Muskelsystem Arbeitsweise der Muskulatur 3.3 3.3.1

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Bewegungssystem
Muskelsystem
3.3
Das aktive Bewegungssystem wird von der quer gestreiften Muskulatur bzw. der quer
gestreiften Skelettmuskulatur, gebildet. Diese ist willkürlich beeinflussbar, d. h., der
Mensch kann bewusst einen Muskel kontrahieren und somit z. B. einen Arm heben.
Skelettmuskeln haben drei grundlegende Aufgaben:
π aktive Bewegung ermöglicht die Fortbewegung bzw. gezielte Bewegungen
π Wärmeproduktion zum Erhalt der Körperwärme
π aufrechte Körperhaltung beim Gehen, Sitzen und Stehen
Arbeitsweise der Muskulatur
3.3.1
Ursprung und Ansatz
Muskeln haben mindestens zwei Fixpunkte an verschiedenen Knochen, damit diese
Knochen über das Gelenk gegeneinander bewegt werden können. Je nach Funktion
werden ihre Befestigungen am Knochen als Ansatz oder Ursprung bezeichnet.
π Die Befestigung des Muskels am kranial bzw. proximal gelegenen, i. d. R.
­unbeweglicheren (fixierten), Anteil des Knochens kann als Ursprung
(Punctum fixum) und
π die Befestigung des Muskels an dem kaudal bzw. distal gelegenen, i. d. R.
­beweglicheren, Anteil des Knochens als Ansatz (Punctum mobile) bezeichnet
werden.
So ist z. B. der Ursprung des |M. biceps brachii an der Scapula – dem proximalen und
relativ unbeweglicheren Teil – und der Ansatz am Radius – dem distalen und beweg­
licheren Teil [Abb. 1]. Beim Heben des Unterarms bleibt der Ursprung an der Scapula
fest an seinem Ort und der Ansatz am Radius führt dazu, dass der Unterarm gebeugt
wird.
Die Bezeichnungen von Ansatz und Ursprung können auch vertauscht werden, um
ungewöhnliche Bewegungen zu ermöglichen. Der Ursprung des M. biceps brachii an
der Scapula und der Ansatz am Radius wechseln beim Hochziehen an einer Sprossen­
wand. In diesem Fall ist der Ursprung der Radius, der fest an seinem Ort bleibt, und
der Ansatz, die Scapula, wird bewegt [Abb. 2]. Hier kommt es zu einem Tausch von Punc­
tum fixum und Punctum mobile.
M. biceps brachii | 174
Ursprung des
M. biceps brachii
Ansatz des
M. biceps brachii
Radius
(Speiche)
Scapula
(Schulterblatt)
Ansatz des
M. biceps brachii
Humerus
(Oberarmknochen)
Ulna (Elle)
[1] M. biceps brachii mit Ansatz und Ursprung
148
Ursprung des
M. biceps brachii
[2] Vertauschter Ansatz und Ursprung beim Hochziehen
an einer Sprossenwand
3
Muskelsystem
Agonisten, Synergisten und Antagonisten
Bei den verschiedenen Gelenkbewegungen des Körpers arbeiten immer unterschied­
liche Muskeln zusammen. Ein Agonist (Spieler) führt eine Bewegung aus. Muskeln,
die sich bei einer bestimmten Gelenkbewegung gegenseitig unterstützen, werden
­Synergisten genannt. So arbeiten z. B. beim Bankdrücken der |M. pectoralis major, |M. M. pectoralis major | 175
triceps und der vordere Anteil des |M. deltoideus pars clavicularis zusammen. Hierbei M. triceps | 176
ist zu beachten, dass die Muskeln nicht generell Synergisten sind, vielmehr bezieht M. deltoideus | 175
sich diese Gemeinschaft immer nur auf eine bestimmte Bewegung.
Muskeln, die bei einer Gelenkbewegung gegensätzliche Bewegungen ausführen,
werden Antagonisten genannt [Abb. 3]. Wird z. B. bei der Armbeugung der Armbeuger
(M. biceps brachii), d. h. der Agonist, aktiv verkürzt, wird sein Strecker (M. triceps), d. h.
der Antagonist, aktiv gedehnt. Bei Armstreckung kehrt sich die Funktion dieser Mus­
keln um, sodass der M. biceps brachii zum Antagonisten und der M. triceps brachii
zum Agonisten wird.
