Versteifungen und Geschwüre sind nicht selten. Ein häufiges und frühzeitiges Symptom ist das Raynaud-Syndrom, bei dem sich die Blutgefäße krampfartig zusammenziehen und die Durchblutung einschränken. Eskalation im Bindegewebe: Sklerodermie oder systemische Sklerose Etwa 10.000 Menschen in Deutschland leiden derzeit an einer systemischen Sklerose (Sklerodermie). Frauen sind etwa viermal häufiger betroffen als Männer, von der Erkrankung, die meistens im Alter von 30 bis 50 Jahren auftritt und deren Verlauf von Patient zu Patient sehr unterschiedlich sein kann. Was verbirgt sich hinter der Diagnose? Wo liegen die Ursachen? Welche verschiedenen Arten gibt es und wie kann man die Krankheit behandeln? Autor: Dr. med. K. Ahmadi-Simab, ärztlicher Direktor am Klinikum Stephansplatz in Hamburg. Facharzt für Innere Medizin, Rheumatologie, Klinische Immunologie, Gastroenterologie V or 30 Jahren noch gab es in Deutschland so gut wie keine Schwerpunkt-Behandlungsstätten für Sklerodermie. Erst 1984, mit der Entwicklung der ersten deutschen Selbsthilfegruppe Sklerodermie und der 10 Jahre später gegründeten Stiftung, konnten Forschungsprojekte gefördert werden und interdisziplinäre Behandlungseinrichtungen entstehen. Auch das Deutsche Netzwerk Systemischer Sklerodermie ist aus der Stiftung entstanden. Mit 40 angeschlossenen Forschungseinrichtungen können heute breit angelegte Forschungsvorhaben durchgeführt werden. Zusammenarbeit findet auch auf eurpäischer Ebene mit der EUSTAR statt. Gemeinsam mit der Patientenorganisation FESCA und der Gesellschaft für juvenile Rheumatologie wird derzeit an der Entwicklung einer nachvollziehbaren, klinischen Leitlinie für das zukünftige Management der Sklerodermie bei Erwachsenen, Jugendlichen und Kindern gearbeitet. Es bewegt sich etwas rund um die seltene chronische Erkrankung. Die Sklerodermie (sklero = hart, dermis = Haut) ist eine seltene Erkrankung und zählt, als „entzündliche rheumatische Erkrankung“ zur Gruppe der Kollagenosen. Hierbei kommt es zu einer starken Vermehrung des Bindegewebes, wodurch sich die Haut oder Schleimhaut verdickt und verhärtet. Bindegewebe befindet sich aber nicht nur in der Haut. Auch die Blutgefäße, die inneren Organe – einfach jedes Gewebe das durchblutet ist, besteht aus Bindegewebe. Somit können die Bindegewebsverhärtungen sowohl die Haut als auch die inneren Organe wie Lunge, Verdauungstrakt und Niere bzw. die Blutgefäße betreffen. Unterschieden werden zwei grundlegende Verlaufsformen mit jeweils verschiedenen Varianten. Die zirkumskripte Sklerodemie (CS): Sie beschränkt sich, in umschriebener abgegrenzter Form, auf das Bindegewebe der Haut. CS ist für den Patienten eine störende, mitunter einschränkende Erkrankung, sie ist aber nicht lebensbedrohlich. Die systemische Sklerodermie, die in weitere Formen unterteilt wird: a) Limitierte (oder lokalisierte) systemische Sklerose (LSSc): Es sind nur die Hände oder Füße unterhalb der Ellenbogen- oder Kniegelenke betroffen. Hauptsächlich Finger, Zehen, Nase, Kinn und Ohrmuscheln. Eine Organbeteiligung ist bei dieser Form selten oder nur leicht ausgeprägt. Eine Unterform ist das CREST-Syndrom. Dabei kommt es zu einer Hautverkalkung (Calcinosis Cutis = verkalkte Haut), zu einem Raynaud-Syndrom* und zu einer Minderfunktion oder gestörten Beweglichkeit der Speiseröhre (Ösophagusmotilitätsstörung (Esophagus = Speiseröhre)). Außerdem sind die Finger verhärtet, dünn und blass (Sklerodaktylie) und die oberflächigen Hautgefäße bleiben krankhaft erweitert (Teleangiektasien). b) Die diffuse systemische Sklerose: Sie breitet sich über den ganzen Körper aus, schreitet schnell voran und führt innerhalb eines Jahres zu einer schweren Fibrosierung (Gewebeveränderung) der