Ausgabe Nr. 5-2017

Werbung
Ausgabe No 5, MAI 2017
Liebe Leserin, lieber Leser,
die onkologische MRT-Diagnostik der Lymphknoten mit USPIO
eröffnet neue Perspektiven für fokussierte und individualisierte
Therapiekonzepte. Die neue Ausgabe von ­VISIONupdate gibt
Ihnen einen Überblick über die aktuellen und künftigen diagnostischen Optionen und Therapieansätze.
Lesen Sie außerdem, wie die automatisierte Diagnostik Ärzte
bei ihrer täglichen Arbeit entlasten kann, und wie die innovative
Hyperpolarisations-MRT die radiologische Landschaft künftig
entscheidend verändern könnte. Schließlich finden Sie in diesem Newsletter eine spannende Bestandsaufnahme des neuen
Miteinanders von Radiologie und Viszeralmedizin.
Viel Freude bei der Lektüre
Ihre bender gruppe
Inhalt
FORSCHUNG
PROSTATA INTERDISZIPLINÄR
BILDGEBENDE DIAGNOSTIK:
DER COMPUTER IST BESSER
ALS DER MENSCH
ABRECHNUNG MIT
DEM PROSTATAKARZINOM
S.2
S.7
FORSCHUNG & TECHNIK
MAMMA & KONTRASTMITTEL
„DEM LEBEN BEI DER
ARBEIT ZUGUCKEN“
KOMMT DIE RENAISSANCE
DER USPIO-MRT BEIM
MAMMAKARZINOM?
S.3
S.9
KONTRASTMITTEL DIAGNOSTISCH
RADIOLOGIE MEETS VISZERALMEDIZIN
VORSTOSS IN DEN
SUBMILLIMETERBEREICH
DAS NEUE MITEINANDER
VON RADIOLOGIE UND
VISZERALMEDIZIN
S.5
S.10
KONTRASTMITTEL THERAPEUTISCH
DAS ZIEL VOR AUGEN, DIE
LYMPHKNOTEN IM VISIER
S.6
Impressum
Herausgeber
Dr. Timo Bender
b.e.imaging gmbh
Dr.-Rudolf-Eberle-Str. 8-10
76534, Baden-Baden
Redaktion
European Hospital Verlags GmbH, Essen
www.healthcare-in-europe.com
Layout
skrober.de
Hinweis Der Inhalt des
Informationsservices ist
nach bestem Wissen und
Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und
der ständige Wandel in der
in ihm behandelten Rechtsmaterie machen es jedoch
notwendig, Haftung und
Gewähr auszuschließen.
VISIONupdate® gibt nicht in
jedem Fall die Meinung der
b.e.imaging gmbh wieder.
ISSN 2199-7039
FORSCHUNG
Bildgebende Diagnostik:
Der Computer ist besser als der Mensch
Viele Mediziner sind zunehmend mit den Massen an Daten, die sie zu bearbeiten haben, hoffnungslos überfordert. Daher arbeiten Expertenteams aus Industrie und Forschung an Lösungen, um die Flut der immer komplexer
werdenden medizinischen Daten automatisiert zu erkennen und auf dieser Grundlage Unterstützung bei der
Diagnosefindung zu leisten. Für den Fraunhofer MEVIS-Forscher Dr. Markus Harz ist das Interesse an Ansätzen
zur automatischen Bilderkennung keineswegs überraschend: „Dank Deep-Learning-Methoden befinden wir uns
in einer neuen Zeit von automatisierter Diagnostik und sie kommt gerade zur rechten Zeit.“
Woran liegt das große
Interesse an künstlicher
Intelligenz?
Wann immer Forscher feststellen, dass der Computer
dem Menschen unterlegen
ist, stecken sie ihre volle
Energie hinein, um nachzuweisen, dass der Computer
es am Ende auch kann.
Mittlerweile sind Computer in vielen Domänen auf
dem Weg, schneller und
genauer zu urteilen als wir
Menschen. Das gilt nicht
nur für die Medizin. Computer erlernen heute Fähigkeiten, die bis vor kurzer Zeit noch
unvorstellbar waren. So können sie kreativ sein, lügen oder
Humor zum Ausdruck bringen. Auch können sie inzwischen
dichten oder Musik komponieren.
Manches davon funktioniert inzwischen beim Computer so gut,
dass wir seine Leistungen nicht mehr von denen des Menschen
unterscheiden können. Der Computer blufft beim Pokern
besser als der Mensch; er kann sogar ein echtes von einem falschen Lachen präziser unterscheiden, natürlich nur auf Bildern,
die Computern und Menschen zum Vergleich vorgelegt werden
und die sonst keinen Kontext liefern. Menschen sind nicht so
www.bendergruppe.com
gut darin, ein statisches Gesicht zu beurteilen. Wir brauchen
dafür Kontext und Mimik.
Gibt es heute schon Fälle, bei denen der Computer Auffälligkeiten entdeckt, die dem Radiologen entgehen und die er
dann auch einordnen kann?
Unsere Kollegen in Nijmegen haben eine Studie durchgeführt,
bei der 13 Experten in Lungen-CTs Läsionen suchen
und klassifizieren sollten.
Die gleiche Aufgabe haben
sie einem Computer gestellt. Im Ergebnis war der
Computer besser als jeder
der einzelnen Experten.
Damit ein solches Ergebnis
zustande kommt, muss der
Computer Entscheidungen
besser getroffen haben
als der Mensch. Entweder
haben die Experten Dinge
übersehen oder sie haben,
was sie sahen, falsch beurteilt. Der Computer konnte
es in dieser Aufgabenstellung besser als der Mensch.
Das führt manche Experten
zu der Vorhersage, dass
zukünftig die Diagnose von
Tumoren eine Aufgabe des
Computers sein könnte,
selbstverständlich mit
abschließender Validierung
durch den Radiologen.
Datenrechte: Asklepios-Klinik Barmbeck, Hamburg.
Bildrechte (c) 2017 Fraunhofer MEVIS
Bereits 2016 haben wir das Projekt ‚Automation in Medical
Imaging‘ (AMI) vorgestellt. Welche Fortschritte gibt es?
Zusammen mit der Diagnostic Image Analysis Group (DIAG)
in Nijmegen entwickeln wir eine selbstlernende Software, die
tatsächliche klinische Probleme lösen soll. Erst vor wenigen
Wochen haben wir unser Halbzeit-Meeting mit Vertretern aus
Industrie und Forschung durchgeführt. Dort haben wir aktuelle
Ergebnisse sowie Marktpotenziale vorgestellt. Das
Interesse an diesem Projekt
ist enorm. Zur Verhandlung
steht alles von der Lizensierung über den Verkauf von
Lösungen bis hin zur Ausgründung eines eigenen
Unternehmens. Wir können
kaum die Anfragen befriedigen, die wir von überall
her bekommen.
