Predigtreihe 2012 Christlicher Glaube, was ist das? Klärendes, Kritisches, Anstösse Helmut Fischer, TVZ Zürich 2011 6. Kapitel: Glaube Gottesdienst vom 4. März 2012, Matthias Blum Text: Philipper 3 Thema: Ich glaube. Was heisst das? Vorab muss ich mich entschuldigen, dass ich nicht mein Veto eingelegt habe, Ihnen das Buch über den christlichen Glauben von Helmut Fischer zum Lesen zu empfehlen. Ich hatte im Herbst das Buch nicht wirklich geprüft. Ich bin traurig, dass es Theologen gibt, die in einer solchen Art Menschen davon abhalten, an Jesus Christus, den Auferstandenen, zu glauben. Für Helmut Fischer ist der Glaube als eine Beziehung zum dreieinigen Gott eine Fehlinterpretation dessen, was Jesus gewollt hatte. Damit widersetzt sich Fischer sämtlichen Aposteln und Kirchenvätern und Müttern im Glauben. Als einzig Positives in diesem Buch sehe ich die Herausforderung, wirklich zu überdenken, was wir glauben und ob unser Glaube auch kritischen Fragen gegenüber Bestand hat. Es lohnt sich, unseren Glauben immer wieder einmal zu hinterfragen und zu prüfen, ob wir denn wirklich im biblischen Sinn glauben, ob das, was wir glauben, wirklich Bestand hat, ob unser Glaube begründet ist, ob er auf sicherem Fundament steht. Ich denke an einen Bergsteiger, der sich über eine tiefe Schlucht abgeseilt hatte, und als er auf der anderen Seite ankam realisierte er, dass das Seil, auf das er sich verlassen hatte, gar nicht angemacht war, sondern lediglich im Eis festgefroren war. In diesem Sinn fordert Paulus die Philipper im 3. Kapitel seines Briefes heraus, ihren Glauben zu überprüfen. Er warnt sie davor, ihren Glauben auf etwas anderes zu gründen, als auf Jesus Christus, den Auferstanden. Genau das ist es aber, was Helmut Fischer macht: Für Fischer geht es im Glauben nicht um eine Wirklichkeit, in der wir nicht mit einem persönlichen Gott rechnen können, sondern um eine unpersönliche Kraft der Liebe, die unser Leben prägen soll. Doch Paulus ist auf dem Weg nach Damaskus nicht einer unpersönlichen Macht begegnet, sondern dem auferstanden Jesus, dessen Kraft und Macht er bis zu seinem Tod in Rom immer wieder ganz real erfahren hat. Mit Fischer stimme ich überein: der biblische Glaube ist kein Fürwahrhalten von Lehren, kein philosophisches Modell und auch kein Kultgeschehen, an dem ich teilhaben muss. Es ist aber auch nicht einfach ein „Wagnis, in dem ich mich als Liebender existenziell aufs Spiel setze“, wie das Fischer beschreibt, ausser wenn damit das Einlassen auf die Beziehung mit Gott gemeint ist, so wie Paulus es ausdrückt: Jesus Christus will ich erkennen und die Kraft seiner Auferstehung. Glauben in der Bibel ist das Vertrauen in Gott als unser Gegenüber: das Vertrauen in eine Person, die uns liebt. Wenn wir unseren Glauben auf etwas anderes gründen, als den persönlichen, dreieinigen Gott, dann sind wir wie der Bergsteiger, der einem Seil vertraut, das nicht gesichert ist. Paulus zeugt aus seinem eigenen Leben und beschreibt, wie er seine Glaubensgewissheit auf falsche Fundamente gebaut hatte: auf seine Herkunft, auf das Einhalten von Traditionen und Vorschriften, auf das Kennen und Befolgen von Geboten, auf seinen Eifer und seine Hingabe. Ja Paulus hat in einer Liebe zu Gott gelebt, aber gerade er hat erkannt, dass es nicht eine echte, lebendige Liebesbeziehung zum himmlischen Vater war, wie er sie durch die Begegnung mit dem Auferstandenen kennenlernte, sondern ein Gefangensein in letztlich falschen Vorstellungen von Gott. Doch nun bekennt er: das alles, was für mich früher wichtig war, ist für mich heute ein Nichts, ja sogar ein Schaden. Das schockiert uns vielleicht etwas! All unsere guten Taten im Leben sind doch nicht ein Nichts! Es gibt doch viel Gutes in unserem Leben, auf das wir stolz sein dürfen, wofür wir dankbar sein dürfen. Weshalb soll dies ein Schaden sein? Paulus hat in seinem Leben entdeckt, was wirklich wichtig ist, was allein zählt und wonach er in seinem Leben strebt: „Jesus will ich erkennen und die Kraft seiner Auferstehung.