Haut mit Beteiligung innerer Organe. c) Sine Sklerodermie: es sind nur innere Organe betroffen, die äußeren typischen Merkmale fehlen d) Sharp Syndrom: (auch „Overlap“-Syndrom) verschiedene Bindegewebserkrankungen überlappen sich: Raynaud-Syndrom und Sklerodermie typische Hautverdickungen sind hier mit rheumatischen Symptomen einer systemischen Lupus erythematodes, einer Polymyositis oder einer rheumatoiden Arthritis kombiniert. Info: Endothelin ist ein Stoff mit starker gefäßverengender Wirkung, der in der Innenauskleidung von Blutgefäßen (Endothel) gebildet wird. Endothelin spielt eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Gefäßschäden: es verursacht Gefäßverengungen und trägt außerdem zur Entstehung von Fibrosen und Entzündungen bei. Aus verschiedenen wissenschaftlichen Untersuchungen ist bekannt, dass bei PSS-Patienten die Endothelin-Konzentrationen im Blut erhöht sind. Das Raynaud-Syndrom* (Morbus Raynaud) ist eine Gefäßerkrankung, die durch anfallsweises Erblassen der Hände oder Füße aufgrund von Vasospasmen gekennzeichnet ist. Frauen sind fünfmal häufiger betroffen als Männer. Die Erkrankung ist nach ihrem Entdecker, dem französischen Arzt Maurice Raynaud (1834–1881), benannt. Die genauen Ursachen der Sklerodermie sind nach wie vor unbekannt. Als Auslöser der Sklerodermie wird eine Fehlreaktion des Immunsystems vermutet: Körpereigene Zellen (hier des Bindegewebes) werden als fremd oder fehlerhaft erkannt. Die Folge ist eine Entzündungsreaktion, bei der sich die Bindegewebszellen übermäßig vermehren, so dass es zu einer Bindegewebszellenanhäufung mit einer hohen Produktion an Kollagen kommt. Die Kollagenanhäufung führt zur Sklerose (Verhärtung) der Haut und zur Verengung von Blutgefäßen. Folgende Gegebenheiten sind bei der Entwicklung einer Sklerodermie von Bedeutung: • Krankhafte Vermehrung des Bindegewebes (Fibrose) • Schädigung der Blutgefäße (Vaskulopathie) • Autoimmunerkrankung • Genetische Veranlagung • Vermehrte Bildung von Endothelin Digitale Ulzerationen Digitale Ulzerationen sind schwer heilende, schmerzhafte Geschwüre an den Fingern, die etwa 30-60% aller Patienten betreffen. Die Ursache ist eine mangelnde Durchblutung (Ischämie) der Fingerarterien aufgrund einer krankhaften Veränderung und Fehlfunktion der Blutgefäße (Vaskulopathie). Als Folge entzündet sich das umliegende Gewebe und aktiviert das Immunsystem, bis so genannte Fresszellen die sterbenden Gewebezellen abbauen (Nekrose). Auch die Knochen können durch die Entzündung betroffen sein und werden porös, u. a. weil das Kalzium aus den Knochen ins Gewebe zu den Entzündungsherden wandert. Dort sammelt es sich in Kalkablagerungen, die deswegen gehäuft an den Entzündungsstellen zu sehen sind. Gelenke und Muskulatur Schon durch die Hautverhärtung um die Gelenke herum, ist die Beweglichkeit eingeschränkt. Zusätzlich behindern die Entzündungen die Muskulatur und die Gelenke. Gelenkschmerzen sind häufig und ähneln den Beschwerden einer rheumatischen Krankheit: Sowohl in Ruhe als auch in Bewegung tun die Gelenke weh und sind am Morgen steif. Verdauungstrakt (Mund, Speiseröhre, Magen- und Darmtrakt) Wenn die Speichel-Tränendrüsen von der Sklerodermie betroffen sind, kann es zur Trockenheit im Mund und auch in den Augen kommen. Teilweise fällt es dann schwer oder ist gar nicht mehr möglich, trockene Speisen zu schlucken. Ein verhärtetes Zungenbändchen erschwert dies zusätzlich. Ist die Speiseröhre verhärt et, kann die Nahrung nicht mehr richtig transportiert werden. Ein betroffener Magenausgang, der nicht mehr richtig schließt, kann dazu führen, dass Magensäure in die Speiseröhre zurückläuft und Sodbrennen entsteht. In seltenen Fällen ist auch der Darm beteiligt