Dr. Dirk Vasel Parodontaltherapie: Biofilmmanagement in der Vor- und Nachsorge Die Parodontitis gehört zu den häufigsten Erkrankungen überhaupt. Ihre Entstehung beruht auf einem komplexen multifaktoriellen Geschehen, dessen genaue Vorgänge voraussichtlich nie bis ins letzte Detail geklärt werden können. Während man bis über die Mitte des vergangenen Jahrhunderts hinaus die Mundhygiene und das Alter für die entscheidenden Parameter gehalten hat, so können wir heute aufgrund von Studien davon ausgehen, dass selbst eine gute bis sehr gute häusliche Mundhygiene allein wahrscheinlich nicht ausreicht, um bei anfälligen Patienten die Entstehung einer Parodontitis zu verhindern. Der wissenschaftliche Konsens heute ist, dass ohne das Vorhandensein bestimmter parodontalpathogener Bakterien keine Parodontitis entstehen würde. Zu diesen Keimen zählen insbesondere Porphyromonas gingivalis (Pg), Tanerella forsythensis (Tf), Aggregatibacter actinomycetemcomitans (Aa), Treponema denticola (Td) und Prevotella intermedia (Pi). Die alleinige Anwesenheit dieser Bakterien ist aber offenbar nicht ausreichend für die Krankheitsentstehung. Denn wie man aus entsprechenden Studien weiß, können diese Keime teilweise auch bei parodontal gesunden Patienten nachgewiesen werden. Weitere Faktoren müssen demnach hinzutreten, um eine Parodontitis entstehen zu lassen. Zu diesen Faktoren zählt im besonderen Maß das Rauchen, welches über die Aufnahme der im Zigarettenrauch in großer Anzahl vorhandenen Giftstoffe zu einer systemischen Schwächung des Immunsystems führt. Die Raucherentwöhnung sollte daher fester Bestandteil prophylaktischer und therapeutischer Bemühungen sein. Der Diabetes mellitus gilt als weiterer wichtiger ätiologischer Faktor. Diabetiker haben aufgrund der veränderten Stoffwechselvorgänge und des damit verbundenen ungünstigen Einflusses auf Immunsystem und Entzündungsgeschehen ein deutlich erhöhtes Risiko an einer Parodontitis zu erkranken. Allerdings kann ein gut eingestellter Diabetes das Risiko vermutlich sehr stark absenken. Das Problem mit Diabetes mellitus ist einerseits der in Zukunft zu erwartende weitere deutliche Anstieg der Erkrankungszahlen insbesondere in den Industrienationen – mit einer hohen Anzahl unerkannter Erkrankungen und die häufig nicht ausreichende Einstellung der Erkrankten andererseits. Die Kooperation zwischen Zahnmedizin und Humanmedizin wird daher an Bedeutung weiter zunehmen. Neben den vorgenannten erworbenen Risikofaktoren scheint die genetisch bedingte Prädisposition eine ganz entscheidende Rolle bei der Krankheitsentstehung zu spielen. Inzwischen sind eine ganze Reihe von Genen bekannt, die zu erhöhter Krankheitsanfälligkeit der betroffenen Patienten führen können. Aus diesen Erkenntnissen hat sich bereits vor Jahren ein kommerziell erhältlicher Gentest entwickelt, der auf dem IL-1B-Gen beruht. Copyright Dr. Dirk Vasel (2011) Darüber hinaus können wir heute davon ausgehen, dass Erkrankungen und Umstände, die zu einer längerfristigen Schwächung des Immunsystems führen, mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit einhergehen, an einer Parodontitis zu erkranken oder eine bestehende Parodontitis zu verschlechtern. Hierzu kann beispielsweise auch chronischer, nicht kompensierter psychischer und sozialer Stress führen. Bei der Diagnostik und Therapieplanung der Parodontalerkrankungen sollten die vorgenannten Faktoren Berücksichtigung