Wo sehen Sie die Grenzen der automatisierten Diagnostik?
Grundsätzlich sind mit Deep-Learning-Methoden gefütterte
Computer derzeit noch sehr schlecht darin zu abstrahieren,
also beispielsweise Erkenntnisse von einer Domäne auf eine
andere zu übertragen. Auch können sie bislang nur in sehr
wenigen Fällen Konzepte erlernen und übertragen. Darum
brauchen sie viel mehr Beispiele als Menschen, um das Gleiche
zu erlernen.
Eine weitere Grenze liegt dort, wo dem Computer das Vorwissen oder der Kontext fehlt. In einem hypothetischen Szenario, bei dem der Computer alle Information wie Geschlecht,
Alter, Laborwerte, Patienten- und Familienhistorie digital zur
Ausgabe N o 5 / Mai 2017
2
Verfügung hat, sehe ich wichtige Grenzen beim Patienteneinverständnis und der Aufarbeitung der Daten. Denn lege ich
die Daten einfach nur ab, reicht das nicht aus, um Computerunterstützung zu generieren. Die Daten müssen nach Erkenntniszielen aufarbeitet werden, es bedarf vieler Datensätze und
angereichertem Mehrwissen, damit es funktioniert. Das geht
bislang nicht automatisch und wird noch lange ein limitierender Faktor sein. Doch sobald Menschen dem Computer auch
diese Informationen zugänglich gemacht haben werden, wird
er auch dabei sicherere Entscheidungen treffen können. Die
Vorhersage ist also klar: Der Computer wird irgendwann auf
der kognitiven Ebene alles können, was der Mensch auch kann
- nur besser und schneller.
Dr. Markus Harz ist Informatiker und
arbeitete sechs Monate lang in einem
Brustkrebszentrum in den USA und
hat seinen Arbeitsplatz derzeit in der
Radiologischen Abteilung eines großen
Krankenhauses in Hamburg, wo er an
Deep-Learning-basierten Methoden zur
Unterstützung der Radiologie forscht.
Dr. Harz verfügt nicht nur über umfangreiche Kenntnisse in der klinischen Praxis, sondern bringt auch
sieben Jahre Erfahrung im Projektmanagement und zehn Jahre
Erfahrung in der Analyse medizinischer Bildgebungsdaten mit. In
seiner Dissertation entwickelte Dr. Harz Methoden für die Computerunterstützung komplexer bildgebungsbasierter klinischer
Aufgaben.
FORSCHUNG & TECHNIK
„Dem Leben bei der Arbeit zugucken“
Mittels Hyperpolarisations-MRT, die um ein Vielfaches sensitiver ist als die klassische Kernspintomographie, lassen sich Stoffwechselvorgänge im Organismus abbilden. Ein Forschungsteam aus Deutschland hat das Verfahren nun wesentlich vereinfacht.
„V
ereinfacht ausgedrückt, will es eine Laune der Natur,
dass sich manche Atomkerne so verhalten, als hätten
sie eine kleine Kompassnadel. Aufgrund ihres Kernspins gibt es Vorzugsrichtungen in einem Magnetfeld, ähnlich
einer Kompassnadel im Erdmagnetfeld. Durch eine Anregung
von außen können diese ausgelenkt werden. Nachdem die
Anregung vorüber ist, werden durch die Kernspin wiederum
schwache Radiosignale ausgesendet, die gemessen werden
können“: Mit diesen Worten erklärt PD Dr. Jan-Bernd Hövener,
Emmy-Noether-Forschungsgruppenleiter in der Klinik für Ra-
www.bendergruppe.com
Schematischer Aufbau der neuen Technologie zur Herstellung von magnetisch markierten 13C-Kontrastmitteln, die vollständig im MRT untergebracht
sind (a,b). Die so hergestellten Kontrastmittel können direkt appliziert (c)
und mit Routine MRT-Bildern überlagert werden (d-f).
diologie – Medizinphysik des Universitätsklinikums Freiburg, das
Prinzip der Magnetresonanztomographie (MRT). Das Problem
dabei: „Diese atomaren Kompassnadeln sind so schwach, dass
sie von der Wärme hin- und hergeworfen werden. Die Ausrich-
Ausgabe N o 5 / Mai 2017
3
tung in eine Vorzugsrichtung ist so schwach, dass wir im Magnetfeld der Erde nur wenige Milliardstel beobachten können.
Das ist in etwa so, als würden Sie von allen Menschen auf der
Erde nur einen sehen “, wie Hövener betont. „Da steckt noch ein
gewaltiges Potential, das wir für die Diagnostik nutzbar machen
wollen. Selbst moderne MRTs „sehen“ nur wenige Millionstel,
von dem was da eigentlich ist“. Er und seine Gruppe gehören zu
den Forschern, die daran arbeiten, die MRT um ein Vielfaches
empfindlicher zu machen. Dieses neue Verfahren nennt sich
Hyperpolarisations-MRT. Bei der Hyperpolarisations-MRT wird
die Ausrichtung der Kernmagnete künstlich so stark erhöht,
dass eine vieltausendfache Signalverstärkung entsteht. Dieses
magnetisch markierte (hyperpolarisierte) Kontrastmittel wird in
anhand der Veränderung des Krebsstoffwechsels frühzeitig zu
erkennen, ob eine Therapie anschlägt oder nicht. Als Anwendungsbeispiel nennt Hövener Pyruvat: Dieses Biomolekül wird
zu Lactat verstoffwechselt. Dazu braucht es das Enzym Lactat-Dehydrogenase, das sich oft in erhöhten Mengen in Tumoren findet. Hyperpolarisiert man also Pyruvat und führt es dem
Organismus zu, wird dies im Tumor verstärkt in Laktat umgewandelt. So kommt man Konzentrationen von Lactat-Dehydrogenase, und damit möglichen Tumoren, auf die Spur.
„Dieses Verfahren ist um viele Tausend mal sensitiver als die
klassische MRT“, schwärmt Hönever: „Das ist wie eine visuelle
Biopsie.“ Zwar ist die Halbwertszeit der polarisierten Kontrastmittel – sie liegt im Bereich von mehreren
zehn Sekunden – eher gering, doch glücklicherweise sind ausgerechnet Tumoren
besonders schnell beim Verstoffwechseln.
