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Standard Nachhaltiges Bauen Schweiz
Fundament für nachhaltigen Hochbau
Am 13. Juni wurde der «Standard Nachhaltiges Bauen Schweiz» lanciert, ein Gemeinschaftswerk der öffentlichen Hand und privater Partner. Der neue Standard umfasst erstmals alle drei Bereiche der Nachhaltigkeit und soll langfristig in ein nationales Nachhaltigkeits-Label überführt werden.
Mit der Strategie 2050 will der Bundesrat die Energieversorgung komplett erneuern und umweltverträglich gestalten. Ein zentraler Faktor sind dabei die Gebäude, in denen 46 Prozent
unseres gesamten Energieverbrauchs stattfindet: Dieser Wert muss deutlich sinken; der Gebäudepark muss nachhaltig werden. Doch keines der bestehenden Labels für umweltschonende und sparsame Gebäude – von Minergie über DGNB bis LEED – deckt alle Aspekte der
Nachhaltigkeit und der Schweizer Baukultur ab.
Die Etablierung eines Nachhaltigkeitsstandards ist deshalb eine zentrale Maßnahme, um die
Ziele der Energiestrategie 2050 zu erreichen. Letztes Jahr hat die öffentliche Hand gemeinsam mit der Wirtschaft das «Netzwerk nachhaltiges Bauen Schweiz» (NNBS) gegründet. Dieser Think-tank vereint 22 Organisationen und Unternehmen der Baubranche und der Finanzwirtschaft, dazu Immobilieneigentümer, Planer und Ingenieure, sowie mehrere Bundesämter.
Bewährte Instrumente und Labels einbezogen
Im «Standard Nachhaltiges Bauen Schweiz» (SNBS) sind die Grundlagen für ein Schweizer
Verständnis des nachhaltigen Bauens erarbeitet worden. Der SNBS wurde auf Initiative von
Wirtschaft und öffentlicher Hand, finanziert vom Bundesamt für Energie über das Programm
EnergieSchweiz, erarbeitet und am 13. Juni lanciert. Bis Mitte 2014 befindet er sich in der Pilotphase. Der Standard beruht auf Freiwilligkeit und ist ein kostenloses Beurteilungsinstrument, mit dem über ein Excel-Sheet die Nachhaltigkeit eines Objekts abgebildet werden kann.
Der neue Standard soll das nachhaltige Bauen umfassend abdecken, die bestehende Schweizer Planungs- und Baukultur berücksichtigen sowie bewährte Instrumente und Labels einbeziehen. In einem ersten Schritt sammelt man bis Ende September Paneel-Projekte für die
Implementierung des Standards (siehe Box). Dazu läuft bis Ende Jahr eine Feedback- und
Vernehmlassungsphase1. Auf diesen Ergebnissen basierend soll der Standard optimiert und
weiterentwickelt werden.
Die Struktur des SNBS besteht aus vier Stufen: Die drei Bereiche Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft sind in jeweils vier Hauptthemen unterteilt [GRAFIK 1], und diese wiederum in Kriterien samt erläuternden Kurzbeschrieben. Zur Beurteilung der Kriterien hat man als vierte
Stufe Indikatoren ausgearbeitet, deren Erfüllung in Prozentwerten festgehalten wird [GRAFIK
2]. Dazu sind die Indikatoren mit einem Faktor von 1 bis 3 gewichtet. Am Ende ergibt sich ein
Wert auf einer Beurteilungsskala von 1 bis 6, und aus deren Zusammenfassung errechnet
sich die Note pro Kriterium, wobei die 6 wie in der Schule den Bestwert darstellt. Am Schluss
steht für jeden der drei Bereiche eine Benotung, aus der sich der Gesamtwert, quasi eine Abschlussnote des Objektes ergibt. Daneben sind die Indikatoren und Kriterien in Diagrammen
visualisiert: Die Stärken und Schwächen des Bauprojekts in Sachen Nachhaltigkeit sind so auf
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Vernehmlassung ist eine Bezeichnung für eine Methode bzw. ein Verfahren der Willensbildung und Entscheidungsfindung in der Schweiz
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einen Blick erkennbar. Dies erlaubt dem Bauherrn, seine Zielsetzung zu überprüfen und sein
Projekt zu optimieren.
