Turmalin – Mineralogie, Genese und Verwendung Christine Wendler Technische Universität Bergakademie Freiberg, 09599 Freiberg, Deutschland Zusammenfassung. Die Komplexität der Mineralgruppe der Turmaline ist bis heute nicht vollständig erforscht. Struktur und chemische Zusammensetzung lassen zahlreiche Möglichkeiten der Bildung von Mischkristallen und Varietäten zu. Zusätzlich haben die Genesebedingungen Einfluss darauf, welche Elemente im Kristall eingebaut werden. Abhängig von diesen Faktoren werden die Eigenschaften der einzelnen Turmaline beeinflusst. Sie weisen eine vielfältige Farbgebung auf und sind piezo- sowie pyroelektrisch. Daraus ergeben sich für die Praxis Anwendungsmöglichkeiten, die unter anderem von der Nutzung als Edelstein über elektronische Bauteile bis hin zur Stimulation von Mikroorganismen reichen. Auch als Geneseindikatoren können Turmaline genutzt werden. Mineralogie Die Mineralgruppe der Turmaline wird den Ringsilikaten zugeordnet und stellt eine der komplexesten gesteinsbildenden Mineralgruppen dar. Generelle Eigenschaften sind die Härte von 7 bis 7,5 und eine Dichte von 3,02 bis 3,26 g/cm3. Turmaline weisen keine Spaltbarkeit auf. Sie sind dagegen spröde und besitzen einen muschligen Bruch quer zur Längserstreckung. Die Strichfarbe ist weiß und der charakteristische Glanz entspricht dem des Glasglanzes. Die Kristalle gehören der ditrigonal pyramidalen Klasse an und sind in 2 Christine Wendler verschiedensten Ausbildungsformen anzutreffen. Häufig zu finden sind lang gestreckte prismatische und vertikal zur Längsachse gestreifte Exemplare. Ebenso sind nadelförmige in radial- oder büschelförmigen Gruppen auftretende Ausbildungen nicht selten. Diese sind als Turmalinsonnen bekannt. Weiterhin kommen Turmaline in Form derber Massen oder mit gedrungenem Habitus vor. Sie können sowohl auf dem Gestein auf-, als auch darin eingewachsen sein. Die auffälligste Eigenschaft am Turmalin ist seine vielfältig verschiedene Farbgebung, die über farblos, pink, gelb, hinzu blau, grün, braun und sogar schwarz reichen kann. Dabei sind unzählige Farbübergänge und Farbmischungen möglich. Oft treten diese konzentrisch oder aufeinander folgend auf, was sogar in verschiedenen Richtungen unterschiedlich ausgeprägt sein kann. Man spricht in diesem Fall vom Pleochroismus der Turmaline (Drago, Boroli, 2003; Okrusch, 2005; Vinx, 2005; Schulz, 2008). Die Ursache für diese Eigenschaft liegt in der chemischen Zusammensetzung eines Turmalinkristalls. Die allgemeine Formel der Turmalingruppe lautet XY3Z6T6O18(BO3)3V3W. Dabei können sich auf der X-Position Na+, K+ und Ca2+ befinden. Die Position kann aber auch unbesetzt bleiben. Die Y-Positionen können Li+, Mg2+, Zn2+, Ba2+, Mn2+, Fe2+, Fe3+, Al3+, Cr3+, V3+ und Ti4+ enthalten. Auf den Plätzen der Z-Position kann man Mg2+, Al3+, Cr3+, V3+ und Fe3+ antreffen. Die T-Positionen sind hauptsächlich von Si4+ besetzt, können aber auch selten Al3+ oder B3+ aufweisen. OH- und O2- können die V-Positionen bilden und OH-, F- und O2- die W-Position (Deer et al., 1986; Babinska et al., 2008). Durch diese vielfältigen Möglichkeiten der Besetzung der einzelnen Positionen wird deutlich, dass die Eigenschaften, dabei besonders die Farbe, durch die jeweiligen Elemente im Kristallgitter bestimmt werden. Dennoch spielt dabei auch die strukturelle