5 Zusammenfassung Ziel der Arbeit war es, Struktur und Eigenschaften von mit der PLD abgeschiedenen antiferroelektrisch-ferroelektrischen oxidischen Multilagen zu untersuchen. Im Hinblick auf Kristallstruktur und Gitterparameter wurde PbZrO3 als antiferroelektrisches und PbZr0.80 Ti0.20 O3 als ferroelektrisches Material ausgewählt. Für das epitaktische Wachstum der Multilagen wurde zuerst die Optimierung der Depositionsparameter für die einzelnen Schichten durchgeführt. Anschließend wurden deren Eigenschaften untersucht. Dabei stellte sich heraus, dass zwei unterschiedliche Orientierungen von dünnen PbZrO3 -Schichten hergestellt werden können, nämlich (120)o und (001)o , indem man die passende untere Elektroden wählt (SrRuO3 bzw. BaPbO3 auf BaZrO3 ). Da epitaktische PbZrO3 -Schichten unterschiedlicher Orientierung bisher kaum beschrieben worden sind, wurden deren Struktur und Eigenschaften in die Untersuchung einbezogen. Die (120)o -orientierten PZO-Schichten enthalten vier Arten von azimutalen Domänen, die letztlich auf die unterschiedlichen Richtungen der PbIonen-Verschiebungen beim Phasenübergang zurückzuführen sind. Da diese Domänen einander äquivalent sind und sie eine gleich große senkrechte Komponente der Polarisation besitzen, tragen sie alle gleichermaßen zur Gesamtpolarisation bei. Die (120)o orientierten Schichten zeigen antiferroelektrische Hysteresekurven sowohl bei lokalen (PFM) als auch bei makroskopischen Messungen. Obwohl die antiferroelektrische Achse in den (001)o -orientierten PZO-Schichten in der Schichtebene liegt, zeigen auch diese Schichten eine Doppelhystereseschleife. Dies kann mit der [111]rh -Richtung der ferroelektrischen Polarisation nach dem feldinduzierten antiferroelektrisch-ferroelektrischen Phasenübergang erklärt werden. Die von Jona et al. [39] vorausgesagte Koexistenz einer ferroelektrischen Polarisation im antiferroelektrischen PbZrO3 wurde mittels temperaturabhängiger Messungen erstmals beobachtet. Die (001)o -orientierten PZO-Schichten zeigen eine ferroelektrische Hysteresekurve, die besonders stark bei tiefen Temperaturen ausgeprägt ist. Die (120)o -orientierten PZO-Schichten zeigen dagegen eine Hystereseschleife, die aus einer Kombination einer ferroelektrischen und einer antiferroelektrischen Schleife bestehen, d.h. eine dreifache Hysterese. Dabei wird in beiden Orientierungen der ferroelektrische Anteil mit steigender Temperatur unterdrückt, bis die Hysterese bei Raumtemperatur eine für Antiferroelektrika typische Form hat. Die tetragonalen (Ti-reichen) und rhomboedrischen (Zr-reichen) PZT-Schichten zeigen typische ferroelektrische Hysteresekurvenn. Die tetragonalen dünnen PZT- 96 Schichten sind c-Achsen-orientiert; dickere tetragonale PZT-Schichten enthalten 90◦ Domänen, die mit Hilfe der TEM nachgewiesen wurden. Die rhomboedrischen PZTSchichten besitzen vier Arten von (100)rh -Domänen, die ebenfalls gleiche Polarisationswerte haben. Die Domänen wurden mit Hilfe der Röntgendiffraktometrie detektiert. Als ferroelektrische Schichten in den Multilagen wurde PZT(80/20) (mit der ferroelektrischen Achse entlang der [111]rh -Richtung) ausgesucht, da die ferroelektrische Achse im feldinduzierten ferroelektrischen Zustand von PZO die gleiche Richtung annimmt. Ebenfalls spielte der kleine Misfit zwischen den Materialien eine große Rolle (0,2 %). Es wurde jedoch eine tetragonale PZT(20/80)-Lage als Puffer-Lage ausgewählt, um den Misfit zwischen der unteren Elektrode SrRuO3 und der ersten PbZr0.80 Ti0.20 O3 -Lage zu reduzieren. Es wurden Multilagen mit unterschiedlicher Gesamtdicke (50, 100 und 150 nm) und mit verschiedenen Einzellagendicken (von 3 bis 75 nm) hergestellt und deren Struktur