„Deshalb scheint die Hyperpolarisations-MRT
eine geeignete Diagnosemethode für Tumoren zu sein“, bekräftigt der Freiburger
Wissenschaftler.
Eigentlich ist ja die Stoffwechselbildgebung
die Domäne der Positronen-Emissions-Tomographie (PET). Doch ein Konkurrenzverhältnis zwischen diesen beiden UntersuDie Arbeitsgruppe von Dr. Jan-Bernd Hövener in Freiburg vor dem Universitätsklinikum
chungsmethoden besteht nicht, wie Hövener
betont: „Hyperpolarisations-MRT und PET
den Körper eingebracht und sendet von dort Signale aus, die
schauen beide auf den Stoffwechsel, aber von verschiedenen
wesentlich stärker sind, als sie bei einer klassischen MRT mögSeiten.“ Tatsächlich gibt es bereits erste Versuche, die beiden
lich wären. Auf diese Weise lassen sich in Echtzeit molekulare
Verfahren miteinander zu kombinieren, um einen noch genauVorgänge detektieren. Den Weg von Molekülen in vivo nachzueren Blick auf Stoffwechselvorgänge werfen zu können. Hier
verfolgen bedeutet nichts anderes, als Stoffwechselvorgänge
arbeitet Hövener mit dem Rigshospital in Copenhagen und
abzubilden. „Das Versprechen der Hyperpolarisierung ist, dass
der Technischen Universität München zusammen. Ziel ist die
man dem Leben an sich beim Arbeiten zugucken kann“, erklärt
Anwendung dieser Methode im Menschen. Doch dies sei noch
Hövener. Natürlich können auch krankhafte StoffwechselvorZukunftsmusik, sagt der Freiburger Forscher.
gänge abgebildet werden, etwa bei Krebserkrankungen.
Die Originalarbeit wurde veröffentlicht in nature communications und ist frei verfügbar,
https://www.nature.com/articles/ncomms14535
Bislang werden flüssige hyperpolarisierte Kontrastmittel
vornehmlich mit der sogenannten dynamischen nuklearen
Polarisierung (DNP) hergestellt. Den Doktoranden Berner und
Schmidt in der Hövener-Gruppe ist es gelungen, diese sehr
aufwändige Herstellung von Kontrastmitteln – so ist ein teures
externes Gerät vonnöten – extrem zu vereinfachen. In dem
sogenannten SAMBADENA-Verfahren werden Biomoleküle –
genauer gesagt: das im Molekül enthaltene Kohlenstoffisotop
C13 – in einer kleinen Reaktionskammer direkt im MRT-Gerät
mit Parawasserstoff zusammengeführt und auf diese Weise
hyperpolarisiert. So ist es möglich, die Injektionslösung mit dem
Kontrastmittel innerhalb weniger Sekunden direkt am Einsatzort zu produzieren.
„Wir arbeiten nun intensiv daran, SAMBADENA auf Biomoleküle anzuwenden, die natürlicherweise im Körper vorkommen,
um deren Ab- oder Umbau in Echtzeit beobachten zu können“,
berichtet der Experte. Da Krebszellen häufig einen veränderten
Stoffwechsel aufweisen, könnte ein verstärkter oder verminderter Abbau des Kontrastmittels auf Tumorgewebe hindeuten. Dadurch ließen sich Metastasen früher detektieren und
Tumore genauer charakterisieren. Ebenso möglich scheint es,
www.bendergruppe.com
Arbeitsgruppe Freiburg: www.hyperpolarization.net
PD Dr. Jan-Bernd Hövener ist
Emmy-Noether-Forschungsgruppenleiter in der Klinik für Radiologie – Medizinphysik des Universitätsklinikums
Freiburg. Der Physiker mit den Schwerpunkten Metabolische und Molekulare
MRT, biomedizinische und dentale Anwendungen der Magnetresonanz sowie
Hyperpolarisierung ist auch Forscher im
EU-gefördertem International Training Network EUROPOL und
im Programm Radiotherapie und Bildgebung des Deutschen
Konsortiums für Translationale Krebsforschung (DKTK). Hövenener, der 2014 mit dem Young Scientist Award in Medical Physics
der International Union for Pure and Applied Physics ausgezeichnet wurde, tritt demnächst eine Professur für translationale
MRT an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel an. Andreas
Schmidt und Stephan Berner sind wissenschaftliche Mitarbeiter in seiner Gruppe und Physikdoktoranden an der Universität
Freiburg.
Ausgabe N o 5 / Mai 2017
4
KONTRASTMITTEL DIAGNOSTISCH
Vorstoß in den Submillimeterbereich
USPIO aus Sicht des Radiologen
Bisher ließen sich Lymphknotenmetastasen mithilfe der radiologischen Bildgebung erst dann detektieren, wenn
sie eine gewisse Größe erreicht hatten. Beim Prostatakarzinom sind jedoch selbst kleinste maligne Zellablagerungen in den Lymphknoten ein entscheidender Faktor, der den Verlauf der Erkrankung bestimmt. Deshalb
gehört es heute zur Standardbehandlung, die Lymphknoten im Zweifelsfall vorbeugend zu entfernen oder bei
Risikopatienten zu bestrahlen. Mithilfe von Eisenkontrastmitteln, sogenannten USPIOs, ist es erstmals möglich,
selbst kleinste lymphatische Tumorherde nachzuweisen.
