OBJEKTE Kindergerechte Baustruktur Auf die Länge konnte weder den Kindern noch ihren Betreuerinnen der marode Bauzustand des Kindergartens auf dem Schulareal «Sunnerain» der Gemeinde Nürensdorf-Birchwil zugemutet werden. Die ersehnte Abhilfe kam in Form eines projektierten Ersatzneubaus in Holzbauweise. Der neu gebaute Doppel-Kindergarten «Sunnerain» bietet mit seiner Grundfläche (500 m²) und der bedürfnisgerecht konzipierten Gebäudestruktur optimale Bedingungen für die Lern- und Entwicklungsprozesse der Kinder. Foto: W. Bogusch Im Jahre 2011 hat der Gemeinderat von Nürensdorf auf Antrag der Liegenschaftskommission eine Studie über den künftigen Bedarf an Schulräumen und die Optimierung der Flächenbewirtschaftung in Auftrag gegeben. Von besonderem Interesse bei den Abklärungen war die Frage, ob – aufgrund der Anzahl der aktuell schulpflichtigen Kinder – die zur Verfügung stehenden Schulräumlichkeiten – verglichen mit den kantonalen Schulbauempfehlungen – Defizite oder Überschüsse aufweisen. Die Studie kam unter anderem zum Schluss, dass die beiden Kindergärten von Birchwil 18 11-12.2014 und Brütten weder den kantonalen Empfehlungen noch den heutigen Vorstellungen eines zeitgemässen Vorschulbetriebs entsprechen. Sowohl der Doppelkindergarten «Sunnerain» (Birchwil) als auch der Kindergarten «Breite» (Brütten) befanden sich aufgrund der festgestellten baulichen und energetischen Mängel in einem stark sanierungsbedürftigen Zustand. Während der Kindergarten Breite an sehr kalten Wintertagen seinen Betrieb der tiefen Raumtemperaturen wegen einstellen musste, hat das im Jahr 1974 erstellte Kindergartengebäude Sunnerain unter anderem durch viel zu hohe Feuchtigkeit Bauschäden erlitten. Zudem zeigte sich, dass das Raumangebot der beiden Kindergärten nicht mehr den Anforderungen eines zeitgemässen Kindergartenunterrichts genügt. Die benötigten Gruppenräume sind grundsätzlich so anzuordnen, dass sie einerseits dem Hauptraum direkt angegliedert sind und andererseits auch direkt von der Erschliessungsfläche (Korridor) zugänglich sind. Für eine derartige Anordnung im bestehenden Gebäude des Doppel-Kindergartengebäudes Sunnerain wären massive Eingriffe in die bestehende OBJEKTE Bausubstanz erforderlich gewesen, was angesichts des schadhaften baulichen Zustandes wenig Sinn gemacht hätte. Eine noch schlechtere Faktenlage ergab sich beim Kindergarten Breite, weshalb ein längerfristiger Kindergartenbetrieb in diesem Gebäude als nicht mehr realistisch eingestuft wurde. Zielsetzung: Eine zeitgemässe Infrastruktur Weil sich die bauliche Sanierung des heutigen Doppel-Kindergartens Sunnerain als sehr kostenintensiv erwiesen hätte, lag die Option Abbruch und Wiederaufbau sehr nahe, um mit einem Neubau die Anforderungen für einen zeitgemässen Kindergartenunterricht optimal erfüllen zu können. Nach entsprechender Zustimmung des Gemeinderates von Nürensdorf war das bestehende Kindergartengebäude Sunnerain bis auf das Untergeschoss vollständig abgebrochen worden. Der Neuaufbau erfolgte auf kinderfreundliche und helle Art in Holzrahmenbauweise. Das Raumprogramm des Neubauprojektes mit behindertengerechter Ausgestaltung umfasst zwei Kindergartenklassen sowie je einen Gruppenraum pro Kindergarten für den individualisierenden Unterricht und Förderangebote (gemäss den Schulbauempfehlungen des Kantons für die Grundausstattung), einen gemeinsamen Psychomotorikraum, der auch durch Schüler/-innen der Primarschule genutzt werden kann, Räumlichkeiten für Material sowie Toilettenanlagen. Die untenstehende Darstellung zeigt die Bauteile Aussenwand, Fenster und Dach im Schnitt (Ost-/Westfassade). Oben abgebildet ist die auf der Unterseite der Massivholzdecke angeordnete Installationsebene mit bereits verlegten Leitungen. Plandarstellung und Foto: Blättler Holzbau GmbH Gute Gründe für den Holzbau Der Wahl der Holzbauweise für die Projektumsetzung des Doppelkindergartens Sunnerain im Minergiestandard lag eine Am Bau Beteiligte Bauherrschaft: Gemeinde Nürensdorf Projekt: Bucher Partner Dipl.