Synkretismus: Zur Rehabilitierung eines Begriffs der Reaktion. Von Stephan Rutkowski [email protected] Seminararbeit im Rahmen des Seminars „Kultur, Hybridität und Globalisierung in Lateinamerika“ bei Univ.Doz.Dr.Elke Mader am Institut für Ethnologie, Kultur- und Sozialanthropologie der Universität Wien im Sommersemester 2001 Matrikelnummer:9600422 Geb.Datum:18/02/1977 Studienkennzahl: A 307 312 Inhaltsverzeichnis INHALTSVERZEICHNIS .................................... 2 1. EINLEITUNG ....................................... 3 2. ZUM BEGRIFF „SYNKRETISMUS“ .......................... 4 3. SYNKRETISMUS 4. ZUR ANALYSE UND VON RELIGION ........................... 9 SYNKRETISMUS ........................ 11 5. ZUSAMMENFASSUNG .................................. 26 ZITIERTE LITERATUR ................................... 28 2 1. Einleitung Diese Arbeit ist im Rahmen eines Seminars über Globalisierung und Hybridität entstanden. Man kann sich jetzt natürlich fragen was Synkretismus mit diesen Themen zu tun hat, aber wenn man Synkretismus als Phänomen des Kulturkontaktes sieht, ist die Antwort auf diese Frage wohl offensichtlich. Diese Arbeit hat eine Analyse des Synkretismus – Begriffs zum Ziel, genauer gesagt, die Frage was Synkretismus eigentlich ist, warum er entsteht, allerdings nicht wie im einzelnen. Es werden hier Synkretismus also nur behandelt, die nicht verschiedenen die jeweiligen Arten von Ausformungen anhand von Beispielen. Diese Arbeit ist eher theoretischer Natur. Das bedeutet, daß es keine ausgebreiteten Fallbeispiele gibt, sondern das Thema gewissermaßen „abstrakt“ behandelt wird. Das impliziert, daß diese Arbeit auch nicht viel mit Lateinamerika an sich zu tun hat, mit der Ausnahme eines kleinen - nur angerissenen Beispiels. Das bedeutet aber nicht, daß die Ergebnisse dieser Arbeit nicht auf Lateinamerika angewendet werden können. Im Gegenteil: Die zugrundeliegenden Lateinamerika Folglich kann zu den hier angestellten Voraussetzungen finden, diese wenn Arbeit auch auf den Überlegungen sind vor allem in nicht ausschließlich. lateinamerikanischen Kontinent Anwendung finden, aber selbstverständlich auch auf alle anderen Regionen, in denen es Synkretismus, so wie er hier definiert wird, gibt. Was diese Arbeit also bezweckt, ist die Beantwortung mehrerer Fragen: Was ist Synkretismus genau? Wie kann er entstehen? Als was ist er zu sehen? Und Welche Rolle spielen die Beteiligten? Darüber hinaus, werden - stark verkürzt – die Entwicklung des Begriffs, seine Konnotation und Möglichkeiten der falschen 3 Anwendung behandelt. Ich bin mir bewußt, daß diese Arbeit keine vollständigen Antworten liefern kann, aber diesen Anspruch stelle ich nicht, denn mein Ziel ist es, zu zeigen, was für mich das Wesentliche an Synkretismus ist. Ich bin mir auch bewußt, daß diese Arbeit sicher viele Kritikpunkte aufwerfen wird, was ich als positiv betrachte (gewissermaßen eine fruchtbare Provokation) und schon die Tatsache, daß sich unter der verwendeten Literatur auch die „Konstitution über die heilige Liturgie: Sacrosanctum Concilium“ des Zweiten Vatikanischen Konzils befindet, wird (heutzutage, selbstverständlich nicht zur Zeit Pater Wilhelm Schmidts) sicher etwas ungewöhnlich für eine ethnologische Arbeit an der Verwunderung Universität sorgen. sein, Umso und besser vielleicht für die für kritische Auseinandersetzung mit meinem Text. 2. Zum Begriff „Synkretismus“ Der Ausdruck „Synkretismus“, der - in seiner griechischen Form - zum ersten Mal von Plutarch verwendet wurde, um den Zusammenhalt der Kreter bei der Notwendigkeit der Verteidigung ihres Gebietes zu betonen, erfährt erst in der Zeit des Humanismus eine neue Bedeutung: Erasmus verwendet synkretizein um darauf hinzuweisen, daß die christliche Theologie aufgenommen hat und Einflüsse bringt der dadurch griechischen den Begriff Antike in den philosophischen Diskurs seiner Zeit ein. Danach wird er vor allem von protestantischen Gruppen benützt, die sich für die Versöhnung der einzelnen christlichen Gruppierungen untereinander einsetzen.1 1 Vgl. Stolz, Fritz; Austauschprozesse zwischen religiösen Gemeinschaften und Symbolsystemen. in: Drehsen, Volker und Sparn, Walter (eds.); Im Schmelztiegel der Religionen: Konturen des modernen Synkretismus. Gütersloh 1996 p.15 und Shaw, Rosalind und Stewart Charles; Introduction: problematizing syncretism. in: Shaw, Rosalind und Stewart, Charles (eds.); 4 „These debates [über die Versöhnung, m.A.], which concerned issues not only on doctrine but also of mutual access to each other’s rituals of communion and baptism, were known as the ´syncretistic controversies`. Opponents of this movement accused its proponents of advancing an entirely unprincliped jumbling together of religions. This critical view carried the day and since then´syncretism` has remained a term of disapprobiation denoting the confused mixing of religions.“ (Shaw und Stewart in: Shaw und Stewart 1994:4) Danach wurde der Begriff für alle religiösen Phänomene der hellenistischen Zeit verwendet (Stolz in: Drehsen und Sparn 1996:15) und schließlich Religionswissenschaften, generell wobei für immer vergleichenden öfter auch der synkretistische Charakter des Christentums untersucht wird. Wie wir bei dem obigen Zitat gesehen haben, hat „Synkretismus“ einen negativen und pejorativen Beigeschmack erhalten, der dem Begriff lange Zeit geblieben ist. Es läßt sich allerdings durchaus vorstellen, daß gerade in der jüngsten Vergangenheit und in der Gegenwart dieser Ausdruck einen Imagewandel durchmacht, weil „immer mehr immer synkretistischer wird“, um es vereinfacht zu formulieren. Gerade durch die vielbeschworene Globalisierung, die wie auch immer man sie bewerten mag, auf jeden Fall ein größeres Informationsangebot mit sich bringt, und durch die zunehmende Individualisierung einem zunehmenden der Gesellschaft, Verständnis von die gleichzeitig „Religion als mit reine Privatsache“ auftritt, scheint es also nicht unwahrscheinlich, daß immer mehr Leute Lebenseinstellung zusammenstellen und sich aus somit ihre jeweilige verschiedenstem Verschiedenes Religion oder Vorhandenen synkretistisch vereinen. Syncretism/Antisyncretism: The Politics of Religious Synthesis. London und New York 1994 pp. 3-4 5 Genau durch diese, von vielen sicher nicht rundweg abgelehnte, letzten Sätze aber sind wir bei dem Thema dieser Arbeit: Das oben entworfene Szenario ist nichts anderes als die Benennung eines immer häufiger auftretenden Phänomens mit den Wort „synkretistisch“2. In diesem Fall wird „Synkretismus“ genau so verwendet, wie es früher getan wurde. Synkretismus als wahllose unreflektierte Vermischung verschiedenster Elemente. Genau das ist Synkretismus aber nicht. 