S
eit jeher war die bildgebende Diagnostik auf Größen­
kriterien angewiesen, um einen Lymphknotenbefall
sichtbar zu machen. Durch funktionelle Verfahren wie die
Perfusions- und Diffusionsbildgebung konnte zwar die Differenzialdiagnostik erheblich verbessert werden, dennoch blieb
die Grundvoraussetzung, um eine ausreichende Bildauflösung
zu erreichen, die Größenveränderung. „Das gilt zwar so nicht
für die Positronenemissionstomografie, da das Bildsignal hier
im Vergleich zur MRT tausendfach stärker ist“, räumt
Prof. Dr. Stefan Schönberg, Direktor am Institut für Klinische
Radiologie und Nuklearmedizin, Universitätsklinikum Mannheim, ein, „dennoch hat sich die Erwartung, mit spezifischen
PET-Tracern in den Submillimeterbereich vorzudringen, nicht
erfüllt. Die PET ist der MRT klar überlegen, wenn es um die Dignitätsbeurteilung von Lymphknoten geht, aber kleinste Herde
von 1 bis 2 Millimetern aufzuspüren, schafft auch sie nicht.“
Mit USPIO ist dieser Vorstoß nun gelungen. Dabei handelt es
sich um ultrakleine superparamagnetische Eisenoxidpartikel
(Ultrasmall SuperParamagnetic Iron Oxides), die als Kontrastmittel injiziert werden. Dank ihrer ultrakleinen Größe können
die Partikel in das Lymphsystem eindringen, wo sie von bestimmten Zellen des Immunsystems in den Lymphknoten, den
Makrophagen, aufgenommen werden. „Das Eisenoxid wird von
den Makrophagen internalisiert und stellt sich im Bild schwarz
dar“, erklärt Prof. Schönberg. „Dort, wo die Krebszellen das
Lymphdrüsengewebe infiltriert haben und die Makrophagen
nicht mehr am Werk sind, bleibt das Bild weiß. Dadurch kann
eindeutig zwischen Nichtbefall (schwarz) und Befall (weiß)
unterschieden werden.“
a
b
Abbildung 1a und 1b. (a) 3-D Illustration der Beckengefäße und der markierten Lymphknoten der MRT mit Ferumoxtran-10 vor Bestrahlung. Grüne
Lymphknoten wurden als benigne eingestuft, für gelbe Lymphknoten wurde
Abbildung 2. Bestrahlungsplanung zur bildgeführten Strahlentherapie
ein Verdachtsgrad von 3 ermittelt und für rote Lymphknoten ein Verdachts-
der Prostataloge, der Anastomosenregion und Ferumoxtran-10 positiver
grad von 4–5 (metastatisch). (b) Beispiel eines metastatischen Lymphkno-
Lymphknoten mit einer Höchstdosis von 60 Gy, nachdem Prostataloge und
ten iliakal intern links mit einem Verdachtsgrad von 5. Links der metastati-
die gesamten Lymphabflusswege mit einer Dosis von 44 Gy bestrahlt wur-
sche Lymphknoten in der axialen T1-gewichteten VIBE-Sequenz, rechts der
den. Coronare Ansicht links oben, sagittale Ansicht rechts oben, transversa-
weiß erscheinende Lymphknoten ohne Ferumoxtran-10-Aufnahme in der
le Ansicht unten. Anschließend wurde die Bestrahlung der Prostataloge und
axialen T2*-gewichteten Aufnahme.
der Anastomose bis zu einer Gesamtdosis von 71/75 Gy fortgesetzt.
www.bendergruppe.com
Ausgabe N o 5 / Mai 2017
5
Bekannt ist dieses einfache Prinzip bereits seit den 1990er
Jahren. Damals fehlte es jedoch an den technologischen Voraussetzungen, um ≥ 2 Millimeter große Läsionen abbilden zu
können. Erst Prof. Dr. Jelle Barentsz vom Radboud University
Medical Center Nijmegen gelang es, an einem 3-Tesla-MRT bis
in den Submillimeterbereich bei Lymphknoten des Beckens
vorzudringen. Wobei man bei der USPIO-Untersuchung nicht
länger von der Größe der Lymphknoten abhängig ist, sondern
die pathophysiologischen Prozesse abbildet, die im Körper
stattfinden.
„Speziell beim Prostatakarzinom legen die Erkenntnisse, die
wir aus der bisherigen Forschung gewonnen haben, nahe,
dass es so etwas wie eine kritische Größe bei der Lymphknotenmetastasierung nicht gibt“, sagt der Radiologe Schönberg.
„Das heißt, in dem Moment, wo es zu ersten Zellabsiedlungen
kommt, ist die Krankheit bereits im vollen Gang.“ Mit USPIO
besteht die große Hoffnung, diese Mikrometastasen zu erkennen, um sie schonend und effektiv zu bekämpfen. Die ersten
Behandlungsergebnisse scheinen sehr vielversprechend, es
bedarf jedoch weiterer klinischer Prüfungen, um die Wirksamkeit der Methode zu untermauern.
Dabei gibt es jedoch ein Problem: Das USPIO-Kontrastmittel
steht zurzeit in Deutschland nicht zur Verfügung. Die Zulassungshürden der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMEA)
sind hoch und für die Pharmaindustrie mit gewissen finanziellen Risiken verbunden – zumal es sich um ein Kontrastmittel
handelt, dessen Anwendung auf eine bestimmte Indikations-
Prof. Dr. Stefan Schönberg studierte
Humanmedizin an der Ruprecht-Karls-Universität in Heidelberg und ließ
sich danach am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) zum Radiologen weiterbilden. 2001 wechselte er an
das Institut für Klinische Radiologie an
der Ludwig-Maximilians-Universität München, wo er zunächst als Oberarzt und
Leiter der MRT und später als geschäftsführender Oberarzt tätig
war. Seit 2007 ist Schönberg Direktor des Instituts für Klinische
Radiologie und Nuklearmedizin am Universitätsklinikum Mannheim. Er veröffentlicht vor allem über vaskuläre und abdominelle
Bildgebung, funktionelle MRT und CT, Hochfeld-MRT und die
onkologische Bildgebung. Ende Mai übernimmt er die Präsidentschaft der Deutschen Röntgengesellschaft.
stellung beschränkt ist. Seit 2014 wird die Substanz jedoch von
der Radboud Universität in Nijmegen in Eigenregie produziert.
In einer Kooperation mit den Niederländern bereitet das Universitätsklinikum Mannheim zurzeit eine prospektive Studie vor,
um die Etablierung von USPIO weiter voranzutreiben, damit
noch mehr Patienten von der diagnostischen Anwendung profitieren können.
Dieser Artikel basiert auf Informationen aus: Anja M. Weidner et al: Ferumoxtran-10
MR Lymphography for Target Definition and Follow-up in a Patient Undergoing
Image-Guided, Dose-Escalated Radiotherapy of Lymph Nodes upon PSA Relapse,
Strahlentherapie und Onkologie No. 3/2011, S. 206-212.
KONTRASTMITTEL THERAPEUTISCH
Das Ziel vor Augen
USPIO aus Sicht des Strahlentherapeuten
Das Prostatakarzinom ist die am meisten verbreitete Krebserkrankung von Männern in Deutschland. Seit fast drei Jahrzehnten nimmt die Häufigkeit von Prostatakrebs laut der Deutschen
Krebsgesellschaft sogar zu. Diese Entwicklung geht vorwiegend auf die verbesserten Methoden der Früherkennung zurück. Breitet sich der Prostatakrebs weiter aus, dann typischerweise entlang der Nervenfasern in Lymphbahnen und -knoten.
