Planung, Bau und Unterhalt l Nachhaltiges Bauen Nachhaltig bauen – was nützt es dem Bauherrn? Nachhaltige Gebäude generieren Vorteile für Umwelt, Mensch und Wirtschaft. Sie nützen aber auch dem Eigentümer, unter anderem, weil sie qualitativ meist besser, wertbeständiger und günstiger im Betrieb sind als konventionelle Bauten. Damit diese Vorteile zum Tragen kommen, muss ein Projekt von Anfang an richtig aufgegleist und konsequent durchgezogen werden. Von Bernhard Orschulko* Nachhaltigkeit und Ästhetik kombiniert: Der Neubau des Kunstmuseums Basel wurde nach Minergie-P-Eco gebaut. Bilder: Julian Salinas B auen wirkt stark auf Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt, also auf alle Bereiche der Nachhaltigkeit. Insofern müsste das nachhaltige Bauen heute eigentlich der Normalfall sein. Die Wirklichkeit sieht aber anders aus. Viele Baumaterialien ent- 82 l kommunalmagazin.ch halten noch immer Bestandteile, die bei Menschen zu gesundheitlichen Problemen führen können, oder die Umwelt bei Herstellung oder Betrieb belasten. Bestehende Gebäude verbrauchen insgesamt nach wie vor zu viel Energie und verursachen unnötig hohe Betriebskosten. Zu oft noch werden Gebäude erstellt, in die zu wenig Tageslicht dringt, die nicht richtig gelüftet werden können oder den Lärmschutz nicht erfüllen. Solche und weitere Probleme lassen sich im Vorhinein vermeiden, wenn be- Nr. 6 Dezember/Januar 2016/17 Nachhaltiges Bauen l Planung, Bau und Unterhalt reits früh in Bauprojekten auf Nachhaltigkeit geachtet wird. Nachhaltiges Bauen ist aber mehr als die Summe einzelner Massnahmen. Es entfaltet seinen grössten Nutzen, wenn es auf einer Gesamtsicht über den ganzen Lebenszyklus eines Gebäudes basiert, also alles, von der Planung über den Bau und den Betrieb bis zum Rückbau einschliesst. Nun gilt das nachhaltige Bauen auch unter öffentlichen Bauherrschaften zwar als erstrebenswert und sinnvoll, aber eben oft auch als aufwendig und teuer. Vielfach geht in der Diskussion unter, dass es der Bauherrschaft viele handfeste Vorteile bringt. Deshalb soll hier anhand von einigen exemplarischen Postulaten des nachhaltigen Bauens gezeigt werden, wo die Bauherrschaft profitieren kann. Vorausgesetzt wird, dass das Projekt energietechnisch dem Stand der Technik entspricht, also beispielsweise mindestens den aktuellen Mustervor- Nr. 6 Dezember/Januar 2016/17 schriften der Kantone im Energiebereich (Muken) gerecht wird. Acht Postulate und ihr Nutzen ■■ Kompakt und flächeneffizient planen: Kompakte Baukörper haben ein günstiges Verhältnis von Gebäudeoberfläche zu Geschossfläche. Dies reduziert in der Regel nicht nur den Betriebsenergieverbrauch, sondern auch die zu verbauende Materialmenge und damit die Baukosten und die Umweltbelastung. In dieselbe Richtung wirkt auch Flächeneffizienz. Sie sorgt dafür, dass möglichst wenig teure Restflächen entstehen, die kaum sinnvoll genutzt werden können. ■■ Untergeschosse minimieren: Die Platzierung des Gebäudes in der Topographie bestimmt die Menge der Erdbewegungen und des Aushubs. Deshalb lohnt es sich zu prüfen, ob das Volumen der Untergeschosse reduziert werden kann, beispielsweise durch Verlagern von Räumen in oberirdische Geschosse. Dies senkt in der Regel die Erstellungskosten. ■■ Flexibel bauen: Mit einer einfachen Tragstruktur und geradliniger Lastabtragung über alle Geschosse können die tragenden Elemente minimal dimensioniert und dadurch Material und Kosten gespart werden. Eine flexible Tragstruktur hält auch die Kosten bei späteren Umgestaltungen und Umnutzungen am Gebäude tief. ■■ Nutzungsdauer der Bauteile einplanen: Die verschiedenen Bauteile eines Gebäudes haben unterschiedlich lange «Lebenserwartungen». Eine geeignete Systemtrennung vereinfacht Instandhaltung und Instandsetzung durch gute Zugänglichkeit und Ausbaubarkeit der Bauteile. Hierfür braucht es etwa ein klares Steigzonenkonzept und eine geeignete Anbindung an Technikräume. Die Tragkonstruktion soll Flexibilität für spätere Veränderungen am Sekundärsystem bieten. ■■ Baustoffe richtig wählen, Schadstoffe