2.1 Synkretismus: Charakteristika und Definition (I) Eugenio Maurer3 arbeitet in einem Beitrag über die Tseltal, besonders einen Aspekt heraus: Die entstandene Religion ist kein Synkretismus der wahllos vermischt sondern ein geordnetes System: „Was den Begriff betrifft, den viele von den indigenen Religionen haben, so haben wir gesehen, daß sie einzig ihres Indigenseins wegen noch immer des Synkretismus bezichtigt werden. Und weil man sie nicht tief genug versteht, glaubt man, ihre Elemente Prähispanischem und seien eine konfuse Westlichem.“ (Maurer Mischung in: aus Schreijäck 1992:80) Und weiter: „Man spricht oft vom “Synkretismus“ der indigenen Religionen. Meines Erachtens wird das Wort auf unangemessene Weise verwendet oder es zeugt von einem Ethnozentrismus, der sie für unfähig erachtet, zu einer Synthese von prähispanischen mit westlich-katholischen Elementen gefunden zu haben. Natürlich ist es richtig, daß es während der Akkulturation bei verschiedenen Gelegenheiten zum Synkretismus kommt. Aber es handelt sich um einen Prozeß, der gewöhnlich in eine Synthese, 2 unter der Argumentation, daß dieses Wort vielleicht einen positiven Beiklang bekommen könnte, 3 Maurer, Eugenio; Das Tseltal – Christentum. in: Schreijäck, Thomas (ed.); Die indianischen Gesichter Gottes. Frankfurt 1992 6 d.h. in eine Ordnung und Harmonie der Elemente, der in Kontakt getretenen Kulturen, einmündet.“ (Maurer in: Schreijäck 1992:65) Auch Marzal4 vertritt diesen Gedanken in einem Beitrag über die Quechua, wenn er betont, daß sich ein synkretistisches System bildet: „[...][D]iese Transformation [Akzeptanz und Neuinterpretiation des Christentums durch die Indios unter Beibehaltung vieler autochthoner religiöser Elemente, m.A] verlief in jeder Ethnie anders [...]. Obwohl sie alle Glaubensüberzeugungen, Riten, Organisationsformen und ethischen Normen mit christlichem Ursprung akzeptieren, bewahren viele Indios [...] weiterhin Elemente ihres integrieren sie alten andinen sogar, um religiösen damit ein mehr Systems. oder Sie weniger synkretistisches System zu bilden... Wie auch immer, ich bin der Meinung, daß das indigene Christentum keine bloße Maske ist, unter der die alte indigene Religion im Untergrund weiterlebt.“5 Wir sehen also, daß beide Autoren darauf Wert legen, daß nicht einfach vermischt wird, sondern etwas neues mit Elementen zweier verschiedener Ursprünge entsteht. Allerdings unterscheiden Marzal und Maurer sich in der Verwendung der Begriffe, da Maurer von einer Synthese spricht, während Marzal das gleiche Phänomen als wahrhaftigen Synkretismus bezeichnet, weil für ihn anscheinend nur eine vollständige Vereinigung eine Synthese (Maurer in: Schreijäck 1992:28) darstellt. Synkretismus heißt für ihn: „aus zwei Religionen, die in Kontakt treten, entsteht eine neue, die Resultat einer dialektischen Interaktion ihrer Bestandteile, also ihrer Glaubensüberzeugungen, Riten, Organisationsformen und ethischen Normen, ist.“ (Marzal in Schreijäck 1992:117) 4 Marzal, Manuel M.; Die Religion der Quechua im südandinen Peru. in: Schreijäck, Thomas (ed.); Die indianischen Gesichter Gottes. Frankfurt 1992 5 Marzal, Manuel M.; La transformacion religiosa peruana. Lima 1977 p. 439f. zit. in: Marzal in Schreijäck 1992:115 7 Was also fix ist, ist die dialektische Interaktion, die etwas neues zur Folge hat. Wir haben eben einige Charakteristika von Synkretismus gesehen, auch wenn manche Autoren lieber von synkretistischen Systemen oder Synthese sprechen. Ich werde in dieser Arbeit den Begriff „Synkretismus“ beibehalten, und ihn nicht durch „Synthese“ ersetzen, weil ich glaube, daß der Begriff nicht nur gut ist (weil er in seiner ursprünglichen Bedeutung (s.o.) das Zusammenstehen und Gemeinsame einer bestimmten Gruppe in Zeiten der Gefahr, und die Zeit der Conquista (und danach!?) war eine solche, unterstreicht) sondern es auch sinnvoll ist einem bisher negativ besetzten Begriff seiner Konnotation zu nehmen, und ihn als wertfrei bis positiv besetzt darzustellen. Darüber hinaus scheint es mir auch wichtig, einen Begriff der vielen Religionen beizubehalten, aus wenn Ethnozentrismus man gleichzeitig zugeschrieben zeigt, daß wurde er nicht „schlecht“ ist, weil er eben nicht wahllos vermischt. Es soll also gezeigt werden, daß die Verwendung des Begriffs richtig ist (es gibt synkretistische Religionen) aber einen anderen Inhalt hat. Gezielte Strategien als Grundlage des Synkretismus, nicht Beliebigkeit. Mit anderen Worten: Nicht bisher als synkretistisch verunglimpfte Religionen sollen plötzlich als bewußte Synthesen dargestellt werden, sondern Synkretismus soll als sinnvolle bewußte Strategie dargestellt werden, die man allerdings bis jetzt nicht erkannt hat. Was aber ist mit Phänomenen, auf die diese Kriterien nicht zutreffen? 2.2 Abgrenzungen des Begriffs Alles das, was eine plötzliche, ziel- und planlose Vermengung darstellt, die nichts anderes ist, als der oft zitierte „religiöse Warenkorb“ oder der „Supermarkt der religiösen Beliebigkeiten“, ist vieles, aber es ist nicht Synkretismus. 