Sehne
Scapula
Beuger
Beuger
Radius
Strecker
Strecker
Humerus
Sehne
Ulna
[3] Agonist und Antagonist bei Armbeugung (links) und Armstreckung (rechts)
Kontraktion bleibt die Spannung des Muskels erhalten, aber er verkürzt sich und es
kommt zu einer dynamischen Kontraktion. Bei der isometrischen Kontraktion bleibt
die Länge des Muskels erhalten, aber seine Spannung vergrößert sich und es kommt
zu einer statischen Kontraktion. Isotone Kontraktion findet bei allen Bewegungen statt,
isometrische immer dann, wenn ein Gewicht gehalten wird, z. B. führt das Tragen einer
Tasche im Arm zu isometrischer Kontraktion.
Die isotonische Kontraktion lässt sich noch genauer unterteilen in die ­konzentrische
und die exzentrische Kontraktion:
π Eine konzentrische Kontraktion liegt dann vor, wenn die Spannungsentwick­
lung eines Muskels so groß ist, dass sich der Muskel verkürzt und sich
­Ursprung und Ansatz einander nähern. Hier ist die aufgewendete Kraft des
Muskels größer als die einwirkende Kraft. So wird z. B. beim Anreißen einer
Hantelstange durch konzentrische Kontraktion der Wadenmuskulatur der
­Zehenspitzstand erreicht.
π Eine exzentrische Kontraktion liegt dann vor, wenn sich Ursprung und Ansatz
der Muskulatur voneinander entfernen, sie also trotz der Spannungsentwick­
lung insgesamt wieder länger wird, z. B. um die Fersen langsam wieder auf den
Boden zu senken. In diesem Fall ist die einwirkende Kraft größer als die
­aufgewendete Muskelkraft.
149
isoton
isos, griech. = gleich
tonos, griech. = Spannung
isometrisch
metron, griech. = das Maß
Kontraktion
isotonisch
Muskelspannung
Formen der Kontraktion
Muskeln können sich |isoton und |isometrisch kontrahieren [Abb. 4]. Bei der iso­tonen
isometrisch
Muskellänge
[4] Isotonische und isometrische
Muskelkontraktion
Bewegungssystem
Bau und Funktion der Filamente
Die chemischen „Motoren“ der Muskulatur sind die Myofibrillen, ihre Arbeitsein­
heiten sind die Sarkomere. Hier wird die im ATP chemisch gebundene Energie – unter
Wärmeverlust – direkt in die mechanische Arbeit der Muskelkontraktion umgewan­
delt. Aus elektronenmikroskopischen Aufnahmen lässt sich erschließen, dass die
Myosin- und Aktinfilamente eines Sarkomers bei der Kontraktion teleskopartig inein­
andergleiten, ohne dass sich ihre Dicke und Länge ändern. Dieses Filamentgleiten ist
die Grundlage für die Muskelverkürzung, die sich aus der Verkürzung Tausender hin­
tereinandergeschalteter Sarkomere ergibt.
Ein dünnes Filament besteht aus zwei umeinander­
Aktin
CaC+-Bindungsstelle
Troponin
Tropomyosin
gewundenen, perlschnurartigen Ketten kugelförmiger
Moleküle des Proteins Aktin [Abb. 1]. Fadenförmig legen
sich Tropomyosinmoleküle um die Aktinketten, wobei
alle 40 nm ein Troponinmolekül angeheftet ist. Ein
Myosin­filament wird von zahlreichen riesigen Myosin­
Scharniere
molekülen gebildet, die jeweils aus einem zweigeteilten
Kopf und einem langen Schwanzteil bestehen [Abb. 1].
Kopf
Myosin
Zwei Abschnitte im Schwanzteil können wie Scharnier­
[1] Aktin (oben) und Myosin (unten)
gelenke die Molekülgestalt verändern.
