Tumorerkrankungen - Welche Bedeutung hat das Immunsystem? 28

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Tumorerkrankungen
Welche Bedeutung hat das Immunsystem?
28. Mai 2014
Dr. Volker von Baehr
Institut für Medizinische Diagnostik Berlin - Potsdam MVZ GbR, Berlin
Institut für Medizinische Diagnostik Berlin, Nicolaistraße 22, 12247 Berlin +49 3077001-220, [email protected]
Gibt es eine "Immune surveillance„ ?
Pro:
- höhere Tumorfrequenz bei alten Menschen und Kindern
(d.h. in Phasen reduzierter Immunkompetenz)
- einige Tumore kommen bei AIDS Patienten gehäuft vor
(Kaposi-Sarkom, Cervix-Ca, Lymphome)
- erhöhte Tumorhäufigkeit nach langandauernder Immunsuppression
- spontane Tumorregressionen kommen vor
- Tumore enthalten typischerweise Infiltrate von Lymphozyten
- deutliche Infiltrate erhöhen die Überlebensdauer
Contra:
- bei bekannten Immundefizienzen (z.B. Athymie in der Maus, AIDS)
nur erhöhte Inzidenz Virus-assoziierter Tumore, nicht aber solider
Tumore
- Trotz sehr gutem Immunstatus können sich Tumore entwickeln oder
progressiv wachsen.
Entwickeln immunsupprimierte Patienten mehr
Tumore?
Statistisch gesehen haben transplantierte
immunsupprimierte Patienten eine um den Faktor drei
höhere Wahrscheinlichkeit, an Krebs zu erkranken
C. M. Vajdic et al. Int J Cancer. 2009 Oct 15;125(8):1747-54
Nach zehn Jahren Immunsuppression beträgt die
Wahrscheinlichkeit an Krebs zu erkranken 20 %.
Kapoor et al.: Drugs 68, 2008, S. 11–19
Dies gilt vor allem für viral bedingte Krebserkrankungen, wie:
Kaposi-Sarkom (HHV-8)
Morbus Hodgkin und Non-Hodgkin Lymphom (EBV)
Leberkrebs (HCV und HBV)
Zervix-, Vulva und Vaginalkarzinom (Humane Papillomviren)
aber auch für solide Tumoren wie kolorektales Karzinom,
Nierenkrebs, Blasenkrebs, Schilddrüsenkrebs, multiples
Myelom, Leukämie und das maligne Melanom.
A. Gutierrez-Dalmau et al. Drugs 67, 2007, S. 1167–1198.
Teilweise wurde nach dem Absetzen der Immunsuppression
eine Rückbildung der Malignome beobachtet (z.B. malignes
Melanom)
T. E. Starzl et al. The Lancet 8377, 1984, S. 583-587
Vajdic CM, van Leeuwen MT Cancer incidence and risk factors after solid organ
transplantation. Int J Cancer. 2009 15;125:1747-54.
Krebsinzidenz bei Langzeitimmunsuppression
(Patienten nach allogener Nierentransplantation)
Prävalenz
unter Immunsuppr.
Normalbevölkerung
Odds-Ratio
Haut (ohne Melanom)
127
5,1
24,7
Endokrine Drüsen
30
2,1
14,3
Mundhöhle, Pharynx
22
1,6
13,8
Cervix, Vulva, Vagina
39
3,6
10,8
NH-Lymphome
25
2,4
10,3
Niere/ Ureter
32
3,5
9,1
Harnblase
26
4,7
5,5
Kolon/ Rektum
38
10,5
3,6
Lunge
30
12,5
2,4
Gehirn
10
4,1
2,4
Prostata
Melanom
11
7
5,2
4,1
2,1
1,7
Mamma
15
13,6
1,1
nach Birkeland, S.A. et al. Int. J. Cancer 60, 183-189 (1995)
Systematic review of melanoma incidence and prognosis in solid organ
transplant recipients. Dahlke E., Transplant Res. 2014 May 6;3:10.
Eine klare Beziehung zeigt sich zwischen
chronischer Entzündung und Krebs
Erreger-bedingt (Bsp.)
Human Papillomavirus  Cervixcarzinom
H. pylori – Gastritis  Magenkarzinom/ MALT-Lymphom
HBV, HCV  Leberkarzinom
HHV8  Kaposi-Sarkom
Andere Reizfaktoren (Bsp.)