“ Phil. 3,10 „Ich erachte alles für Dreck, damit ich Christus gewinne und in ihm gefunden werde.“ Phil 3,8 Es geht Paulus im Glauben also um das Eine: nämlich Christus immer besser zu erkennen und in ihm gefunden zu werden. Das heisst, ganz in der Beziehung mit Jesus Christus zu leben, mit ihm verbunden zu sein und in seinem Geist zu denken, zu fühlen und zu handeln, denn das allein hat letztlich Bestand. Wenn ich meinen Alltag kritisch betrachte, dann muss ich zugeben, dass mir das schwerfällt: Wie schnell bin ich in meinen Gedanken geprägt von Sorgen, Ängsten und Zweifeln. Ich ärgere mich über Umstände, die nicht so sind, wie ich sie mir vorstelle, ich entsetze mich über Missstände, von denen ich in den Nachrichten höre und ich lasse mich von den schlechten Nachrichten deprimieren, anstatt dass ich den Kontakt mit Gott suche und mich von ihm inspirieren liesse. Ich werde also nicht ‚in Christus‘ gefunden, wie es Paulus ausdrückt, sondern man findet mich in weltlichen, menschlichen, ungläubigen Gedanken. Wie oft sind wir verstrickt in Gedanken, die nicht von Gott kommen, die nicht von seinem Geist inspiriert sind, sondern die letztlich aus einem ungläubigen Herz kommen. All diese menschlichen Gedanken, die ihren Ursprung nicht in der Beziehung zu Gott haben, bezeichnet Paulus als Schaden, als ein Hindernis für unsere eigentliche Berufung: von Gottes Worten, von seinem Willen und seiner Liebe geprägt zu sein, was dann geschehen kann, wenn wir uns auf Gottes Beziehungsangebot einlassen. Doch oft sind es nicht Gottes Gedanken und Perspektiven, die unser Denken bestimmen. Ich denke bei mir persönlich an pessimistische Zukunftsperspektiven. Manchmal ertappe ich mich dabei, schwarz zu malen; zu denken, es komme ja ohnehin immer schlimmer und deshalb lohne sich dieser oder jener Einsatz nicht. Oder ich klage mit Menschen über das Elend ihrer Umstände oder ihrer Krankheit ohne mit dem Eingreifen von Gott zu rechnen und ohne darum zu beten, dass Gott Weisung oder ein Wunder schenken möge. Oder manchmal fange ich an selber zu hirnen: ich mache mir meine Überlegungen und bastle meine menschlichen Lösungsmöglichkeiten zusammen. Doch das nennt Paulus nicht Glauben. Glaube im biblischen Sinn ist das Vertrauen in Gott. Nicht einfach ein blindes Vertrauen, das jeden Verstand und jedes eigene Mitwirken ausschaltet. Wohl aber ein sich Einlassen auf die Beziehung mit dem Gott, der über jedem Problem, über jeder Situation und jeder scheinbar ausweglosen Not steht, aber für uns trotzdem oft eine Geheimnis bleibt. Glaube bedeutet, wie es Paulus ausdrückt, in jeder Situation Gott besser erkennen zu lernen. Das heisst: sich in allen Fragen, Nöten und Situationen nach Gott auszustrecken und sich zu öffnen für Worte von Gott, für Weisung von ihm, für Hinweise, Ideen oder Erkenntnisse, von denen wir im Nachhinein sagen können: Gott hat zu mir gesprochen. Gott hat eingegriffen. Er hat mir geholfen. Diese Hilfe von Gott kann durch einen Menschen geschehen, durch einen Gedanken vom Himmel beim Lesen der Bibel, aber z. B. auch durch das Ansehen eines Kinofilmes oder das Erleben eine ganz alltäglichen Begebenheit oder Begegnung. Entscheidend ist die Glaubenshaltung: nämlich diese Offenheit für Gott, der auf alle möglichen Arten und Weisen mit uns in Kontakt treten kann, wenn wir bereit sind. Sicher haben wir alle schon solche Geschenke von Gott erlebt, die Frage ist nur, ob wir darin auch wirklich Gottes Handeln und seine Liebeserweise erkannt haben. Wir haben vom Beispiel Abrahams gehört: Er vertraute Gottes Verheissung und verliess seine Heimat. Er liess sich von Gott führen und erlebte immer wieder Ermutigungen: Gott sprach zu ihm, als er einen Blick in den Sternenhimmel warf und schenkte ihm die VerSeite 2 von 3 heissung von so vielen Nachkommen, wie er Sterne sah. Abraham bewirtete drei