Ablauf des Kontraktionszyklus
Damit ein Skelettmuskel kontrahiert, muss er von einer Nervenzelle über die |moto­
rische Endplatte einen Reiz erhalten. Sobald ein Reiz in Form eines |Aktionspotenzials
an der Muskelfaser ankommt, laufen bestimmte Vorgänge auf zellulärer Ebene in den
Muskelfasern ab:
Im erschlafften Zustand sind die mit |ATP beladenen Molekülköpfe des Myosins
nicht an Aktin gebunden, sodass die Sarkomere – und damit der ganze Muskel – durch
Antagonisten gedehnt werden können [Abb. 2 oben]. Wird ATP am Myosin durch dessen
enzymartige Wirkung hydrolysiert – wobei ADP und Phosphat gebunden bleiben –,
werden die Myosinköpfe in einen energiereichen Zustand überführt [Abb. 2 rechts], das
Myosin wird sozusagen gespannt.����������������������������������������������
Solange Tropomyosinfäden die Myosin-Bindungs­
stellen am Aktin blockieren, kommt keine Wechselwirkung zwischen den Filamenten
und damit keine Muskelkontraktion zu Stande. Auf einen Nervenimpuls hin wird die­
ser Ruhezustand aufgehoben: Aus dem |sarkoplasmatischen Retikulum der Muskel­
fasern werden Kalziumionen freigesetzt, die an Troponin binden. Dadurch ändert
dieses die Form und drängt die Tropomyosinfäden aus ihrer Lage. Tropomyosin
­blo­ckiert jetzt nicht mehr die Myosin-Bindungsstellen, zwischen Myosinköpfen und
Aktin­filament bilden sich Querbrücken [Abb. 2 unten].
Der Aktin-Myosin-Komplex setzt ADP und Phosphat frei. Dadurch ändert sich am
Scharnier des Myosinmoleküls dessen Gestalt: Mit der Kraft des umklappenden
­Myosinkopfes wird das Aktinfilament 10 nm weit zur Sarkomermitte gezogen. Ein
Durchlauf im molekularen Zyklus der Muskelkontraktion ist damit beendet [Abb. 2 links].
motorische Endplatte | 201
Aktionspotenzial | 204
ATP | 17
sarkoplasmatisches
­Retikulum | 14
Vor einem weiteren Zyklus müssen die Querbrücken gelöst werden, indem sich neues
ATP an Myosin bindet und dessen Gestalt verändert [Abb. 2 oben]. Solange die Kalziumund ATP-Konzentrationen hoch sind, werden von jedem der rund 350 Myosinköpfe
eines Filaments etwa 5 Querbrücken pro Sekunde geknüpft und gelöst.
150
3
Muskelsystem
Aktin
ATP
Myosin
H2O
ATP
Querbrückenlösung durch
ATP-Bindung
Vorspannung
durch ATP-Hydrolyse
ATP
Myosin
Aktinbewegung
Myosinkopf
(energiearm)
Aktin
Erschla¤ung
ADP
ADP
P
P
Myosin
Kontraktion
Myosinkopf
(energiereich)
Myosin
ADP
P
Querbrücke
Querbrückenbildung durch Ca2+
ADP-Freisetzung
ADP + P
Aktin — Myosin — ADP — P
[2] Molekularer Kontraktionszyklus
Muskelhüllsysteme
Die Zellmembran der Muskelfaser wird als Sarkolemm bezeichnet. Sie trägt als bindegewebige Eiweiß­
struktur selbst zur Funktion der Muskulatur bei. Einer­
seits muss die Membran, wie auch die übrigen
Hüllstrukturen der Muskulatur, den Kontraktionen der
kontraktilen Elemente Halt und Widerstand bieten, an­
dererseits muss sie in gewissem Umfang nachgeben und
dehnbar sein [Abb. 3].
Die eingelagerten Zwischenbande wie |A-Bande, I-Ban­
de und |Z-Streifen, sind Einfaltungen des Sarkolemms.
Sie sind ihrer spezifischen Aufgabe dadurch gewachsen,
dass sie spezifische Membran­proteine enthalten. Eines
davon ist das Titin, das größte bekannte Eiweiß im
menschlichen Körper. Es sorgt für die Elastizität und Sta­
bilität des Muskels. Außerdem ist das Titin verantwort­
lich für die Ruhespannung des Muskels. Wird es sehr
stark gedehnt, setzt es offenbar eine Signalkaskade in Gang,
die die gesamte Muskulatur zum Wachstum anregt.
Sehne
Muskelfaszie
Epimysium
Muskelfaserbündel
Perimysium
Endomysium
Muskelfaser
Perimysium
Endomysium
[3] Bindegewebshüllen der Skelettmuskeln
Zusätzlich zum Sarkolemm sind die einzelnen Muskelfasern noch von einer weiteren
feinen Bindegewebshülle umgeben, dem Endomysium. Das Endomysium dringt A-Bande, I-Bande,
nicht weiter in die Muskelzelle ein, sondern ist eine nur äußerliche Umhüllung, die Z-Streifen | 22
eng mit dem Sarkolemm verbunden ist.
