01 02 03 04 WISSEN DAS IMMUNSYSTEM UND HAUTKREBS HAUTKREBSLOKALISATION: EINE GESCHLECHTSFRAGE? PATIENTENSEMINARREIHE HIER ABONNIEREN „SELFIE“DIAGNOSE PER APP ZÄHLT! Das Melanom-Update FÜR PATIENTEN UND INTERESSIERTE 01/2014 01 DAS IMMUNSYSTEM UND HAUTKREBS Das Immunsystem ist eines der komplexesten Systeme des menschlichen Körpers und in erster Linie dafür zuständig, Bakterien, Parasiten, Viren und andere Krankheitserreger, die in den Körper eindringen, zu erkennen und zu bekämpfen. Auch Krebszellen können vom Immunsystem als „fremd“ erkannt und zerstört werden.1 Schreitet eine Krebserkrankung fort, können sich die bösartigen Zellen jedoch oftmals der Überwachung und Eliminierung durch das Immunsystem entziehen, weiter wachsen und sich vermehren. Immunonkologisch wirksame Medikamente treten direkt mit dem Immunsystem des Patienten in Wechselwirkung, damit es seine Arbeit wieder aufnehmen und Tumorzellen effektiv bekämpfen kann. Um den Therapieansatz der Immunonkologie zu verstehen, hilft es zu wissen, wie das Immunsystem mit Krebszellen interagiert. Das Immunsystem umfasst ein Netzwerk von unterschiedlichen Zellen, Geweben und Organen, die bei der Erkennung und Entfernung körperfremder oder bösartig entarteter Zellen koordiniert zusammenarbeiten. 2 Tumorzellen können eine Immunreaktion auslösen, weil sie meist Oberflächenmoleküle, sogenannte Antigene, tragen, die sich nicht auf den unveränderten körpereigenen Zellen finden. Das Immunsystem erkennt diese Antigene als „nicht normal“ und greift sie an. 3 Innerhalb dieses Abwehrprozesses nehmen die T-Zellen viele wichtige Aufgaben wahr. Es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher T-Zellen (auch T-Lymphozyten genannt), bei denen es sich um leistungsfähige weiße Blutkörperchen (Lymphozyten) handelt, die infizierte oder abnorme Zellen beseitigen oder neutralisieren können und die jeweils spezielle Funktionen innerhalb des Immunsystems haben. T-ZELLEN UND IHRE FUNKTIONEN T-Killerzellen erkennen abnorm veränderte Zellen und eliminieren sie T-Helferzellen haben wichtige Hilfsfunktionen bei der Regulierung von Immunprozessen Memory-T-Zellen, auch T-Gedächtniszellen genannt, bilden eine Art „immunologisches Gedächtnis“, sodass bei erneutem Auftreten des gleichen „Störfaktors“ (z. B. einer Infektion) die passenden Immunvorgänge schneller in Gang gesetzt werden Regulatorische T-Zellen (oder T-Suppressorzellen) regulieren die Aktivität des Immunsystems, damit es nicht zu einer überschießenden Reaktion kommt, in der das Immunsystem körpereigene Zellen angreift 01 DA S I M MU NS YS T EM U N D HAU T K R EBS Dennoch können Krebszellen diesem körpereigenen Verteidigungssystem entgehen.4,5 Der Grund: Das Verhältnis zwischen Tumorzellen und Immunsystem ist dynamisch und verändert sich mitunter im Laufe einer Krebserkrankung. DAS POTENZIAL DER IMMUNONKOLOGIE – CHANCE FÜR MELANOMPATIENTEN So werden abnorme Zellen zu Beginn oft noch vollständig eliminiert. Dann kann sich ein kräftemäßiges Gleichgewicht Das Prinzip der Immunonkologie unterstützt die zwischen den entarteten Zellen und dem Immunsystem natürlichen Fähigkeiten des körpereigenen Immun- einstellen, sodass der Tumor nicht weiter an Größe zunimmt. systems zur Krebsbekämpfung, sodass es die Schreitet die Erkrankung jedoch weiter fort, ist es möglich, Abwehrstrategien des Tumors durchbrechen kann.4,5 dass sich mehr und mehr Tumorzellen durchsetzen und die Eine der ersten praktisch umgesetzten immunonko- Oberhand über das Immunsystem gewinnen („Immune- logischen Therapiestrategien, die das Überleben von Escape“).6 Patienten mit fortgeschrittenem schwarzen Haut krebs (malignem Melanom) verlängern konnten, wirkt Tumore entwickeln zu diesem Zweck verschiedene