Deshalb spielt die Lymphknotendiagnostik bei der Therapieplanung eine wichtige Rolle. Erste Behandlungserfolge legen
nahe, dass durch die USPIO-verstärkte Magnetresonanztomografie die Heilungschancen verbessert werden können.
a
O
perative und strahlentherapeutische Verfahren werden
beim Prostatakrebs heutzutage gleichwertig eingesetzt. Doch während der lokal begrenzte Primärtumor
durch eine radikale Prostatektomie komplett entfernt werden
kann, gestaltet sich die Bekämpfung von Lymphknotenmetastasen als weitaus schwieriger. Denn im unmittelbaren Umfeld
der Prostata befindet sich ein ganzes Netzwerk von Lymphknoten, in das die Tumorzellen abwandern und sich ansiedeln
können. Operativ lässt sich dem Befall kaum beikommen, meist
sind es zwischen 10 und 15 Lymphknoten, die reseziert werden.
Deshalb sind die Metastasen die Domäne der Radiotherapie.
www.bendergruppe.com
b
Abbildung 3a und 3b. (a) 3-D Illustration der Beckengefäße und der markierten nicht metastatischen Lymphknoten der zweiten MRT mit Ferumox­
tran-10 acht Wochen nach Bestrahlung. (b) Zweite MRT mit Ferumoxtran-10
8 Wochen nach Strahlentherapie ohne Nachweis metastatischer Lymphknoten entsprechend der Region in Abbildung 1b. Axiale T1-gewichtete
VIBE-Sequenz links, axiale T2*-gewichtete Sequenz rechts.
Ausgabe N o 5 / Mai 2017
6
„Für die Planung der Bestrahlung ist es zunächst einmal wichtig zu wissen, ob die Lymphknoten überhaupt befallen sind
oder nicht“, betont Prof. Dr. Frederik Wenz, Direktor der Klinik
für Strahlentherapie und Radioonkologie, Universitätsklinikum
Mannheim. „Wenn keine Lymphknoten befallen sind, kann sich
das Bestrahlungsvolumen auf die Prostata und die Samenblase
beschränken, wodurch die Therapie sehr gut verträglich ist. Es
gibt praktisch keine Nebenwirkungen. Gibt es Hinweise darauf,
dass die Lymphknoten ebenfalls befallen sind, dann müssen
wir das Bestrahlungsvolumen deutlich ausdehnen, sodass
auch gesundes Gewebe wie der Darm, Nerven und Gefäße im
kleinen Becken mitbestrahlt werden. In diesem Fall spüren die
Patienten Belastungen durch die Therapie wie beispielsweise
gastrointestinale Beschwerden.“
Der Grund, warum weiträumig bestrahlt werden muss: Man
weiß, dass die Metastasen da sein müssen, man sieht sie aber
nicht. Diagnostische Früherkennungsmaßnahmen wie der
PSA-Test weisen auf eine fortgeschrittene Erkrankung und das
Vorhandensein von Metastasen hin, bildgebende Verfahren waren aber bisher nicht in der Lage, diese darzustellen und damit
auch genau anzuzeigen, wo die Miniherde sitzen.
„Diese diagnostische Wissenslücke wird die USPIO-verstärkte
MRT aller Voraussicht nach schließen“, mutmaßt Wenz. Die
Sensitivität der MRT wird durch die ultrakleinen, superparamagnetischen Eisenoxidpartikel signifikant verstärkt, sodass sich
selbst kleinste maligne Zellabsiedlungen detektieren lassen. Im
Universitätsklinikum Mannheim wird die Methode bereits eingesetzt, wenn auch nur sehr eingeschränkt. Denn das Kontrastmittel ist in Deutschland nicht zugelassen. Einzig bei Prof. Jelle
Barentsz am Universitätsklinikum Nijmegen in den Niederlanden wird die Substanz momentan hergestellt. Das heißt, auch
die USPIO-Untersuchung der Mannheimer Patienten erfolgt in
Nijmegen. „Deswegen suchen wir die Patienten sehr sorgfältig
aus“, erklärt der Strahlentherapeut. „Es profitieren vor allem
diejenigen von der USPIO-verstärkten MRT, bei denen das
Therapieregime von dieser einen Information – Lymphknotenbefall, ja oder nein – abhängt. Die diagnostischen Bilder werden
dann in Nijmegen angefertigt und die Therapie in Mannheim
durchgeführt. Wir können so ganz gezielt nur die Lymphknoten
bestrahlen, die nachweislich von Metastasen befallen sind.“
Durch die Kooperation mit Nijmwegen konnten die Mannheimer über die letzten Jahre bereits einige Erfahrungen mit
USPIO sammeln. Dabei zeichnet sich ab, dass die fokussierte
Radiotherapie beim Prostatakarzinom der nicht-fokussierten
Bestrahlung überlegen zu sein scheint. Während die Patienten,
die auf Verdacht großvolumig bestrahlt wurden, keinen signifikanten Lebensvorteil hatten, wiesen die Patienten, die vor
einer Bestrahlung mit USPIO diagnostiziert wurden, ein langes
rezidivfreies Überleben auf.
Dieser Artikel basiert auf Informationen aus: Anja M. Weidner et al: Ferumoxtran-10
MR Lymphography for Target Definition and Follow-up in a Patient Undergoing
Image-Guided, Dose-Escalated Radiotherapy of Lymph Nodes upon PSA Relapse,
Strahlentherapie und Onkologie No. 3/2011, S. 206-212.
Professor Dr. med. Frederik Wenz ist
seit 2014 Direktor der Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie Mannheim und außerdem Ärztlicher Direktor
und Geschäftsführer der Universitätsmedizin Mannheim. Wenz ist zudem C4
Professor für Strahlentherapie an der
Medizinischen Fakultät Mannheim der
Universität Heidelberg. Er entwickelte
das Operationsverfahren der Kypho-IORT, ein Meilenstein in der
Wirbelsäulenkrebstherapie. Seine akademischen Schwerpunkte
sind innovative Bestrahlungstechniken, für die er mehrfach ausgezeichnet wurde und Radiobiologische Grundlagenforschung.
Er ist Herausgeber von vier Lehrbüchern und unzähligen Publikationen sowie Promotionsschriften und Habilitationen.
PROSTATA INTERDISZIPLINÄR
Abrechnung mit dem Prostatakarzinom
Die multiparametrische MRT hat den großen Vorteil, dass sie Verdachtsareale bei Prostatakarzinomen spezifisch eingrenzt und damit eine präzise Grundlage für die Fusionsbiopsie legt. Doch Urologen und Radiologen stehen bei der Abrechnung dieser Untersuchungsmethoden vor einem Problem, denn der offizielle Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen bildet diese nicht ab. „Für beide Seiten muss ein Anreiz geschaffen werden, diese neuen Methoden zukünftig
stärker in die Diagnostik einzubinden“, ist Dr. Thomas Henkel, Gemeinschaftspraxis „Ihre Urologen“, Berlin, überzeugt.