151
Sarkolemm
Bewegungssystem
Mehrere Muskelfasern werden dann weiter bindegewebig zusammengehalten vom
Perimysium. Durch das Perimysium werden die Muskelfasern zu Muskelfaserbün­
deln zusammengefasst und können so ihre Kraft bündeln. Mehrere Muskelfaserbün­
del werden dann ihrerseits zum gesamten Muskel zusammengebündelt, und zwar
durch das Epimysium. Auf dem Epimysium liegt noch die Muskelfaszie auf, die den
Muskel in seiner anatomischen Form hält.
Alle diese Bindegewebsstrukturen umhüllen die einzelnen Muskelelemente der
­Länge nach und setzen sich am Muskelende als Sehne fort. Die Sehne enthält besonders
viele kollagene Fasern, die sie besonders straff und widerstandsfähig macht. Mit diesen
Fasern strahlt die Sehne nahtlos in die Fasern der Knochen ein, an denen der Muskel
entspringt bzw. ansetzt. Damit sind Muskulatur und Skelett fest miteinander verbun­
den, wodurch Muskulatur und Skelett nicht unabhängig voneinander betrachtet wer­
den können. Der Aufbau der Muskulatur führt auch stets zum Aufbau der Knochen.
Muskelkater
aerobe Energie­gewinnung | 17
anaerober Glukoseabbau | 17
Laktat
Laktat ist das Salz der
­Milchsäure und die Form, in
der Milchsäure ­unter
­physiologischen
­Bedingungen vorliegt.
Muskelkater tritt typischerweise nach einer ungewohnten oder übermäßig starken
Muskelbelastung mit einem Tag Verzögerung auf und dauert mehrere Tage an. Die
betroffenen Muskeln sind steif, hart und eigenartig kraftlos, bei Bewegungen und auf
Druck schmerzen sie. Ein wirksames Mittel gegen den „Kater“ gibt es nicht, entspan­
nende Bäder oder leichte Bewegung können aber die Beschwerden lindern.
Nach intensiver sportlicher Betätigung ist ein Absinken des pH-Werts in der Mus­
kulatur und im Blut feststellbar. Dies kommt daher, dass die Sauerstoffversorgung zur
|aeroben Energiefreisetzung durch Zellatmung in der Muskulatur nicht mehr aus­
reicht, sich Milchsäure bzw. |Laktat als Endprodukt des |anaeroben Glukoseabbaus
ansammelt und zum Teil vom Blut abtransportiert wird. Steigt die Laktatkonzentration
im Blut auf Werte über 1,5 g/l, ist das Blut übersäuert und die Sauerstoffbindungs­
fähigkeit des Hämoglobins sinkt. Dann verspürt der Sportler Atemnot und kann seine
Leistung nicht mehr durchhalten. Neben dieser unmittelbaren Wirkung kann die An­
sammlung von Laktat im Muskel zu einer entzündlichen Reizung der Muskelfasern
führen. Das wäre eine mögliche Erklärung für das Phänomen Muskelkater.
Eine andere mögliche Ursache für die Entstehung von Muskelkater sind kleinste Risse
im Muskelgewebe. Elektronenmikroskopische Untersuchungen übermäßig bean­
spruchter Muskeln zeigen, dass ein Teil der Z-Scheiben in den Myofibrillen geschädigt
ist. Bis zu 30 % aller Fasern können solche Mikroverletzungen aufweisen.
Da die schmerzempfindlichen Nervenfasern im Binde­gewebe liegen, also außerhalb
des Muskels, stellt sich Schmerz nach Mikroverletzungen nicht sofort ein. Die Schmerz­
rezeptoren werden erst dadurch gereizt, dass Wasser in die verletzten Fasern eindringt
und ein Druck im Gewebe entsteht. Wenn sich als Folge davon Blut­gefäße verengen und
die Durchblutung herabsetzen, werden die Schmerzen verstärkt. Diese Schmerzen füh­
ren zu einer als reflektorische Verspannung bezeichneten Muskelverhärtung, die die
Durchblutung weiter vermindert und so in einem Teufelskreis die Schmerzen steigert.
