Hochauflösungsmikroskopie Dr. Harald Schnitzler, Leica Microsystems (Schweiz) AG Obwohl die Grundlagen der optischen Abbildung vor Jahrhunderten erkannt und gelegt wurden, konnten die beteiligten Technologien insbesondere auch in den letzten Jahren in vielerlei Hinsicht revolutioniert und verbessert werden und eröffnen heute neue Horizonte. Die Rechenleistung der Computersysteme erlaubt beispielsweise das Design von Zoomobjektiven mit grossen Öffnungen bei hoher Abbildungsgüte. Laser und LED Lichtquellen erlauben das effiziente Beleuchten und, falls gewünscht, die Anregung von Objekten mit hoher spektraler Intensität. CCD- und CMOS-Bildsensoren haben das Filmmaterial abgelöst und erlauben hochaufgelöste Bildaufnahme und unmittelbare Wiedergabe mit gesteigerter Dynamik und Auflösung. Digitale Bildverarbeitung ermöglicht weitere komplexe Bildmanipulationen, Bildfusionen, lokale Kontrastkurven und einiges mehr quasi in Realzeit anzuwenden. Während die Physik des Lichts unverändert bleibt, haben digitale Megapixel-Arrays das Filmkorn ersetzt. Wer mit nur 5 Megapixeln fotografiert, scheint schon bemitleidenswert, 10-20 Megapixel scheinen nötig, damit das Bild nicht a-priori vorverurteilt wird. Dass ein Full-HD Monitor gerade einmal 2 Megapixel besitzt, und darauf ein Bild beeindruckender Schärfe dargestellt werden kann, scheint geflissentlich ignoriert zu werden. Ernüchtert beobachten wir oft, dass das x-Megapixel Bild schon bei Betrachtung mit einem eigentlich völlig unterdimensionierten Full-HD Bildschirms keine richtig scharfen Details zeigt. Vernachlässigen wir in Anwesenheit der digitalen Technologiefortschritte vielleicht die Grundgesetze der optischen Abbildung, ohne welche aber kein hochauflösendes Bild entsteht? Diese Grundlagen möchte ich in diesem Artikel darlegen, ohne auf Grund der Vielseitigkeit und des Komplexität des Themas auf die Details jeden Aspekts eingehen zu können. Mikroskopie kann und muss die Lichtquelle aber aktiv gewählt und eingestellt werden, um optimale Ergebnisse zu erhalten. Ziel ist einerseits, alle Objektpunkte ausreichend und gleichmäßig zu beleuchten, so dass genügend Licht emittiert wird und ein Signal jedes Objektpunktes empfangen werden kann. Andererseits kann die Beleuchtungscharakteristik auch zu diffus für ein optimal empfundenes Bild sein, denn feine Oberflächenstrukturen erscheinen mangels Licht und Schatten strukturlos, wenn diffuses Licht isotrop aus dem gesamten Raumwinkel eine fein strukturierte Oberfläche beleuchtet. Die geeignete Charakteristik der Lichtquelle stellt somit die Grundlage dar, um ein detailreiches Bild empfangen zu können. Das auf das Objekt auftreffende Licht der Beleuchtung wird schliesslich durch die optischen Eigenschaften des Objekts transformiert. Diese Eigenschaften bestehen aus Textur, Struktur und Topographie, Kontrast-, Streu- und Glanzeigenschaften, Transparenz und Absorption, bis hin zu Polarisationseffekten. Diese Eigenschaften und deren Wirkung müssen individuell beurteilt und genutzt werden, um ein optimales Bildergebnis höchsten Detailgrades zu erhalten. Bildschärfe und damit die Auflösung eines Bildes werden durch ein komplexes Zusammenspiel zahlreicher Faktoren bestimmt. Das schwächste Glied in der Kette bestimmt, ob das Licht eines Objektpunkts zufriedenstellend den Detektor erreicht und wie gross der Unschärfekreis des Objektpunktes auf dem aufgenommenen Bild erscheinen wird. Dabei sind die Megapixel des Sensors nur eine Stufe der Bildaufnahme, welche heutzutage eher selten begrenzend für die tatsächliche Auflösung wirkt. Insbesondere in der höchstauflösenden Mikroskopie sind die Einflussfaktoren auf eine hochauflösende Bildaufnahme sehr vielseitig und zahlreich und wirken in einem komplexen Zusammenspiel. Entlang des Lichtwegs vom Objekt zu Bild sind die folgenden Elemente von Bedeutung und sollen im Folgenden kurz betrachtet werden. Alles Licht entspringt einer Lichtquelle, was oft als selbstverständlich oder gegeben hingenommen wird und zu wenig Beachtung erfährt. In der hochauflösenden Eine Bürde aller Bildsensoren nach heutigem Stand der Technik ist, dass der Dynamikbereich demjenigen des menschlichen Auges noch um Grössenordnungen unterlegen ist. Bei starkem Objektkontrast werden also die hellen Partien möglicherweise ein so starkes Signal auf dem Bildsensor auslösen, dass