UV-Licht  Basaliom, Spinaliom der Haut
??  chronisch entzündliche Darmerkrankungen 
Kolonkarzinom
Zigarettenrauch, Asbest  Bronchialkarzinom
Warum ist Chronische Entzündung ein Risikofaktor für
Malignomentstehung ?
Zelluntergang 
Zellproliferation 
DNS-Synthese 
Mutationsrate 
Krebsrisiko 
Die genetische Instabilität der Tumorzellen bewirkt das
Versagen der Immunabwehr
Eliminierungsphase
Das Immunsystem erkennt potenzielle Tumorzellen und zerstört sie.
Auslöser sind auffällige Veränderungen der Krebszellen, die als
Tumorantigene vom Immunsystem erkannt werden.
Gleichgewichtsphase
Die Beseitigung der Tumorzellen gelingt nicht vollständig, weil bei
einigen Tumorzellen auffällige (antigene) Eigenschaften verloren gehen.
Diese Zellen verändern sich in einer Art Ausleseprozess weiter
("Immun-Editing„).
Entkommensphase ("Immun-Escape„)
Die Mehrzahl der sich weiter teilenden Tumorzellen hat Veränderungen
„angesammelt“, um der Aufmerksamkeit des Immunsystems ganz zu
entgehen. Der Tumor kann nun ungehindert wachsen.
aus: Dunn et al., Nature Immunology 3, 991-998, 2002
Die Bedeutung der Immunabwehr ist in der frühen Phase
und im Moment der Metastasierung am größten
Ausgangstumorzelle
1g ~ 109 Zellen
Mikrotumor
(Frühdiagnose !)
>10g ~ 1010 Zellen
Klinischer Tumor
1kg ~ 1012 Zellen
Endstadium
Metastasierung
30 Verdopplungen
3 Verdopplungen
7 Verdopplungen
maximal
ertragbare
Tumormasse
Tumoren können der Immunüberwachung auf
verschiedene Weise entgehen (Immun-Escape)
1. Tumorzellen zeigen typische Tumorantigene nicht mehr auf ihrer
Oberfläche
2. Tumorzellen können regulatorische T-Zellen ("Tregs")
mobilisieren. Diese unterdrücken normalerweise unerwünschte
Immunreaktionen gegen körpereigene Zellen. Werden sie von
Tumorzellen aktiviert, unterdrücken sie die Immunantwort auch
gegen Krebs.
3. Tumorzellen fehlen weitere, verstärkende Signale, die für die
Immunantwort wichtig sind (ko-stimulierende Moleküle).
4. Tumorzellen sezernieren immunsuppressive Mediatoren (z.B.
TGF-beta)
5. Tumorzellen können eine physikalische Barriere errichten.
Das Immunsystem fährt einen Balanceakt !
Das Immunsystem muss:
(krebsartig) entartete,
infizierte und gealterte
körpereigene Zellen
effektiv erkennen und
eliminieren
intakte körpereigene Zellen
erkennen aber tolerieren
Zum Teil sogar dann, wenn
sie infiziert (z.B. mit Herpesviren) oder strukturell und
funktionell modifiziert sind
(z.B. durch toxische Metalle)
14
Unspezifisches Immunsystem
(angeboren)
Spezifisches Immunsystem
(erworben, lernfähig)
Zelluläres Immunsystem
Monozyten  Gewebemakrophagen
Granulozyten
- Neutrophile (PMN)
- Eosinophile
- Basophile
T-Lymphozyten
CD4-Lymphozyten
(Helferzellen)
TH1-Helferzellen
Mastzellen
Natürliche Killerzellen
TH2-Helferzellen
CD25+/CD127- Treg-Zellen
CD8-Lymphozyten
CD8+CD28+ zytoxische
T-Zellen (CTL)
CD8+CD28suppressorische T-Zellen
TH17-Helferzellen
B-Lymphozyten
Humorales Immunsystem
Defensine
Opsonine
Komplementsystem
Antikörper
Jede Körperzelle wird permanent vom Immunsystem
kontrolliert.
Zellen die „bekannte“ körpereigene Antigene
präsentieren, werden nicht angegriffen, weil die
entsprechenden T-Lymphozyten in der Reifungsphase
negativ selektioniert wurden
CD4
CD8
Intaktes zelleigenes Protein
Infizierte Zellen werden vom Immunsystem in der
Akutphase erkannt .........