und es kommt zu Durchfall oder Verstopfung und die Nährstoffaufnahme über den Darm kann beeinträchtigt sein. Aufgrund der Störungen im Magendarmbereich verliert der Patient häufig an Körpergewicht und –masse. Niere Bei etwa 45 Prozent der Patienten mit systemischer Sklerose ist die Niere mit betroffen und kann z. B. ihre Filterfunktion nicht mehr vollständig ausüben (Niereninsuffizienz). Nur bei ca. 10 Prozent der Patienten kommt es zu einer renalen Krise, also zu einer akuten Verschlechterung, die mit einem steilen Anstieg des Bluthochdrucks und Folgeschäden in anderen Organen (z. B. dem Herzen) verbunden ist. Lunge Neben der Magen- und Darmbeeinträchtigung ist die Lunge am zweithäufigsten von der Krankheit betroffen. Die zwei wichtigsten Formen der Lungenbeteiligung sind die Lungenfibrose (auch fibrosierende Alveolitis genannt) und die Erkrankung der Lungengefäße, welche zu Lungenhochdruck (pulmonal arterielle Hypertonie) führt. Die Lungenfibrose tritt bei ca 40 Prozent der Patienten mit systemischer Sklerose auf. Dabei kommt es zu einer vermehrten Bindegewebe-Ablagerung in den sonst sehr feinen Wänden der Lungenbläschen, ebenso lagert sich Bindegewebe um diese und um die kleinen Luftwege herum ab und führt so zu Kurzatmigkeit und Atemnot. Der Lungenhochdruck ist seltener als die Lungenfibrose: 5 bis 7 Prozent der Patienten mit zirkumskripter Sklerodermie oder Mischkollagenose entwickeln einen Lungenhochdruck. Bei den Patienten mit systemischer Sklerose sind es etwa 30 Prozent. Lesen Sie hierzu auch den Beitrag auf Seite 15. Herz Bei 30 bis 50 Prozent der Sklerodermiepatienten ist auch das Herz in Mitleidenschaft gezogen: Entweder ist die Muskulatur teilweise durch die Sklerosierung geschwächt oder der Herzbeutel ist verhärtet und somit die Pumpleistung des Herzens vermindert, auch die Herzklappen können defekt sein. Selten ist die Herzreizleitung betroffen, so dass echte Herzstörungen wie Herzrhythmusstörungen auftreten. Wie bei den meisten chronischen Erkrankungen ist eine frühe Diagnose auch bei der Sklerodermie von großer Bedeutung. Insbesondere im Anfangsstadium ist dies jedoch nicht immer einfach, und nicht selten haben die Patienten eine wahre Odyssee hinter sich, bis die Erkrankung erkannt wird. Weil verschiedene Organe auf unterschiedliche Weise betroffen sein können und es wenig typische Erkennungsmerkmale gibt, sollten Diagnose und Therapie von einem Facharzt durchgeführt werden. Außerdem ist die Sklerodermie eine seltene Krankheit, an die, selbst, wenn es Hinweise gibt, nicht sofort gedacht wird. Häufig werden Durchblutungsstörungen oder Rheuma diagnostiziert. Doch diese sind in der Regel nicht mit den für Sklerodermie typischen Gefäß- und Blutveränderungen verbunden. Um den Übergang auf andere Organe zu vermeiden oder zu verzögern, spielt der rechtzeitige Einsatz einer angemessenen Therapie eine große Rolle. Die frühen Anzeichen der Erkrankung sind Veränderungen in der Farbe der Finger und Zehen, verbunden mit Veränderungen der Hauttemperatur von warm zu kalt (Raynaud Syndrom). Zusätzlich kommt es zu Schmerzen und Geschwüren an den Spitzen der Finger. Die Haut der Finger- und Zehenspitzen wird oft rasch hart und glänzt im Licht. Die Verhärtung der Haut breitet sich immer weiter aus. Geschwollene Finger und Gelenkschmerzen können früh in der Erkrankung auftreten, innere Organe werden ggf. in Mitleidenschaft gezogen. Die Langzeitprognose hängt von der Art und dem Ausmaß des Befalls der inneren Organe ab. Es ist wichtig, dass alle inneren Organe auf Sklerodermie untersucht werden, sowohl durch Laboruntersuchungen als auch durch Funktionstests. Die Diagnose der systemischen Sklerose wird anhand der klinischen Symptome, der