über die Blockade sogenannter Immun-Checkpoints.9 Strategien, die es ihnen ermöglichen, auch dem funktionie- Diese Immun-Checkpoint-Modifier richten sich renden Immunsystem zu entkommen (Immunevasion). Bei gegen ein Schlüsselmolekül, das im Regelfall die einigen Krebsarten präsentieren die Krebszellen z. B. keine Aktivierung von T-Zellen einschränkt und den Körper Antigene, sodass sie nicht als körperfremd erkannt werden vor ihrer übermäßigen Aktivierung schützen kann. können. Außerdem können Tumorzellen chemische Stoffe Diese natürliche „Bremse“ ist bei gesunden Menschen freisetzen, die eine Immunreaktion unterdrücken (Immun- sinnvoll, damit T-Zellen kein gesundes Gewebe suppression) oder Tumor-Antigene als „normal“ erscheinen angreifen. 7 lassen (Immuntoleranz). Einige Krebsarten, so auch der Durch die therapeutische Blockade dieser Schlüssel- schwarze Hautkrebs, sind außerdem in ihrer Erbstruktur moleküle wird die Immun-„Bremse“ gelöst und eine sehr instabil (genetisch heterogen), sodass sich immer neue länger andauernde, verstärkte T-Zell-vermittelte Zellvarianten entwickeln. Diejenigen Zellen, die sich der Immunreaktion gegen die Tumorzellen ermöglicht.9,10 8 Zerstörung durch das Immunsystem am besten entziehen Studienergebnisse bei Patienten mit schwarzem können, haben dann einen Überlebensvorteil und können Hautkrebs im fortgeschrittenen Stadium konnten das sich relativ ungestört vermehren. Potenzial dieses Behandlungsansatzes verdeutlichen, da unter einer immunonkologischen Therapie im Mittel ein längeres Überleben zu beobachten war.9,10 Experten sprechen daher vom „Modelltumor Melanom“ als „proof of concept“ für die Immunonkologie. Das Wissenschaftsmagazin „Science“ kürte die Immun onkologie 2013 aufgrund ihrer bedeutenden Erfolge zum wissenschaftlichen Durchbruch des Jahres.11 01 DA S I M MU NS YS T EM U N D HAU T K R EBS FAZIT Die T-Zell-vermittelte antitumorale Immunantwort 1 Tumor: Freisetzung von Tumoragenten 2 Tumorantigen-Präsentation gegenüber der T-Zelle 3 T-Zell-Aktivierung und Proliferation 4 TumorantigenErkennung durch T-Zellen Das Immunsystem ist ein leistungs starkes und wirksames System zur Bekämpfung von Infektionen. Es ist außerdem in der Lage, Krebszellen zu zerstören oder unter Kontrolle zu halten. Jedoch entwickeln Tumorzellen häufig vielfältige Mechanismen, um dieser Immunabwehr zu entkommen. Genau hier setzt das Prinzip der Immun onkologie an: Immunonkologische Therapieansätze sollen das gestörte Gleichgewicht wieder zugunsten der Immunabwehr herstellen, sodass Krebs zellen eliminiert werden können und das Tumorwachstum auch langfristig unterdrückt werden kann. Studienergebnisse zeigen, dass die Immunonkologie auch bei fortge schrittenen Tumorerkrankungen wie schwarzem Hautkrebs die Chance auf ein Langzeitüberleben ermöglichen kann. Es ist wahrscheinlich, dass mit immun onkologisch wirksamen Substanzen in Zukunft zahlreiche therapeutische Fortschritte im Kampf gegen Krebs erreicht werden können. 5 Zerstörung maligner Zellen durch T-Zellen Quellen: (1) Borghaei H, Smith MR, Campbell KS. Immunotherapy of cancer. Eur J Pharmacol 2009;625:41-54. (2) Finn OJ. Molecular origins of cancer. Cancer Immunology. N Engl J Med 2008;358:2704-15. (3) Rosenberg SA. Raising the bar: the curative potential of human cancer immunotherapy. Sci Transl Med. 2012;4(127):127ps8:1. (4) Guevara-Patino JA et al. Immunity to cancer through immune recognition of altered self: studies with melanoma. Adv Cancer Res, 2003;90:157-77. (5) Dunn GP et al. The immunobiology of cancer immunosurveillance and immunoediting. Immunity 2004;21(2):137-48. (6) Vesely MD et al. Natural innate and adaptive immunity to cancer. Ann Rev Immunol 2011;29:235-7. (7) Seliger