CMV-Virus
CD4
CD8+/
CD28+
IFN-
Perforine
Granzyme
... und angegriffen
CMV-Virus
IFN-
Perforine
Granzyme
CD4
CD8
IFN-
Perforine
Granzyme
... aber in der chronischen Phase in der Regel toleriert
CMV-Virus
CD4
Treg
IFN-
Perforine
Granzyme
TGF-
IL-10
CD4
CD8+/
CD28+
IFN-
Perforine
Granzyme
Das gleiche passiert bei Tumorzellen
CD4
CD8
Transformation
IFN-
Perforine
Granzyme
Die Tumorzelle wird im Idealzustand eliminiert
IFN-
Perforine
Granzyme
CD4
CD8
Transformation
IFN-
Perforine
Granzyme
.... oder nicht, wenn Treg-Zellen diese Immunantwort
verhindern
IFN-
Perforine
Granzyme
CD4
Treg
TGF-
IL-10
CD4
CD8
Transformation
IFN-
Perforine
Granzyme
Mehr dazu in 14 Tagen
Interpretation des zellulären Immunstatus im
Rahmen immunstimulierender Therapien bei
Tumorpatienten
11. Juni 2014, 15:00 Uhr
Dr. rer. nat. Cornelia Doebis
Tumoren können der Immunüberwachung auf
verschiedene Weise entgehen (Immun-Escape)
1. Tumorzellen zeigen typische Tumorantigene nicht mehr auf ihrer
Oberfläche
2. Tumorzellen können regulatorische T-Zellen ("Tregs")
mobilisieren. Diese unterdrücken normalerweise unerwünschte
Immunreaktionen gegen körpereigene Zellen. Werden sie von
Tumorzellen aktiviert, unterdrücken sie die Immunantwort auch
gegen Krebs.
3. Tumorzellen fehlen weitere, verstärkende Signale, die für die
Immunantwort wichtig sind (ko-stimulierende Moleküle).
4. Tumorzellen sezernieren immunsuppressive Mediatoren
(z.B. TGF-beta)
5. Tumorzellen können eine physikalische Barriere errichten.
Unspezifisches Immunsystem
(angeboren)
Spezifisches Immunsystem
(erworben, lernfähig)
Zelluläres Immunsystem
Monozyten  Gewebemakrophagen
Granulozyten
- Neutrophile (PMN)
- Eosinophile
- Basophile
T-Lymphozyten
CD4-Lymphozyten
(Helferzellen)
TH1-Helferzellen
Mastzellen
Natürliche Killerzellen
TH2-Helferzellen
CD25+/CD127- Treg-Zellen
CD8-Lymphozyten
CD8+CD28+ zytoxische
T-Zellen (CTL)
CD8+CD28suppressorische T-Zellen
TH17-Helferzellen
B-Lymphozyten
Humorales Immunsystem
Defensine
Opsonine
Komplementsystem
Antikörper
Ein Problem entsteht, wenn sich die Tumorzellen der Kontrolle
durch CD8+ zytotoxische T-Lymphozyten durch fehlende
MHC-I-Expression entziehen !
Tumorzelle
CD80/86
CD28
CD8+
T-zytotoxisch
-spezifisch
keine Aktivierung, d.h.
Toleranz gegenüber der
körpereigenen Zelle
kein MHC-I
keine Präsentation des Tumorantigens
Auch Viren wie CMV und EBV nutzen diesen
„escape“ – Mechanismus in dem sie die MHC-I-Expression
ihrer Wirtszellen herabregulieren.
Tumorzelle
CD80/86
Kein Zelltod
CD28
CD8+
T-zytotoxisch
-spezifisch
CD8+ Lymphozyten können
MHC-I-negative Zielzellen
nicht attackieren
!