und Eigenschaften untersucht. Dabei wurde durch makroskopische P-V- und C-V-Messungen ein dickeninduzierter AFE-zu-FE Phasenübergang in den PZO-Lagen beobachtet: Die Multilagen mit Einzellagendicken t > tkr = 10 nm zeigten ein gemischtes Verhalten (ferro- und antiferroelektrisch), und die Multilagen mit t < tkr zeigten dagegen nur ferroelektrisches Verhalten. Der dickeninduzierte Phasenübergang wurde auch durch strukturelle Untersuchungen nachgewiesen, sowohl durch Röntgendiffraktometrie (inkl. RSM-Messungen) als auch durch hochauflösende Transmissionselektronenmikroskopie: Bei einer Einzellagendicke unterhalb von 10 nm beobachtet man einen strukturellen Phasenübergang in den PZOLagen von orthorhombisch zu rhomboedrisch. Dies spiegelt sich auch in der Änderung der Gitterkonstanten wider: Vor dem Phasenübergang waren die pseudokubischen Gitterkonstanten für PZO und PZT(80/20) 4,17 Å bzw. 4,13 Å und danach für beide Materialien einheitlich 4,14 Å. Die aus HRTEM-Aufnahmen bestimmten Gitterkonstanten waren in guter Übereinstimmung mit den Gitterkonstanten, die aus RSMMessungen bestimmt wurden. Die Ursache des dickeninduzierten Phasenüberganges in den PZO-Lagen ist offensichtlich durch elastische Spannungen bedingt. Alle Einzellagen der Multilagen wachsen zunächst bei der hohen Substrattemperatur in der kubischen Phase. Beim Abkühlen gehen dann nacheinander PZT(20/80), PZT(80/20) und PZO in die nichtkubische, ferro- bzw. antiferroelektrische Phase über. Da die PZO-Lagen beim Abkühlprozess als letzte einem Phasenübergang unterliegen, stehen sie in diesem Moment unter einer Druckspannung seitens der benachbarten bereits rhomboedrischen PZT(80/20)-Lagen. Dieser Einfluss ist sicherlich um so stärker, je dünner die PZOLagen sind. Aufgrund des nur kleinen Unterschiedes der freien Energie zwischen der orthorhombischen, antiferroelektrischen Phase des PZO und der normalerweise feldinduzierten rhomboedrischen, ferroelektrischen Phase gehen sehr dünne PZO-Lagen unter diesem elastischen Einfluss in die rhomboedrische, ferroelektrische Phase über 97 5 Zusammenfassung und passen ihren Gitterparameter dem des PZT(80/20) an. Zusätzlich kann das vor dem Phasenübergang im PZO vorliegende elektrische Feld, dessen Quellen die an den Grenzflächen zwischen den Einzellagen vorliegenden Polarisationsladungen des bereits ferroelektrischen PZT(80/20) sind, einen Beitrag zu diesem Phasenübergang leisten. Somit sind durch Kombinieren von zwei Perowskiten mit unterschiedlichen Eigenschaften in epitaktischen Multilagen unerwartete Effekte und Eigenschaften beobachtet worden, die mit dem Einfluss der Grenzflächen bei hinreichend dünner Einzellagendicke zusammenhängen. Um den Einfluss der Spannung genauer untersuchen zu können, könnte man rhomboedrisches PbZr0.8 Ti0.2 O3 durch PbZr0.6 Ti0.4 O3 ersetzen, da dieses noch rhomboedrisch ist, aber eine kleinere pseudokubische Gitterkonstante besitzt (apk = 4, 081 Å [166]). Weitere Variationsmöglichkeiten ergeben sich durch Einsatz von tetragonalen, Ti-reichen PZT-Lagen in Kombination mit PZO-Lagen unterschiedlicher Orientierung, wobei hier je nach den vorliegenden Misfit-Verhältnissen die ferroelektrische Polarisation der PZT-Lagen in der Schichtebene liegen kann, was zusätzliche Aufschlüsse über den Mechanismus des dickeninduzierten Phasenüberganges ergeben könnte. Schließlich könnten die ferroelektrischen Einzellagen durch paraelektrische Einzellagen (z.B. BaZrO3 ) ersetzt werden und so der Einfluss des elektrischen Feldes der Polarisationsladungen ausgeschlossen werden. In der neueren Literatur finden sich Hinweise darauf, dass BaZrO3 /PbZrO3 -Multilagen sehr ungewöhnliche Eigenschaften besitzen [167]. 98