B
ei der auffälligen Konstellation eines nicht suspekten
Tastbefundes der Prostata mit zugleich erhöhtem PSAWert, ist es Aufgabe des Urologen eine weitere Abklärung
durchzuführen. „Das prostataspezifische Antigen gibt generell
Auskunft über den Gesundheitszustand der Prostata. Die Biopsie
soll dann je nach Höhe des Wertes zu dem histologischen Nachweis von Prostatakrebs führen“, erläutert Henkel. Bis zu diesem
Zeitpunkt ist der Radiologe im Allgemeinen an den Untersuchungen nicht beteiligt. Bei der weiteren Ausschlussdiagnostik kommt
er allerdings ins Spiel, denn er kann mittels multiparametrischer
MRT die Verdachtsareale präziser lokalisieren und folglich eine
bessere Detektionsrate erreichen. „Der Radiologe ergänzt mit
neuen bildgebenden Verfahren die vom Urologen durchgeführte
systematische Biopsie“, so Henkel.
www.bendergruppe.com
Der PSA-Wert ist nur ein Indiz
Ein großer Vorteil der multiparametrischen MRT ist, dass die für
den Patienten unangenehme Biopsie effizienter und vor allem
zielgerichteter durchgeführt werden kann. Das Problem dahinter:
Der PSA-Wert ist kein zuverlässiger Indikator für das Prostatakarzinom und lässt einigen Interpretationsspielraum zu. „Zwar
gibt der PSA-Wert genauere Auskunft über die Aktivitäten des
Prostatagewebes, allerdings produzieren sowohl gutartige als
auch bösartige Zellen in der Prostata PSA“, führt der Urologe
aus. Und da Krebszellen vermehrt PSA produzieren, schließt man
bei erhöhtem Wert auf ein Karzinom. „Dies ist jedoch lediglich
ein Verdachtsmoment, der weiter verifiziert werden muss, um
insbesondere Entzündungen der Prostata und damit Fehldiagnosen auszuschließen“, so Henkel.
Ausgabe N o 5 / Mai 2017
7
Neue Methoden stellen vor Abrechnungsprobleme
Seit vielen Jahren gibt es in der Wissenschaftsgemeinde Auseinandersetzungen über die Aussagekraft des PSA-Wertes,
was unter anderem dazu geführt hat, dass die Krankenkassen
die Kosten für diesen Test nicht übernehmen. Auch die multiparametrische MRT steht als Untersuchungsmethode nicht im
Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen und kann von
Radiologen in der Folge auch nicht adäquat abgerechnet werden. Anders ist das nur bei Privatpatienten, bei denen die Kassen
die Kosten für die multiparametrische MRT übernehmen. „Der
jetzt mit diesen neuen Methoden vertraut machen“, stellt er klar.
„Im Übrigen steht der Urologe mit der Fusionsbiopsie vor demselben Abrechnungsproblem wie der Radiologe“, verdeutlicht
Henkel. Auch für diese Untersuchungsmethode gibt es keine
Ziffer im GKV-Leistungskatalog. „Ich hoffe, dass wir es schaffen,
eine weitaus bessere Interessenvertretung zu etablieren, damit
diese Problematik behoben werden kann“, so Henkel. „Glücklicherweise informieren sich Patienten zunehmend im Internet
über neue Methoden und Therapien, sodass der Druck auf die
Kassen steigt.“ Zu Hoffnung gibt auch die PROKOMB-Studie
Morphologische Darstellung der Prostata mittels
multiparametrischer MRT
Anatomische Darstellung der PIRADS
Klassifikation Version 2
Transversale und sagittale Ansicht der Prostata während der
Durchführung einer transperinealen Fusionsbiopsie
gesetzliche Kassenpatient hat derzeit nur die Möglichkeit, als
Selbstzahler für diese Untersuchung aufzukommen“, so Henkel.
Dabei liegen die Vorteile der neuen Methode auf der Hand, denn
mit ihrer Hilfe kann der Radiologe anhand der PIRADS-Klassifikation das Verdachtsareal so präzise eingrenzen, dass der Urologe
das entsprechende Gebiet mittels Biopsie bzw. Fusionsbiopsie
direkt ansteuern kann. „Mit dieser Vorinformation reduzieren wir
die Anzahl der Biopsien bei steigender Detektionsrate signifikant“, bekräftigt Dr. Henkel.
Argumente für die Zukunft
Doch nicht jeder Urologe kann die Bilder der multiparametrischen MRT interpretieren. „In dieser Hinsicht werden sich Urologen in verschiedene Gruppen aufteilen. Es wird diejenigen geben, die sich weiterbilden und die Fusionsbiopsie in der eigenen
Praxis durchführen, und es wird die Gruppe geben, die an einen
entsprechenden radiologischen Standort verweisen und die Kooperation suchen“, blickt Henkel in die Zukunft. Gute Netzwerke
zwischen Radiologen und Urologen werden daher immer wichtiger. „Auch die Weiterbildung ist ein signifikanter Faktor. Gerade
junge, noch in der Ausbildung befindliche Urologen sollten sich
www.bendergruppe.com
Anlass: sie ermöglicht es Urologen, Patienten mit Verdacht auf
Prostatakarzinom in diese Studie einzubringen, um eine multiparametrische MRT durchzuführen. Zeigt sich auf Dauer, dass der
Urologe dank der multiparametrischen MRT mehr Informationen
erhält und eine bessere Detektionsrate erzielen kann, ist nicht nur
ein wichtiges Ziel für die Studie - und die Patienten - erreicht,
sondern auch die Grundlage für die tiefere Diskussion mit den
Kassen geschaffen.
Dr. med. Thomas Oliver Henkel ist Facharzt
für Urologie und Andrologie sowie Spezialist für
LDR-Brachytherapie der Prostata und Medikamentöse Tumortherapie. Er studierte an der
University of Windsor, Ontario, Kanada und an
der Justus-Liebig-Universität in Gießen Biologie
und Humanmedizin. Seit 2015 betreibt er eine
Praxis in der MEO Clinic, Berlin, wo er auch die LDR Brachytherapie durchführt. Er ist Präsident der Berliner Urologische Gesellschaft e.V., Gründungsmitglied der wissenschaftlichen PROKOMB
Studiengruppe Berlin und Vorstand der Berliner Urologische
Gesellschaft.