152
3
Muskelsystem
Analysiert man den Zusammenhang zwischen der Art einer Bewegung und dem Ent­
stehen von Muskelkater, ergeben sich folgende Fakten:
π Laktat entsteht in besonders großen Mengen bei schnellen, viel Energie
­fordernden Bewegungen, z. B. bei einem Sprint über 100 m, da hier der Sauer­
stoffbedarf des Muskels nicht gedeckt werden kann. Nach solchen
­Bewegungsformen ist jedoch Muskelkater ausgesprochen selten.
π Große Krafteinsätze, bei denen das Muskelgewebe übermäßig hohen
­Spannungen ausgesetzt ist, führen dagegen leicht zu Rissen im Muskel.
Die Kontraktion dauert aber nicht lange genug, um zu einer Laktat­
anhäufung zu führen.
π Die stärkste Belastung erfährt eine Muskelfaser nicht bei maximaler
­Ver­kürzung, sondern wenn sie einer starken Dehnung entgegenarbeitet.
Das kommt besonders häufig bei abbremsenden Bewegungen vor, wie beim
Bergabgehen oder beim Landen nach einem Sprung. Da bei einer solchen
|­exzentrischen Kontraktion weniger Muskelfasern vom Nervensystem aktiviert exzentrische Kontraktion | 149
werden als bei der Muskelverkürzung, entfällt auf die einzelne Faser eine
­größere Kraft und die Rissgefahr steigt. Gerade nach solchen Bewegungen
stellt sich besonders häufig Muskelkater ein.
Die Fakten sprechen demnach für Mikroverletzungen als Ursache des Muskelkaters,
doch lässt sich nicht völlig ausschließen, dass auch Laktatbildung an seinem Entstehen
mitwirkt.
Stoffwechsel, Sport und Trainingslehre
3
Leistungsniveau
Belastungsreiz
1
2
Zeit
1 Abnahme der sportlichen Leistungsfähigkeit
2 Wiederanstieg der Leistungsfähigkeit
3 erhöhte sportliche Leistungsfähigkeit
Belastungsreize
Leistungsniveau
In vielen Sportarten sind in den letzten Jahren gewal­
tige Leistungsverbesserungen zu beobachten gewesen.
Zum einen ist dies auf neue Bewegungstechniken zu­
rückzuführen. Die Koordination von Bewegungen kann
durch gezieltes Training verbessert werden, sodass die
Ökonomie des Bewegungsablaufs gesteigert und daher
die Leistung verbessert werden kann. Zum anderen
konnten die Leistungen auch durch eine Optimierung
der Trainingssteuerung verstärkt werden. Bei den Olym­
pischen Spielen 1936 in Berlin z. B. konnten in einigen
Sportarten Goldmedaillen noch auf Grund von zwei bis
drei Trainingseinheiten pro Woche gewonnen werden.
Heute sind in manchen Disziplinen zwei bis drei Trai­
ningseinheiten täglich die Regel.
Die körperliche Belastung beim Training führt zu
einem Abbau der Energiereserven und damit zunächst
zu einer Verminderung der Leistungsfähigkeit [Abb. 1].
Dieser Rückgang kann nur kompensiert werden, wenn
der Körper Zeit für den Wiederaufbau hat. Sinnvolle Trai­
ningsplanung muss daher neben der Belastung auch die
Erholung berücksichtigen. Eine Leistungssteigerung re­
sultiert aus der Eigenschaft des Körpers, sich stärkeren
Belastungen anzupassen. Er kann die vorangegangene
Belastung nicht nur ausgleichen, sondern auch über­
kompensieren (Superkompensation). Wird die nächste
Trainingseinheit jeweils in der Phase der Superkompen­
sation ausgeführt, ergibt sich ein kontinuierlicher
Leistungsanstieg [Abb. 1].
Zeit
[1] Schema der Superkompensation (oben) und Nutzen des
­Superkompensationseffekts für ein optimales Training
153
Bewegungssystem
Für seine Arbeit benötigt der Muskel Energie, die einzige direkte Energiequelle ist ATP.
Seine im Muskel vorhandene Menge reicht jedoch nur für etwa zehn Kontrak­tionen. Die
Regeneration von ATP ist auf drei Wegen möglich, die nacheinander ablaufen [Abb. 1]:
π Die erste Energiereserve ist Kreatinphosphat.
