Dr. Claus-Günter Frank und Lothar Gebhard unter Mitarbeit von Johannes Schornstein Mathematik Jahrgangsstufe 2 Berufliche Gymnasien Lineare Algebra mit Anwendungen, Vektorgeometrie und Stochastik Bestellnummer 33522 Bildungsverlag EINS www.bildungsverlag1.de Gehlen, Kieser und Stam sind unter dem Dach des Bildungsverlages EINS zusammengeführt. Bildungsverlag EINS Sieglarer Straße 2, 53842 Troisdorf ISBN 3-427-33522-4 Copyright 2005: Bildungsverlag EINS GmbH, Troisdorf Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Nutzung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Hinweis zu § 52a UrhG: Weder das Werk noch seine Teile dürfen ohne eine solche Einwilligung eingescannt und in ein Netzwerk eingestellt werden. Dies gilt auch für Intranets von Schulen und sonstigen Bildungseinrichtungen. 3 Vorwort Vorwort Die Oberstufe der beruflichen Gymnasien in Baden-Württemberg wurde in den letzten Jahren grundlegend umgestaltet. Grund- und Leistungskurse entfallen, jede Schülerin und jeder Schüler muss nunmehr einen vierstündigen Mathematik-Kurs besuchen. Aufgrund dieser Änderungen war es erforderlich, die Lehrbücher „Lineare Algebra für Wirtschaftsgymnasien“ (03208) und „Stochastik für Wirtschaftsgymnasien“ (03228) vollständig zu überarbeiten und zu ergänzen. Der hier vorliegende Band „Mathematik für die Jahrgangsstufe 2“ enthält neben der Stochastik die Grundlagen der Linearen Algebra und die drei im Bildungsplan aufgeführten Schwerpunkte der Linearen Algebra, von denen an den nichttechnischen beruflichen Gymnasien einer zu wählen ist. Am technischen Gymnasium besteht diese Wahlmöglichkeit nicht, es muss die Vektorgeometrie behandelt werden. Eine weitere wesentliche Änderung ist die Zulassung des grafikfähigen Taschenrechners (GTR) als allgemeines Werkzeug. Wir geben ihm in diesem Buch drei Aufgabenbereiche: • Als Kontrolleur bei Aufgaben, die der Schüler von Hand (händisch) lösen soll. Der Schüler kann nun häufig selbstständig beurteilen, ob seine Lösung richtig ist oder nicht. • Als Rechner, der manche umfangreiche und schwierige Rechenarbeit übernimmt und so die Bearbeitung weiterer interessanter Aufgaben ermöglicht. • Als Ideengeber, da der Schüler experimentieren kann, bis ihm die richtige Idee kommt. Wir haben uns auf ein Modell, den TI-83 plus, beschränkt, weil dieses nach unseren Beobachtungen an den meisten beruflichen Gymnasien eingeführt ist und es lineare Gleichungssysteme lösen und mit Matrizen rechnen kann. Allerdings haben wir bewusst darauf verzichtet, die Bedienung des Rechners in den Vordergrund zu stellen. Deshalb können alle Aufgaben und Beispiele auch mit anderen Modellen bearbeitet werden. Unser Ziel ist es, den Schülern zu vermitteln, das Werkzeug GTR vernünftig einzusetzen: Wann sollte etwas von Hand gerechnet und wann dem Rechner überlassen werden, wann können sie den Rechenergebnissen vertrauen und wann nicht. In der Stochastik eröffnet die Programmierung des GTR ein Tor zu vielen interessanten Beispielen und Simulationen. Anregungen dazu finden sich im Buch. Bewährte Aufgaben aus den oben erwähnten Büchern wurden übernommen und gegebenenfalls so geändert und ergänzt, dass sie den Anforderungen des neuen Bildungsplans genügen. Unser besonderer Dank gilt Herrn Bernd Friebe, der durch seine Ideen und Anregungen zur