Untersuchung der Haut und Blutuntersuchungen, vor allem über Antikörper-Nachweise gestellt. Hilfreich ist auch die Untersuchung der Blutgefäße im Nagelbett mittels Lichtmikroskop (Kapillarmikroskopie). Die Sklerodermie kann man nicht heilen, aber den Verlauf wesentlich beeinflussen und die Lebensqualität verbessern. Das Erkrankungsbild ist bei jedem Patienten anders und tritt meist nur mit einzelnen Symptomen auf, die sich relativ leicht „in Griff“ kriegen lassen. In der Regel wird nur wenig von dem, was Sie von der Krankheit gelesen haben, auf Sie zutreffen. Therapie digitaler Ulzerationen Zur Verminderung der Anzahl neuer digitaler Ulzerationen (offene Wunden an Finger- und Zehenspitzen), die sehr schmerzhaft sind und im Extremfall bis zum Verlust der betroffenen Gliedmaßen führen können, ist seit 2008 in Deutschland ein erstes Medikament zugelassen worden: Bosentan, ein so genannter dualer Endothelin-Rezeptor-Antagonist, der den natürlich vorkommenden Botenstoff Endothelin (ET) hemmt. Im Rahmen von klinischen Studien werden digitale Ulzerationen zum Teil mit Prostazyklinen, PDE-5-Hemmern und anderen Endothelin-Rezeptor-Antagonisten behandelt. Dabei handelt es sich jedoch nicht um zugelassene Therapien. Physikalische Therapie bei Sklerodermie Bestimmte therapeutische Maßnahmen können zu einer erheblichen Verbesserung der Symptome führen. Mit dem Ziel, die Ödembildung zu reduzieren, die Durchblutung anzuregen und die Dehnfähigkeit zu erhöhen, kommen folgende physikalischen Anwendungen zum Einsatz: • • • • • • manuelle Lymphdrainage Bindegewebsmassagen Kohlensäurebad Elektrotherapie Wärmeanwendung Paraffintauchbad Lesen Sie hierzu auch den Artikel in der Rubrik „Lebensqualität“. Die Ursachen der systemischen Sklerose sind unbekannt. Daher gibt es keine erprobten, prophylaktisch wirkenden Maßnahmen. Die Symptome der einmal entstandenen systemischen Sklerose lassen sich jedoch durch einige Maßnahmen mildern: • • • • • • • • Bewegungstherapie bei Versteifung der Finger Leichte regelmäßige Bewegungsübungen, z. B. Stricken, Malen oder Instrument spielen sorgfältige Hautpflege mit fetthaltigen Cremes Schutz vor Kälte durch warme Handschuhe und Schuhe, Taschenöfen und Wärmepackungen Während eines Raynaud-Anfalls: Hände und Zehen wärmen. Aktive körperliche Betätigung lindert Kältegefühl und Schmerz. Pfefferminzhaltige Bonbons oder Kaugummis und häufige kleine Mahlzeiten, sowie eine höhere Lagerung des Oberkörpers beim Schlafen bessern Mundtrockenheit und Schluckbeschwerden. Bei der „Hautform“ kann das Tragen ausreichend weiter Kleidung das Voranschreiten der Sklerodermie an diesen Stellen aufhalten. Den Jahresurlaub in den kalten Wintermonaten in südlichen Ländern verbringen. Bewegungsübungen, Schutz vor Kälte und sorgfältige Hautpflege mit fettigen Cremes können helfen Die Therapie der SSc richtet sich in erster Linie nach den Symptomen: Hautsklerose: Hautpflege, kein Nikotin, Schwefel- oder CO2-Bäder, leichte Massagen, Immunsuppressive Therapie, z.B. D-Penicillamin (vor allem in frühen Stadien), MTX, Azathioprin Raynaud-Syndrom: Blutgefäß erweiternde Substanzen z.B. Prostanoide, PDE-5-Inhibitoren; Kalziumantagonisten Digitale Ulzerationen: Wundbehandlung, Förderung der Abheilung, Reduktion der Anzahl neuer digitaler Ulzerationen mit Bosentan Lungenbeteiligung: Fibrose: eventuell Cyclaphosphamid, Lungenhochdruck (PAH): z.B. Iloprost oder Phosphodiesterase-Hemmer oder EndothelinRezeptor-Antagonisten unterstützende a nahmen Herzbeteiligung: Kortisonpräparate, Immunsuppressiva Muskelbefall: Kortisonpräparate, evtl. Immunsuppressiva Magenbeteiligung: Protonenpumpenhemmer, Prokinetika Nierenbeteiligung: spezielle Bluthochdruckmedikamente, evtl. Immunsuppressiva