeinturm angetreten und ist mittlerweile ganz entscheidend eingebunden in den Behandlungsprozess“, stellt Schima fest. „Der Radiologe sitzt nicht mehr nur in einem Befundraum und hofft, dass seine Befunde auch gelesen und verstanden werden.“ Auch die fachliche Distanz zwischen Radiologen und Klinikern schmilzt laut ­Schima dahin: „Man entwickelt ein gegenseitiges Verständnis: Der Radiologe erkennt die Nöte des Klinikers – und der wiederum versteht, wo die Grenzen der Methoden liegen, etwa, wenn etwas mit dem Ultraschall oder CT nicht darstellbar ist.“ Das gegenseitige Feedback wirkt sich positiv auf die gemeinsamen Interventionen aus, da das Verständnis zum Vorgehen tiefer ist, wenn alle Aspekte der Behandlung in Betracht gezogen werden. So ist der Umgang der beiden Disziplinen inzwischen geprägt vom Voneinander-Lernen-Wollen. „Wenn man sich als Radiologe aktiv einbringt, gibt es eigentlich keinen Chirurgen, der diese Hilfestellung nicht dankend annehmen würde“, so Prof. Schima. Die Multidetektor-CT zeigt ein kleines, resektables Pankreaskarzinom (Pfeile) mit Stenose des Natürlich hat dieses Miteinander auch Limitationen, betont der Experte. In der Unfallchirurgie beispielsweise, wo große Mengen an nativen Röntgenbildern in sehr kurzer Zeit angefertigt werden, deren Befunde dann nicht immer auch noch kommuniziert werden können. D. pancreaticus (kleiner Pfeil), jedoch ohne Gefäßinfiltration. geworden, vor allem in der Onkologie.“ So finden in seiner Klinik wöchentlich Tumorboards statt, bei denen alle an der Behandlung beteiligten Fachrichtungen vertreten sind. „Chirurgen, Onkologen, Gastroenterologen, Radiologen, Pathologen, Strahlentherapeuten – sie alle kommen zusammen und legen gemeinsam die Behandlung für den Patienten fest“, sagt der Radiologe. „Sehr oft erwächst daraus ein multimodales Behandlungskonzept.“ www.bendergruppe.com Die eigentliche Hürde stellt für Schima der rasche Klinikbetrieb dar, in dem es oft darum geht, in kürzester Zeit möglichst viele Patienten zu behandeln. „Dann kommt es schon mal vor, dass Ausgabe N o 5 / Mai 2017 10 die nötigen Informationen aus Zeitmangel nicht vor einer Untersuchung ausgetauscht werden, sondern erst im Nachhinein – das kann zu Missverständnissen führen.“ Und natürlich können Radiologen trotz ihrer mannigfaltigen Möglichkeiten nicht immer alle Informationen liefern, die ein Viszeralchirurg benötigt, betont der Experte: „Es wird immer Limitationen der Methoden und Verfahren geben, bei der Computertomographie etwa die Auflösung der Bilder.“ Bei Pankreaskarzinomen kann nicht immer mit 100%iger Sicherheit beurteilt werden, ob ein Gefäß infiltriert ist oder nicht. „Leider ist das aber oft der Knackpunkt um zu entscheiden, ob das Karzinom radikal erfolgreich operiert werden kann oder nicht.“ Innovative Techniken in der Computertomographie, Magnetresonanztomographie und beim PET-CT haben allerdings zu großen Fortschritten geführt, so dass der limitierende Faktor mittlerweile oft nicht mehr die mangelnde Bildschärfe, sondern die schiere Informationsfülle ist. „Eine CT-Untersuchung umfasst heute gut und gerne 2.000 Bilder pro Patient, die alle evaluiert werden müssen.“ So hofft auch Schima auf DeepLearning-­Methoden, die dem menschlichen Radiologen viel www.bendergruppe.com Arbeit abnehmen können, etwa bei der Vermessung von Metastasen. „Ich bin da sehr optimistisch und habe keine Befürchtungen, dass der Radiologe ersetzt wird. Durch den ständigen Austausch mit den übrigen Disziplinen ist der Radiologe mittlerweile die zentrale Informationsdrehscheibe im Klinikalltag“, so Schima abschließend. Prof. Dr. Wolfgang Schima, MSc, ist Facharzt für Radiologie und Abteilungsleiter der Abteilung für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am Göttlicher Heiland Krankenhaus, Barmherzige Schwestern Krankenhaus und St. Josef-Krankenhaus der Vinzenzgruppe in Wien. Er war von 2008 bis 2009 Präsident der International Cancer Imaging Society (ICIS), von 2005 bis 2009 Member of the Board of Directors der European Society of Gastrointestinal and Abdominal Radiology (ESGAR) und von 2011–2017 Member of the European Board of Radiology (EBR). Darüber hinaus war Schima von 2014 bis 2016 Präsident der Österreichischen Röntgengesellschaft. Ausgabe N o 5 / Mai 2017 11