Zusammenfassung Zusammenfassung Multiple Sklerose (MS) ist eine heterogene Erkrankung des zentralen Nervensystems (ZNS) geprägt von schwerer Entzündung, Demyelinisierung und fortschreitender Lähmung. Studien in der Experimentellen Autoimmunen Encephalomyelitis (EAE), dem Tiermodell der MS, haben gezeigt, dass die Erkrankung von autoreaktiven T Helfer (Th) Zellen verursacht wird, welche spezifisch sind für Myelin-assoziierte Antigene wie zum Beispiel das Myelin Oligodendrozyten Glycoprotein (MOG). Nach ihrer Aktivierung differenzieren Th Zellen zu verschiedenen Untergruppen, wie Interferon (IFN)-γ produzierende Th1 und Interleukin (IL)-4 produzierende Th2 Zellen. Des Weiteren wurden kürzlich IL-17 produzierende Th17 und IL-9/IL-10 produzierende Th9 Zellen beschrieben. Ursprünglich wurden vor allem Th1 Zellen mit der Entwicklung von EAE und anderen Autoimmunerkrankungen in Verbindung gebracht, wohingegen Th2 Zellen keine autoimmunen Entzündungsprozesse induzieren. Nach der Entdeckung der Th17 Zellen häuften sich jedoch Studien, die Th17 Zellen und nicht Th1 Zellen als treibende Kraft in autoimmuner Pathogenese identifizierten. Allerdings ist bisher unklar, ob Th17 Zellen spezifisch für Myelin Antigene oder andere Autoantigene unabhängig operieren, oder ob sie mit Th1 Zellen kooperieren müssen, um den autoimmunen Entzündungsprozess zu induzieren und voranzutreiben. Außerdem sind die Mechanismen und essentiellen Faktoren, die Th17 Zellen benutzen, um die autoimmune Pathogenese zu fördern, bisher noch nicht komplett geklärt. Um diese offenen Fragen besser beantworten zu können, wurde in dieser Arbeit ein detailliertes Protokoll entwickelt, mit dem MOG-spezifische naive T Zellen in vitro in die verschiedenen T Zell Untergruppen differenziert werden können. Durch anschließenden adoptiven Transfer dieser Zellen in wildtyp Mäuse konnte getestet werden, welche der einzelnen Untergruppen EAE induzieren können. Mit dieser Methode konnte gezeigt werden, dass MOG-spezifische Th1, Th17 und Th9 Zellen unabhängig voneinander schwere EAE verursachten, wohingegen Th2 Zellen keine Entzündungen im ZNS hervorriefen. Histologische Untersuchungen am ZNS ergaben, dass die Rezipienten der verschiedenen T Zell Untergruppen unterschiedliche pathologische Phänotypen hatten, was darauf hinweist, dass jede Untergruppe den Entzündungsprozess auf andere Weise 4 Zusammenfassung vorantreibt. So waren die Läsionen im ZNS von Th1 Rezipienten von klassischen perivaskulären Infiltraten und Demyelinisierung gekennzeichnet. In Th9 Rezipienten war die Demyelinisierung jedoch viel ausgeprägter und außerdem wurden in Th9 Rezipienten Läsionen in den peripheren Nervenwurzeln gefunden. In Th17 Rezipienten hingegen wurden große Aggregate von Lymphozyten unter den Hirnhäuten entdeckt, die in keiner der anderen Gruppen zu beobachten waren. Detaillierte histologische Untersuchungen mittels konfokaler Mikroskopie zeigten, dass die Infiltrate aus dichten B Zell Aggregaten bestehen, welche von T Zellen umsäumt und von Kollagenfasern durchzogen und strukturiert waren. Dieser Aufbau erinnert stark an die Architektur von Follikeln und Keimzentren im normalen Lymphknoten. In den ektopischen Keimzentren fanden sich vor allem IgG-positive B Zellen und auch vereinzelte Plasma B Zellen, was darauf hinweist, dass die B Zellen einen Reifungsprozess im ZNS der Th17 Rezipienten durchlaufen haben, und somit die Schlussfolgerung unterstützt, dass Th17 Zellen während der Entwicklung von EAE die Bildung von ektopischen Keimzentren im ZNS fördern. Es konnte hier gezeigt werden, dass IL-23 für die Entwicklung und Expansion von pathogenen Th17 Zellen in vivo unerlässlich ist, da Mäuse, denen der Rezeptor für IL-23 fehlt, nach Immunisierung mit MOG keine normale Th17 Antwort in Lymphknoten und Milz ausbilden konnten und daher keine EAE entwickelten. Obwohl Th17 Zellen in vitro auch ohne IL-23 erzeugt werden können, haben nur die Th17 Zellen, die während der Differenzierung dem IL-23 ausgesetzt waren, die Bildung von ektopischen Keimzentren im ZNS verursacht. IL-23 befähigte die Th17 Zellen dazu, die Produktion ihres Effektorzytokins IL17 auch in vivo auf konstant hohem