finden, um den Patienten möglichst ganzheitlich behandeln zu können. So wie die Karies keine Fluoridmangelerkrankung ist, so ist auch die Parodontitis keine Mundhygienemangelkrankheit, auch wenn sie früher fast ausschließlich so behandelt wurde und dies auch heute noch bei vielen im Hinterkopf zu sein scheint. Die Parodontitis auf Mundhygiene zu reduzieren würde dem komplexen Geschehen keineswegs gerecht. Seit Anfang der neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts sprechen wir im Zusammenhang mit Parodontitis nicht mehr nur von dentaler Plaque sondern vielmehr von einem bakteriellen Biofilm. Ein ausgereifter Biofilm ist durchaus komplex aufgebaut. Es liegen einfache Stoffwechselprozesse vor und die Bakterien zeigen primitive Kommunikation untereinander. Durch den Aufbau einer Art Schutzhülle sind die Bakterien innerhalb des Biofilmes außerdem relativ gut vor äußeren Einflüssen geschützt. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass sich die Bakterien innerhalb eines Biofilmes anders verhalten als in Laborkolonien auf einer Blutagarplatte. Daher sind in vitro-Untersuchungen nur bedingt auf die Situation in vivo übertragbar. Zentraler Bestandteil jeder Parodontaltherapie ist die möglichst effektive Beseitigung des dentalen Biofilmes. Allerdings wird es nicht möglich sein, alle parodontalpathogenen Bakterien komplett aus dem Ökosystem Mundhöhle zu beseitigen. Vielmehr gilt es, die Wurzeloberfläche so gut zu reinigen, dass dabei eine biokompatible Oberfläche entsteht, die eine Reduktion der parodontalen Tasche und ein Reattachment ermöglicht. Diese Reinigung sollte aber wiederum so schonend sein, dass körpereigene spontane Regenerationstendenzen nicht verhindert werden. Eine Wurzelglättung mit Entfernung des angeblich bakteriell kontaminierten Zementes – wie dies früher propagiert wurde – ist heute obsolet. Vielmehr sollte das Wurzelzement maximal geschont werden. Der Patient wird es auch mit nahezu perfekter häuslicher Mundhygiene nicht schaffen, die Neubildung des Biofilmes komplett zu verhindern. Er ist daher auf die regelmäßige professionelle Unterstützung durch das zahnärztliche Fachpersonal angewiesen. Die gezielte und minimalinvasive Entfernung neu entstandenen Biofilmes bevor dieser einen Attachmentverlust fördernden Reifegrad erreicht hat, ist zentraler und in seiner Bedeutung für die Stabilisierung der parodontalen Situation kaum zu überschätzender Bestandteil jeder parodontalen Erhaltungstherapie. Copyright Dr. Dirk Vasel (2011) Aber nicht erst, wenn der Patient bereits an einer Parodontitis erkrankt ist, kommt dem Biofilmmanagement eine große Bedeutung zu. Eine Vielzahl von Studien belegt, dass Patienten, die für eine Parodontitis anfällig aber noch nicht erkrankt sind, auch mit einer perfekten häuslichen Mundhygiene die Entstehung und Progredienz der Erkrankung wahrscheinlich nicht verhindern können. Es wäre daher wünschenswert, diese Patienten rechtzeitig zu identifizieren und mit gezieltem Biofilmmanagement vor einer Parodontitis zu bewahren. Da die Identifikation dieser Patienten aber nach wie vor schwierig sein kann, ist es empfehlenswert, allen Patienten prophylaktische Maßnahmen zu empfehlen und insbesondere Patienten mit bekannten Risikofaktoren (Rauchen, Diabetes etc.) ein mindestens halbjährliches Recall nahezulegen, um der Entstehung parodontaler Probleme vorzubeugen. Copyright Dr. Dirk Vasel (2011) Hans-Dieter Klein