Anteil an der Energiebereitstellung in %
Es regeneriert ATP, indem es seine Phosphat­
100
gruppe auf ADP überträgt. Es steht sofort zur
ATP-Zerfall
Zellatmung
­Verfügung, liefert aber nur Energie für etwa
75
50 weitere Kontraktionen.
π Für längere Muskelarbeit benötigte Energie wird
50
aus dem Abbau von Glukose gewonnen, das aus
KreatinMilchsäuredem im Muskel und der Leber gespeicherten
phosphatgärung
zerfall
­Polysaccharid Glykogen mobilisiert und nach­ge­
25
liefert wird. Da der Körper den gesteigerten
S
­
auerstoffbedarf nur langsam decken kann, wird
0
0
20
40
60
80
100
120
die Glukose |anaerob über das Zwischenprodukt
Belastungsdauer in s
Pyruvat zu Laktat abgebaut: die Milchsäuregärung.
π Sobald den Muskelzellen genügend Sauerstoff zu­
[1] Energiebereitstellende Prozesse in der Muskelzelle
geführt wird, ist der ökonomische |aerobe Abbau
von Glukose und auch von Fett über die Atmungs­
anaerob
kette möglich. Eine verbesserte Durchblutung
und eine verbesserte Kapillarisierung des Muskels
ohne Sauerstoff
bei wiederkehrender Belastung ist damit die dritte
aerob
Energiereserve.
mit Sauerstoff
Myoglobin
Myoglobin ähnelt in seiner
chemischen Struktur dem
|Hämoglobin, bindet aber
den Sauerstoff stärker als
dieses.
Bei Ausdauerleistungen wie dem Langstreckenlauf erreicht der Körper einen Gleich­
gewichtszustand zwischen Sauerstoffaufnahme und Sauerstoffbedarf. Hier wird die
Energie fast ausschließlich auf aerobem Weg geliefert, also durch die Atmungskette. In
der Phase der Regeneration wird das Laktat in der Leber unter Sauerstoffverbrauch zu
Glukose umgewandelt und steht dann dem Stoffwechsel als Energieträger wieder zur
Verfügung. Auch das Kreatinphosphat in den Muskelzellen wird wieder aufgebaut.
Um dem erhöhten Sauerstoffbedarf des Körpers bei Anstrengung nachzukommen,
wird die Atmung schneller und tiefer. Auch das Blut wird schneller durch den Körper
gepumpt: Das Schlagvolumen des Herzens steigt etwa um das 1,2-fache, die Schlag­
frequenz nimmt ebenfalls zu. Für ein gesundes Training gilt als Faustformel für Un­
trainierte: 180 Pulsschläge minus Lebensalter in Jahren ergeben eine angemessene
Belastungsintensität. Diese Faustformel ist jedoch nur bedingt anwendbar.
Das Training führt zu Anpassungsvorgängen im Körper, die die Leistungsfähigkeit
erhöhen:
π Die Masse der beanspruchten Muskeln nimmt zu.
π In den Muskelzellen werden die |Mitochondrien zahlreicher und größer.
π Die Enzyme des anaeroben und vor allem des aeroben Stoffwechsels
werden ­aktiver.
π Es wird mehr |Myoglobin gebildet, das Sauerstoff in den Muskeln transportiert
und speichert.
Vor allem bei Ausdauersportlern wie Radrennfahrern und Ruderern wird der Herz­
muskel bei regelmäßigem Training größer. Während das normale Herzvolumen bei
etwa 780 ml liegt, erreichen Spitzensportler Werte bis zu 1 600 ml. Ihr Herz kann mit
einem Schlag mehr Blut in die Blutgefäße pumpen. Ein Sportlerherz schlägt daher
auch in Ruhe langsamer als ein normales Herz: Statt 60 – 70 Schlägen pro Minute kann
der Puls auf 40 Schläge pro Minute absinken.
Mitochondrien | 14
Hämoglobin | 26
154
3
Muskelsystem
Einfluss auf die Leistungsfähigkeit hat auch die Ernährung. Sportler brauchen keine
besondere „Fitness-Kost“. Wichtig ist eine ausreichende Zufuhr von Kohlenhydraten,
z. B. durch Nudeln, damit die Glykogenreserven in den Muskeln wieder aufgefüllt wer­
den können.
Beispiel Mit dem Coopertest, einem Lauftest, lässt sich
die eigene aerobe Aus­dauer­leistungs­fähigkeit ermitteln
und damit die Fähigkeit, die Muskeln mit ATP aus der
Zellatmung zu versorgen. Der Test wird am besten auf
einer 400-m-Laufbahn mit einer Stoppuhr durchgeführt.