Level zu halten, und induzierte außerdem die Expression zusätzlicher Effektorzytokine wie z.B. IL-22. Daher wurde bestimmt, ob die Wirkung von IL-17 auf die Zellen des Rezipienten für die Bildung ektopischer Keimzentren von Bedeutung ist. Tatsächlich entwickelten deutlich weniger Tiere ektopische Keimzentren im ZNS, wenn IL-17 Rezeptor knock-out Mäuse als Rezipienten für die Th17 Zellen verwendet wurden, was darauf schließen lässt, dass IL-17 zur Bildung der Keimzentren beiträgt. Im Gegensatz dazu konnte gezeigt werden, dass IL-21, ein Zytokin, das ebenfalls von Th17 Zellen produziert wird, für die Bildung von ektopischen Keimzentren keine Rolle spielt. 5 Zusammenfassung Abgesehen von Zytokinen werden die Effektorfunktionen von Th17 Zellen einschließlich der Bildung ektopischer Keimzentren eventuell auch von Th17spezifischen Oberflächenmolekülen beeinflusst. Zwei Kandidaten, nämlich Podoplanin (Pdp) und BLT1, wurden mit Hilfe einer Genexpressionsanalyse identifiziert. Pdp, ein Mucin-ähnliches Glykoprotein, wurde stabil auf der Oberfläche von in vitro differenzierten Th17 Zellen, aber nicht auf anderen T Zell Untergruppen exprimiert. Während der Entwicklung von EAE konnten Pdppositive T Zellen und Antigen-Präsentierende Zellen vor allem im ZNS, aber nicht in der Peripherie detektiert werden. Zellen, die aus den Hirnhäuten isoliert wurden, hatten den höchsten Anteil an Pdp-positiven Zellen. Da die Hirnhäute auch als Ankerpunkt für die ektopischen Keimzentren im Th17 Transfermodell dienten, könnte es sein, dass Pdp bei der Bildung ektopischer Keimzentren eine Rolle spielt. Interessanterweise unterstützt die Analyse Pdp-defizienter Mäuse diese Hypothese: Pdp knock-out Tiere besaßen fast keine peripheren Lymphknoten, sondern nur rudimentäre Strukturen und hatten zudem einen Defekt in der Bildung von normal strukturierten Follikeln und Keimzentren in den Peyerschen Plaques und in den rudimentären Lymphknoten. Da Pdp also für die Ausbildung sekundärer lymphoider Strukturen von essentieller Bedeutung ist, liegt die Vermutung nahe, dass Pdp auch in der Bildung ektopischer Follikel im ZNS von Th17 Rezipienten eine Rolle spielen könnte. Das zweite Th17 spezifische Oberflächenmolekül, BLT1, ist ein hochaffiner Rezeptor für Leukotrien B4 (LTB4). Es konnte hier gezeigt werden, dass Th17 Zellen BLT1 während des Differenzierungsprozesses zu einem früheren Zeitpunkt exprimieren als andere T Zell Untergruppen und daher auch früher in der Lage sind gezielt auf ein LTB4-Signal zu reagieren. Mäuse, denen BLT1 fehlt, entwickelten nach Immunisierung mit MOG abgeschwächte EAE und wiesen eine reduzierte Frequenz von IL-17-positiven T Zellen im ZNS auf. Außerdem konnte die Migration pathogener Th17 Zellen im Transfermodell durch die Verabreichung eines BLT1-Inhibitors teilweise blockiert werden. Diese Ergebnisse implizieren, dass die Blockade der Interaktion zwischen LTB4 und BLT1 von therapeutischer Bedeutung sein könnte, da dieser Signalweg nicht nur die Migration von Makrophagen und Neutrophilen, sondern auch die Migration von Th17 Zellen steuert, welche den Entzündungsprozess initiieren. 6 Zusammenfassung Die Ergebnisse dieser Arbeit erweitern unser Verständnis von Th17induzierten Entzündungsprozessen und liefern potentielle Erklärungen für die Pathogenität von Th17 Zellen. Th17 Zellen erreichten ihre volle pathogene Aktivität und induzierten die Bildung ektopischer Keimzentren im ZNS nur, wenn sie dem Einfluss von IL-23 ausgesetzt waren. Ektopische Keimzentren treten in vielen humanen Autoimmunerkrankungen auf, unter anderem auch in der MS. Es wird vermutet, dass sie den Entzündungsprozess im Zielorgan vorantreiben und die Immunantwort unabhängig von den sekundären Lymphorganen optimieren und dadurch den Krankheitsverlauf beschleunigen und verschärfen. Die Bildung ektopischer Keimzentren in dem hier beschriebenen Transfermodell beruhte teilweise auf der Wirkung von IL-17. Daher eignen sich IL-17 und auch IL-23, welches die IL-17 Produktion fördert, möglicherweise für einen therapeutischen Ansatz zur Hemmung von Th17 induzierten Entzündungsprozessen und ektopischer Keimzentrenbildung in humanen Autoimmunerkrankungen. 7