Anordnung der einzelnen Positionen eine Rolle. Diese unterliegt komplexen Bedingungen, die Einfluss auf die physikalischen, optischen und technischen Eigenschaften haben. Die ditrigonalen Si6O18-Ringe entstehen dadurch, dass sechs SiO4-Tetraeder zwei Sauerstoffatome mit den Nachbarn teilen, was in Bild 1a erkennbar ist. Die Ringe sind nun mit den Polyedern der X-Position und den Y- und Z-Positionen verknüpft. Die Y-Positionen stellen drei Turmalin – Mineralogie, Genese und Verwendung 3 große Oktaeder dar, die sich mit den sechs kleinen Oktaedern der Z-Positionen senkrecht zur c-Achse Kanten teilen (Zhang et al., 2008). Jeder Y-Oktaeder wiederum teilt sich Kanten mit zwei oder mehr anderen Y-Oktaedern ebenfalls senkrecht zur c-Achse. Bei den Z-Oktaedern findet deren Teilung von zwei Kanten dagegen parallel zur c-Achse statt (Ferrow E., 2009). Die drei planaren BO3-Gruppen stehen über die Sauerstoffatome in Verbindung mit den Y- und Z-Positionen (Bild 1b und c) und das Bor teilt sich weiterhin eine Kante mit dem Sauerstoff der SiO4-Tetraeder (Deer et al.,1986; Bosi, Lucchesi, 2007). a) b) c) Bild 1. Turmalin. a) Struktur der ditrigonalen Si6O18- Ringe bestehend aus SiO4-Tetraedern. (Deer et al.1986) b) Struktur der Y-, Z-, V- und W-Positionen senkrecht zur c-Achse. (Ferrow E., 2009) c) 3D Struktur eines Na-(Fe, Mg) Turmalins parallel zur c-Achse. (Burzo, 2005) Da nun diese Oktaeder unterschiedliche Größen und Abweichungen in der Symmetrie aufweisen, induzieren sich entlang der Kanten strukturelle Spannungen. Jeder Kristall versucht diese Spannungen auszugleichen und abzubauen. Dazu gibt es zwei Möglichkeiten. Die erste sieht eine Verkleinerung 4 Christine Wendler der Y-Oktaeder vor mit gleichzeitiger Vergrößerung der Z-Oktaeder. Somit tritt eine Substitution ein, die durch die Größe der Ionenradien gesteuert wird. Die zweite Möglichkeit liegt in der Anpassung der zu teilenden Kantengröße der Oktaeder. Hierbei wird durch Elektronenaustausch zwischen der Y- und der Z-Positionen die Elektronenteilung verändert, sodass es zu günstigeren Valenzzuständen kommt (Ferrow E., 2009). Hierbei können auch Oxidationsvorgänge (zum Beispiel vom Eisen) eine Rolle spielen (Ferrow E.A., 1994). Ebenfalls Einfluss auf die Anordnung der Kationen hat der Austausch von OH- mit O2- auf entsprechenden Positionen. Oft werden auch OH-Gruppen zum Ausgleich von freien Valenzen in die Struktur aufgenommen (Drago, Boroli, 2003). Anhand der Formel und der Einflüsse der Struktureinheiten zueinander, wird deutlich, dass die zahlreichen Möglichkeiten der chemischen Zusammensetzung zur Mischkristallbildung innerhalb der Mineralgruppe der Turmaline führen. Dabei ergibt sich eine Vielzahl an Varietäten. Die wichtigsten sind Elbait, Dravit, Schörl und Uvit. Bei Elbait handelt es sich um einen Turmalin, der besonders durch die in Längsrichtung auftretenden gelben, grünen, blauen und roten Farbzonen auffällt. Innerhalb der Elbaite gibt es ebenfalls Varietäten. Hier zu erwähnen sind Verdelith, Paraibait, Rubellit und Indigolith (Okrusch, 2005). Letzterer wird aufgrund seiner blaugrünen Farbe als kostbarster Turmalin angesehen. Dravit, Schörl und Uvit dagegen sind dunkelbraun bis schwarz, was durch den Eisen- bzw. Magnesiumgehalt verursacht wird. Als Besonderheit besitzt Schörl statt Glasglanz Metallganz (Drago, Boroli, 2003). Die genannten und weitere Turmaline befinden sich mit ihren Formeln in Tabelle 1. Tabelle 1. Formeln der wichtigsten und bekanntesten Turmaline (nach web1, 2009) Name des Turmalins Formel * Elbait Na (Li,Al)3 Al6 (BO3)3 Si6O18 (OH)4 Na- Dravit Na Mg3 Al6 (BO3)3 Si6O18 (OH)4 Turmaline Turmalin – Mineralogie, Genese und Verwendung Chromdravit Vanadiumdravit Na Mg3 (Cr,Fe3+)6 (BO3)3Si6O18 (OH)4 Na- Na (Mg,V3+)3 (V3+,Al,Cr3+)6 (BO3)3 (Si6O18) Turmaline (OH,O)4 Schörl Na Fe2+3 Al6 (BO3)3 Si6O18 (OH)4 Olenit Na Al3 Al6 (BO3)3 (Si6O18) (O,OH)4 Buergerit Na Fe3+3 Al6 (BO3)3 Si6O18 (O, F)4 Povondrait Uvit 5 (Na,K) (Fe3+,Fe2+)3 (Fe3+,Mg,Al)6 (BO3)3 Si6O18 (O,OH) 4 (Ca,Na) (Mg,Fe2+)3 Al5Mg (BO3)3 Si6O18 (OH,F)4 Ca- Feruvit (Ca,Na) (Fe,Mg,Ti)3 (Al,Mg,Fe)6 (BO3)3 Si6O18 Turmaline (OH)4 Liddicoatit Ca (Li,Al)3 Al6 (BO3)3 Si6O18 (O,OH,F)4 Rossmanit Na<0.5 (Al,Li,Mn2+)3 Al6 (BO3)3 Si6O18 (OH)4 Foitit Na0,5 (Fe2+,Al,Mn2+,Li)3 Al6 (BO3)3 Si6O18 (OH)4 Magnesiofoitit Na<0,5 (Mg,Fe2+,Al)3 Al6 (BO3)3 Si6O18 (OH)4 Turmaline mit gering oder unbesetzter X-Position * Die V3- und die W-Position wurden zusammengefasst. Zu beachten ist, dass keine unbegrenzte Mischbarkeit zwischen allen Turmalinen vorhanden ist, denn zwischen Exemplaren, die Li und Mg enthalten, existiert eine Mischungslücke. Somit trifft das unter anderem auf das System Elbait-Dravit zu (Deer et al., 1986). 6 Christine Wendler Genese Die Zusammenhänge zwischen Struktur und chemischer Zusammensetzung bestimmen die Eigenschaften der Turmaline. Doch welche Elemente zur Verfügung stehen und generell in einem Kristall eingebaut werden, ist von den Bildungsbedingungen und -milieus abhängig. Turmaline können in den verschiedensten Bildungsbereichen entstehen und treten dadurch in vielfältiger Form auf. Die wichtigsten Bildungsbereiche werden hier aufgegriffen und erläutert. Im magmatischen Bereich assoziiert man Turmaline mit sauren Tiefenund Ganggesteinen. Somit sind sie häufig akzessorisch im Mineralbestand von Graniten neben Quarz, Biotit und Muskovit vertreten. Das heißt bei Temperaturen von 600 bis 1100 °C können Turmalinkristalle gebildet werden. Diese enthalten somit hauptsächlich Fe, Mg, Cr, und Ti, wie zum Beispiel Schörl und Dravit, was besonders an der Farbe erkennbar ist (Deer et al., 1986; Seifert, Sandmann, 2008). Doch auch aus den wässrigen Silikatrestschmelzen der Granitbildung können Turmaline durch extreme Differentiation oder Anataxis auskristallisieren. Diese Schmelzen sind mit leichtflüchtigen Stoffen wie H2O, HCl, HF, H2S, SO2 und CO2, sowie an inkompatiblen Spurenelementen angereichert. Das sind Elemente, die aufgrund ihres Ionenradius zu groß oder klein zum Einbau ins Kristallgitter während der magmatischen Bildungsphase sind (Hiller, 1962). In Bezug auf Turmaline trifft das meist auf Li und B zu. Aufgrund von überkritischen Fluiden bei Temperaturen von 400 bis 700 °C und Fluiddrücken über 2 kbar, können Kristallisate von einigen cm-Größe entstehen (Seifert, Sandmann, 2008). Die so genannten Pegmatite sind meist gangförmig oder linsenförmig aufgebaut und beinhalten hauptsächlich neben anderen Li-Mineralen, Quarz, Beryll und Feldspat die vielfarbigen Varietäten des Turmalins (zum Beispiel Elbait) (Rothe, 2005). Diese besitzen häufig Edelsteinqualität (Okrusch, 2005). Je nach Position im Pegmatit