Verbesserung des Buches beitrug. Für Anregungen und Korrekturen sind wir dankbar und werden sie gerne in der nächsten Auflage berücksichtigen. Sommer 2005 Die Verfasser Inhaltsverzeichnis 1 Lineare Gleichungssysteme 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6 1.7 1.8 1.8.1 1.8.2 1.8.3 Beispiele und Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lineare Gleichungssysteme mit zwei Variablen . . . . . . Lineare Gleichungssysteme in Stufenform . . . . . . . . . . Der Gauß’sche Algorithmus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lineare Gleichungssysteme, Matrizen und der GTR . . Lineare Gleichungssysteme mit Parametern . . . . . . . . . Homogene und inhomogene lineare Gleichungssysteme Matrizen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Addition und skalare Multiplikation . . . . . . . . . . . . . . Matrizenmultiplikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Transponieren einer Matrix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Wirtschaftliche Anwendungen 2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.2 2.3 2.4 2.4.1 2.4.2 Die inverse Matrix . . . . . . . . . . . . . . . Definition der inversen Matrix . . . . . . Berechnung inverser Matrizen . . . . . . . Rechenregeln und Anwendungen . . . . Lineare Matrizengleichungen . . . . . . . . Mehrstufige Produktionsprozesse . . . . Input-Output-Modell . . . . . . . . . . . . . Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen Das Leontief-Modell . . . . . . . . . . . . . . 3 Lineare Optimierung 3.1 3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.4 3.2.5 3.2.6 Grafische Lösung von linearen Optimierungsproblemen . . . . . . . Ein Maximum-Problem und die grafische Lösung . . . . . . . . . . . . Ein Minimum-Problem und die grafische Lösung . . . . . . . . . . . . Sonderfälle bei der Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Simplex-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Woher kommt der Name Simplex? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Hauptsatz der linearen Optimierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Simplex-Algorithmus – Ausführliche Berechnung der Lösung Die Simplex-Tabelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Auswahl des Pivot-Elementes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonderfälle bei der Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Geometrie 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 4.6 Anschauungsraum und Koordinatensystem Parallelverschiebungen und Vektoren . . . . . Rechnen mit Vektoren . . . . . . . . . . . . . . . Geraden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ebenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schnitt von Geraden und Ebenen . . . . . . . .............................. . . . . . . . . . . . 7 8 12 15 23 31 36 41 41 47 56 ............................ 59 . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 59 61 65 70 75 88 88 89 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 108 110 110 114 114 115 117 120 123 124 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 131 136 146 149 153 5 Vorwort 4.6.1 4.6.2 4.6.3 4.6.4 4.7 4.7.1 4.7.2 4.8 4.8.1 4.8.2 4.8.3 Punkt – Gerade; Punkt – Ebene . . Gerade – Gerade . . . . . . . . . . . . . . Gerade – Ebene . . . . . . . . . . . . . . Ebene – Ebene . . . . . . . . . . . . . . . Das Skalarprodukt zweier Vektoren Die Länge eines Vektors . . . . . . . . Das Skalarprodukt . . . . . . . . . . . . Abstände (Johannes Schornstein) . . Punkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ebenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geraden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Stochastik 5.1 5.1.1 5.1.2 5.1.3 5.2 5.2.1 5.2.2 5.3 5.3.1 5.3.2 5.4 5.4.1 5.4.2 5.4.3 5.4.4 5.5 Grundlagen der Wahrscheinlichkeitsrechnung . . . . . . . . . . . . . . . Deterministisches und stochastisches Experiment . . . . . . . . . . . . . Von der relativen Häufigkeit zur Wahrscheinlichkeit . . . . . . . . . . Was ist Wahrscheinlichkeit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechnen mit Wahrscheinlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regeln zur Berechnung von Wahrscheinlichkeiten, Baumdiagramm Laplace-Wahrscheinlichkeit und Kombinatorik . . . . . . . . . . . . . . Bedingte Wahrscheinlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Zufallsgröße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Definition der Zufallsgröße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wahrscheinlichkeits- und Verteilungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . Erwartungswert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Varianz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Binomialverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 154 157 159 168 168 170 177 177 178 180 (Johannes Schornstein) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 187 193 200 203 204 209 222 222 229 234 234 236 238 240 246 6 Zeichen und Begriffe Zeichen und Begriffe A ⫽ {0; 1; 2; 3} A ⫽ {x ⱍ x 苸 ⺞ ∧ x ⬍ 4} aufzählende Form einer endlichen Menge beschreibende Form einer endlichen Menge; A ist die Menge aller x, für die gilt: x ist eine natürliche Zahl und x ist kleiner als 4. 2僆A 2 ist Element von A. 4僆A 4 ist kein Element von A. { } oder 0 leere Menge; Sie enthält kein Element. D Definitionsbereich, Definitionsmenge W Wertebereich, Wertemenge L Lösungsmenge ⺞ ⫽ {0; 1; 2; …} Menge der natürlichen Zahlen (einschließlich der Null) ⺪ ⫽ {…; ⫺2; ⫺1; 0; 1; 2; …} Menge der ganzen Zahlen ⺡ Menge der rationalen Zahlen ⺢ Menge der reellen Zahlen ⺞*, ⺪*, ⺡*, ⺢* Mengen ⺞, ⺪, ⺡, ⺢ ohne die Null ⺪ +, ⺡ +, ⺢ + positive Zahlen der Mengen ⺪, ⺡, ⺢ (einschließlich der Null) ⺪*+ , ⺡*+ , ⺢*+ positive Zahlen der Mengen ⺪, ⺡, ⺢ (ohne die Null) ⺪ ⫺, ⺡ ⫺, ⺢ ⫺ negative Zahlen der Mengen ⺪, ⺡, ⺢ (einschließlich der Null) ⺪*⫺, ⺡*⫺, ⺢*⫺ negative Zahlen der Mengen ⺪, ⺡, ⺢ (ohne die Null) aជ , bជ , cជ Vektoren (Spaltenvektoren) aជ T, bជ T, cជT transponierte Vektoren (Zeilenvektoren) A, B, C Matrizen A⫺1 inverse Matrix zu A Einheitsmatrix E O Nullmatrix E⫺A Leontief-Matrix (E ⫺ A)⫺1 Leontief-Inverse P(x1/x2), Q(x/y) Punkte der Ebene P(x1/x2/x3), Q(x/y/z) Punkte des Anschauungsraums O(0/0), O(0/0/0) Ursprung AB Strecke zwischen den Punkten A und B > OA ⫽ aជ Vektor vom Ursprung O zum Punkt A; Ortsvektor von A > > > AB ⫽ OB⫺OA Vektor von A nach B X häufig beliebiger Punkt auf einer Geraden, Ebene, … > OX ⫽ xជ Ortsvektor von X g Gerade E Ebene aជ * bជ Skalarprodukt der Vektoren aជ und bជ |aជ | Länge (Betrag) des Vektors aជ nជ Normalenvektor 1 1.1 Lineare Gleichungssysteme Beispiele