-Architekten AG, Winterthur Statik: SJB. Fitze Kempter AG, Frauenfeld Holzbau/Montage: Blättler Holzbau GmbH, Affeltrangen 11-12.2014 19 OBJEKTE Reihe von Vorteilen zugrunde. Als nachwachsender Baustoff mit einem ökologischen Bonus ausgestattet, ist Holz das Ausgangsmaterial für eine Systembauweise mit sehr kurzer Fertigungszeit. Die witterungsgeschützte Produktion von Wand-, Decken-, Boden- und Dachelementen führt zu einer höheren Genauigkeit durch eine detaillierte Vorplanung und eine exakte Bearbeitung der Einzelbauteile mit CNC-gesteuerten Maschinen. Auch der präzise Einbau von Haustechnikkomponenten und Installationen ist schon im Werk möglich. Durch die Vorfertigung sind die Einsatzzeiten auf der Baustelle kürzer, daher entsteht weniger Lärmbelästigung für die Anrainer. Wie das im Grundriss (unten) dargestellte Raumprogramm zeigt, befindet sich der Psychomotorikraum (Seite 21 oben) zwischen den beiden Gruppenräumen, von denen einer im Bild (oben) festgehalten ist. Fotos: W. Bogusch; Plandarstellung: Bucher Partner Dipl. Architekten AG 20 11-12.2014 Als Trockenbauweise entfallen hier Trocknungszeiten während und nach der Bauphase, was einen raschen Bezug des Gebäudes erlaubt. Zudem können durch die Vorfertigung der Bauteile schnelle, witterungsunabhängige Baufortschritte erzielt werden. Diese wirtschaftliche Bauweise wird von Bauherren sehr geschätzt. Neben der schnellen Fertigstellung machen die Verwendung standardisierter Baumaterialien und sich wiederholende Verbindungsdetails den Holzrahmenbau äusserst effizient. Er erweist sich als flexibel für architektonische Ansprüche und Nutzerwünsche. Zudem lässt er sich sehr gut an bestehende Gegebenheiten anpassen. Nach dem Abriss des Vorgängerbaus auf dem Sunnerain-Areal wurde die hochwärmegedämmte Holzkonstruktion über einer am bisherigen Standort neu angelegten Betonplatte errichtet. Bei der Ausführung des Baukörpers wurde grosser Wert auf die Verwendung baubiologisch einwandfreier Werkstoffe gelegt. Zum Aufbau der Aussenwände gehört, dass auf das mit Glaswolle (d = 240 mm) gedämmte Ständerwerk (Duo C24) aussenseitig eine 22 Millimeter dicke Holzweichfaserplatte angebracht wurde. Darauf folgte die Verlegung einer schwarzen Fassadenmembran. In farblicher Anpassung wurde OBJEKTE ein schwarz gestrichener Lattenrost (d = 40 mm) montiert, als Unterkonstruktion für die Fassadenschalung. Innenseitig ist das Ständerwerk – in Kombination mit einer Dampfsperre – mit einer 15 Millimeter dicken Gipsfaserplatte beplankt, deren Stösse geleimt und wo statisch erforderlich genagelt wurden. Die Vorgabe des Minergie-Standards konnte mit dem U-Wert von 0,16 W/m²K problemlos erreicht werden. Die statisch in Anspruch genommenen Trennwände im Gangbereich wurden als beidseitig mit Gipsfaserplatten beplankte Holzleichtbaukonstruktionen ausgeführt. Nach der Vorfertigung der Gebäudeteile, vor allem der Wände, in der Werkhalle (Dauer: 1 Woche) benötigte das Errichten der Holzbaustruktur lediglich zwei Tage. Angesicht des architektonisch gewollten hohen