kann die Zusammensetzung der Turmalinkristalle variieren und eine Zonierung hervorrufen (Deer et al., 1986). Turmalin – Mineralogie, Genese und Verwendung 7 Die pneumatolytische Entstehung der Turmaline beruht auf ähnlichen Prozessen. Hier sind metallführende Restfluide (H2O, HCl, HF, H3BO4) das Medium aus denen die Turmaline auskristallisieren. Sie sind ebenfalls an granitische Intrusionen gebunden. Durch den Transport auf Mikrorissen und Spalten bilden die turmalinführenden Gesteine Gänge und Trümerzonen. Zusätzlich werden aufgrund der hohen Aggressivität der Fluide feldspatführende Gesteine metasomatisch alteriert und die Feldspäte durch freies HF in andere Minerale umgewandelt. Auch in solchen so genannten Greisenzonen ist der Turmalin (zum Beispiel Schörl und Dravit) ein charakteristisches Mineral. Turmalinhornfelse an der Kontaktzone stehen mit pneumatolytischen Bildungen ebenfalls häufig in Verbindung. Dabei werden auch aus dem Nebengestein Elemente entzogen (Schulz 2008; Seifert, Sandmann, 2008). Weiterhin kommt es in Kontaktbereichen von granitoiden Intrusionen mit kalkigen Sedimenten zu Umwandlungsprozessen. Diese Erscheinung nennt man Skarn. Bei Temperaturen von 400 bis 650 °C werden durch Zufuhr von F und B neben Fluorit und Topas auch Turmaline gebildet (Seifert, Sandmann, 2008). Diese enthalten einen hohen Anteil an Fe und Cr, wie zum Beispiel Chromdravit. Das benötigte B stammt aus den Sedimenten selbst, wird durch die hohen Temperaturen der Intrusion flüchtig und trägt somit zur Turmalinbildung bei (ElEnen, Okrusch, 2007). Alle metasomatischen Prozesse, bei denen durch Zufuhr von B-, Al-, Feoder Mg-haltigen Fluiden Turmaline gebildet werden, werden unter dem Begriff Turmalinisierung zusammengefasst. Dabei werden Feldspäte aber auch Biotit durch die Fluide angegriffen und „aufgezehrt“ (Vinx, 2005; Schulz, 2008). Durch Magmatismus, Aufheizung von meteorischen Fluiden, Diagenese und Metamorphose entstehen hydrothermale Lösungen, die beim Aufstieg an Rissen und Spalten durch Abkühlung und Druckabfall auskristallisieren. Dabei werden bei mesothermalen Bedingungen (200 bis 300 °C) Ganglagerstätten gebildet, die ebenfalls Turmaline enthalten können. Aufgrund der damit verbundenen Paragenese mit polymetallischen Sulfidlagerstätten weisen die Turmaline Fe, Zn, Mn aber auch F auf. Gesondert zu nennen sind extrem saure 8 Christine Wendler und häufig mit porphyrischen Cu-Lagerstätten assoziierte hydrothermale Lösungen, die zur Au-Lagerstättenentstehung führen. Durch Auslaugung der vulkanischen Nebengesteine bilden sich bei 300 °C in einem oxidierenden Milieu neben Quarz, Alunit, Kaolinit und Hämatit als Alterationsminerale auch Turmaline, vor allem Dravit und Schörl (Oliveira, 2002; Seifert, Sandmann, 2008). Weiterhin tritt Turmalin im sedimentären Bereich auf. Durch Erosion und Transport von turmalinführenden Gesteinen (Graniten, Granitpegmatiten) in Flüssen und Bächen, wird dieser bei Abnahme der Strömungsgeschwindigkeit aufgrund seiner Dichte und Verwitterungsbeständigkeit abgelagert. Gemeinsam mit anderen Mineralen ähnlicher oder höherer Dichte entstehen dadurch Flussseifen. In diesem Fall sind die Turmaline wie zum Beispiel Liddicoatit detritische Überreste von Gesteinen. Sie können aber auch in Sedimenten diagenetisch rekristallisieren (Okrusch, 