und Definition 10 Rosen und 6 Gerbera kosten 22,00 A. Wieviel kostet eine Rose und wieviel eine Gerbera? Herr Schweizer startet um 10:00 Uhr in der Schwarzwaldstrasse in Basel und fährt mit der konstanten Geschwindigkeit 60 km h Richtung Freiburg, Frau Deutschmann beginnt 10:20 Uhr in der Schwarzwaldstraße in Freiburg die Fahrt nach Basel. Ihr Auto hat die konstante Geschwindigkeit 75 km h . Die beiden Startpunkte liegen 70,9 km voneinander entfernt. Wann und wo begegnen sie sich? Ein Automat akzeptiert Münzen zu 50 Cent, 1,00 A und 2,00 A. Als er geleert wird, enthält er 345 Münzen im Wert von 366,00 A, die zusammen 2,7477 kg wiegen. Wie viele Münzen von jeder Sorte sind es? 8,5 g 7,5 g 7,8 g Aus 20 Litern 60 %iger und 10 Litern 85 %iger Salzsäure sollen 10 Liter 65 %iger, 10 Liter 70 %iger und 10 Liter 75 %iger Salzsäure hergestellt werden. Ist das möglich? Die Vorgehensweise beim Lösen ist in allen Beispielen die gleiche. Eine Antwort auf die gestellte Frage findet man, indem man mithilfe der Angaben Gleichungen aufstellt. Die Gleichungen, die zu einem Problem gehören, bilden ein Gleichungssystem. Seine Lösungsmenge besteht aus den gemeinsamen Lösungen aller Gleichungen eines Problems. Hier behandeln wir die Lösung linearer Gleichungssysteme. Ein lineares Gleichungssystem (LGS) besteht aus linearen Gleichungen, die Unbekannten kommen also in den Gleichungen ausschließlich in der ersten Potenz vor. 8 1 Lineare Gleichungssysteme beispiele 3x⫹2y⫺4z⫽ 5 6 x ⫺ 5 y ⫹ z ⫽ ⫺6 2 x ⫹ 2 y ⫺ 3 z ⫽ 12 11 a ⫹ 2 b ⫽ 43 13 a ⫹ 5 b ⫽ 12 6 a ⫺ 12 b ⫽ 21 ⫺3 x1 ⫹ 5 x2 ⫹ 5 x3 ⫹ 2 x4 ⫽ 23 3 x1 ⫹ 8 x2 ⫺ 2 x3 ⫹ 7 x4 ⫽ 11 9 x1 ⫹ 5 x2 ⫺ 8 x3 ⫹ x4 ⫽ 21 Die Unbekannten oder Variablen werden meist mit x, y, z oder x1, x2, x3, … bezeichnet, aber auch andere Buchstaben kommen vor. Die Anzahl der Variablen und die Anzahl der Gleichungen eines Gleichungssystems hängen vom jeweiligen Problem ab. Es ist nicht zwingend, dass es genauso viele Gleichungen wie Variable gibt. Im Extremfall kann ein Gleichungssystem aus einer Gleichung bestehen. 1.2 Lineare Gleichungssysteme mit zwei Variablen In diesem Abschnitt betrachten wir lineare Gleichungssysteme mit zwei Variablen und fassen bereits bekannte Tatsachen zusammen. In einer linearen Gleichung mit einer Variablen, z. B. 5 x ⫹ 11 ⫽ 31, kann man die Variable x durch jede reelle Zahl ersetzen und erhält dann eine wahre oder eine falsche Aussage. Man sagt, die Definitionsmenge dieser Gleichung ist die Menge der reellen Zahlen oder auch kurz D ⫽ ⺢. Die Lösungsmenge enthält die Zahlen der Definitionsmenge, die eingesetzt in die Gleichung eine wahre Aussage ergeben. In obigem Beispiel ist L ⫽ {4}. Ist eine lineare Gleichung mit zwei Variablen gegeben, z. B. 4 x1 ⫹ 2 x2 ⫽ 6, muss für x1 und für x2 jeweils eine Zahl eingesetzt werden. Dann kann entschieden werden, ob sich eine wahre oder falsche Aussage ergibt. Die Definitionsmenge dieser Gleichung enthält also alle geordneten Zahlenpaare1, kurz D ⫽ ⺢ ⫻ ⺢. Jedem geordneten Zahlenpaar entspricht ein Punkt im Koordinatensystem und umgekehrt. Das Zahlenpaar (3; 1) ergibt die falsche Aussage 4 ⋅ 3 ⫹ 2 ⋅ 1 ⫽ 6 und gehört deshalb nicht zur Lösungsmenge der Gleichung. Dagegen ist das Zahlenpaar (2; ⫺1) ein Element der Lösungsmenge, da 4 ⋅ 2 ⫹ 2 ⋅ (⫺1) ⫽ 6 eine wahre Aussage ist. Zur Lösungsmenge