vermeiden: Die Herstellung von Baumaterialien beeinflusst die Umwelt stärker als gemeinhin angenommen. Hier hilft die Ökobilanzierung von Bauteilen, verschiedene Konstruktionsaufbauten bezüglich grauer Energie und Umwelteinflüssen zu optimieren. Mit der richtigen Materialwahl schützt man die Nutzenden vor gesundheitlichen Risiken etwa durch Lösungsmittel- oder Formaldehyd-Emissionen. Als Bauherr schützt man sich vor hohen Unterhalts-, Sanierungs- oder Entsorgungskosten in der Zukunft. ■■ Tageslicht nutzen: Durch die optimale Versorgung mit Tageslicht entstehen helle und freundliche Räume, die sich positiv auf die Gesundheit und das Wohlbefinden der Nutzenden auswirken. Zudem lässt sich dadurch auch der Kunstlichtanteil und damit der Stromverbrauch reduzieren. Dabei gilt es, den optimalen Fensteranteil an der Fassade kommunalmagazin.ch l 83 Planung, Bau und Unterhalt l Nachhaltiges Bauen Grafik: zvg nen Energieverluste weitgehend eliminieren. Qualität durch Zertifizierung Ein gesundes Innenraumklima basiert auf verschiedenen Faktoren. auszuloten. Ist er nämlich zu gross, kann das zu Blendung oder zu Wärmeverlusten im Winter führen. ■■ Vor Lärm schützen: Ein konsequenter Schallschutz gegen aussen, aber auch zwischen den Nutzungseinheiten, ist wichtig für das Wohlbefinden der Nutzenden. Guter Schallschutz wirkt sich positiv auf die Produktivität der Nutzenden aus, was auch dem Eigentümer nützt. ■■ Für gute Luftqualität sorgen: Nachhaltige Gebäude versorgen ihre Nutzenden angemessen mit frischer Luft. Das ist wichtig für deren Wohlbefinden und Gesundheit. Bezüglich des Nutzens gilt hier bei Verwaltungsbauten ähnliches wie beim Schallschutz. Bei Schulen wirkt eine gute Lufterneuerung positiv auf den Lernerfolg der Schüler. Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung sind oft eine sinnvolle Lösung, einerseits, weil sie die Lufterneuerung automatisieren, andererseits, weil sie auch die damit verbunde- Das nachhaltige Bauen führt erfahrungsgemäss auch zu qualitativ besseren, wertbeständigeren Gebäuden. Schon allein die intensive Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeitskriterien bei der Planung führt dazu, dass Konstruktionen von Grund auf hinterfragt und durchdacht werden. Mittlerweilen gibt es hierfür, beispielsweise von Eco-Bau, bewährte Konzepte und Hilfsmittel für Planer, Architekten und Bauherrschaften, auf die in allen Phasen eines Projekts zurückgegriffen werden kann. Einen zusätzlichen Schub erhält die Qualität, wenn das Projekt mit der Zertifizierung nach einem anerkannten Standard einhergeht. Der Zertifizierungsprozess kann generell als Qualitätssicherungssystem betrachtet werden (siehe «Labels und Standards im nachhaltigen Bauen» ab Seite 78). Wer also beispielsweise nach Minergie-Eco baut, erhält im Rahmen des Prozesses Unterstützung und Feedbacks durch die Zertifizierungsstellen. Hierzu gehören etwa die Kontrolle von Berechnungen, Auskünfte zu Baumaterialien, Checklisten, stichprobenhafte Baustellenkontrollen oder Raumluftmessungen. Das alles hebt die Qualität am Bau ganz allgemein. Richtig verstanden und betrieben, nützt nachhaltiges Bauen nicht «nur» der Umwelt und der Gesellschaft, sondern bringt auch handfeste wirtschaftliche Vorteile. Damit ein Projekt aber wirklich gelingt, gilt es von Anfang an, an den richtigen Stellschrauben zu drehen und im weiteren Verlauf auch immer wieder zu überprüfen, wo man steht. Die Konzepte und Instrumente hierfür sind vorhanden. ■ *Bernhard Orschulko ist Leiter Gebäudemanagement Bau beim Hochbauamt des Kantons Basel-Stadt und Vorstandsmitglied bei Eco-Bau. Serie: «Nachhaltiges Bauen» Dieser Beitrag ist der Abschluss einer dreiteiligen Serie des Netzwerks Nachhaltiges Bauen Schweiz NNBS. Der erste Teil («Öffentliche Bauherren sind gefordert») ist im KM 5/16 erschienen, der zweite Teil («Labels und Standards im nachhaltigen Bauen») ist in dieser Ausgabe ab Seite 78 zu lesen. 84 l kommunalmagazin.ch Das Kunstmuseum Basel zeigt, dass auch ein nachhaltiger Baustil kreative Architektur zulässt. Nr. 6 Dezember/Januar 2016/17