8 Noch einmal: Man kann es vieles nennen, bricolage, Mischreligion, durch Heterogenese entstandenes Ideengebäude, oder sonst irgendwie, aber nicht Synkretismus. So denken auch Stewart und Shaw und meinen dazu: „In principle we agree with Richard Werbner who, in his capacity as discussant for our panel on syncretism at the 1992 American Anthropological Association meetings, argued that the term ´syncretism`should be limited to the domain of religious or ritual phenomena, where elements of two different historical ´traditions` interact or combine. This would distinguish it from bricolage, the formation of new cultural forms from bits and pieces of cultural practice of diverse origins“ (Shaw und Stewart in: Shaw und Stewart 1994:10) Zurückkommend auf die positiv oder negative Konnotation des Begriffes, scheint also folgendes wichtig zu bemerken zu sein: Es geht weniger, eigentlich gar nicht, um die Beurteilung von Synkretismus als positiv oder negativ, sondern um einen Hinweis darauf, das vieles als synkretistisch bezeichnet wird, was gar nicht synkretistisch ist, nicht um die positive oder negative Besetzung des Ausdrucks, sondern um seinen Inhalt. Wenn aber die Unterscheidungsmöglichkeit6 zählt, dann kann eo ipso (eigentlich eher ea ipsa) diese nicht an sich gut oder schlecht sein. (Was aber nicht heißt, daß es nicht im Einzelfall zu abzulehnendem Entstandenen kommen kann) 3. Synkretismus und Religion Welche Religionen sind aber wirklich synkretistisch, denn solche gibt es, und welche sind es nicht? Wenn man Religion als etwas kollektives und gewachsenes betrachtet, und das tue ich, dann ist die Antwort naheliegend: 9 Jede Religion, also von mehreren geteilte Glaubensauffassungen (dogmatische und undogmatische), Riten, Normen, etc,. kann synkretistisch sein wenn sie durch Interaktion aus einem lang anhaltenden Kontakt zweier verschiedener Religionen hervorgeht. Selbst zusammengestellte –individuelle- Glaubensüberzeugungen, die aus zwei oder mehr Religionen entstanden sind, bzw. eher geschaffen sind, können es nur in den seltensten Fällen sein. Das soll den Wert individueller Ideengebäude für die -sie geschaffen habenden- Personen in keiner Weise mindern oder schmälern. Es soll auch kein Argument gegen Individualismus sein, oder ein Abtun nicht von mehreren Personen geteilter Gedankenbauten als lächerlich, nicht ernst zu nehmen, oder gar als New- Age- Unsinn. Was ich betonen möchte ist: Synkretismus (also der wirkliche) braucht Zeit um zu entstehen, ist also ein Prozeß (der höchstwahrscheinlich nie abgeschlossen wird), ergibt aber ein in sich geschlossenes, logisches7 und kohärentes System, das für viele Leute Sinn macht, und dessen Elemente miteinander interagieren. 3.1 Charakteristika (II) Wir können also eine weitere Charakteristik feststellen: 6 Synkretistisch oder nicht – synkretistisch als Unterscheidungsmöglichkeit, also als Kategorisierungshilfe, von Religionen 7 Logisch heißt in diesem Zusammenhang wahrscheinlich etwas ein wenig anderes als sonst, da viele Religionen und vor allem das Christentum an sich ja nicht logisch, d.h. nicht in allen Punkten verstandesmäßig nachvollziehbar sind. So ist, zum Beispiel, die Trinitätslehre an sich nicht logisch, weil nicht nachvollziehbar. Dadurch, daß die katholische Kirche aber Dogmen besitzt und die Trinität ein Dogma ist, setzt sie in diesem Fall einfach etwas voraus, das als Ausgangspunkt genommen werden muß und schafft damit die Voraussetzung für eine eigene Logik. Wenn man also Glauben muß, daß ein Gott in drei Personen existiert, dann werden die Implikationen, die die Kirche daraus zieht logisch. Das System ist damit in sich geschlossen und kohärent. (q.e.d.) 10 Die Notwendigkeit, einer gewissen, länger anhaltenden Dauer des Kontaktes zweier Religionen, also gewissermaßen ein Religionskontakt, als Paraphrasierung des Kulturkontakts, als Unterschied zur Kulturbegegnung. Als Faustregel für die Dauer als Kriterium könnte man sagen: Synkretistische Religionen sind entstanden, zusammengestelltes ist geschaffen. Auch Berner8 sieht den Begriff des Synkretismus als Prozeß: „[D]er Synkretismus – Begriff ist prozessual konzipiert, d.h. “Synkretismus“ bezeichnet einen Prozeß und “Synkretismus“ ist festgelegt auf einen Prozeß zwischen zwei Religionen,[...]“ (Berner in: Wiessner 1978:13) Soweit so gut, oder auch nicht. Es stellt sich aber jetzt die Frage, was eigentlich zusammenkommt bzw. zusammenwächst. (Ich beschränke mich in dieser Arbeit Religionen, nur und auf lasse ab das Phänomen jetzt das synkretistischer Thema der selbst- zusammengestellten Gedanken –und Überzeugungsgebäude gläubigen Charakters fallen.) 4. Zur Analyse von Synkretismus Zur Analyse von Synkretismus scheint es angebracht zu sein, von der Perspektive der konfrontierten Kultur (s.u.) auszugehen, die mit einer ihr unbekannten Religion in Kontakt tritt, und nicht von der Perspektive der „neuen“ Religion aus. In Lateinamerika hieße das also, den synkretistischen Prozeß aus der Sicht der indigenen Gesellschaften zu interpretieren und nicht aus der Sicht der katholischen Kirche. Warum man religiösen von der Wandel Kultur ausgehen betrachtet, 8 kann erklärt wenn sich, man wenn einen man Berner, Ulrich; Heuristisches Modell der Synkretismus – Forschung (Stand August 1977). in: Wiessner, Gernot (ed.); Synkretismusforschung: Theorie und Praxis. Wiesbaden 1978 11 anerkennt, daß Kultur und Religion in vielen indigenen Gesellschaften untrennbar verbunden waren, oder sind, das tägliche Leben also, von der Religion vollständig durchsetzt war und auch das Leben mitten in der Religion stand: „In den meistern traditionellen Gesellschaften – und bis in die antiken Hochkulturen hinein – ist die Religion nicht als eigenständiges Subsystem von >>nicht –religiösen<< Bereichen unterschieden. Es besteht kein Wort für das, was wir als >>Religion<< bezeichnen würden, und es ist zumindest zweifelhaft problemlos vorauszusetzen, daß Religion zwar dem Wort nach fehle, der Sache nach aber selbstverständlich vorhanden sei. Die >>Sache<< ist von uns ausgegrenzt und rekonstruiert.“ (Stolz in: Drehsen und Sparn 1996:20) Auch Schreiter9 ist dieser Ansicht: „Immer wieder ist in unserer Arbeit klar geworden, daß Religion mehr ist als eine Lebensanschauung – sie ist auch Lebenspraxis. Je genauer wir die christliche Praxis in allen ihren Ausdrucksformen untersuchen, desto deutlicher müssen wir uns die Frage nach dem Wesen der Religion stellen. Ist Religion womöglich eine europäische oder eine christliche Kategorie? Es kann doch nicht ohne Bedeutung sein, daß so viele Sprachen nicht einmal ein Wort dafür haben, was wir Religion nennen. Für viele Völker ist Religion eine Form des Daseins und des Lebens, die so sehr mit der Vorstellung verbunden ist, Teil einer bestimmten Kultur zu sein, daß es für sie undenkbar ist, außerhalb jener Kultur diese Daseinsform zu leben.