obiger Gleichung gehört aber nicht nur dieses Zahlenpaar, sondern unendlich viele. (⫺2; 7), (⫺1; 5), (1,5; 0), (0; 3) oder (4; ⫺5) sind einige dieser unendlich vielen Elemente der Lösungsmenge. Markiert man im Koordinatensystem die Punkte, die den Zahlenpaaren der Lösungsmenge entsprechen, dann stellt man fest, dass sie auf der Geraden mit der Gleichung x2 ⫽ ⫺2 x1 ⫹ 3 liegen. Umgekehrt stellt jeder Punkt dieser Geraden eine Lösung der Gleichung 4 x1 ⫹ 2 x2 ⫽ 6 dar. 1 Die Produktmenge D ⫽ ⺢ ⫻ ⺢ besteht aus allen geordneten Paaren (x; y), wobei x 僆 ⺢ und y 僆 ⺢: ⺢ ⫻ ⺢ ⫽ {(x; y) | x 僆 ⺢ und y 僆 ⺢}. 1 9 Lineare Gleichungssysteme mit zwei Variablen Sieht man von den beiden Sonderfällen 0 x1 ⫹ 0 x2 ⫽ 0, der von jedem Zahlenpaar gelöst wird, und z. B. 0 x1 ⫹ 0 x2 ⫽ 7, der keine Lösung hat, ab, lässt sich die Lösungsmenge jeder linearen Gleichung mit zwei Variablen als Gerade im Koordinatensystem darstellen. Für die Lösungsmenge eines LGS mit zwei Variablen und mindestens zwei Gleichungen ergeben sich drei Möglichkeiten: 1. Die Geraden haben keinen gemeinsamen Punkt, die Lösungsmenge des LGS ist die leere Menge. beispiele 3 x1 ⫹ 9 x2 ⫽ 9 (1) 2 x1 ⫹ 6 x2 ⫽ 0 (2) ⫺x1 ⫹ x2 ⫽ 2 (1) ⫺2 x1 ⫹ x2 ⫽ ⫺1 (2) 3 x1 ⫹ 3 x2 ⫽ ⫺3 (3) 2. Die Geraden verlaufen durch einen gemeinsamen Punkt, die Lösungsmenge des LGS wird grafisch durch den Schnittpunkt dargestellt, d. h. sie besteht aus einem geordneten Zahlenpaar. beispiele x1 ⫹ 2 x2 ⫽ 4 (1) 2 x1 ⫺ 2 x2 ⫽ 2 (2) x1 ⫹ x2 ⫽ 2 (1) 3 x1 ⫺ 3 x2 ⫽ 0 (2) 2 x1 ⫹ x2 ⫽ 3 (3) S (1/1) 10 1 Lineare Gleichungssysteme 3. Die Geraden fallen zusammen, jede einzelne Gleichung hat dieselbe Lösungsmenge, die dann auch die Lösungsmenge des LGS ist. Sie enthält unendlich viele geordnete Zahlenpaare. beispiel 3 x1 ⫹ 2 x2 ⫽ 6 (1) 6 x1 ⫹ 4 x2 ⫽ 12 (2) Die beiden Geraden sind identisch. Jeder der unendlich vielen Punkte auf den Geraden ist eine Lösung der beiden Gleichungen. Die Lösungsmenge enthält unendlich viele Elemente. (2) Wie oben erwähnt kann jede einzelne der Gleichungen außer einer unendlichen Teilmenge von ⺢ ⫻ ⺢, die im Achsenkreuz als Gerade dargestellt werden kann, die leere Menge oder ⺢ ⫻ ⺢ als (1) Lösungsmenge haben. Berücksichtigt man dies, erhöht sich die Zahl der Kombinationen bei der Lösungsmenge des Gleichungssystems. Rechnerisch wurden lineare Gleichungssysteme mit zwei Variablen und zwei Gleichungen in der Mittelstufe mit dem • Einsetzungsverfahren (und dem Gleichsetzungsverfahren als Spezialfall davon) und dem • Additionsverfahren gelöst. Das Additionsverfahren lässt sich am besten auf lineare Gleichungssysteme mit mehreren Variablen übertragen. Die Grundidee des Additionsverfahrens ist, ein geeignetes Vielfaches der einen Gleichung zur zweiten zu addieren, damit eine Variable herausfällt. Das ist immer möglich, wie folgendes Beispiel zeigt. Die beiden Gleichungen des LGS sind 3 x1 ⫹ 2 x 2 ⫽ 9 7 x 1 ⫹ 9 x2 ⫽ 8 Das Wievielfache der ersten Gleichung muss zur zweiten addiert werden, damit x1 herausfällt? Man teilt zuerst die erste Gleichung durch den Koeffizienten von x1, multipliziert sie dann mit dem Koeffizienten von x1 aus der zweiten Gleichung und achtet schließlich noch auf entgegengesetzte Vorzeichen. 