Grafik 1: Die wichtigsten Ziele des nachhaltigen Bauens pro Bereich
Grafik 2: Vom Bereich zum Indikator
Federführung beim Bundesamt für Energie
Das BFE hatte bei der Schaffung des Standards die Federführung inne. Die Ausarbeitung leiteten Urs Thomas Gerber und Stephan Wüthrich von CSD Ingenieure AG. Dazu Gerber: «Ziel
war es, die drei Bereiche des nachhaltigen Bauens (Umwelt, Wirtschaft, Gesellschaft) in Planung, Bau und Betrieb der Gebäude mit einzubeziehen und den gesamten Lebenszyklus einer
Immobilie zu berücksichtigen.» Mit der Ausarbeitung der Details für die drei Bereiche wurden
jeweils Sachauftragnehmer beauftragt.
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Für den Bereich Umwelt war Intep - Integrale Planung GmbH (Intep) zuständig. Da die Ökologie innerhalb der Nachhaltigkeitsabbildung am weitesten ausgearbeitet ist (und oft irrtümlicherweise mit Nachhaltigkeit selbst gleichgesetzt wird), konnte sich Projektleiter Severin
Lenel von der Intep auf eine Reihe bewährter Elemente stützen. Dazu gehören Minergie Eco
2011 oder der SIA-Effizienzpfad Energie (SIA 2040). Innerhalb des Bereichs legte man die vier
Hauptthemen Energie, Klima, Ressourcen- und Umweltschonung sowie Natur und Landschaft
fest, die für den Anfang alle gleich gewichtet wurden [GRAFIK 3]. «Nach Abschluss der Pilotphase wird die Gewichtung anhand der gewonnenen Erkenntnisse nochmals zu diskutieren
sein», so Lenel.
Grafik 3: Kernelemente des Standards im Bereich Umwelt
Methodenfreiheit für den Anwender
Beim Thema Umweltschonung gehen die Meinungen über die richtigen Methoden weit auseinander. Diesem Problem begegnete man durch eine gesamtheitliche Betrachtung des Projektes von der Erstellung über den Betrieb bis zur Mobilität der zukünftigen Benutzer oder Bewohner. «Die Zielkonflikte wurden dadurch von der methodischen Ebene in die Baupraxis verlagert», erläutert Severin Lenel. «So muss jeder Anwender selbst entscheiden, ob er lieber
weniger dämmen und dafür beispielsweise einen CO2-freien Betrieb erzielen will.»
Lenel ist sich bewusst, dass Aspekte des Umweltschutzes teilweise im Widerspruch zu jenen
der Wirtschaftlichkeit stehen und so wiederum Zielkonflikte erzeugen können. «Man kann
nicht erwarten, ein 100-prozentiges Ergebnis zu erzielen, wenn ein solcher Konflikt dies nicht
zulässt. Aber viele Aspekte der Wirtschaftlichkeit nützen auch der Umwelt – wie zum Beispiel
tiefe Lebenszykluskosten.»
Projekt auch regionalökonomisch abgebildet
Für den Bereich Wirtschaft war eine Arbeitsgruppe der Ernst Basler + Partner AG und der
Wüest & Partner AG zuständig. «Es ergaben sich relativ rasch die vier Hauptthemen Kosten,
Handelbarkeit, Ertragspotential und Regionalökonomie», führt Robert Salkeld von der Ernst
Basler + Partner AG aus. Die Berechnung der drei Themen Kosten, Handelbarkeit und Ertragspotential sei eine bewährte Methode, einen Immobilienmarkt abzubilden. «Es handelt
sich dabei aber um eine Betrachtung nach innen. Deshalb haben wir als allein stehendes
Thema die Regionalökonomie hinzugefügt, um auch die Ausstrahlung eines Projektes nach
außen abzubilden.»