2005; Seifert, Sandmann, 2008). Selbst die Druck- und Temperaturbedingungen bei der Metamorphose sind für die Turmalinbildung nicht störend. Diese ist von der Grünschiefer- bis zur Amphibolitfazies stabil. In der Granutlitfazies geht der Großteil dann in Schmelze über, in der sich nur noch vereinzelt Turmalinkörner befinden (El-Enen, Okrusch, 2007). Generell kann man Turmalin als Durchläufer in Metamorphiten ansprechen (Schulz, 2008). Dravit und magnesiumhaltige Exemplare sind dafür typisch. Werden Sedimentgesteine metamorph umgewandelt, werden die darin enthaltenen Elemente in das Kristallgitter eingebaut und Turmaline kristallisieren als neue Minerale aus. Sedimente enthalten eine ausreichende Menge an B (zum Beispiel in Tonmineralen), welches bei der Metamorphose aufgebraucht wird (El-Enen, Okrusch, 2007). Bei Metakalksteinen ist häufig Uvit aufgrund des Ca- und Mg-Gehaltes des Ausgangsgesteins vorhanden. In kristallinen Schiefern dagegen bildet sich eher Dravit aus. Durch den Einfluss von Oxidationen, durch den hohen Salzgehalt und B-haltige Fluide, rekristallisieren Turmaline wie Dravit, Schörl und Uvit sogar in Metaevaporiten (Henry, 2008). Bei steigenden Druck- und Temperaturbedingungen nehmen Turmalinkristalle an Größe zu, aber an Turmalin – Mineralogie, Genese und Verwendung 9 Häufigkeit ab (El-Enen, Okrusch, 2007). Der B-Gehalt dagegen ist am höchsten bei niedrigen Temperaturen (Ertl, 2008). Da Turmaline in fast allen geologischen Formationen vorkommen und über weite Bereiche stabil sind, drücken sie in ihrer Zusammensetzung und in ihren Eigenschaften die herrschenden Bildungsbedingungen aus (Zhang et al., 2008). Verwendung Aufgrund der komplexen Struktur und den zahlreichen Möglichkeiten der chemischen Zusammensetzung, besitzen Turmaline optische, physikalische und technische Eigenschaften, die in der Praxis Verwendung finden. Als erstes sei die Verarbeitung zum Edelstein genannt, die durch die speziellen Farbgebungen der Kristalle begründet wird (Okrusch, 2005). Die verschiedensten Schliffformen werden eingesetzt um die Lichtreflexe hervorzuheben. Daher werden Turmaline in der Schmuckindustrie verwendet. Ein besonderes Bespiel ist die Meisterschale der Fußballbundesliga, die mit 16 Turmalinen besetzt ist (web2, 2009). Auch für Gravurarbeiten wird der Turmalin aufgrund seiner Härte benutzt. Turmalinkristalle gehören der ditrigonal pyramidalen Kristallklasse an und besitzen kein Symmetriezentrum. Das führt bei Druckbelastung zum piezoelektrischen Effekt. Bei Wärmezufuhr tritt zusätzlich Pyroelektrizität auf. Somit kann man elektrische Energie erzeugen und nutzen. Diese Erscheinungen funktionieren auch umgekehrt. Unter entgegengesetzt geladener elektrischer Aufladung der Kristallenden, dehnt sich ein Turmalinkristall aus bzw. gibt Wärme ab. Dieses Verhalten kann in verschiedenen Bereichen eingesetzt werden. Uhren, Drucksensoren, Frequenzstabilisatoren und akustoelektronische Geräte wie Lautsprecher sind nur einige Anwendungen, die auf diesem Prinzip basieren (web3, 2009). Auch Präzisionstemperaturmessungen in einem breiten Temperaturstabilitätsfeld sind möglich (Drago, Boroli, 2003). 