3x1 1x1 7x1 –7x1 :3 ·7 Vorzeichen ·(– –37 ) Rechnung 3 x1 ⫹ 2 x2 ⫽ 9 7 x 1 ⫹ 9 x2 ⫽ 8 (1) (2) 1 11 Lineare Gleichungssysteme mit zwei Variablen ⫺73 ⋅ (1) (1) ⫹ (2) ausführlich ⫺7 x1 ⫺ 14 3 x2 ⫽ ⫺21 7 x 1 ⫹ 9 x2 ⫽ 8 kürzer (1) 3 x1 ⫹ 2 x2 ⫽ ⫺ 9 7 13 (2) ⫺3 ⋅ (1) ⫹ (2) 3 x2 ⫽ ⫺13 ⫺7 x1 ⫺ 14 3 x2 ⫽ ⫺21 13 3 x2 ⫽ ⫺13 (1) (2) (1) (2) Nach der Division durch 13 3 folgt aus der letzten Gleichung x2 ⫽ ⫺3. Setzt man diesen Wert in die erste Gleichung 3 x1 ⫹ 2 ⋅ (⫺3) ⫽ 9 ein, erhält man x1 ⫽ 5. Satz 1.1 Die Addition einer Gleichung eines LGS zu einer anderen ändert die Lösungsmenge des LGS nicht. Überzeugen Sie sich durch Einsetzen, dass (3; 7) zur Lösungsmenge jeder der beiden Gleichungen des LGS 3 x1 ⫺ 2 x2 ⫽ ⫺5 ⫺2 x1 ⫹ x2 ⫽ 1 gehört. Addiert man die erste Gleichung zur zweiten, ergibt sich das LGS 3 x1 ⫺ 2 x2 ⫽ ⫺5 (3 x1 ⫺ 2 x2) ⫹ (⫺2 x1 ⫹ x2) ⫽ ⫺5 ⫹ 1. Setzt man in die neue zweite Gleichung 3 für x1 und 7 für x2 ein, ergibt sich ebenfalls eine wahre Aussage, da die erste Klammer den Wert ⫺5 und die zweite den Wert 1 annimmt. Jede Lösung des LGS vor dem Addieren der beiden Gleichungen ist auch Lösung des LGS nach dem Addieren der beiden Gleichungen. Es wäre denkbar, dass durch die Addition zweier Gleichungen zwar keine Lösungen verloren gehen, aber neue Lösungen hinzukommen. Um diese Frage zu klären, betrachten wir folgendes LGS: 8 x 1 ⫹ 5 x2 ⫽ 1 2 x1 ⫹ 3 x2 ⫽ ⫺5 Addiert man die erste zur zweiten Gleichung, ergibt sich 8 x 1 ⫹ 5 x2 ⫽ 1 10 x1 ⫹ 8 x2 ⫽ ⫺4 Überzeugen Sie sich durch Einsetzen, dass das Zahlenpaar (2; ⫺3) zur Lösungsmenge des neuen LGS gehört. Die zweite Gleichung des neuen LGS entstand durch die Addition der ersten Gleichung des alten LGS zur zweiten: (8 x1 ⫹ 5 x2) ⫹ (2 x1 ⫹ 3 x2) ⫽ 1 ⫹ (⫺5). Setzt man 2 für x1 und ⫺3 für x2 ein, ergibt sich eine wahre Aussage. Da dieses Zahlenpaar auch die erste Gleichung des neuen LGS löst, nimmt die erste Klammer den Wert 1 an. Deshalb muss die zweite Klammer den Wert ⫺5 annehmen. Das bedeutet, dass das Zahlenpaar (2; ⫺3) auch eine Lösung der alten zweiten Gleichung 2 x1 ⫹ 3 x2 ⫽ ⫺5 und damit des alten LGS ist. 12 1 Lineare Gleichungssysteme Diese Überlegungen wurden anhand zweier konkreter LGS durchgeführt. Es ist aber offensichtlich, dass sie für jedes andere LGS, unabhängig von der Anzahl seiner Variablen, genauso gelten. aufgaben Bestimmen Sie unter Verwendung des Additionsverfahrens die Lösung: 01 a) 3 x1 ⫹ 2 x2 ⫽ ⫺4 4 x1 ⫺ 32 x2 ⫽ d) 02 1 3 x1 ⫺ 2x2 7 23 4 x1 ⫺ 2 x2 ⫽ 17 04 c) ⫺2 x1 ⫹ 0,8 x2 ⫽ 1,6 1 2 3 e) ⫽ 34 x1 ⫺ 13 x2 ⫽ 3 x1 ⫹ 12 x2 ⫽ 1 f) 37 2 1 8 3 ⫺5 8 5 x1 ⫹ 13 x2 ⫽ 1 5 x1 ⫹ 16 x2 ⫽ 0 x1 ⫺ 8 x 2 ⫽ 1 ⫺x1 ⫹ 5 x2 ⫽ 15 Geben Sie ein lineares Gleichungssystem mit 2 Variablen an, das folgende Lösungsmenge hat: a) L ⫽ {(3; 7)} 03 b) ⫺5 x1 ⫹ 2 x2 ⫽ 3 b) L ⫽ {(⫺1; 8)} c) L ⫽ {(12 ; 56)} Lösen Sie folgende lineare Gleichungssysteme mit 2 Variablen. Interpretieren Sie die Ergebnisse grafisch. a) ⫺2 x1 ⫹ x2 ⫽ ⫺1 x 1 ⫹ x2 ⫽ 5 x1 ⫺ 2 x2 ⫽ ⫺4 b) 3 x1 ⫹ 2 x2 ⫽ 1 ⫺3 x1 ⫹ x2 ⫽ 5 x1 ⫹ 7 x2 ⫽ 13 c) x1 ⫹ x2 ⫽ ⫺2 2 x1 ⫹ x2 ⫽ 1 ⫺4 x1 ⫹ 12 x2 ⫽ 24 d) ⫺7 x1 ⫹ 4 x2 ⫽ 13 4 x1 ⫹ 3 x2 ⫽ 19 3 x 1 ⫺ 7 x2 ⫽ 5 e) 2 x1 ⫺ x2 ⫽ 0 3 x1 ⫹ 2 x2 ⫽ 0 2 x1 ⫹ 4 x2 ⫽ 0 f) 6 x1 ⫺ 3 x2 ⫽ 9 ⫺2 x1 ⫹ x2 ⫽ 1 x1 ⫺ 2 x2 ⫽ 1 Geben Sie ein a) eindeutig lösbares b) unlösbares c) mehrdeutig lösbares lineares Gleichungssystem mit 2 Variablen und 3 Gleichungen an. 05 Maier und Müller sollen zusammen eine bestimmte Arbeit verrichten. Wenn beide daran arbeiten, so wird sie in 2,4 Tagen fertig. Wenn Maier einen Tag und Müller zwei Tage daran arbeiten, werden 23 der Arbeit fertig. Wie viele Tage braucht jeder alleine für die Arbeit? 