kein MHC-I
Tumorzelle
NK-ZellLigand
Zelltod
Aktivierender
Rezeptor
NK-Zelle
Für NK-Zellen ist es das
Aktivierungssignal, wenn
der KIR-Rezeptor
„ins Leere“ greift
Inhibitorischer
Rezeptor (KIR)
„Gesunde“
Körperzelle
NK-ZellLigand
Aktivierender
Rezeptor
Kein Zelltod
NK-Zelle
MHC-I
Inhibitorischer
Rezeptor (KIR)
Intakte Körperzellen die
MHC-I exprimieren, werden
von NK-Zellen nicht
attackiert
NK-Zellen lösen über 2 Wege die Apoptose der Zielzelle aus
1. Perforin-/Granzyme-Weg
Tumorzelle
NK-ZellLigand
Aktivierender
Rezeptor
NK-Zelle
Inhibitorischer
Rezeptor (KIR)
Tumorzelle
NK-Zell- Aktivierender
Ligand Rezeptor
Perforin öffnet Zellmembran,
Granzyme wird internalisiert
und induziert in der Zielzelle
die Apoptose
Perforin-/Granzymeeffekt unter
zusätzlicher
Vermittlung eines Antikörpers
NK-Zelle
= ADCC
(antibody dependent cellular cytotoxicity)
Antikörper gegen ein Tumorantigen
2. Fas/ Fas-Ligand-Weg
Tumorzelle
NK-ZellLigand
Aktivierender
Rezeptor
NK-Zelle
FAS
FAS – FAS-Ligand-Kontakt
= „Todeskuss“
Induktion von Zellapoptose
FAS-Ligand
Die Apoptose (altgr. apoptosis‚ abfallen‘) ist eine Form des programmierten Zelltods.
Es ist ein „Selbstmordprogramm“ über welches jede Körperzelle verfügt.
Das bedeutet, dass NK-Zellen ihre Zielzellen nicht
lysieren, sondern sie induzieren in der Zielzelle den
programmierten Zelltod (Apoptose).
Die Zahl der im Blut zirkulierenden NK-Zellen ist von
untergeordneter Bedeutung
Entscheidend ist die Funktionalität der NK-Zellen
(NK-Zell-Zytotoxizitätstest)
Wie ist die aktuelle NK-Zellfunktion ?
Welche NK-Zellfunktion kann bei optimaler Aktivierung
der vorhandenen NK-Zellen erreicht werden?
NK-Zellen werden vor allem durch Zytokine der T-Helferzellen
aktiviert
Von NK-Zellen
sezernierte Zytokine
CD4
Aktivatoren
IL-2
IL-12
IL-15
IL-18
IFN-
IFN-
Makrophagen/
Dentritische
Zellen
IFN-
TNF-
GM-CSF
IL-2
NK
Von NK-Zellen
sezernierte
Effektorzellmoleküle
Perforin
Granzyme
FAS-Ligand
TRAIL
Daher ist die Funktionalität der T-Lymphozyten von
entscheidender Bedeutung für die NK-Zell-Funktion
Der LTT Immunfunktion untersucht die Funktionalität
der CD4+ TH1-Effektorzellen
Parallel kann die Immunreaktivität auf immunstimulierende
Präparate untersucht werden
www.inflammatio.de
Die Immuntherapie ist bis heute nur als adjuvante
Therapiemassnahme anzusehen
• Unspezifische Immunstimulation
- Zytokine (IFN-, IL-2)
- pflanzliche Immunstimulatoren
- Thymuspräparate
ChemoTherapie
Strahlen
Therapie
Chirurgie
ImmunTherapie
• Passive Immuntherapie mit
monoklonalen Antikörpern
• Autologe und allogene Tumorvakzine
Ex vivo-Stimulation von Immunzellen
• Gentherapie
Vor der Immunstimulation steht bei Patienten mit
sekundärer Tumorimmundefizienz die Immunrestauration
CAVE: Bei erhöhtem Cadmium-Blutspiegel wird die
funktionelle Bedeutung eines Zinkmangels verstärkt
!
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... und einen Intrazellulären Glutathionmangel ausgleichen bei
reduzierten Spiegeln in Leukozyten
Zusammenfassung
Die Bedeutung einer intakten Immune surveillance gilt heute
als gesichert
Virus-assoziierte Tumore > solide Tumore
Zytotoxische T-Lymphozyten und Natürliche Killerzellen haben
dabei die größte Bedeutung
Treg-Zellen gelten als „Gegenspieler“, da sie Immuntoleranz
gegenüber Tumorzellen induzieren
Die Funktion der Immunzellen ist wichtiger als die Anzahl der
Zellen (im Blut)
Neben einer Immunstimulation sollte immer eine
immunrestaurative Therapie stehen
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