10 Christine Wendler Weiterhin erzeugen die piezo- und pyroelektrischen Effekte ein elektrostatisches Feld auf der Oberfläche der Turmalinkristalle. Das führt dazu, dass anorganische Ionen und kleine Partikel adsorbiert werden können. Somit findet der Turmalin Anwendung in der Reinigung von Wasser, Luft und toxischen Abwässern. In der Fischindustrie wird er gegen Bakterien, Viren und andere Verunreinigungen im Wasser verwendet, indem nm-große Turmalinkristalle in Brunnen eingesetzt werden (Li, 2008). Aber auch für verfahrenstechnische Zwecke scheint Turmalin geeignet zu sein. H2O, CO2, O2 und N2 Moleküle kondensieren auf der Oberfläche des Turmalinkristalls aufgrund der zusätzlich Wärmeabgabe durch den pyroelektrischen Effekt. Daraufhin werden die Pole des Kristalls neutral und es tritt eine Wirkung ähnlich eines gaschromatischen Adsorbens ein (Yamaguchi, 1983). Aber auch ohne äußere Einwirkungen erzeugt ein Turmalinkristall einen Strom von 0,06 mA, was als Bioelektrizität bezeichnet wird (web3, 2009). Diese Eigenschaft und die Abgabe von Wärme als Infrarotstrahlung werden genutzt um den Stoffwechsel von Lebewesen zu stimulieren und dessen Größen- bzw. Zellwachstum anzuregen. Dadurch kann der Gärungsprozess von Mikroorganismen beschleunigt werden. In der Praxis werden dazu so genannte ceramic balls hergestellt. Diese stellen ein großes Potential für die Alkohol-, Milch- und Sojaindustrie dar (Li, 2008). Eine besondere Bedeutung kommt dem Turmalin in geowissenschaftlicher Hinsicht zu. Neben der Verwendung als Borerz bzw. -mineral (Heide, 2006/2007) ist, wie schon im Abschnitt Genese beschrieben, die chemische Zusammensetzung der Turmaline stark abhängig von den jeweiligen Bildungsbedingungen. Somit können Turmaline als Indikatoren verwendet werden. Man kann zum Beispiel anhand des Eisens in Eisenturmalinen Aussagen zum Oxidationszustand machen, das heißt die Oxidationsbedingungen zur Zeit der Entstehung genau untersuchen. Weiterhin gibt der Eisengehalt generell Auskunft darüber, auf welcher Entwicklungsstufe vom magmatischen zum hydrothermalen Stadium der Turmalin gebildet worden ist (Zhang et al., 2008). Auch die verschiedenen Kristallisationsstadien in Pegmatiten werden in den Turmalin – Mineralogie, Genese und Verwendung 11 Turmalinkristallen festgehalten, da sich die chemische Zusammensetzung in Form von Zonierungen an diese anpasst (Oliveira, 2002). Vergleiche von Strukturdefekten in einzelnen Zonen können als Wachstumsmarken ebenfalls Aussagen über die Entstehung liefern (Agrosi et al., 2006). Da der pyroelektrische Effekt in Begleitung von Ladungstrennung bei Temperaturänderung auftritt, ist eine Verwendung als Geothermometer eine weitere gute Möglichkeit Genesebedingungen zu untersuchen. Selbst in der Chronologie finden Turmaline Verwendung. Da sie zu kleinen, aber definierten Anteilen K enthalten, sind sie in der Lage Ar aufzunehmen. Das Isotopenverhältnis von beiden (K/Ar) wird zur Datierung benutzt (Deer et al., 1986). Aufgrund dessen, dass Struktur und Zusammensetzung noch ein weites Untersuchungsfeld liefern, sind weitere Anwendungsmöglichkeiten des Turmalins möglich. Literaturangabe - Agrosi, G. et al. (2006): Mn-tourmaline crystals from island of Elba (Italy): Growth history and growth marks. American Mineralogist 91: 944-952 - Babinska, J. et al. (2008): X and Q band EPR studies of paramagnetic centres in natural and heated tourmaline. European Journal of Mineralogy 20: 233-240 - Bosi, F., Lucchesi, S. (2007): Crystal chemical