06 A chemist has two concentrates of acid: a 20 % solution and a 25 % solution. How much of each solution should be mixed to get 80 milliliters of a 23.75 % solution? 1.3 Lineare Gleichungssysteme in Stufenform Die Lösungsmenge eines linearen Gleichungssystems folgenden Typs lässt sich einfach bestimmen. 2 x1 ⫺ x2 ⫹ 2 x3 ⫺ 3 x4 ⫽ ⫺19 x2 ⫹ x3 ⫹ 5 x4 ⫽ 13 ⫺ 4 x3 ⫺ 2 x4 ⫽ 10 3 x4 ⫽ 9 (1) (2) (3) (4) 1 Lineare Gleichungssysteme in Stufenform 13 Man nennt diese Form eines Gleichungssystems Stufenform oder Dreiecksform1. Beim linearen Gleichungssystem mit 2 Variablen ergab sich am Ende, nachdem aus einer Gleichung eine Lösungsvariable herausgefallen war, ebenfalls Stufenform. Aus Gleichung (4) folgt sofort: x4 ⫽ 3. Setzt man diese Lösung in (3) ein, erhält man eine Gleichung mit einer Unbekannten: ⫺4 x3 ⫺ 6 ⫽ 10 x3 ⫽ ⫺4 Nachdem x4 und x3 bekannt sind, lässt sich x2 aus (2) berechnen: x2 ⫺ 4 ⫹ 15 ⫽ 13 x2 ⫽ 2 und damit x1 aus (1): 2 x1 ⫺ 2 ⫺ 8 ⫺ 9 ⫽ ⫺19 x1 ⫽ 0 Die Lösungsmenge des Gleichungssystems ist L ⫽ {(0; 2; ⫺4; 3)}. • Die Lösung eines Gleichungssystems in Stufenform ist eindeutig bestimmt (d. h. es gibt genau eine Lösung), wenn der Koeffizient von x1 in der ersten Gleichung, von x2 in der zweiten Gleichung, von x3 in der dritten Gleichung usw. ungleich null ist. • Unlösbar dagegen ist das nachstehende Gleichungssystem: 3 x 1 ⫹ 2 x2 ⫹ 3 x3 ⫽ 1 ⫺7 x2 ⫹ 3 x3 ⫽ ⫺2 0 x3 ⫽ 5 Da die letzte Gleichung keine Lösung hat, ist auch das LGS unlösbar. Man kann für x3 jede Zahl einsetzen, die Aussage wird nie wahr! • Unendlich viele Lösungen hat im Gegensatz dazu das LGS 3 x1 ⫹ 2 x2 ⫹ 3 x3 ⫽ 1 (1) ⫺7 x2 ⫹ 3 x3 ⫽ ⫺2 (2) 0 x3 ⫽ 0 (3) Beispielweise stimmt Gleichung (3) für x3 ⫽ 4. Aus Gleichung (2) erhält man dann: ⫺7 x2 ⫹ 3 ⋅ 4 ⫽ ⫺2 bzw. x2 ⫽ 2 Setzt man diese beide Werte in Gleichung (1) ein, kann man x1 berechnen: 3 x1 ⫹ 2 ⋅ 2 ⫹ 3 ⋅ 4 ⫽ 1 3 x1 ⫽ ⫺15 x1 ⫽ ⫺5 Eine Lösung des LGS ist (⫺5; 2; 4). Gleichung (3) stimmt aber auch für x3 ⫽ ⫺10. Aus Gleichung (2) ergibt sich dann x2 ⫽ ⫺4 und aus Gleichung (1) folgt x1 ⫽ 13. Eine weitere Lösung des LGS ist (13; ⫺4; ⫺10). 1 Ausführlich müsste man schreiben: 2x1 ⫺ x2 ⫹ 2x3 ⫺ 3x4 ⫽⫺19 0x1 ⫹ x2 ⫹ x3 ⫹ 5x4 ⫽ 13 0x1 ⫹ 0x2 ⫺ 4x3 ⫺ 2x4 ⫽ 10 0x1 ⫹ 0x2 ⫹ 0x3 ⫹ 3x4 ⫽ 9 Da aus dem Zusammenhang hervorgeht, dass die Gleichungen vier Variable haben, wird das Mitführen der Summanden 0x1, 0x2 und 0x3 verzichtet. (1) (2) (3) (4) auf 14 1 Lineare Gleichungssysteme Dieses Verfahren kann man so fortsetzen, das LGS hat offenbar unendlich viele Lösungen, da für x3 jede beliebige Zahl gewählt werden kann. Um die Lösungsmenge des LGS trotzdem darstellen zu können, setzt man x3 ⫽ k mit k 僆 ⺢ und berechnet dann mithilfe der beiden anderen Gleichungen x2 und x1. ⫺7 x2 ⫹ 3 k ⫽ ⫺2 ⫺7 x2 ⫽ ⫺3 k ⫺2 x2 ⫽ 37 k ⫹ 27 3 2 • Aus (1) ergibt sich: 3 x1 ⫹ 2 ⋅ (7 k ⫹ 7 ) ⫹ 3 k ⫽ 1 3 x1 ⫹ 67 k ⫹ 47 ⫹ 3 k ⫽ 1 3 3 x1 ⫽ ⫺27 7 k⫹7 9 1 x1 ⫽ ⫺7 k ⫹ 7 Zur Lösungsmenge gehören somit alle Zahlentripel der Form (⫺ 97 k ⫹ 17 ; 37 k ⫹ 27 ; k) oder kürzer L ⫽ {(⫺97 k ⫹ 17 ; 37 k ⫹ 27 ; k)|k 僆 ⺢}. Aus (2) folgt: • Das lineare Gleichungssystem 3 x1 ⫹ 2 x2 ⫹ 3 x3 ⫽ 1 (1) ⫺7 x2 ⫹ 3 x3 ⫽ ⫺2 (2) hat