Fensteranteils in der Südfassade erfolgt die Aussteifung über die Konstruktion des Daches, der Aussenwände und der Innenwände. Die Statik des Gebäudes ist so ausgelegt, dass eine spätere Aufstockung (2. Geschoss) jederzeit möglich ist. Entsprechend bemessen und ausgeführt wurde die raumabschliessende Decke (d = 200 mm) mit Massivholz-Elementen (BSH GL24h). Sie ist zugleich die Primärkonstruktion des Flachdaches, das mit einer bauphysikalisch vorteilhaften Aufdachdämmung (EPS- und PUR-Materialien) mit Gefälle (1,5 %) ausgestattet ist. Im Gebäudeinneren sorgt eine mit magnesitgebundenen Holzwollefaser-Platten (d = 40 mm) ausgeführte Deckenverkleidung, die mit Weissputzstreifen kombiniert ist, für angenehme Akustikbedingungen. 11-12.2014 21 OBJEKTE Bei der relativ geschlossenen Nordfassade mit dem integrierten Gebäudeeingang kommt die offene Horizontalschalung (Fugenbreite: 6 mm) aus Fichtenholz mit rhomboid ausgeformten Lamellenquerschnitten besonders zur Geltung. Die Lamellen sind mit einem vorvergrauenden Lasuranstrich zwei Mal behandelt worden. Holzfassade mit edler Vorvergrauung Neben den reichlich verglasten Partien der Südfassade präsentieren sich die Anteile der verbleibenden Fassadenbereiche in Form einer offenen Horizontalschalung (Fugenbreite: 6 mm) aus Fichtenholz mit rhomboid ausgeformten Lamellenquerschnitten. Vorgängig zur Montage der sichtbar verschraubten Fassadenverkleidung wurde als Abdichtung eine atmungsaktive und wasserdichte Fassadenmembran (Stamisol FA) an Metallzargen und weiteren Anschlüssen angebracht. Die Optik der Fassade überzeugt durch die Qualität ihrer handwerklichen Ausführung und die spezielle farbliche Anmutung. Die nobel wirkenden Grautöne der Perlglanzpigmente vermitteln den Eindruck einer natürlich und gleichmässig verwitterten Holzoberfläche, wie sie in der Natur oftmals erst nach vielen Jahren unter günstigen Voraussetzungen entsteht. Die Lamellen wur- den im Herstellerwerk mit einem ersten vorvergrauenden Lasuranstrich versehen, auf der Baustelle folgte im Anschluss an deren Montage eine zweite Behandlung, wobei die Gehrungsschnitte ebenfalls einen Schutzanstrich erhielten. Für den zurückversetzten Eingangsbereich wurde eine nichtbrennbare Verkleidung mit farbigen, zementgebundenen Holzfaserplatten (Duripanel) gewählt. Der neu gebaute Doppel-Kindergarten «Sunnerain» vermag die schulischen Bedürfnisse der bisherigen zwei Standorte abzudecken und zusammenzufassen. Mit seiner grosszügig bemessenen Grundfläche (500 m²) und der bedürfnisgerecht konzipierten Gebäudestruktur bietet der Neubau optimale Bedingungen für das Kindergartenlehrpersonal wie auch für weitere Fachpersonen, um die Kinder in ihrem Lern- und Entwicklungsprozess zu begleiten und zu unterstützen. Damit können Synergien genutzt und erhebliche Investitions- und Betriebskosten Fotos: W. Bogusch eingespart werden. Konzeptionell erlaubt der Neubau zu einem späteren Zeitpunkt eine problemlose Erweiterung oder Aufstockung, wenn schulische Bedürfnisse es erfordern. bo Material/Lieferanten: Deckenelemente (BSH): Roth Burgdorf AG, Burgdorf Fassadenlamellen: August Brühwiler AG, Balterswil Pigment-Lasur (Caparol lsland 2): DAW Schweiz AG, Nänikon Werkstoffplatten (Holz, Gips): Hiag Handel AG, Ermatingen Dämmmaterial (Glaswolle): Sager AG, Dürrenäsch Akustikplatten (magnesitgebunden): ZZ Wancor, Regensdorf Fassadenmembran (Stamisol): Serge Ferrari AG, Eglisau Blick von Norden auf den Kindergarten Sunnerain mit seinen versetzt angeordneten Gebäudeteilen. 22 11-12.2014 Foto: W. Bogusch