“ (Schreiter 1992:28 vgl. auch Shaw und Stewart in: Shaw und Stewart 1994:10) Ohne hier auf eine Diskussion über die Definition von Kultur näher einzugehen, setze ich für diese Arbeit Kultur und Religion indigener Gesellschaften gleich und komme zurück zu der Frage der Perspektive der konfrontierten Kultur. (ich vermeide bewußt den Begriff empfangende Kultur, den viele 9 Schreiter, Robert J. ; Abschied vom Gott der Europäer: Zur Entwicklung regionaler Theologien. Salzburg 1992 12 Autoren (z.B.: Schreiter 1992:234) verwenden, weil er meiner Meinung nach zu passiv und zu bereitwillig klingt.) Was also passiert jetzt, wenn eine Religion mit einer anderen konfrontiert wird, bzw. was kann passieren? Als erstes halte ich es für wichtig, bei dieser Frage zwei verschiedene Möglichkeiten zu unterscheiden, nämlich den „freiwilligen“ und den „erzwungenen“ Synkretismus: Wenn zwei Religionen in Kontakt treten und dabei durch Interaktion eine neue entsteht, dann kann dies freiwillig erfolgen, beispielsweise durch das Neben- und Miteinander Leben Angehöriger zweier oder mehrerer Religionen, wie es wahrscheinlich bei diversen Sekten protestantischer Prägung geschehen ist und wie man eventuell auch die Entstehung des Islam interpretieren könnte, wenn es keinen Religionsgründer gegeben hätte, der eine neue Lehre verkündet hat, die aber von manchen als Synkretismus zwischen Judentum und Christentum gesehen wird. Oder aber, es geschieht nicht freiwillig, sondern erzwungen durch das Übergewicht einer Gruppe, die die anderen anpassen und bekehren will. Dies war eindeutig der Fall bei der Mission in Lateinamerika als (wie manche meinen, Vorausstzung, auf jeden Fall aber) Folge und Begleiterscheinung der Conquista. In diesem Fall war natürlich nicht der Synkretismus als solcher erzwungen („Synkretisiert gefälligst!“) sondern die Interaktion kam gezwungenermaßen zustande. In so einem Fall, also soll man von der Perspektive der konfrontierten Religion ausgehen. Bei freiwilligem Synkretismus kann man natürlich nicht davon ausgehen, weil ja beide Religionen gleich „konfrontiert“ sind, und die Wahl schwer fiele. Da man aber davon ausgehen kann, daß die Indios nicht fröhlich jauchzend die Ankunft der Spanier gefeiert, und sich dankbar in den Schoß der Heiligen Mutter Kirche begeben, weil sie den einen und wahren Gott mit Hilfe der Missionare erkannt haben, sondern mit einer Religion konfrontiert wurden, die für sie sicher nicht leicht verständlich war, muß man sich die Frage 13 stellen, wie die Indios auf diesen Religionskontakt reagiert haben. Daß die katholische Mission den amerikanischen Doppelkontinent nicht einfach missioniert hat, also keine vollständige „1:1 – Bekehrung“ stattgefunden hat ist offensichtlich, denn sonst würde sich ohnehin niemand mit Synkretismus in Lateinamerika beschäftigen. Was also geschah nach der Ankunft der Europäer, die so bald die Herrschaft übernehmen konnten? Die indigenen Religionen wurden als nicht katholisch mit Stumpf und Stiel ausgerottet, bzw. wollte man das tun und Missionare versuchten die Indios zu bekehren. Alles das ist bekannt und zur Genüge beschrieben worden, so daß ich hier darauf verzichten kann, eine Darstellung der in diesem Zusammenhang geschehenen Verbrechen und Greueltaten, die durch die europäischen Invasoren begangen wurden, zu geben. Darüber hinaus, sinnvoller zu scheint sein, die es eben Analyse – wie aus schon der erwähnt Perspektive – der konfrontierten Kultur zu stellen. Schreiter nennt vier Formen synkretistischer Möglichkeiten: „Die Bandbreite synkretistischer Möglichkeiten kann man sich als vier Segmente Reaktionen auf eines eine neue Spektrums Realität vorstellen, – das die vier Christentum – repräsentieren. Die R[e]aktionsmuster sind inkorporativ, d.h. die Kultur versucht auf vier verschiedene Weisen, diese Realität in ihr Leben einzugliedern. Indem sie sie in ihre Zeichensysteme integriert, hält sie ihre eigene Autorität und Glaubwürdigkeit aufrecht. Die erste Form einer Inkorporation benützt die Ähnlichkeiten zwischen den Zeichensystemen der Kultur und denen des Christentums. Die Elemente der eindringenden Kultur werden als analog zu denen der empfangenen Kultur gesehen.[...] Eine zweite Form der Inkorporation besteht darin, Lücken zu füllen. 14 Hier verfügt die eindringende Kultur über Zeichen und meist auch Codes, die ein bestimmtes Problem lösen können, für das das dominante Zeichensystem der empfangenden Kultur keine entsprechende Antwort hat.[...] Eine dritte Form der Aufnahme der Elemente ist die wahllose Vermischung. Diese Vermischung tritt dann ein, wenn sich die empfangende Kultur auf einer niedrigen Stufe sozialer und kultureller Organisation befindet und besonders empfänglich für neue Zeichensysteme sowie deren Codes und Botschaften ist. Diese Situation trifft speziell auf eine empfangende Kultur zu, die unter Druck steht, weil die Glaubwürdigkeit des eigenen Zeichensystems angegriffen wird. In diesen Fällen kann es zur Aufnahme vollständiger neuer Zeichensysteme kommen.[...] Der vierte Punkt in diesem Spektrum ist die Dominanz. In diesem Fall bereits so ist das Zeichensystem geschwächt worden, der daß regionalen es von Kultur jenem der eindringenden Kultur vollständig übernommen wird“ (Schreiter 1992:232-35;Kursive im Original) Von diesen vier Formen stimme ich mit den ersten zwei und der letzten überein, allerdings nicht mit der dritten, weil ich nicht glaube, daß es eine wahllose Vermischung geben kann, auch wenn es sicherlich zur Annahme vollständiger Zeichensysteme kommen kann.(Diese Aussage bedeutet allerdings nicht, daß es nicht zu einer zeitweiligen wahllosen Vermischung kommen kann, doch kann diese, meiner Meinung nach, durch die bereits erwähnte Interaktion nicht von Dauer sein, so daß die Vermischung auf Grund der zeitlichen Komponenten nicht als Synkretismus zu sehen ist(s.u.)) Wenn auch nur ein Zeichensystem oder Element übernommen wird, könnte es man natürlich für wahllos halten, doch muß man in diesem Fall m.E. das Element nicht als isoliert betrachten, sondern im Zusammenhang mit anderen Elementen sehen, und diese anderen – „traditionellen“ - mit dem einen – neuen – in Bezug setzen. 