Ausgabe N o 5 / Mai 2017
8
MAMMA & KONTRASTMITTEL
Kommt die Renaissance der USPIO-MRT
beim Mammakarzinom?
Die mit ultrakleinem superparamagnetischem Eisenoxid (USPIO) verstärkte MRT könnte in Zukunft die
Sentinel-Node-Biopsie in Zusammenhang mit dem Mammakarzinom ablösen.
„D
as Nodal Staging bei Patientinnen mit Mammakar­
zinom ist ein wichtiger Baustein in der prätherapeutischen Abklärung“, weiß Prof. Dr. med. Saleh, MBA,
Chefarzt des Instituts für Diagnostische und Interventionelle
Radiologie und Kinderradiologie sowie Direktor der Klinik für
Nuklearmedizin am Klinikum Schwabing in München: „Dieses
Staging verfügt über eine erhebliche prognostische Bedeutung
und therapeutische Implikationen.“ Daher wird den Leitlinien
gemäß jede Patientin mit Mammakarzinom klinisch und mit
Ultraschall auf pathologisch vergrößerte Lymphknoten in der
Achselhöhle untersucht. Werden dabei keine pathologisch
vergrößerten Lymphknoten
gefunden, so wird eine sogenannte Sentinel-Node-Biopsie
durchgeführt. Dabei wird der
Wächterlymphknoten (Sentinel Node) entnommen und
untersucht. Weil der Wächterlymphknoten normalerweise
der erste Lymphknoten ist,
der von wandernden Tumorzellen befallen wird, bedeutet
ein negativer Befund mit hoher Wahrscheinlichkeit, dass
das Mammakarzinom noch
nicht metastasiert hat.
Tumoren und im Kopf-Hals-Bereich eingesetzt. Doch die Mittel
wurden nicht in Europa zugelassen, weil – so berichtet Saleh –
die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA die Daten aus den
Effizienzstudien als unzureichend beurteilte. „Die Studien waren
schlecht gemacht“, sagt der Münchener Radiologe geradeheraus. Gegen Ende der Nullerjahre stellten die Hersteller die
Produktion der Kontrastmittel ein. Seither wird die Untersuchungsmethode in Europa nur noch an der Radboud Universität
in Nijmegen, Niederlande, durchgeführt. Das Mammakarzinom
stand bei den alten, qualitativ ungenügenden Studien nicht im
Vordergrund – weniger aus Kalkül, denn aus Zufall, wie Saleh
berichtet. „Grundsätzlich
sinkt zwar der Stellenwert der
Axilla-Diagnostik“, erläutert
der Radiologe: „Aber für die
neue Methode spricht, dass
sie ein invasives Verfahren
ablösen könnte. Ich gehe also
davon aus, dass die USPIOMRT genutzt würde, wäre sie
verfügbar und gesetzt den
Fall, sie ließe sich in Studien
und in der täglichen Routine
so umsetzen, wie sich das im
Moment alle vorstellen.“
Saleh ist sich auch der EinDie Sentinel-Node-Biopsie ist
3D-Darstellung eines Lymphknotenbereichs
schränkungen der Methode
allerdings eine aufwändige
bewusst: „Das Verfahren kann
Prozedur, die eine nuklearmedizinische Diagnostik und den ope- aus methodenimmanenten Gründen keine Mikrometastasen
rativen Eingriff nach sich zieht. Um den Wächterlymphknoten
detektieren.“ Allerdings werden Mikrometastasen, also Tochzu identifizieren, wird ein Radionuklid (99mTechnetium) in oder
tergeschwülste in der Größe von 0,2 bis 2,0 Millimeter, beim
in die Nähe des Tumors gespritzt, das sich dann im Sentinel
Mammakarzinom heutzutage als weniger bedrohlich angesehen
Node anreichert. Tags darauf wird der solcherart markierte
als in früheren Zeiten. Wurden in der Vergangenheit bei einer
Lymphknoten bei einer Operation unter Narkose entnommen.
Sentinel-Node-Biopsie Mikrometastasen gefunden, hat man zur
Sicherheit alle Achsellymphknoten entfernt. „Wenn nur MikDa liegt es nahe, sich nach einer nicht-invasiven Methode für
rometastasen gefunden werden, dann entscheidet sich heute
das Nodal Staging umzusehen. Als Möglichkeit bietet sich hier
ein modernes Tumorboard gegen die Entfernung der axillären
eine Lymphknoten-MRT an, die mittels USPIO verstärkt wird.
Lymphknoten“, berichtet Saleh. Liegen jedoch Makrometasta„Die ersten Ergebnisse sind sehr vielversprechend“, erklärt
sen vor, dann werden bei den meisten Brustkrebspatientinnen
Saleh. Das liege daran, dass Small-Part-Regionen wie die
nach wie vor die Achsellymphknoten herausgenommen.
Achselhöhle mit dem Kernspin sehr gut zu untersuchen seien:
„Die Lymphknoten liegen sehr nah an der Oberfläche und es
Prof. Dr. Andreas Saleh, MBA, ist seit
gibt keine Bewegungsartefakte, die Untersuchung ist also nicht
2011 Chefarzt des Instituts für Diagnostidurch Atmung, Darmbewegung oder Herzschlag limitiert.“ Das
sche und Interventionelle Radiologie und
diagnostische Verfahren sei auch bezüglich Patientenlagerung,
Kinderradiologie, seit 2013 außerdem
Spulentechnik und Sequenzen „vollkommen unkompliziert“, wie
Direktor der Klinik für Nuklearmedizin im
der Radiologe erklärt.
Klinikum Schwabing, München.
Dabei sind USPIO-Kontrastmittel keine neue Entdeckung.
Bereits vor 20 Jahren wurde die USPIO-MRT für das Lymphknoten-Staging beim Prostatakarzinom, bei gynäkologischen
www.bendergruppe.com
Ausgabe N o 5 / Mai 2017
9
RADIOLOGIE MEETS VISZERALMEDIZIN
Flucht aus dem Elfenbeinturm – das neue
Miteinander von Radiologie und Viszeralmedizin
Sie konnten beisammen nicht kommen – ähnlich wie einst um die berühmten Königskinder war es lange Zeit auch um die
Radiologen und Viszeralmediziner bestellt. Ein echter Austausch zwischen den Disziplinen fand im Klinikalltag kaum statt.