Patientenbindung durch behandlungsbegleitende Kommunikation Der Patient soll verstehen, warum er sich regelmäßiger zahnmedizinischer Betreuung in der Praxis unterziehen muss. Durch aktive behandlungsbegleitende Kommunikation signalisiert der Zahnarzt, die Prophylaxe-Fachkraft, die Rezeptionsfachkraft und die Stuhlassistenz an entscheidenden Schaltstellen, wie wichtig die systematische und nachhaltige (Erhaltungs)Therapie ist. Der Patient wird in diesen zahnmedizinischen Austausch einbezogen. Therapeutische, zahnerhaltende Konsequenzen kann er nachvollziehen. Dies ist umso wichtiger, je mehr es sich um Selbstzahlerleistungen handelt. Bereits bei der Neupatientenaufnahme verdeutlicht dies der folgende Aspekte beispielhaft. Begrüßungsbrief Nach dem telefonischen Erstkontakt verschickt die Rezeptionskraft folgenden Brief an den Neupatienten: Sehr geehrte Frau Neu, Sie werden unsere Praxis in Kürze zum ersten Mal aufsuchen. Gerne bestätigen wir Ihnen den vereinbarten Termin Dienstag, 19. April 2011, 14:00 – 14:40 Uhr zur zahnärztlichen Untersuchung. Damit wir uns bestmöglich aufeinander einstellen, bitte ich Sie das beigefügte Anamneseblatt sorgfältig auszufüllen und zum Termin mitzubringen (Bitte denken Sie auch an das Mitbringen Ihres Bonusheftes). Besonders wichtig in diesem Zusammenhang erscheint mir der Hinweis, dass unsere Praxis in Ihrem Interesse ganz besonderen Wert auf Zahnerhaltung – Prophylaxe – legt. Unsere Therapie wird immer zum Ziel haben, Sie möglichst mit Ihren eigenen Zähnen zahngesund zu erhalten. Kronen, Füllungen, Brücken oder Prothesen werden wir damit mit hoher Wahrscheinlichkeit vermeiden. Freuen Sie sich auf wunderschöne, gesunde Zähne Der Brief zielt in diesem Fall darauf ab, dem Patienten einen klaren Hinweis auf das Konzept, in diesem Fall die Prävention zu geben. Während der Behandlung liefert das Team immer wieder positive Signale. Z.B. am Ende einer Prophylaxesitzung, wenn die Fachkraft den Fluoridlack aufträgt, sagt sie: „Ich konditioniere jetzt Ihre Zähne mit einem fluoridhaltigen Schutzlack. Der schützt Ihre Zähne für die nächsten 4 Monate vor den schlimmsten Karies- / Säureangriffen.“ Sie erzeugt auf diese Weise Sog. Der Patient weiß, dass er binnen 4 Monaten wieder kommen muss, denn dann lässt die Schutzwirkung des Lacks nach. Damit ist in der finalen Terminvereinbarung kein Druck notwendig, denn der Patient kommt freiwillig. Bestätigung liefern Am Ende bewegen den Patienten möglicherweise Zweifel, ob die getätigte finanzielle Ausgabe dem Gegenwert „reparierter oder erhaltener Zahn“ entspricht. In der Sozialpsychologie spricht man von kognitiver Dissonanz. Der Patient sucht seine Ausgabe, sein Verhalten zu rechtfertigen, er sucht Bestätigung. Hierin unterstützt ihn das Team. Der Arzt hat sich verabschiedet und das Behandlungszimmer verlassen. Jetzt hilft ihm die Zimmerassistenz Zweifel auszuräumen, indem sie vor der Verabschiedung bemerkt: „Lachen Sie mich bitte noch einmal an. Sie sehen prima aus. Es ist perfekt.