Wanderer und plötzlich realisierte er, dass er Gastgeber von Engeln war, die ihm eine Verheissung von Gott gaben. Abraham wird der Vater des Glaubens genannt, weil er sich auf die Beziehung mit Gott einliess, weil er immer wieder Gott vertraute und den Kontakt mit ihm suchte. Zwar ist es für uns tröstlich, dass auch er immer wieder einmal zweifelte und auf seinem Glaubensweg stolperte (er gab seine Frau als seine Schwester aus aufgrund seiner Angst vor dem Pharao oder erzeugte mit seiner Magd einen Sohn, weil er zweifelte, dass Sara noch ein Kind bekommen könnte). Wie Abraham sind wir aufgerufen, Glaubensschritte zu wagen und Gott immer besser kennenzulernen. Wie Petrus im Sturm sind wir aufgefordert, in unserer Situation den Schritt aus dem Boot zu wagen und Jesus entgegenzugehen. Im Glauben war es ihm möglich auf dem Wasser zu gehen. Als er auf die Wellen schaute und unterzugehen drohte, da streckte ihm Jesus seine Hand entgegen und richtete ihn wieder auf. So dürfen wir Erfahrungen machen mit Gott. Doch diese Erfahrungen können wir nicht machen, wenn wir im sturmgeschüttelten Boot sitzenbleiben, sondern nur wenn wir den Schritt auf Jesus hin wagen. Glaube bedeutet aber nicht, sich auf das eigene Leben zu beschränken und den Weg in den Himmel zu sichern! Es geht darum, unsere Berufung hier auf dieser Erde zu erfüllen. Deshalb sagt Paulus: „Ich vergesse was dahinten ist und strecke mich aus nach dem, was da vorne ist und jage nach dem vorgesteckten Ziel, dem Siegespreis der himmlischen Berufung Gottes in Christus Jesus.“ (Phil 3,13f.) Unsere Berufung hier auf Erden ist es, als Himmelsbürger zu leben, wie Paulus im Vers 20 schreibt: „Unser Bürgerrecht aber ist im Himmel, woher wir auch erwarten den Heiland, den Herrn Jesus Christus.“ Die Botschaft von Jesus war, dass Gottes Himmelreich nahe ist, dass Gottes Reich mitten unter uns bereits begonnen hat. Deshalb beten wir ja auch: Dein Reich komme, dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden! Paulus bemühte sich täglich, dieser Berufung gerecht zu werden und jagte dem nach, was Gottes Wille für die Situationen sein könnte, denen er begegnete. Paulus suchte immer die Beziehung zum auferstandenen Herrn, der durch sein Wirken ‚Himmel auf Erden‘ gebracht hat und will, dass wir in seiner Nachfolge dasselbe tun: Jesus ist dem geldgierigen Zöllner Zachäus nicht menschlich begegnet und ist ihm ausgewichen, sondern Jesus ist auf ihn zugegangen, hat mit ihm gegessen und ihn für Gottes Reich gewonnen. Er hat sich von der Prostituierten Maria Magdalena gegenüber nicht gesetzlich verhalten und sich ihr nicht fern gehalten, sondern hat sie die göttliche Dimension von Liebe erfahren lassen und sie so begeistert für ein neues Leben mit Gott. In all den Nöten und bei all den Krankheiten, denen er begegnete, handelte er nicht nach einem Schema, sondern war stets im Kontakt mit seinem himmlischen Vater und begegnete den Menschen individuell und liess sie die Kraft Gottes erfahren. Zu diesem Leben im Glauben ruft uns auch Paulus auf: wir alle dürfen wie er in jeder Situation damit rechnen, Jesus Christus kennenzulernen und seine Kraft der Auferstehung zu erfahren, sodass auch heute ein Stück Himmel auf Erden Realität wird: vielleicht indem wir heute jemanden trösten können, jemandem eine Freude machen oder durch eine Ermutigung aufrichten können. Alles fängt im Kleinen an, doch die Grundfrage ist, ob wir alles im Glauben tun: im Vertrauen auf den Gott, der mit uns ist und uns berufen hat, als seine Kinder, als Bürger des Himmels zu leben, das heisst als Menschen, die in Beziehung stehen mit dem Gott, uns als Gegenüber geschaffen hat und in Jesus Christus Mensch geworden ist, damit wir ihn kennen, ihm vertrauen und ihn lieben können. Deshalb sagt Paulus: Ihn will ich erkennen und die Kraft seiner Auferstehung. Das ist die Voraussetzung, dass wir in wahrem Glauben unsere Berufung leben können. Seite 3 von 3