V
on diesen wenig märchenhaften Verhältnissen ist man
aber mittlerweile ein ganzes Stück entfernt, erklärt
Prof. Dr. Wolfgang Schima, Vorstand der Abteilung für
Diagnostische und Interventionelle Radiologie der Vinzenzgruppe in Wien. Er wird im kommenden Oktober auf dem von
netzwerk wissen organisierten 11. Petersberger Symposium
in Bonn vortragen, das unter dem Motto „Radiologie meets
Viszeralmedizin“ steht. „Meet“, also das Zusammentreffen, ist
dabei das Schlüsselwort, denn inzwischen hat die Kooperation
zwischen den Disziplinen begonnen.
Die klassische Abgrenzung zwischen Radiologie und Chirurgie
hält Prof. Schima für wenig praxisnah: „Bei vielen Erkrankungen
ist die Behandlung zu einer multidisziplinären Angelegenheit
Bei einem Patienten mit Lebermetastasen kann die Intervention etwa so aussehen, dass Chirurg und Radiologe gemeinsam
im OP stehen: Der Chirurg schneidet die eher oberflächlichen
Metastasen heraus, und der interventionelle Radiologe behandelt per Tumorablation die schwer zugänglichen Herde tief im
Parenchym.“ Diese Herangehensweise nützt dem Patienten, da
bei einem rein chirurgischen Eingriff viel gesundes Parenchym
geopfert werden müsste, um an alle Metastasen heranzukommen.
Auch in der Diagnostik hat sich die Rollenverteilung verändert:
„Die Radiologie hat gottseidank in den vergangenen Jahren die
Flucht aus dem Elfenbeinturm angetreten und ist mittlerweile
ganz entscheidend eingebunden in den Behandlungsprozess“,
stellt Schima fest. „Der Radiologe sitzt
nicht mehr nur in einem Befundraum und
hofft, dass seine Befunde auch gelesen
und verstanden werden.“
Auch die fachliche Distanz zwischen
Radiologen und Klinikern schmilzt laut
­Schima dahin: „Man entwickelt ein gegenseitiges Verständnis: Der Radiologe
erkennt die Nöte des Klinikers – und der
wiederum versteht, wo die Grenzen der
Methoden liegen, etwa, wenn etwas mit
dem Ultraschall oder CT nicht darstellbar
ist.“ Das gegenseitige Feedback wirkt
sich positiv auf die gemeinsamen Interventionen aus, da das Verständnis zum
Vorgehen tiefer ist, wenn alle Aspekte der
Behandlung in Betracht gezogen werden.
So ist der Umgang der beiden Disziplinen inzwischen geprägt vom Voneinander-Lernen-Wollen. „Wenn man sich als
Radiologe aktiv einbringt, gibt es eigentlich keinen Chirurgen, der diese Hilfestellung nicht dankend annehmen würde“, so
Prof. Schima.
Die Multidetektor-CT zeigt ein kleines, resektables Pankreaskarzinom (Pfeile) mit Stenose des
Natürlich hat dieses Miteinander auch
Limitationen, betont der Experte. In der
Unfallchirurgie beispielsweise, wo große Mengen an nativen
Röntgenbildern in sehr kurzer Zeit angefertigt werden, deren
Befunde dann nicht immer auch noch kommuniziert werden
können.
D. pancreaticus (kleiner Pfeil), jedoch ohne Gefäßinfiltration.
geworden, vor allem in der Onkologie.“ So finden in seiner
Klinik wöchentlich Tumorboards statt, bei denen alle an der
Behandlung beteiligten Fachrichtungen vertreten sind. „Chirurgen, Onkologen, Gastroenterologen, Radiologen, Pathologen,
Strahlentherapeuten – sie alle kommen zusammen und legen
gemeinsam die Behandlung für den Patienten fest“, sagt der
Radiologe. „Sehr oft erwächst daraus ein multimodales Behandlungskonzept.“
www.bendergruppe.com
Die eigentliche Hürde stellt für Schima der rasche Klinikbetrieb
dar, in dem es oft darum geht, in kürzester Zeit möglichst viele
Patienten zu behandeln. „Dann kommt es schon mal vor, dass
Ausgabe N o 5 / Mai 2017
10
die nötigen Informationen aus Zeitmangel nicht vor einer Untersuchung ausgetauscht werden, sondern erst im Nachhinein
– das kann zu Missverständnissen führen.“
Und natürlich können Radiologen trotz ihrer mannigfaltigen
Möglichkeiten nicht immer alle Informationen liefern, die ein
Viszeralchirurg benötigt, betont der Experte: „Es wird immer
Limitationen der Methoden und Verfahren geben, bei der
Computertomographie etwa die Auflösung der Bilder.“ Bei
Pankreaskarzinomen kann nicht immer mit 100%iger Sicherheit
beurteilt werden, ob ein Gefäß infiltriert ist oder nicht. „Leider
ist das aber oft der Knackpunkt um zu entscheiden, ob das
Karzinom radikal erfolgreich operiert werden kann oder nicht.“
Innovative Techniken in der Computertomographie, Magnetresonanztomographie und beim PET-CT haben allerdings zu
großen Fortschritten geführt, so dass der limitierende Faktor
mittlerweile oft nicht mehr die mangelnde Bildschärfe, sondern die schiere Informationsfülle ist. „Eine CT-Untersuchung
umfasst heute gut und gerne 2.000 Bilder pro Patient, die alle
evaluiert werden müssen.“ So hofft auch Schima auf DeepLearning-­Methoden, die dem menschlichen Radiologen viel
www.bendergruppe.com
Arbeit abnehmen können, etwa bei der Vermessung von Metastasen. „Ich bin da sehr optimistisch und habe keine Befürchtungen, dass der Radiologe ersetzt wird. Durch den ständigen
Austausch mit den übrigen Disziplinen ist der Radiologe mittlerweile die zentrale Informationsdrehscheibe im Klinikalltag“,
so Schima abschließend.
Prof. Dr. Wolfgang Schima, MSc, ist
Facharzt für Radiologie und Abteilungsleiter der Abteilung für Diagnostische
und Interventionelle Radiologie am
Göttlicher Heiland Krankenhaus, Barmherzige Schwestern Krankenhaus und St.
Josef-Krankenhaus der Vinzenzgruppe
in Wien. Er war von 2008 bis 2009 Präsident der International Cancer Imaging
Society (ICIS), von 2005 bis 2009 Member of the Board of Directors der European Society of Gastrointestinal and Abdominal
Radiology (ESGAR) und von 2011–2017 Member of the European
Board of Radiology (EBR). Darüber hinaus war Schima von 2014
bis 2016 Präsident der Österreichischen Röntgengesellschaft.
Ausgabe N o 5 / Mai 2017
11
Herunterladen