B. Strategies of tumor immune evasion. BioDrugs 2005;19(6):347-54. (8) Frumento G et al. Targeting tumor-related immunosuppression for cancer immunotherapy. Endocr Metab Immune Disord Drug Targets 2006;6(3):233-37. (9) Hodi F et al. Improved Survival with Ipilimumab in Patients with Metastatic Melanoma. N Engl J Med 2010;363:8;711-23. (10) Prieto PA et al. CTLA-4 Blockade with Ipilimumab: Long-term Followup of 177 Patients with Metastatic Melanoma. Clin Cancer Res. 2012;18(7):2039-47. (11) Couzin-Frankel J. Cancer Immunotherapy. Science 2013;342:1432-1433. 02 „SELFIE“-TREND: ÄRZTE KRITISIEREN HAUTKREBS-DIAGNOSE PER HANDY-APP Der Berufsverband der Deutschen Dermatologen e. V. (BVDD) weist darauf hin, dass es laut Krebsregisterzahlen aus Schleswig-Holstein offenbar gelingt, mithilfe des Hautkrebs- FAZIT Screenings durch den Arzt nicht nur den Diagnosezeitpunkt von Hautkrebs vorzuverlegen, sondern auch die Sterblichkeit zu senken.1 Doch neben dieser professionellen Untersuchung auf verdächtige Hautveränderungen spielt auch die regelmäßige Selbstuntersuchung der Haut bzw. der Haut des Partners oder von Familienmitgliedern eine wichtige Rolle Eine regelmäßige Selbstuntersuchung der Haut bzw. der des Partners nach auffälligen Muttermalen trägt dazu bei, bösartige Hautveränderungen frühzeitig zu entdecken. bei der Früherkennung bösartiger Hautveränderungen. Eine Untersuchung von Dr. Hanna Eriksson vom Karolinska University Hospital Solna in Schweden zeigt, dass Hautkrebs bei Personen, Smartphone-Apps ersetzen nicht die professionelle Untersuchung der Haut durch einen Arzt. die in einer Partnerschaft leben, deutlich früher entdeckt wird als bei alleine lebenden. Besonders männliche Singles sind demnach im Nachteil: Die Analyse von Daten unter anderem des schwedischen Melanom-, Krebs- und Sterberegisters ergab bei alleine lebenden Männern eine um 42 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit, ein malignes Melanom erst im Stadium II statt im frühen Stadium I zu entdecken, als bei Männern, die mit ihrer Partnerin zusammen- Gesetzlich Versicherte ab 35 Jahren haben alle zwei Jahre Anspruch auf ein professionelles Hautkrebs-Screening. Manche Krankenkassen übernehmen die Kosten für diese Vorsorge untersuchung bereits früher. leben. Bei Single-Frauen war dieses Risiko weniger stark erhöht.2 Aktuell im Trend scheint die Bewertung auffälliger Hautveränderung via „Selfie“-Foto. So einfach soll es funktionieren: Ein Bild der Hautveränderung mit der Digital- oder Handykamera schießen, mit einer Smartphone-App hochladen, je nach App eventuell noch einen Fragebogen ausfüllen, fertig. Innerhalb kurzer Zeit erhält man in der Regel eine Rückmeldung durch einen Experten. Diese ist im Idealfall nur eine Handlungsempfehlung wie der Rat, eine rezeptfreie Salbe zu kaufen oder aber auch einen Hautarzt aufzusuchen. Einige Apps scheuen aber auch eine Diagnose nicht. Nur teilweise fordern die Apps die Bestätigung des Users, dass er zu Kenntnis genommen hat, dass es sich nur um eine Einschätzung handelt, die nicht den Besuch beim Arzt ersetzt. Doch ob Handlungsempfehlung, Einschätzung oder Diagnose, der Trend der Fernberatung mittels „Selfie“-Fotos wird neben rechtlichen Gründen, wie dem in Deutschland geltenden Fernbehandlungsverbot, vor allem aus medizinischer Sicht kritisch betrachtet. So ist es bei Diagnosen mittels Foto beispielsweise nicht möglich, nach der Vorgeschichte des Patienten zu fragen oder ihn bei Verdacht auf eine bösartige Hauterkrankung auch emotional zu betreuen.3 Quellen: (1) Pressekonferenz Euromelamoma-Woche 2014, veranstaltet vom Berufsverband der Deutschen Dermatologen e. V. (BVDD), 13. Mai 2014, Berlin. (2) Eriksson H et al. Later Stage at Diagnosis and Worse Survival in Cutaneous Malignant Melanoma Among Men Living Alone: A Nationwide Population-Based Study From Sweden. JCO 2014; online 31. März. doi: 10.1200/JCO.2013.52.7564 (3) Telemedizin – Der Hautarzt aus dem Internet. Ärzte Zeitung online. Verfügbar unter: http://www.aerztezeitung.de/praxis_wirtschaft/telemedizin/article/855503/telemedizin-hautarzt-internet.html?sh=1&h=-88953778. Abgerufen am 27.06.2014. 