15 In diesem Sinn ist es dann eben keine wahllose Vermischung mehr, sondern eine Kombination mehrere Elemente verschiedenen Ursprungs, die, durch diesen Bezug der Teile unter- und zueinander aber etwas neues, in sich stimmiges und logisches, ergeben. Tun sie das nicht, und ist all dies wirklich wahllos vermischt, kann man auch nicht von Synkretismus sprechen, sondern bestenfalls von einer bricolage. Schreiter analysiert diese Möglichkeiten also auf der Ebene der Religionen und sagt was seiner Meinung nach zwischen den Religionen als solchen passieren kann. Wichtig erscheint mir vor allem aber auch ein anderer Punkt, den Schreiter aufwirft: Die Inkorporation neuer Elemente. Diese Inkorporation ist eben eine Möglichkeit einer Religion auf eine andere zu reagieren, und die Arten der Inkorporation sind das was Schreiter beschrieben hat. Wenn also Elemente inkorporiert werden, dann kann man von Synkretismus sprechen, der eben verschiedene Möglichkeiten der Inkorporation hat, allerdings eben nicht in eine Religion, wie so oft angenommen wird, sondern Inkorporation als neue – synkretistische – Religion. Berner spricht von einer Verunsicherung, die sich ergeben kann, wenn zwei verschiedene Systeme aufeinanderstoßen und folgert daraus: „Synkretismus kann aufgefaßt werden als eine der möglichen Reaktionen auf eine solche Situation der Verunsicherung durch Begegnung verschiedener Systeme; eine Reaktion, die das Ziel verfolgt, diese Verunsicherung aufzuheben, und die dies in einer ganz bestimmten Weise zu erreichen sucht, nämlich durch Aufhebung der Grenzen der Systeme und damit Aufhebung des Konkurrenz – Charakters; das kann als präzisierende Definition eines vagen umgangssprachlich formulierten Synkretismus – Begriffes gelten.“ (Berner in: Wiessner 1978:12f.) Der Begriff Moment, das „Reaktion“ eine beinhaltet bewußte aber Tätigkeit schon ein darstellt, aktives also kein unwillkürlicher Reflex, sondern etwas absichtliches ist. Da natürlich nicht die Kultur als abstrakte Kategorie (als etwas 16 Verdinglichtes10) reagiert, sondern die Menschen, die diese Kultur leben und gestalten, heißt das auch, daß diese Menschen einen aktiven Part innehaben, also sie selbst darauf reagieren, und nicht einfach von einem Phänomen überrannt werden. Auch Marshall Sahlins11 spricht – zwar in einem etwas anderen Zusammenhang, da er gewissermaßen über einen nichtreligiösen Synkretismus spricht – für diese Sicht (“Notice that for the peope concerned, syncretism is not a contradiction of their culturalism [...] but its systematic condition.the first thing of course is to survive. This is what the politics is decisively about.[...] Defenders of the indigenous order are prepared to make useful compromises with the dominant culture, even to deploy its techniques and ideals – in the course of distingushing their own“.Sahlins in: Borofsky 1994: 389)), wenn man davon ausgeht, daß bei den erwähnten Kompromissen eine tiefgreifende Veränderung stattfindet, und so mehr entsteht als eine Summe der Teile. Aber nicht nur die Ebene der Religion als Ganzes ist von Interesse, sondern auch die Ebene der einzelnen Elemente ist wichtig. Wir haben oben schon gesehen, daß Marzal eine Möglichkeit genannt hat, die zum Tragen kommt, wenn zwei Religionen in Kontakt treten, (das synkretistische System) und wir haben gesehen, daß durch Inkorporation etwas neues entsteht. Darüber hinaus erklärt er, was durch diese Interaktion mit den einzelnen Bestandteilen der Religionen geschehen kann: Entweder sie bleiben bestehen oder verschwinden, oder sie vereinigen sich mit anderen Bestandteilen, die ihnen ähneln, oder sie werden neu interpretiert. (Marzal in: Schreijäck 1992:28 u. 116f) Damit sind wir auf der Element-Ebene. 10 Zu der Gefahr, daß „eine Kultur“ verdinglicht wird siehe auch: Keesing, Roger M.; Theories of Culture Revisited. in: Borofsky, Robert (ed.); Assessing Cultural Anthropology. New York 1994 17 Ich halte es für außergewöhnlich wichtig klar zwischen diesen Ebenen zu trennen, denn oft scheint es wird hier vermischt und verworren. Zur Erklärung dafür bemühe ich wieder Berner: „“Synkretismus (auf System – Ebene)“ bezeichnet die Prozesse, in denen die Grenze und damit das Konkurrenzverhältnis zwischen den Systemen aufgehoben wird, und zwar entweder durch Relationierung auf Element – Ebene12 oder durch Synkretismus auf Element – Ebene13“(Berner in: Wiessner 1978:18f.) Das eigentlich interessante ist das Konkurrenzverhältnis, das Berner anspricht: Zwei Religionen die einander begegnen stehen oft, und besonders bei erzwungenem Synkretismus, in so einem konkurrierenden Verhältnis, und als Reaktion darauf werden die Grenzen aufgehoben, so daß dieses Verhältnis verschwindet. Es erscheint mir hier angebracht die oben erwähnten Unterscheidungen – die Berner ausgearbeitet hat- etwas näher zu betrachten, weil Berners Artikel, zwar extrem genau und äußerst hilfreich, aber leider auch ziemlich unübersichtlich und verwirrend ist. Deshalb möchte ich auf die beiden Mechanismen, die das Konkurrenzverhältnis bzw. die Grenze aufheben näher eingehen. Bei Relationierung auf Element-Ebene unterscheidet Berner fünf verschiedene Arten: biomorphes, soziomorphes, technomorphes, Modell sowie die ontologische und lokale Relationierung. Alle diese Modelle geben an auf welche Weise, d.h. mit welchem 11 Sahlins, Marshall; Goodbye to Tristes Tropes: Ethnography in the Context of Modern World History. in: Borofsky, Robert (ed.); Assessing Cultural Anthropology. New York 1994 12 Zur Erklärung: „“Relationierung (auf Element-Ebene)“ bezeichnet die Verhältnisbestimmung verschiedener Elemente, die also nicht “verschmelzen“, sondern als Glieder einer Relation erhalten und für den Anhänger des betreffenden Systems erkennbar bleiben“ (Berner in: Wiessner 1978:23, Unterstreichung im Original) 13 Ebenfalls zur Erklärung: „“Synkretismus (auf Element-Ebene)“ bezeichnet zunächst solche Verbindungen verschiedener Elemente, in denen die Grenze zwischen den Elementen aufgehoben wird, d.h. sie stellen dich dem Anhänger des betreffenden Systems als Einheit dar, und ihre Zusammengesetztheit ist in manchen Fällen nur noch durch sekundäre Analyse erkennbar, dann aber auch die Überlagerungen eines Elementes durch andere Bedeutungen und die Entstehung von Elementen, die andere nachahmen.