Eine Testperson soll innerhalb von 12 Minuten eine mög­
lichst lange Strecke zurücklegen. Dabei soll eine gleich­
mäßige Geschwindigkeit eingehalten ­werden. Die Aus­
dauerleistungsfähigkeit kann anhand der zurück­­­geleg­
ten Strecke aus der Tabelle abgelesen werden [Abb. 2]. Der
Test erfordert eine hohe Motivation, um tatsächlich aus­
sagekräftig zu sein.
Muskelfasertypen
Die Skelettmuskulatur besteht aus quer gestreiften
Muskelfasern. Diese haben zwar eine gemeinsame
Grundstruktur, man unterscheidet jedoch einen schnel­
len und einen langsamen Fasertyp.
Die schnellen FT-Fasern (Fast-Twitch) sind reich an
ATP, Kreatinphosphat und Glykogen, haben aber weni­
ger Myoglobin und Mitochondrien. Außerdem enthalten
sie viele Enzyme der Glykolyse, die sie für die anaerobe
Energiebereitstellung benötigen. Diese Fasern sind be­
sonders für explosive Bewegungen wie Sprünge oder
Sprints geeignet. Sie haben eine hohe anaerobe Kapazi­
tät, ermüden aber schnell und sind im Vergleich zu STFasern weniger stark durchblutet [Abb. 3].
Die langsamen ST-Fasern (Slow-Twitch) enthalten
­weniger ATP und Kreatinphosphat, dafür aber mehr
­Mitochondrien und Myoglobin. Ein hoher Gehalt an Enzy­
men für den aeroben Stoffwechsel verleiht ihnen eine
große aerobe Kapazität. Sie sind ausdauernd und somit
geeignet für Dauerleistungen und Halteaktivitäten, ein
Beispiel hierfür ist die Rückenmuskulatur. Das Kapillar­
netz ist an den ST-Fasern dichter als an FT-Fasern, deshalb
werden sie auch als rote Musku­latur bezeichnet.
Jeder Skelettmuskel ist aus beiden Fasertypen aufge­
baut [Abb. 4]. Ihr Mengenverhältnis zueinander kann durch
Training kaum verändert werden, es ist genetisch festge­
legt. Daher kann es bei gleich großen und gleich alten
Sportlern selbst bei gleichem Trainingsaufwand zu un­
terschiedlichen Trainingserfolgen kommen.
Männer
Kondition
sehr gut
gut
befriedigend
mangelhaft
ungenügend
bis 30 J.
30–39 J.
40–49 J.
2 800
2 650
2 500
2 400
2 250
2 100
2 000
1 850
1 650
1 600
1 550
1 350
weniger Meter als bei „mangelhaft”
50 Jahre
2 400
2 000
1 600
1 300
Frauen
Kondition
sehr gut
gut
befriedigend
mangelhaft
ungenügend
bis 30 J.
30–39 J.
40–49 J.
2 600
2 500
2 300
2 150
2 000
1 850
1 650
1 500
1 850
1 550
1 350
1 200
weniger Meter als bei „mangelhaft”
50 Jahre
2 150
1 650
1 350
1 050
Jungen
Kondition
ausgezeichnet
sehr gut
gut
befriedigend
mangelhaft
11 J.
2 800
2 600
2 200
1 800
1 200
12 J.
2 850
2 650
2 250
1 850
1 250
13 J.
2 900
2 700
2 300
1 900
1 300
14 J.
2 950
2 750
2 350
1 950
1 350
15 J.
3 000
2 800
2 400
2 000
1 400
16 J.
3 050
2 850
2 450
2 050
1 450
17 J.
3 100
2 900
2 500
2 100
1 500
Mädchen
200 Meter weniger als Jungen in allen Klassen.
[2] Auswertung des Coopertest in Metern (nach: Deutscher Sportbund)
% der maximalen Spannung
100
75
50
FT-Fasern
ST-Fasern
25
0
0
50
100
150
200
Zeit in Millisekunden
[3] ST-Fasern und FT-Fasern im Vergleich
[4] ST- und FT-Faserverteilung in einem quer geschnittenen Skelettmuskel.
Bei der gewählten Färbemethode erscheinen die FT-Fasern (II) dunkel,
die ST-Fasern (I) hell.
155
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