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Forum der Forschung 21/2008: 81-86
BTU Cottbus, Eigenverlag, ISSN-Nr.: 0947 - 6989
Aktuelle Einflüsse auf die Betriebskosten im Wohnungsbau
Sarah Möller, Wolfdietrich Kalusche
Lehrstuhl Planungs- und Bauökonomie
Kurzfassung
deutenden Faktor stellen die aktuellen Einflüsse dar, wie beispielsweise
die Strom- und Wasserkosten sowie die Kosten für Heizenergie. Aber
auch Witterungsbedingungen (Sturm, Niederschlag, Schnee, Sonnenscheindauer, Lufttemperatur usw.) sind von besonderer Bedeutung.
Die Betriebskosten nach DIN 18960:2008-02, Nutzungskosten im
Hochbau, stellen bei Wohngebäuden durchschnittlich etwa die Hälfte
der gesamten jährlichen Nutzungskosten dar. Aktuell erreichen die
Preise für Heizöl – dem wichtigsten Energieträger im Wohnungsbau
– ein Niveau, das noch vor wenigen Jahren als unvorstellbar galt. Für
Bauherren, Architekten und Ingenieure ergibt sich daraus die Frage,
wie sich neue und alte Gebäude in den nächsten Jahren optimieren
lassen, verbunden mit dem Anspruch, dass diese in den nächsten 40
Jahren genutzt werden können.
Für Bauherren, Architekten und Ingenieure ergeben sich daraus eine
Reihe von Fragen: Welche Einflussfaktoren existieren und welche
davon haben die größten Auswirkungen auf die Höhe der Betriebskosten? Welche Ursache-Wirkungszusammenhänge herrschen vor?
Und wie können die Einflussfaktoren gesteuert werden, um die Betriebskosten zu minimieren?
Das Dissertationsthema der Verfasserin Möller, „Umgang mit Risiken
bei den Nutzungskosten im Hochbau“, knüpft an diese Fragestellungen
an und wird im Rahmen der International Graduate School – Fachklasse E „Modelle, Methoden und Werkzeuge zum Risikomanagement“ bearbeitet.
Abstract
The operation costs according to DIN 18960:2008-02, utilization costs
in building construction, have the highest monetary part in the utilization costs for residential buildings. Currently the prices for fuel oil –
the most important energy source particularly for house building – rise
very strongly. Such a strong rise of prices was not imaginable some
years ago. Builders, architects and engineers intent to reply the question, how to optimize old and new buildings to afford an economical
use in the next 40 years.
1
2
Die Energiepreisentwicklung
in den letzten vier Jahrzehnten
Bis zur so genannten ersten Ölkrise im Herbst 1973 wurde dem Energiebedarf für die Erwärmung und Kühlung von Gebäuden noch wenig
Beachtung geschenkt. Gas und Erdöl standen scheinbar ausreichend
und zu geringen Kosten zur Verfügung. „Heizöl war für den Verbraucher zu Anfang der 70er Jahre verhältnismäßig preisgünstig; im Jahr
1970 mussten für 100 Liter 14,90 DM einschließlich Mehrwertsteuer
bezahlt werden.“ (HAWLICZEK, 2001)
Einleitung
In Deutschland gibt es derzeit knapp 40 Millionen Wohnungen. Das entspricht etwa 68 Prozent des gesamten Nettobauvermögens von insgesamt ca. 5,533 Mrd. € (RUßIG, 2005). Der Kostenschwerpunkt innerhalb
der Betriebskosten liegt bei Wohngebäuden auf der Ver- und Entsorgung. Die Betriebskosten nach DIN 18960:2008-02, Nutzungskosten im
Hochbau, stellen bei Wohngebäuden durchschnittlich ca. 45 Prozent der
gesamten jährlichen Nutzungskosten und damit den größten Teil der
ausgabenwirksamen Kosten dar (INSTITUT FÜR BAUFORSCHUNG e. V.,
2007). Damit sind sie mehr als doppelt so hoch wie die Instandsetzungskosten mit durchschnittlich ca. 20 Prozent. Die Betriebskosten
unterliegen häufig erheblichen Schwankungen. Um die Ursachen für die
Höhe der Betriebskosten und ihre Schwankungen genauer zu beschreiben, sollen die Einflussfaktoren näher untersucht werden und UrsacheWirkungszusammenhänge aufgedeckt werden. Die Kosteneinflüsse
können durch unterschiedliche Bedingungen entstehen, welche beispielsweise aus der Nutzung, der Marktsituation, der Umwelt, den Regelwerken oder den Gebäudeeigenschaften hervorgehen. Einen sehr be-
Wohngebäude sollten transparent, Wohnräume großzügig und von
Licht durchflutet sein. Die Anforderungen an den Energiehaushalt eines Gebäudes waren im Vergleich zu heute gering. Mit der sprunghaften Verteuerung des Heizöls und anderer verwendeter Energien
(siehe Abb. 1) sollte sich das bald ändern.