“ (Berner in: Wiessner 1978:23, Unterstreichung im Original) 18 Überbegriff bzw. mit Hilfe welchen „Bildes“ die Elemente zueinander in Verbindung gesetzt werden. Als Analogie zu den Bestandteilen eines Orientierung an lebenden den Organismus Ebenen und (biomorph, durch Elementen des gesellschaftlichen Systems, (soziomorph), etc.(vgl. Berner in: Wiessner 1978:24) Diese Modelle und Arten bezeichnen also die verschiedenen Möglichkeiten, wie man verschiedenste Elemente eines Systems zu einander in Beziehung setzen kann, und so zu einer Aufhebung des Konkurrenzverhältnisses kommen kann, ohne die Grenzen zwischen den Elementen aufzuheben. Wenn die Grenzen aufgehoben werden sollen, es sich also um Synkretismus auf Element-Ebene handelt, dann gibt es ebenfalls mehrere Möglichkeiten, und zwar ebenfalls fünf, wobei eine vier Untergruppen hat. Da dieses Möglichkeiten durchaus wichtig sind, werde ich sie hier genauer erklären: 1.)absorbierender zusätzlich die Synkretismus: Funktion eines ein Element anderen übernimmt Elementes, das gleichzeitig verdrängt wird. Die Zusammengesetztheit ist auf erste Blick nicht zu erkennen. 2.)differenzierender Synkretismus: Elemente werden aufgespalten und Teile verschiedener Elemente verbinden sich zu einem neuen Element. 3.)additiver Synkretismus: die Grenze (und damit das Konkurrenzverhältnis) zwischen verschiedenen Elementen wird aufgehoben, aber ohne, daß eines der Elemente absorbiert wird. Es entsteht eine Kombination aus den vorgegebenen Elementen, die als zusammengesetzt erkennbar ist.(z.B.: ein Doppelname) 4.)äquivalentierender Synkretismus: in einem System wird ein neues Element geschaffen, das ein Äquivalent zu einem Element des konkurrierenden Systems darstellt. 19 5.)agglomerativer Synkretismus: ein Element wird durch andere Elemente oder Systeme überlagert Hier gibt es fünf Unterarten: 5.1.)Identifikation: verschiedene Elemente werden als identisch erklärt. 5.2.)Transformation: ein Element erfährt durch eine bewußte Umdeutung eine Bedeutungsänderung. 5.3.)Umfunktionierung: ein Element des einen Systems wird als Element in ein anderes System aufgenommen. 5.4.)Substitution: ein Element des einen Systems wird verdrängt und seine Funktion von einem Element des konkurrierenden Systems ausgefüllt. 5.5.)Legalisierung: ein Element wird gleichzeitig als zu einem anderen System gehörig anerkannt und in das eigene System aufgenommen. (Berner in: Wiessner 1978:24ff.) Es sind also bei Berner viel mehr Möglichkeiten zu finden, als bei den meisten anderen Autoren und je nach Fall wird eine jeweils andere zum Tragen kommen. Deshalb halte ich es auch für so wichtig die oben bereits erwähnte Unterscheidung Synkretismus zu in erzwungenen treffen, Konkurrenzverhältnis im da Sinne 20 ja und nicht einer freiwilligen immer ein gegenseitigen Verunsicherung zwischen zwei Religionen besteht. (Anderenfalls müßte es ja synkretistische wahrscheilich im Religion, aus die Heiligen Land Judentum und eine Islam entstanden ist, geben.) Darüber hinaus halte ich es für sinnvoll auch die Funktionen der einzelnen Elemente einer Religion zu beachten, da damit der Sinn des gesamten Systems klarer wird, und außerdem deutlich werden kann, warum einzelne Elemente übernommen bzw. vermischt bzw. neuinterpretiert werden. Mit einem Wort also warum es keine wahllose Vermischung ist, die bei Synkretismus stattfindet. Die Funktion eines Tempels, einer Kirche oder eines Heiligen, einer Dorfgottheit sind relativ offensichtlich und müssen nicht mehr als andeutungsweise erklärt werden. Das Heiligtum ist ein besonderer Ort außerhalb des Alltags der durch seine sakralen Charakter es „leichter“ macht mit der Transzendenz in Kontakt zu treten, während die Dorfgottheit, und oft auch der Heilige, die Aufgabe hat, als persönlicher Schutz bzw. Fürsprecher aufzutreten. Wir sehen also, daß Tempel und Kirche die gleiche Aufgabe erfüllen, genauso wie Dorfgottheit und Schutzpatron. Da aber die Funktionen dieselben sind, ist es nicht weiter verwunderlich, daß die jeweiligen Institutionen auch bis zu einem gewissen Grad auswechselbar sind, also der Heilige die Dorfgottheit und die Kirche den Tempel ersetzen kann. Der Grund für den Ersatz wird im Fall einer Mission mit Feuer und Schwert wohl in der Motivation sich soviel wie möglich zu behalten liegen. Wenn ich aber etwas behalten kann (die Funktion) dann werde ich das tun, auch wenn ich es anders nennen muß, um es zu behalten.(An dieser Stelle sollte darauf hingewiesen werden, daß es natürlich von Zeit zu Zeit auch zu anderen Formen kommen kann, wie z.B. zu Camouflage, aber dann ist dies eben kein Synkretismus, denn dazu müßte sich ja auch der Inhalt selbst ändern) 21 Allerdings sind diese Beweggründe für die betroffenen Menschen wahrscheinlich nicht so deutlich sichtbar, sondern wirken eher unbewußt. Klor de Alva14 schreibt in diesem Sinn: „As was the case for most sixteenth – century Christians, Nahuas experienced their religiosity primarily as a social phenomenon. [...] Spiritually speaking the moral community was made up of those individuals who recognized as theirs the sacred bundle, tlaquimilolli, made up of the relics and/or belongings of the divinizized founder [...] Logically, the tlaquimilolli was housed in the temple that represented the sacred center of the community. Many of these sacred bundles were hidden, and others were destroyed after the Spanish missionaries insinuated themselves into the local capitals and proceeded to destroy the ancient temples. The stunned villagers, fearing their disintegration into chaos at the loss of their center, immediately recognized the founding of local churches (from the rubble of their old temples) and each church’s ritual identification with a patron saint as the reestablishment of the (potentially) lost center. In effect, baptism, the gateway that made access to the new church and the newly articulated community possible, was ignored only at great spiritual and civic perils.