dieselbe Lösungsmenge wie das vorangehende LGS. Da es aus zwei Gleichungen mit drei Variablen besteht, ist eine Variable frei wählbar. Rechnerisch am einfachsten ist es, x2 oder x3 frei zu wählen. Da wir bereits die Lösungsmenge kennen, die sich ergibt, wenn x3 frei gewählt wird, wählen wir jetzt x2 als freie Variable: x2 ⫽ t mit t 僆 ⺢. Aus Gleichung (2) folgt dann ⫺7t ⫹ 3 x3 ⫽ ⫺2 bzw. x3 ⫽ 73 t ⫺ 23 . Setzt man in Gleichung (1) ein, ergibt sich 3 x1 ⫹ 2 t ⫹3 ⋅ (73 t ⫺ 23) ⫽ 1 bzw. x1 ⫽ ⫺3t ⫹ 1. Die Lösungsmenge ist somit L ⫽ {(⫺3 t ⫹ 1; t; 73 t ⫺ 23)|t 僆 ⺢}. Lassen Sie sich nicht irritieren, weil wir vorher als Lösungsmenge L ⫽ {(⫺ 97 k ⫹ 17 ; 37 k ⫹ 27 ; k)/k 僆 ⺢} erhielten. Es handelt sich um dieselbe Menge, die nur unterschiedlich dargestellt ist! Setzt man für k und t alle reellen Zahlen ein, stellt man fest, dass die beiden Mengen genau die gleichen Elemente haben. Beispielsweise erhält man die Lösung (⫺2; 1; 53) für k ⫽ 53 und für t ⫽ 1. • Bei folgendem LGS mit drei Gleichungen und vier Variablen ist wiederum eine Variable frei wählbar. x1 ⫹ 2 x2 ⫺ 4 x3 ⫹ 5 x4 ⫽ 5 (1) ⫺2 x3 ⫹ 5 x4 ⫽ 6 (2) 4 x4 ⫽ 16 (3) Rechnerisch am einfachsten ist es hier, x2 oder x1 frei zu wählen. Aus Gleichung (3) ergibt sich x4 ⫽ 4. Aus Gleichung (2) folgt dann x3 ⫽ 7. x2 wählen wir frei: x2 ⫽ k mit k 僆 ⺢. Aus Gleichung (1) folgt dann x1 ⫹ 2k ⫺ 28 ⫹ 20 ⫽ 5 bzw. x1 ⫽ ⫺2k ⫹ 13. Die Lösungsmenge ist also L ⫽ {(⫺2k ⫹ 13; k; 7; 4)|k 僆 ⺢}. • Das lineare Gleichungssystem 2 a ⫹ 2 b ⫹ 3 c ⫹ 4 d ⫺ 3 e ⫽ 0 (1) 4 c ⫹ 2 d ⫺ 2 e ⫽ 8 (2) 3 e ⫽ 6 (3) besteht aus drei Gleichungen mit fünf Variablen. Zwei Variable sind frei wählbar. 15 Der Gauß’sche Algorithmus 1 Aus Gleichung (3) folgt e ⫽ 2. Setzt man (um Brüche zu vermeiden) c ⫽ s mit s 僆 ⺢, folgt aus Gleichung (2): 4 s ⫹ 2 d ⫺ 4 ⫽ 8 bzw. d ⫽ ⫺2 s ⫹ 6. Wir wählen jetzt b als zweite freie Variable: b ⫽ t mit t 僆 ⺢. Aus Gleichung (1) folgt schließlich 2 a ⫹ 2 t ⫹ 3 s ⫹ 4 ⋅ (⫺2 s ⫹ 6) ⫺ 6 ⫽ 0 bzw. a ⫽ 2,5 s – t ⫺ 9. Die Lösungsmenge ist L ⫽ {(2,5 s ⫺ t ⫺ 9; t; s; ⫺2 s ⫹ 6; 2)|s, t 僆 ⺢}. • Obwohl das lineare Gleichungssystem 2 a ⫹ 2 b ⫹ 3 c ⫹ 4 d ⫺ 3 e ⫽ 0 (1) 4 c ⫹ 2 d ⫺ 2 e ⫽ 8 (2) 0 e ⫽ 6 (3) ebenfalls mehr Variable als Gleichungen hat, ist es unlösbar. Gleichung (3) wird nie wahr. aufgaben 01 Bestimmen Sie die Lösung folgender linearer Gleichungssysteme: a) x1 ⫺ x2 ⫺ 12 x3 ⫽3 b) 9 x1 ⫹ 2 x2 ⫺ x3 ⫹ 3 x4 ⫺ 4 x5 ⫽ 1 8 x2 ⫹ 3 4 x3 ⫺ 1 16 x4 ⫽ 2 3 x2 ⫹ 4 x3 ⫺ 7 x4 ⫹ 6 x5 ⫽ 1 4 ⫺ 3 x3 ⫹ 7 x4 ⫽ 9 2 x4 ⫽ 0 c) ⫺2 x1 ⫹ 2 x2 ⫺ 3 x3 ⫹ 4 x4 ⫽ ⫺3 x 2 ⫺ 6 x3 ⫺ x 4 ⫽ 0 3 x3 ⫺ 2 x4 ⫽ 1 02 1.4 ⫺ x3 d) a ⫺ 3 b ⫹ 2 c ⫽ 0 2b⫹c⫺d⫽2 3d⫽6 15 17 x5 ⫽ 1 2 ⫹ x5 ⫽ 0 2 x4 ⫺ 5 x5 ⫽ ⫺10 Bestimmen Sie die Lösungsmenge der folgenden Gleichungssysteme mit 3 Variablen und einer Gleichung. b) ⫺x1 ⫹ 2 x2 ⫺ 4 x3 ⫽ 0 a) 3 x1 ⫹ 9 x2 ⫺ 6 x3 ⫽ 3 Der Gauß’sche Algorithmus Im vorangehenden Abschnitt haben wir die Lösungsmenge linearer Gleichungssysteme bestimmt, die Stufenform hatten. Es ist aber eher die Ausnahme, dass lineare Gleichungssysteme von vornherein in dieser Form vorliegen. Normalerweise müssen sie erst durch Umformungen, die ihre Lösungsmenge nicht ändern, auf Stufenform gebracht werden. Das Rechenverfahren geht nicht nur auf Carl Friedrich Gauß1 zurück, sondern trägt auch dessen Namen. 1 Carl Friedrich Gauß (1777–1855), dt. Mathematiker, Astronom und Physiker.