06/2013 Laborinformation Labordiagnostik und Therapie der Lyme-Borreliose Die Lyme-Borreliose ist in Europa und den USA die häufigste von Zecken übertragene Infektionskrankheit. Sie manifestiert sich an verschiedenen Organen wie Haut, Nervensystem, Herz, Lymphsystem und Gelenken. Erreger ist die Spirochäte Borrelia burgdorferi, die in Europa von der Schildzecke Ixodes ricinus (Holzbock) übertragen wird. Die Durchseuchungsrate der Zecken liegt bei 10-30%. Reservoire sind Nagetiere, Igel und Wild. Generell ist beim Stich das Infektionsrisiko relativ gering, wenn die Zecke innerhalb von 24 Stunden in toto mechanisch entfernt wird (am besten mit einer Pinzette, keine Verwendung von Öl oder Salben). Durch Zecken wird in Endemiegebieten (wie Niederbayern, Schwarzwald und weiten Teilen Österreichs) auch die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) übertragen. Klinische Manifestationen Frühphase: Erythema (chronicum) migrans (ECM), Borrelien-Lymphozytom, frühe Neuroborreliose (bei Kindern oft Facialisparese). Spätphase: Lyme-Arthritis, Acrodermatitis chronica atrophicans (ACA), sehr selten chronische Neuroborreliose. ! Für akute Erkrankungen besteht eine Meldepflicht für den behandelnden Arzt (Meldebogen des LGL für Lyme-Borreliose) an das Gesundheitsamt. Serodiagnostik Die Bestimmung der IgG- und IgM-Antikörper gegen Borrelien erfolgt mittels ELISA und wird bei positivem Testausfall durch einen Immunoblot bestätigt. Die Antikörperreaktionen bzw. Banden in diesem Test lassen sich prinzipiell auch frühen oder späten Phasen der Infektion zuordnen. IgM-Antikörper können ca. 3 Wochen nach Zeckenstich auftreten, aber auch jahrelang persistieren. IgG-Antikörper lassen sich in der Frühphase ebenfalls oft nachweisen, können aber auch fehlen. Im Immunoblot finden sich vor allem Antikörper gegen das sehr spezifische Osp C (25 kDa) und das unspezifische Flagellin (41 kDa) sowie Antikörper gegen das Oberflächenprotein VlsE (variable major protein like sequence, Expressed). Das ECM kann seronegativ verlaufen, ebenso die Frühphase einer Neuroborreliose, sowie die Facialisparese bei Kindern. Isoliert positive IgM-Reaktionen im Serum können auch falsch positiv sein, z. B. bei Patienten mit Lues, Autoimmunkrankheiten oder bei Vorliegen eines Rheumafaktors. Bei länger andauernden Infektionen und Spätmanifestationen ist der IgG-Antikörperachweis in aller Regel positiv. Im Immunoblot können als Spätmarker IgG-Antikörper gegen verschiedene spezifische Borrelienantigene wie Osp B (34 kDa), p58 (58 kDa) und p83/100 (83 kDa) auftreten, aber auch als Residualbefund lange persistieren. Ein Rückschluss auf die Aktivität einer Infektion oder einen Therapieerfolg ist damit nicht gegeben. Prinzipiell ist eine erneute Infektion auch bei bereits vorbestehenden Antikörpern früherer Infektionen möglich. Aufgrund fehlender Diagnostika-Standardisierung, hauptsächlich bedingt durch die Verwendung unterschiedlicher Antigen-Präparationen, kann es vor allem im grenzwertigen / schwach positiven Bereich zu diskrepanten Befunden zwischen den Tests verschiedener Hersteller kommen. Die Labordiagnose einer Neuroborreliose ist allein durch die Bestimmung der Antikörper im Serum nicht möglich. Sie erfordert den Nachweis einer spezifischen intrathekalen Antikörpersynthese im ZNS durch Untersuchung eines LiquorSerum-Paares. Da der serologische Befund vom Stadium der Infektion, der Dauer und Schwere der Symptome und einer eventuell vorausgegangenen Antibiotikatherapie abhängig ist, sind für eine aussagekräftige Interpretation folgende anamnestischen Angaben von besonderer Bedeutung: 1. Zeitpunkt des Zeckenstiches – falls er bemerkt wurde 2. Erkrankungsbeginn und Symptome sowie 3. Bisherige Therapie / frühere Infektionen Direktnachweis Die Borrelien sind wie andere Spirochäten schwer anzüchtbar. Deshalb ist die PCR zum Nachweis von Borrelien-DNA aus einer Hautstanze beim ECM, in Gelenkpunktaten bei Arthritis und mit geringer Sensitivität im Liquor bei neurologischen