Salkeld weist darauf hin, dass eine Betrachtung der wirtschaftlichen Nachhaltigkeit bis jetzt
meistens auf die Investitionskosten, bestenfalls auf die Lebenszykluskosten beschränkt gewesen sei. «Neu ist der Ansatz, den Kosten den potentiellen Ertrag gegenüberzustellen und
auch die Ausstrahlung eines Projektes zu berücksichtigen.» [GRAFIK 4] Die vier genannten
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Themen wurden alle aus pragmatischen Gründen gleich gewichtet. Salkeld: «Eine unterschiedliche Gewichtung kann sehr umstritten sein.»
Grafik 4: Kernelemente des Standards im Bereich Wirtschaft
Langfristig stabile wirtschaftliche Indikatoren
Innerhalb der vier wirtschaftlichen Themen hat die Arbeitsgruppe einen Mix aus Kriterien und
Indikatoren erarbeitet, der möglichst nicht an volatilen Faktoren hängt, sondern die langfristigen Rahmenbedingungen eines Bauprojektes umreißt. So konnte man die Schwankungen des
Immobilienmarktes abfangen. «Kurzfristig sind immer so genannte Hiccups möglich, aber es
gibt langfristige, stabile Indikatoren», so Salkeld weiter. Wenn man am richtigen Ort das richtige Gebäude errichte, dann gebe es in der Regel keine dramatische Wertveränderung. «Hat
der Geldgeber salopp gesagt auch noch in 20 Jahren Freude an seiner Immobilie, dann war
seine Investition nachhaltig.»
Salkeld und seine Arbeitsgruppe waren sich bewusst, dass wirtschaftliche Interessen einer
Grundstücksnutzung im Konflikt zu anderen Aspekten, etwa aus dem sozialen Bereich, stehen
können. «Der Standard soll und kann solche Diskrepanzen nicht lösen, sondern nur transparent machen. Wir wollen aufzeigen, welche Faktoren gegeneinander abzuwägen sind.» Am
Ende stehe nicht eine Zahl für das perfekt nachhaltige Gebäude, eine solche gebe es nicht.
«Nachhaltigkeit bedeutet immer ein Abwägen der drei Bereiche gegeneinander und das Finden einer idealen Mischung.»
Pionierarbeit bei den Kriterien Kontext und Architektur
Neuland betrifft der SNBS mit der Definition der Nachhaltigkeit im Bereich Gesellschaft.
Hanspeter Bürgi, von Bürgi Schärer Architektur und Planung AG, leitete als Sachauftragnehmer das Team, das – in Zusammenarbeit mit der Hochschule Luzern – Fachleute aus verschiedenen Disziplinen vereint. Bei den Recherchen stieß man auf gewisse bestehende Bewertungsstrukturen. Bürgi: «Zu nennen sind etwa das Wohnungs-Bewertungs-System WBS
vom Bundesamt für Wohnungswesen, die SIA-Norm 112/1 <Nachhaltiges Bauen Hochbau> oder Arbeiten des ETH-Wohnforums. Wir haben versucht, einen Schritt weiter zu gehen und
das Thema umfassend abzudecken.»
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Er nennt in erster Linie das Thema Kontext und Architektur, bei dem neue Perspektiven aufgezeigt werden, die zu Diskussionen anregen sollen. «Wir haben bei diesem <weichen> Thema
die Kriterien und Indikatoren auf qualitativer Ebene formuliert. Die Messbarkeit ist zwar offener, jedoch nicht beliebig.» Qualitative Indikatoren seien nicht nur subjektiv bestimmt. «Die
Qualität eines Bauprojektes kann zum Beispiel nach städtebaulichen und architektonischen
Maßstäben beurteilen werden.» Hier sei es entscheidend, die relevanten Fragen zu stellen.
«Jeder bauliche Eingriff verlangt für den spezifischen Ort eine kritische Auseinandersetzung
und daraus abgeleitet eine architektonische Haltung. Es geht um Erhalt und Weiterentwicklung baukultureller Werte!»