dieser in die Sättigung gerät, und dunkle Partien liefern möglicherweise nur ein so schwaches Signal, dass dieses im Rauschen des Sensors verschwindet. Das gesamte Objekt kann dann von dem Bildsensor nicht ganzheitlich zufriedenstellend aufgenommen werden. Dieser Problematik kann wieder- rum durch fortgeschrittene Beleuchtungsgestaltung (Diffusionsgrad, Lichtrichtung, etc.) oder digitale Bildverarbeitung von Aufnahmesequenzen (z.B. Bildsequenzen für high-dynamic-range [hdr], u.a.) begegnet werden. Ziel ist dabei, möglichst alle Objektpartien so abzubilden, dass diese trotz ihrer Unterschiedlichkeit alle gut beobachtet werden können. Eine spezielle Herausforderung in der Mikroskopie stellen auch Glanzstellen auf dem Objekt dar. Glanz bedeutet die direkte Reflexion von Licht aus der Lichtquelle in die Bildaufnahmeeinheit. Glanzbereiche weisen daher eine gravierend höhere Helligkeit auf als die umgebenden Bereiche des Objekts, welche zwar ähnlich intensiv angeleuchtet sind, von denen aber nur ein Bruchteil des eingestrahlten Lichts, auf Grund von diffuser Streuung des Objektpunkts, in die Bildaufnahmeeinheit umgelenkt wird. Der Helligkeitsunterschied von Glanzstellen ist dabei so gross zur Umgebung, dass dies typischerweise auch mit einer HDR-Belichtungsreihe nicht erfasst werden kann. In unseren modernen Digitalmikroskopen helfen hier schaltbare Lichtquellen, wodurch durch geeignete Variation der Lichtrichtung Glanzstellen vermieden werden können. Das vom Objekt emittierte Licht wird schliesslich ganz oder teilweise von der Beobachtungsoptik des Mikroskops erfasst. Diese besteht aus einem Objektiv, möglicherweise einem optischen Zoom und einem Tubus der das Licht entweder auf einem Bildsensor oder, für die visuelle Beobachtung, auf ein Zwischenbild fokussiert, welchem ein Okular folgt. Allen abbildenden Optiken gemeinsam ist, dass das Linsensystem einen endlichen Durchmesser mitbringt, meist einstellbar durch eine Irisblende. Dieser definiert die sogenannte numerische Apertur (halber Öffnungswinkel des erfassten Lichbündels) und ist gleichzeitig verantwortlich für die erfasste Lichtmenge, was die Bildhelligkeit und Empfindlichkeit definiert, die Grenze der Auflösung, welche unvermeidlich durch eine Öffnung entsteht. Je kleiner die Öffnung ist, desto mehr Beugung entsteht und desto geringer ist die maximal erreichbare Auflösung des Systems. den Bereich der Schärfentiefe, welche sich umgekehrt zur Grenze der Auflösung verhält, da mit grösserem erfassten Lichtkegel die Unschärfe ausserhalb der Fokusebene schneller zunimmt. In der Mikroskopie, wo es um die Darstellung kleinster Details geht, ist das Auflösungsvermögen von grösster Wichtigkeit. Beugungsunschärfe als eine unvermeidliche Eigenschaft jeder abbildenden Optik liegt also auch in einem fehlerfreien Linsensystem vor. Der Unschärfedurchmesser der Bildpunkte wird also mindestens durch die von der Apertur bestimmte Beugungsunschärfe definiert und niemals im mathematischen Sinne punktförmig scharf sein. Für eine Abbildung des sichtbaren Spektralbereichs, kann dieses beugungsbegrenzte Auflösungsvermögen nach der Formel R = 3000 nA abgeschätzt werden, wobei nA = D/(2f) die numerische Apertur, den Halbwinkel des Lichtkonus beschreibt. Diese wird berechnet aus dem Durchmesser der Blende D, geteilt durch zweimal die Brennweite des Objektivs 2f. Das Ergebnis ist das Auflösungsvermögen in der Einheit von Linienpaaren pro Millimeter (LP/mm). Die For- mel kann im Objektraum als auch im Bildraum angewendet werden, wobei die numerische Apertur objektivseitig, respektive bildseitige einzusetzen ist: Bei einer typischen objektseitigen Apertur von nA = 0.3 berechnet sich eine Auflösung von R = 900 LP/mm, bedeutend, dass auf diesem Objekt zwei Punkte mit einem Abstand von etwa 1m gerade noch getrennt wahrgenommen werden können. Auch angewendet auf ein erzeugtes Bild liefert die Formel nützliche Werte: Typische Tubusbrennweiten und Pupillendurchmesser ergeben im Zwischenbild eines Mikroskops bei hohen Vergrösserungen typische Aperturen von nA = 0.02, häufig auch weniger. Das entspricht einer Bildauflösung von 60 LP/mm. Bei visuellem Einblick wird das Zwischenbild typischerweise mit einem 10x vergrösserndem Okular betrachtet, so dass das Auflösungsvermögen des Auges von bis zu 1‘ bereits die Geräteauflösung