“ Der Patient erfährt zum ersten Mal von einer neutralen Fachperson, dass seine Entscheidung richtig war. Es ist die erste Bestätigung auf dem Weg zur sicheren Gewissheit. Zeig mir Deine Zunge, ich sag Dir,was Dir fehlt 6.Frühjahrskongress EAZF 26.3.2011 Dr.R.Meierhöfer www.AK-Zahnmedizin.de 1 Blick-Diagnostik der Mundhöhle in der chinesischen Medizin seit 400 v.Chr. Diagnostikum auch bei den Indern, Tibetern Arabern und Griechen in der Medizin bis Mitte des letzten Jahrhunderts auch bei uns Hilfsmittel in der Medizin „Verdachtsdiagnostik“ 2 1 Zahnfleischveränderungen durch: Falsche Pflege Überstehende Flg./Kronenränder Dentale Materialien ( Kunststoff, Metall,etc) Mangel an Vitaminen ( Folsäure/B12) Pilze/Viren/Bakterien Krankheiten (Diabetes/Aids,Carcinome,etc.) Medikamente ( CHX,Aspirin,Hydantoin,etc) 3 Therapiemaßnahmen Pflegeanweisungen Korrektur der Kronen /Füllungen Labornachweis der unverträglichen Materialien Vitaminsubstitution Medikamente gegen Pilze/ Viren/ Bakterien Abklärung durch den Fachspezialisten Austausch der Medikamente, wenn möglich 4 2 5 Kunststoff Typ I Allergie 6 3 Vollblutspektralanalyse 7 8 4 Gingivitis/Parodontitis bei einzelnen Zähnen Biß prüfen Pflegehilfen ( Zahnseide, Kleinbürste,etc) Zahn/Organbeziehung beachten 9 Zahn/Organbeziehungen 10 5 Zungendiagnostik Zunge als Reflexzone innerer Organe ?? Nervale Versorgung durch: n.hypoglossus ( Motorik) n.glossopharyngeus/vagus (Geschmack/sensibel) n.lingualis (sensibel ,vordere 2/3) n.facialis (Transport sensibler Reize) 11 Zungendiagnostik Zunge als Schaufenster des Verdauungstraktes? Ende des Schleimhautschlauches Vorverdauung (Enzyme, Mineralien,etc) Topographisches Reflexsystem (Leber,Gallenblase,Magen, Darm,Pankreas Immunsystem) 12 6 Zungendiagnostik am Besten beim nüchternen Patienten gutes Licht Nachfragen nach färbenden Nahrungsmitteln (Rotwein,Blaubeeren,Curry etc.) Medikamente: Eisen,Antibiotika etc. 13 Zeichen einer gesunden Zunge Zartrosa Oberfläche Papillen über die Zunge verteilt hauchdünner,transparenter Belag mäßig feucht nicht zu dick/dünn liegt ruhig, nicht schlaff im Mund kein Zungenzittern 14 7 Zungendiagnostik Farbe: übermäßig rot bis purpur: Hitze, Leberstau, schneller Puls, Verstopfung sehr blass: Kälte, Frieren Energiemangel Nieren/Blasenprobleme 15 Zungendiagnostik dick, naß und geschwollen: Flüssigkeitsstau, Schwermetallbelastung Hypertonie Dünn, flach, trocken: Energielos, Trinkdefizite Risse und Furchen: Säure/Basenstörungen Magenschleimhaut 16 8 Zungendiagnostik Zahneindrücke am gesamten Zungenrand Zunge als „Kaukissen“ Papillenverlust Beläge in spezifischen Arealen 17 Zungendiagnostik Zungenbelag: trocken - Mangel an Flüssigkeit-Hitze im Körper feucht - Flüssigkeitsstau-Kälte/ Nässegefühl weiß, dünn - leichtes Krankheitszeichen gelb, graubraun,schwarz - stärkere Erkrankung je dicker, desto höhere pathogene Faktoren 18 9 Zungendiagnostik 19 Veränderungen an der Zunge durch: Zu niedere Bißhöhe Übersäuerung Organerkrankungen (Magen, Darm, Leber, Pankreas,etc.) Mangel an Vitaminen/ Spurenelementen Schwermetallbelastungen Piercings 20 10 Sandertitration bei Übersäuerung 21 Paradontitis Cellulitis Durchblutungsstörung Blutviskosität Herzinfarkt Schlaganfall Migräne Sauerstoffversorgung Übersäuerung Karies Schmerzempfindlichkeit Osteoporose Bluthochdruck Zellschädigung Adrenalinanstieg Erschöpfung Infektanfälligkeit Depression 22 11 23 Labordiagnostischer Nachweis IFN-Y = Gaspedal IL-10 = Bremsepedal 24 12 Laboradressenliste Labor Bayer: www.labor-bayer.de Vollblutanalysen etc. Medizinisches Labor Bremen: www.mlhb.de Speichel-und Knochenanalyse Institut für medizinische Diagnostik : www.zahnarzt-diagnostik.de Untersuchung dentaler Materialien 25 Fortbildung Umweltzahnmedizin Kurs: „Sinnvolle Labordiagnostik in der modernen Zahnarztpraxis“ Weitere Infos unter: [email protected] 26 13