«Nachhaltigkeit ist nichts Statisches»
Das Ganze habe man in einer Checkliste zusammengefasst, welche die Planenden dazu führen soll, sich mit dem Ort auseinanderzusetzen, seiner Topographie, der städtebaulichen
Struktur und Bevölkerung. Die Ergebnisse dieses Prozesses könnten sehr unterschiedlich
sein, betont der Architekt und HSLU-Dozent Bürgi: «Es geht nicht nur um das Anpässlerische:
Vielleicht kann man an einem Ort auch einen neuen Akzent setzen und so ein Potenzial aufzeigen.» Insgesamt sieht Hanspeter Bürgi die Qualität des neuen Standards im Versuch, die
Themen zu benennen, die in der Nachhaltigkeitsdiskussion noch nicht oft angesprochen wurden. Er hofft, dass der SNBS eine intensive Debatte fördert. «Nachhaltigkeit ist nichts Statisches, sondern etwas Kommunikatives, das Diskussionen auslösen soll.»
Konstruktive erste Feedbacks
Der Auftakt dieses kommunikativen Prozesses ist positiv, wie Joe Luthiger bestätigt, der Geschäftsführer des Netzwerks Nachhaltiges Bauen Schweiz NNBS. «Wir haben durchwegs
konstruktive Feedbacks erhalten, wobei zu den einzelnen Indikatoren Fragen aufgeworfen
und kritisch diskutiert werden. Das zeigt das Interesse am Inhalt des Standards.» Auch auf
der Projektebene sei der Start gelungen: «Wir wissen von ersten Projekten, die nach dem
SNBS beurteilt werden, und haben bereits mehr als ein halbes Dutzend Projektvorschläge für
die Pilotphase vorliegen.» Zudem seien seit dem 13. Juni täglich mehrere Downloads der Kriterienbeschriebe und des Excel-Tools zu verzeichnen. Ende Monat wird auch die französische
Übersetzung des Standards vorliegen.
Auf Anfang 2014 will der NNBS eine Technische Kommission bilden, welche die Optimierung
und Weiterentwicklung des Standards betreut. Dazu würden begleitende Projekte entwickelt,
zum Beispiel ein Benchmarking [GRAFIK 5]. Luthiger: «Für Ende 2014 streben wir eine optimierte Version des Standards an, die eine breite Anwendung in der Baubranche finden soll.»
Parallel dazu würden Sondierungsgespräche stattfinden für weitere Standards, die etwa Infrastruktur und Betrieb eines Gebäudes erfassen. «Und natürlich evaluieren wir ständig mögliche Weiterentwicklungen, sei dies in Richtung Label oder einer alternativen Option.»
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Grafik 5: Die Rolle des NNBS
Panelprojekte gesucht
Für die erste Phase des neuen Standards Nachhaltiges Bauen Schweiz stellt man ein Panel mit total 10-15 Hochbauprojekten zusammen, die sich idealerweise in der Ausführungsplanung befinden oder schon im Bau – wobei der Bauherr bereits eine gute Dokumentation seines Projekts besitzen oder bereit sein sollte, eine solche zu erstellen.
Für Bauherrn und Unternehmen bedeutet dies eine Chance, sich als Akteur im Bereich
des nachhaltigen Bauens zu positionieren. Die Panelprojekte werden in Vorträgen und
Fachartikeln als Beispiele verwendet, wodurch eine ideale Plattform geschaffen wird. Dazu erhält man technische Unterstützung durch Email-Support und Workshops, sowie – last
but not least – das «Zertifikat Pilotphase SNBS».
Gleichzeitig laden das Netzwerk Nachhaltiges Bauen Schweiz und das Bundesamt für
Energie alle Interessierten dazu ein, die Kriterienkataloge zu studieren, wenn möglich natürlich an Bauprojekten anzuwenden, und ein Feedback zu ihren Erfahrungen zu geben.
Diese Konsultation, die Vernehmlassungscharakter hat, soll dabei helfen, den Standard zu
optimieren.
Weitere Informationen finden Sie unter www.nnbs.ch.
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