“ (Klor de Alva in: Gossen 1993:178, Kursive im Original) Was wir hier also sehen, ist, daß die jeweilige Funktion gleich bleibt, die einzelnen Ausformungen aber ersetzt werden. Es handelt sich also um einen agglomerativen Synkretismus auf Element-Ebene, in seiner speziellen Ausformung der Substitution. Die Taufe wird als „lückenfüllendes“ (Schreiter) Element zusätzlich akzeptiert, und zwar in Berners Sinne als legalisierende Unterform des agglomerativen Synkretismus. Wenn der Inhalt des katholischen Glaubens auch noch komplett 14 Klor de Alva, J. Jorge; Aztec Spiritulality and Nahuatized Christianity. in: Gossen, Gary H. (ed.); South and Meso – American Native Spirituality: From the Cult of the Feathered Serpent to the Theology of Liberation. New York 1993 22 übernommen würde, würde es sich um eine erfolgreiche Mission von A-Z handeln, wenn dies nicht der Fall ist es Synkretismus, weil verschiedene Elemente etwas neues ergeben, denn es ist nicht das alte in neuem Gewand, sondern etwas anderes, also neues, da die Taufe dazugekommen ist. Dieses neue Element hat wahrscheinlich noch dazu Einfluß auf andere Elemente dieses Systems, so daß es weitere Veränderungen geben wird, die es erst recht unmöglich machen von einer alten, nur überdeckten oder wahllos vermischten Religion zu sprechen. Es ist aber selbstverständlich nicht immer so einfach, die Möglichkeiten der Inkorporation zu analysieren und zu verstehen, schon deswegen nicht, weil ja nicht immer nur funktionsgleiche Elemente ersetzt werden, oder Lücken gefüllt werden. Am schwierigsten ist sicher die Neuinterpretation zu erkennen, zu beweisen und zu analysieren. Was bedeutet das aber alles für die Synkretismusforschung? Das Wesentliche an dieser Frage ist zunächst einmal festzustellen, ob es sich bei einer Religion wirklich um eine synkretistische handelt oder „nur“ um eine Religion, die mit anderen Elementen durchsetzt ist. Zur Erklärung: Die katholische dieselbe, wie Religion das ist eine im wesentlichen dogmatische weltweit Religion mir ausgeprägtestem Zentralismus zwangsläufig mit sich bringt. Trotzdem kommt es zu regionalen Unterschieden15, die in jeweils kulturspezifischen Formen der religiösen Praxis ihren Ausdruck finden. Eine katholische Messe wird in Uganda etwas anders gefeiert, als in Mexico. Der Inhalt ist derselbe, aber die eingesetzten Symbole können durchaus variieren. Ist diese religiöse Praxis deshalb synkretistisch zu nennen? 15 Abgesehen davon, daß selbstverständlich auch eine dogmatische Religion wie das katholische Christentum in kodifizierte „offizielle“ Versionen und in „popular versions“ unterschieden werden kann und muß. 23 Nein, denn der Inhalt bleibt gleich, nur die äußere Form ist ein wenig anders. Die katholische Kirche16 selbst meint dazu: „37. In den Dingen, die den Glauben oder das Allgemeinwohl nicht betreffen, wünscht die Kirche nicht eine starre Einheitlichkeit der Form zur Pflicht zu machen, nicht einmal in ihrem Gottesdienst; im Gegenteil pflegt und fördert sie das glanzvolle geistige Erbe der verschiedenen Stämme und Völker; was im Brauchtum der Völker nicht unlöslich mit Aberglauben und Irrtum verflochten ist, das wägt sie wohlwollend ab, und wenn sie kann, sucht sie es voll und ganz zu erhalten. Ja, zuweilen gewährt sie ihm Einlaß in die Liturgie selbst, sofern es grundsätzlich mit dem wahren und echten Geist der Liturgie vereinbar ist. 38. Unter Wahrung der Einheit des römischen Ritus im wesentlichen ist berechtigter Vielfalt und Anpassung an die verschiedenen Gemeinschaften, Gegenden und Völker, besonders in den Missionen, Raum zu belassen, auch bei der Revision der liturgischen Bücher. Dieser Grundsatz soll entsprechend beachtet werden, wenn die Gestalt der Riten und ihre Rubriken festgelegt werden.“ (Sacrosanctum Concilium (Nr. 37 und 38) in: Rahner und Vorgrimler 1968:64f.) Es ist also relativ deutlich, daß es nicht um kulturelle Besonderheiten gehen kann, wenn man von Synkretismus spricht, sondern nur um den Inhalt, und der ist wesentlich schwieriger zu analysieren. Und in der Tat, der Inhalt ist oft nicht mehr zu trennen, im Sinne von eindeutig zuzuschreiben, sondern nur noch anzuerkennen, wie Albó17 meint: 16 Sacrosanctum Concilium: Die Konstitution über die heilige Liturgie. in: Rahner, Karl und Vorgrimler, Herbert (eds.); Kleines Konzilskompendium: Alle Konstitutionen, Dekrete und Erklärungen des Zweiten Vaticanums in der bischöflich genehmigten Übersetzung. Freiburg i. Br. 1968 (4. Aufl.) 17 Albó, Xavier; die religiöse Erfahrung der Aymara. in: Schreijäck, Thomas (ed.); Die indianischen Gesichter Gottes. Frankfurt 1992 24 „Es ist wohl eher eine künstliche als eine reale Frage, ob es sich wirklich um eine mit christlichen Begriffen und Symbolen versehene Aymara – Religion handelt, oder, ob es sich umgekehrt um eine christliche Religion handelt, in der mehr oder weniger Elemente der andinen Tradition weiterbestehen. Dies zu entscheiden, hängt zum Großteil von der mehr oder weniger strengen oder flexiblen Vorstellung ab, die ein jeder sowohl von der einen, als auch der anderen Religion hat.“ (Albó in: Schreijäck 1992:149) Offensichtlich sehen also manche Autoren die Frage nach dem Ursprung der einzelnen Minderheitsverhältnis Elemente zueinander und als deren rein Mehr- oder subjektiv und dadurch eigentlich nicht beantwortbar. In der Tat scheint es schwierig ein aus mehreren Teilen zusammengesetztes Element in seine Einzelheiten zu zerlegen und diese dann noch zurückzuverfolgen und zuzuordnen. Darüber hinaus scheint es eigentlich fast unmöglich festzustellen, welcher Religion ein Element zuzuordnen ist, wenn es vermischt wurde bzw. wenn es neuinterpretiert wurde, denn wem soll man letzteres zuordnen? Berner selbst spricht ja davon das z.B. der absorbierende Synkretismus auf Element-Ebene nur durch eine sekundäre Analyse festzustellen ist. Einzig die Lückenfüllenden Elemente sind leicht zuzuordnen, doch stellt sich auch hier die Frage, wo die Lücken sind, bzw. was als Lücke anzusehen ist, die eine oder die andere gefüllte Lücke? Katholische Lücken, oder indigene? Wir sehen also, daß die Zuordnung und Analyse der einzelnen Elementen eines Systems äußerst schwierig wenn nicht gar unmöglich sind. Die Analyse einer Religion als synkretistisch oder nicht – synkretistisch ist ebenfalls nicht leicht, aber möglich: Sobald man sich sicher sein kann, daß eine Religion auch im Inhalt aus mindestens zwei verschiedenen Religionen entstanden ist, also nicht nur mit einzelnen Elementen einer bestimmten Kultur durchsetzt ist, die nichts am Inhalt ändern (vgl. 25 Sacrosanctum Concilium) und diese beiden Religionen in einem andauernden Kontakt durch eine dialektische Interaktion eine neue Religion hervorgebracht haben, kann man von Synkretismus reden, und danach kann man versuchen die einzelnen Elemente zu analysieren, und eventuell damit Erfolg haben. 