Befunden besser geeignet. Die Untersuchung der Zecke auf Borrelienbefall mittels der PCR (keine Kassenleistung) ist wenig sinnvoll, da die Borrelien erst zum Ende der Blutmahlzeit übertragen werden. Derzeit nicht empfohlen werden der Borrelien-DNA-Nachweis im Urin oder EDTA-Blut, die Bestimmung von CD57-positiven Lymphozyten sowie der aufwendige und nicht standardisierte Lymphozyten-Transformationstest (LTT), zumal er nichts über die Aktivität einer Borreliose aussagt. Therapie Eine therapeutische Indikation ist in jedem Fall einer symptomatischen Infektion gegeben. In den Frühstadien sowie bei Hautmanifestationen werden allgemein Doxycyclin empfohlen. Bei der Behandlung von Kindern hat sich Amoxicillin bewährt. Fortgeschrittene Sta- » Fortsetzung auf der Rückseite MVZ Dr. Engelschalk, Dr. Schubach, Dr. Wiegel und Kollegen | Wörth 15 | 94034 Passau | Tel: 0851 95 93 00 dien sollten parenteral behandelt werden (siehe Tabelle). Mit Cephalosporinen wie Ceftriaxon wurden dabei die besten Erfolge erzielt, da sie die Blut- Liquor-Schranke besser passieren als z.B. Penicillin G. Eine vorübergehende Besserung unter Doxycyclin bei der Therapie einer vermeintlichen Lyme-Arthritis kann auch auf einer entzündungshemmenden Wirkung dieses Medikamentes beruhen. In der Schwangerschaft wird bei Zeckenstich eine Therapie mit Amoxicillin bzw. Ceftriaxon empfohlen, ggf. prophylaktisch. Auch unter Antibiotikabehandlung und nach einer klinisch erfolgreichen Therapie verändern sich die IgG- und IgM-Antikörpertiter gegen Borrelien nur geringfügig oder gar nicht, sie können auch über Jahre auf einem erhöhten Niveau erhalten bleiben. Entscheidend für die Beurteilung des Therapieerfolges ist in allererster Linie die Verbesserung des klinischen Bildes. Literatur: Fingerle, Volker / Hautmann, Wolfgang (2013): Klinik, Diagnostik und Therapie der Lyme-Borreliose. In: Bayerisches Ärzteblatt, 4/2013, S. 162-165. 2 Robert Koch Institut: Lyme-Borreliose. RKI-Ratgeber Infektionskrankheiten – Merkblätter für Ärzte www.rki.de/ Infektionskrankheiten/Borreliose. 3 Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit: Information zur Meldepflicht von Lyme-Borreliose, www. http://www.lgl.bayern.de/gesundheit/infektionsschutz/ infektionskrankheiten_a_z/borreliose/lyme_meldepflicht.htm. 1 Therapieempfehlung bei Lyme-Borreliose Antibiotikum oral (p. o.) / intravenös (i. v.) Erwachsene (Dosis/Tag) Kinder Dosis/kg KG/Tag Dauer(Tage) Doxycyclin1 p.o. 2 x 100 mg oder 1 x 200 mg Ab 9 J.: 4mg; max. 200 mg/Tag 14–21 Amoxicillin p.o. 3 x 500–1.000 mg 50 mg; max 2 g/Tag 14–21 Cefuroximaxetil p.o. 2 x 500 mg 30 mg 14–21 Azithromycin p.o. 2 x 250 mg 5–10 mg 10 Frühe Manifestationen: 2 Bei neurologischer Beteiligung oder bei schwerer Herzbeteiligung: Ceftriaxon i. v. 1x2g 50–80 mg; max. 2 g/Tag 14–21 Cefotaxim i. v. 3x2g 150 mg; max 6 g/Tag 14–21 Doxycyclin1 p.o. 2 x 100 mg Ab 9 J.: 4mg; max 200 mg/Tag 21–30 Amoxicillin p.o. 3 x 500–1.000 mg 50 mg; max 2 g/Tag 21–30 Ceftriaxon i. v. 1x2g 50–80 mg; max 2 g/Tag 14–21 Cefotaxim i. v. 3x2g 150 mg; max 6 g/Tag 14–21 Penicillin G i. v. 4 x 5 Mio. IE 200.000–500.000 IE 14–21 Späte Manifestationen3: bei Erwachsenen auch bei unkomplizierter Neuroborreliose möglicherweise 300 mg erforderlich 2 bei Unverträglichkeit der anderen Substanzen 3 bei später Neuroborreliose intravenöse Therapie für 14–28 Tage 1 Abb.: Therapieempfehlung bei Lyme-Borreliose (aus Fingerle/Hautmann: S. 165.) Abrechnung (Labor) Untersuchung EBM GOÄ 1fach 1,15fach Borrelia-IgM-Antikörper 32586 € 7,10 4286 € 20,40 € 23,46 Borrelia-IgG-Antikörper 32586 € 7,10 4286 € 20,40 € 23,46 Borrelia-IgM-Blot 32662 € 20,30 A4408 € 46,63 € 53,62 Borrelia-IgG-Blot 32662 € 20,30 A4408 € 46,63 € 53,62 bei positiven Testausfall: ! Die EBM Budgetbefreiungsziffer 32006 kann verwendet werden bei Erkrankungen oder Verdacht auf Erkrankungen mit gesetzlicher Meldepflicht MVZ Dr. Engelschalk, Dr. Schubach, Dr. Wiegel und Kollegen | Wörth 15 | 94034 Passau | Tel: 0851 95 93 00