übertrifft. Weiteres Vergrössern ohne Erhöhung der Apertur würde also keine weiteren Details mehr sichtbar machen, da die Auflösung nicht gesteigert würde. Ähnliches lässt sich bei der Aufnahme mit einem digitalen Bildsensor ableiten: Mehr als 800 Linienpaare werden bei der genannten Apertur entlang der langen Bildkante eines Sensors auf Grund der Beugungsunschärfe nicht aufgelöst (entspricht einem typischen Bildausschnitt bezogen auf das Zwischenbild von 17mm und 4:3 Seitenverhältnis). Eine Abstimmung der Sensorauflösung auf das Auflösungsvermögen des Geräts ist der Bildqualität mehr zuträglich als die Anwendung einer überzogenen Anzahl winziger Pixel, welche dann nur die Beugungsunschärfe - verrauscht – aufnehmen würden. Der digitalen Bildaufnahme folgt die digitale Signalverarbeitung. Trotz allen Versprechungen der Software hat auch hier das Grundgesetz Bestand, dass gar nicht vor- handene Bildinformationen auch nicht durch einen noch so raffinierten Algorithmus sichtbar gemacht werden können. Zwar mögen Schärfealgorithmen (bei gewissen Annahmen über das Bild) vorhandene Kanten und Details herausstellen, d.h. zur Umgebung scharf abgrenzen. Nicht aufgelöste feine Details und Strukturen, die unterhalb der Beugungsgrenze liegen und daher zu einem einzigen Helligkeitspeak zusammengeschmolzen sind, sind aber auch durch Bildverarbeitung nicht mehr hervorzuzaubern. Voraussetzung für eine höchstmögliche Bildschärfe mit hinreichend vielen Linienpaaren Auflösung ist also eine grosse Apertur, ein Mikroskopobjektiv mit grosser Apertur. Verantwortlich dafür, dass die Apertur auch überhaupt in beugungsbegrenzter Schärfe fokussiert wird, ist das Design des Linsensystems der gesamten bildgebenden Optik. Jede Linse verursacht geometrische Abbildungsfehler, welche als Aberrationen wie Öffnungsfehler, Koma, Astigmatismus, Fehler höherer Ordnung, sowie Farblängs- und Farbquerfehler bekannt sind. High-Performance Optik-Designs für Mikroskopobjektive erreichen durch Kombination von Linsen zu Gruppen und komplexen Gesamtsystemen, dass das Abbildungssystem in seiner Gesamtheit nur so geringe Abbildungsfehler besitzt, dass diese innerhalb der Beugungsunschärfe verschwinden und somit nicht mehr wahrnehmbar oder gar auflösungsbegrenzend sind. In der Realität kommen zu den Nominalfehlern des Designs die bautechnischen Einflüsse der Toleranzen hinzu. Diese beginnen bei der Toleranz der Glasschmelze, erstrecken sich über Formfehler der Linsen bis hin zur Montagegenauigkeit der Optikgruppen, respektive deren Justageprozesse. Aufgabe eines Optikdesigners ist es, die geometrischen Abbildungsfehler des Designs inklusive dem Einfluss aller fertigungstechnischen Toleranzen und Justagen derart zu gestalten, dass diese innerhalb des durch Beugung bestehenden Unschärfedurchmessers liegen und somit nicht auflösungsbegrenzend in Erscheinung treten. Diese anspruchsvolle Aufgabe erfordert nicht nur mathematisches Geschick während des Lensdesigns, sondern auch Kenntnis über die Eigenschaften und Möglichkeiten aller beteiligten Komponenten. Die Wellenlänge des Lichts von einigen hundert Nanometern bestimmt auch die Skala der Toleranzen für eine High-Performance Optik. Eine beugungsbegrenzte HighPerformance-Mikroskop Optik, welche ein ausgeklügeltes Design und mechanische Toleranzen auf Mikrome- Impressum Schweizerische Akademie der Technischen Wissenschaften www.satw.ch Juni 2015 Dieser Artikel entstand für die SATW Rubrik „Im Fokus“ zum Thema Licht. Gestaltung: Claudia Schärer Bilder: Leica Microsystems (Schweiz) AG terskala erfüllt, ist daher stets auch ein Leckerbissen an optischer Feinwerktechnik und Ingenieurskunst. Blicken wir auf den Artikel zurück, so verteilt sich die Antwort, worauf es in der hochauflösenden Mikroskopie ankäme, auf eine grosse Vielzahl einzelner Gesichtspunkte. Das Kennen und Berücksichtigen dieser Vielzahl von bildgebenden Aspekten ist die Herausforderung, um herausragende Ergebnisse zu erzielen. Moderne, automatisierte und computergestützte Mikroskope können dabei dem Anwender helfen, die bestmöglichen Parameter, von Beleuchtung bis zur Bildaufnahme, zu identifizieren und einzustellen. In Kombination mit einer hochaperturigen Optik feinster optomechanischer Baukunst erreicht man mit dem Mikroskop Einblicke in das uns umgebene Mikrokosmos, die uns sonst verschlossen bleiben.