relationships in the tourmaline group: Structural constraints on chemical variability. American Mineralogist 92: 1054-1063 - Burzo, E. (2005): Cyclosilicates. Landolt-Börnstein - Group III Condensed Matter Numerical Data and Functional Relationships in Science and Technology, Berlin, Heidelberg, Springer Verlag, 167 - Deer, W.A. et al.: Disilicates and Ring Silicates Volume 1B, 2. Aufl., Longman Scientific & Technical 1986: 559-595 - Drago, M., Boroli, A.: Der große Naturführer: Mineralien und Edelsteine – Ein umfassender Ratgeber zum Entdecken, Bestimmen und Sammeln von Mineralien und Edelsteinen. Klagenfurt, Neuer Kaiser Verlag, 2003, 164-165 - El-Enen, M.M.A., Okrusch, M.(2007): The texture and composition of tourmaline in metasediments of the Sinai, Egypt: Implications for the tectono-metamorphic evolution of the Pan-African basement. Mineralogical Magazine 71: 17-40 - Ertl, A. et al.(2008): Tetrahedrally coordinated boron in Al-rich tourmaline and its relationship to the pressure-temperature conditions of formation. European Journal of Mineralogy 20: 881-888 - Ferrow, E.A. (1994): Mössbauer effect study of the crystal chemistry of tourmaline. Hyperfine Interactions 91: 689-695 - Ferrow, E. (2009): Non-integral hybrid ions in tourmaline: buffering and geo-thermometry. European Journal of Mineralogy 21: 241-250 - Heide, G.: Grundlagen der Mineralogie., unveröff. Skript, TUBAF, WS 2006/2007 - Henry, D.J. et al. (2008): Tourmaline in meta-evaporites and highly magnesian rocks: perspectives from Namibian tourmalinites. European Journal of Mineralogy 20: 889-904 12 Christine Wendler - Hiller, J.E.: Die mineralische Rohstoffe. Stuttgart, E. Schweizerbart´sche Verlagsbuchhandlung, 1962 - Li, Hai Hang (2008): Tourmaline ceramic balls stimulate growth and metabolism of three fermentation microorganisms. World Journal of Microbiology and Biotechnology 24: 725-731 - Okrusch, M.: Mineralogie- eine Einführung in die spezielle Mineralogie, Petrologie und Lagerstättenkunde. E-Book, 7. Aufl., Berlin, Heidelberg, Springer-Verlag, 2005 - Oliveira, E.F. et al. (2002): Infrared and Mössbauer study of Brazilian tourmalines from different geological environments. American Mineralogist 87: 1154-1163 - Rothe, P.: Gesteine: Entstehung, Zerstörung, Umbildung. 2.Aufl. Darmstadt, Primus-Verlag, 2005, 36 und 112 - Schulz, B.: Polarisationsmikroskopie der gesteinsbildenden Minerale., unveröff. Skript, TUBAF, SS 2008 - Seifert, Th., Sandmann, D.: Skript und Übungsunterlagen zur „Einführung Lagerstättenlehre“, unveröff., TUBAF, SS 2008 - Vinx, R.: Gesteinsbestimmung im Gelände. 1. Aufl., Heidelberg, Elsevier, Spektrum Akademischer Verlag, 2005, 85-86 - Yamaguchi, S. (1983): Surface Electric Fields of Tourmaline. Applied Physics A Solids and Surfaces 31: 183-185 - Zhang, A. et al. (2008): Tourmalines from the Koktokay No.3 pegmatite, Altai, NW China: spectroscopic characterization and relationship with the pegmatite evolution. European Journal of Mineralogy 20: 143-154 - web1: - web2: - web3: http://www.mineralienatlas.de/lexikon/index.php/MineralData?mineral=Tourmaline, Stand: 6.1.2009 http://de.wikipedia.org/wiki/Turmalingruppe, Stand: 6.1.2009 http://www.turmalinavitalis.de/turmalin-blog/turmalin-produkte-in-kosmetik-gesundheitwellness/pyro-und-piezoeffekt-bei-turmalinkristallen/, Stand: 6.1.2009