03 LOKALISATION VON HAUTKREBS: EINE FRAGE DES GESCHLECHTS? Forscher der Robert-Debré-Klinik in Reims, Frankreich, wollten herausfinden, ob es bei Männern und Frauen Unterschiede in der Lokalisation des schwarzen FAZIT Hautkrebses gibt. Dazu analysierten sie Angaben zur Lokalisation von über 1.500 Melanomen, die zwischen 2004 und 2011 in der Region Champagne-Ardenne neu diagnostiziert wurden. Ihre Untersuchung bestätigt, dass schwarzer Hautkrebs bei Frauen öfter an den Unterschenkeln, bei Männern am Rumpf Es gibt geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Lokalisation von Hautkrebs, die nicht genetisch, sondern auf die Bekleidung und das Freizeitverhalten zurückzuführen sind. auftritt. Auch zeigt die Studie beim weiblichen Geschlecht ein häufigeres Vorkommen von Melanomen an Händen und Füßen als bei Männern (10,3 % versus 6,3 %). Eine Kleidung und Kopfhaar können die Haut vor der Sonne schützen. Betrachtung des Kopf-Hals-Bereiches ergab, dass Hautkrebs mit 75 % bei Frauen überwiegend im Gesicht auftritt, beim männlichen Geschlecht hingegen mit gut 53 % vorwiegend außerhalb, z. B. auf der Stirn, dem Schädel oder an den Ohren, aufzufinden ist. Unbedeckte Körperstellen wie z. B. Arme, Beine und Gesicht bzw. Kopf sollten regelmäßig mit Sonnenschutzcreme eingecremt werden, um Hautkrebs vorzubeugen. Die Erklärung des Forscherteams klingt plausibel. Sie führen diese Unterschiede vor allem auf die geschlechtsspezifische Bekleidung inklusive Schuhen sowie den Haarwuchs zurück: Da Männer im Sommer öfters das Hemd ausziehen und Frauen gerne Röcke tragen, sind Oberkörper bzw. Beine dementsprechend häufiger den Sonnenstrahlen ausgesetzt. Auch ist bei Frauen aufgrund der Frisur meist nur das Gesicht ungeschützt, während beim männlichen Geschlecht durch den zurückgehenden Haarwuchs auch der übrige Kopfbereich viel Sonne abbekommt. Quelle: Chevalier V. et al. Comparison of Anatomic Locations of Cutaneous Melanoma in Men and Women: A Population-Based Study in France. Br J Dermatol 2014, online 11. April; doi: 10.1111/bjd.13052. 04 PATIENTENNEUE TERMINE: PATIENTEN-SEMINARREIHE SEMINARREIHE „Wissen zählt: Bei Diagnose Melanom handeln – was Patienten und Angehörige wissen sollten!“ Unter diesem Motto organisiert die Deutsche Hautkrebs-Stiftung eine bundesweite Patienten-Seminarreihe. Betroffene und Angehörige erhalten bei den Veranstaltungen wichtige Informationen zur Diagnose und Behandlung des Melanoms. In einer Podiumsdiskussion mit anschließender Fragerunde erläutern Experten und Vertreter der Selbsthilfegruppen aus der jeweiligen Region, welche therapeutischen Möglichkeiten es gibt und wo Patienten Hilfe erhalten. Initiiert wurde die Patienten-Seminarreihe 2012 von Bristol-Myers Squibb, um auf den wachsenden Informationsbedarf von Melanom-Patienten zu reagieren. Seit 2014 wird die Seminarreihe von der Deutschen HautkrebsStiftung fortgeführt, Kooperationspartner sind die Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Onkologie (ADO) und Bristol-Myers Squibb. VERANSTALTER Deutsche Hautkrebs-Stiftung Universitätsklinikum Frankfurt Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie Theodor-Stern-Kai 7 60590 Frankfurt am Main KONTAKT [email protected] WEITERE INFORMATIONEN UND TERMINE www.patientenseminar-hautkrebs.de DIE TEILNAHME IST KOSTENFREI