5. Zusammenfassung Zu Beginn dieser Arbeit wurde der Begriff Synkretismus vorgestellt, seine Geschichte (Plutarch und Erasmus,etc.) und seine pejorative Konnotation erwähnt, die sich aus der Annahme des wahllosen Vermischens ergibt, und als „Falle“ auch angewendet. Dies diente der Feststellung das Synkretismus nicht mehr als wahllos, sondern durch dialektische Interaktion als neu, in sich logisch und kohärent angesehen werden muß.(Maurer und Marzal). Zur Abgrenzung des Begriffs wurden also– in zwei Teilen – bestimmte Charakteristika aufgezeigt (die eben angesprochene Logik und prozessuales Entstehen) und dadurch der Begriff enger definiert. Religionen auf die diese beiden Aspekte nicht zutreffen, kann und darf man nicht synkretistisch nennen. Bevor man beginnt Synkretismus zu analysieren, sollte man feststellen, ob überhaupt Synkretismus um es sich bei einer handelt, bestimmten oder ob nur Religion bestimmte kulturelle Einflüsse vorhanden sind, die den Inhalt nicht betreffen. (Konstitution: Sacrosanctum Concilium) Bei der Analyse von Synkretismus war und ist es mir ein Anliegen zu unterscheiden zwischen freiwilligem und erzwungenem Synkretismus. Im Fall des erzwungenen Synkretismus ist es wichtig von der Perspektive der konfrontierten Kultur (ich habe versucht zu zeigen, daß man in vielen Fällen Kultur und Religion gleichsetzen kann) auszugehen, weil man in diesem 26 Fall Synkretismus als Reaktion auf einen Religionskontakt sehen kann (der durch ein ungleiches Machtverhältnis ausgelöst wird), die versucht die entstandene Verunsicherung aufzulösen, indem entweder das Konkurrenzverhältnis zwischen den Religionen beseitigt wird - entweder indem Synkretismus auf Element-Ebene stattfindet, der in vielen verschiedenen Formen von sich gehen kann, wodurch die Grenzen aufgehoben werden oder indem die Elemente der beiden Systeme in Relationierung gebracht werden, wodurch ebenfalls das Konkurrenzverhältnis aufgelöst wird, allerdings ohne die Grenzen aufzuheben. In beiden Fällen handelt es sich also um Synkretismus auf SystemEbene. Wir können also abschließend feststellen, daß erzwungener Synkretismus auf System – Ebene eine bewußte Reaktion auf eine akute Verunsicherung, darstellt, bei der durch dialektische Interaktion eine verschiedenste neue Religion Mechanismen Sinn entsteht, macht und die nicht durch unsinnig kombiniert. Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, daß es also vor allem auf die konfrontierte Gesellschaft ankommt, in welcher Weise Synkretismus stattfindet – denn es ist ihre Reaktion - und „Religionsbringer“, nicht und auf um mit Missionare einem oder klassischen andere Zitat schließen zu können, (gewissermaßen als Tribut an die Antike, mit deren begonnen griechischen hat, und an Vertreter die Plutarch Reaktion?) diese zitiere ich lateinischen Satz, den ich Albó entlehne: „quid quid recipitur ad modum recipientes recipitur“.18 27 Arbeit einen Zitierte Literatur Albó, Xavier; die religiöse Erfahrung der Aymara. in: Schreijäck, Thomas (ed.); Die indianischen Gesichter Gottes. Frankfurt 1992 Berner, Ulrich; Heuristisches Modell der Synkretismus – Forschung (Stand August 1977). in: Wiessner, Gernot (ed.); Synkretismusforschung: Theorie und Praxis. Wiesbaden 1978 Klor de Alva, J. Jorge; Aztec Spiritulality and Nahuatized Christianity. in: Gossen, Gary H. (ed.); South and Meso – American Native Spirituality: From the Cult of the Feathered Serpent to the Theology of Liberation. New York 1993 Marzal, Manuel M.; Allgemeine Einführung. in: Schreijäck, Thomas (ed.); Die indianischen Gesichter Gottes. Frankfurt 1992 Marzal, Manuel M.; Die Religion der Quechua im südandinen Peru. in: Schreijäck, Thomas (ed.); Die indianischen Gesichter Gottes. Frankfurt 1992 Maurer, Eugenio; Das Tseltal – Christentum. in: Schreijäck, Thomas (ed.); Die indianischen Gesichter Gottes. Frankfurt 1992 Sacrosanctum Concilium: Die Konstitution über die heilige Liturgie. in: Rahner, Karl und Vorgrimler, Herbert (eds.); Kleines Konzilskompendium: Alle Konstitutionen, Dekrete und Erklärungen des Zweiten Vaticanums in der bischöflich genehmigten Übersetzung. 18 Freiburg i. Br. 1968 (4. Aufl.) Albó in: Schreijäck 1992:148 28 Sahlins, Marshall; Goodbye to Tristes Tropes: Ethnography in the Context of Modern World History. in: Borofsky, Robert (ed.); Assessing Cultural Anthropology. New York 1994 Schreiter, Robert J. ; Abschied vom Gott der Europäer: Zur Entwicklung regionaler Theologien. Salzburg 1992 Shaw, Rosalind und Stewart Charles; Introduction: problematizing syncretism. in: Shaw, Rosalind und Stewart, Charles (eds.); Syncretism/Antisyncretism: The Politics of Religious Synthesis. London und New York 1994 Stolz, Fritz; Austauschprozesse zwischen religiösen Gemeinschaften und Symbolsystemen. in: Drehsen, Volker und Sparn, Walter (eds.); Im Schmelztiegel der Religionen: Konturen des modernen Synkretismus. Gütersloh 1996 Verwendete, aber nicht zitierte Literatur Dussel, Enrique; Die Geschichte der Kirche in Lateinamerika. Mainz 1988 Keesing, Roger M.; Theories of Culture Revisited. in: Borofsky, Robert (ed.); Assessing Cultural Anthropology. New York 1994 Müller-Fahrenholz, Geiko, Pannenberg, Wolfgang, Prien, HansJürgen, Schwantes, Milton, Sievernich, Michael SJ, Sudar, Pablo und Waldenfels, Hans SJ; Christentum im Lateinamerika: 500 Jahre seit der Entdeckung Amerikas. Regensburg 1992 29 Siller, Pius Hermann (ed.); Suchbewegungen: Synkretismus – Kulturelle Identität und kirchliches Bekenntnis. Darmstadt 1991 30