Ein Blick zurück in die Geschichte Deutschlands nach 1945 lässt erkennen, nach welchen Regeln ein großer Teil der Wohngebäude und anderer
Bauten, die wir heute noch nutzen, entstanden ist. Die Norm „Wärmeschutz im Hochbau“ erschien erstmals zu Beginn der 1950er Jahre als
DIN 4108:1952-01. „Zuvor gab es keine allgemeinen Anforderungen an
den Wärmeschutz von Außenbauteilen. Man akzeptierte die konventionellen Wandbauarten. Lediglich für neue Wandkonstruktionen galt die Forderung, dass deren Wärmedämmung der einer 1 1/2-Stein dicken Vollziegelmauer entsprechen müsse […].“ (DIN 4110:1934) (KÜNZEL, 2006)
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Sarah Möller, Wolfdietrich Kalusche
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„Ursache für die hohen Heizkosten sind die drastisch gestiegenen
Energiepreise. Während im Kalenderjahr durchschnittlich 6 Prozent
weniger Heizenergie verbraucht wurde, stiegen die Preise für Heizöl
um 10,7 Prozent, für Gas um 17,7 Prozent. Zwischen den Jahren 2000
und 2006 ist Öl um 44,3 Prozent und Gas um 57,8 Prozent teurer geworden.“ (OEBBEKE, 2008)
Abbildung 1:
Heizölpreisentwicklung in Deutschland seit 1970
Bis in die 1970er Jahre war die gegenüber der ersten Fassung nicht
grundsätzlich veränderte DIN 4108:1969-08, Wärmeschutz im Hochbau, gültig. Erst im Jahr 1977 reagierte die Bundesregierung auf den
deutlichen Anstieg der Energiekosten in Folge der Ölkrise mit der Einführung der Wärmeschutzverordnung (WSchV), die den Jahresheizwärmebedarf auf 200 kWh/m2 im Jahr begrenzte. Weitere Fassungen
mit höheren Anforderungen wurden in den Folgejahren verabschiedet.
Mehr als die Hälfte der deutschen Wohngebäude wurde in der Zeit von
1946 bis 1970 errichtet. Nach den Zerstörungen durch den Krieg
mussten wieder in ausreichender Zahl neue Wohnungen gebaut werden. Allein aus dem Alter der Gebäude kann keine Aussage über den
technischen und energiewirtschaftlichen Standard der Wohnungen abgeleitet werden. In unterschiedlichem Umfang wurden in der Zwischenzeit Maßnahmen der Instandhaltungen und Modernisierungen
durchgeführt (REBITZER, 2008).
3
Aktuelle Fragen bei der
Planung und Erhaltung von Gebäuden
Auch heute steht der Eigentümer eines Wohngebäudes, das beispielsweise im Jahr 1970 errichtet wurde, vor der Frage, wie er dieses Gebäude wirtschaftlich nutzen kann, auch wenn zwischendurch eine
Modernisierung oder energetische Verbesserung durchgeführt wurde.
Aktuell erreichen die Preise für Heizöl – dem wichtigsten Energieträger im Wohnungsbau – ein Niveau, das noch vor wenigen Jahren als
unvorstellbar galt: Die Preise für Standard-Heizöl lagen bei einer Abnahmemenge von 3 000 Liter in der Region Berlin und Brandenburg,
und damit etwa gleich wie im gesamten Bundesgebiet, im August
2008 zwischen 82,00 und 97,00 €/100 Liter einschließlich Mehrwertsteuer. (LORBEER, 2008)
Damit werden die Betriebskosten, anteilig besonders die Heizkosten,
zur zweitwichtigsten Kostengröße nach der Nettokaltmiete. Einschließlich der so genannten Heizungsnebenkosten, wie Betriebsstrom, Heizungswartung und Kosten für Wärmemessfirmen, die den Brennstoffkosten für Gas, Öl oder Fernwärme hinzugerechnet werden müssen,
zahlten die privaten Haushalte im Jahr 2006 durchschnittlich bereits 0,85 € (brutto) pro m2 Wohnfläche im Monat. (OEBBEKE, 2008)
Was kann also zum Beispiel der Eigentümer einer 40 Jahre alten Immobilie tun, um auf die gestiegenen und voraussichtlich weiter steigenden Energiepreise richtig zu reagieren? Ist im Einzelfall eine weitere
energetische Verbesserung des Gebäudes sinnvoll oder sollte das Objekt so bald wie möglich durch einen energieeffizienten Neubau ersetzt
werden? Wie optimieren Bauherren, Architekten und Ingenieure in den
nächsten Jahren neue und alte Gebäude, verbunden mit dem Anspruch, dass diese in weiteren 40 Jahren, also noch im Jahr 2050 wirtschaftlich genutzt werden können?
Da sie die Energiepreisentwicklung als einen maßgeblichen externen Einfluss auf die Wohnkosten in keiner Weise beeinflussen können,
besteht lediglich die Chance, den mengenmäßigen Energieverbrauch
(z. B. in kWh/m2 im Jahr) zu senken. Als Standard wurden so genannte Passivhäuser mit einem Jahresheizwärmebedarf von ca. 15 kWh/m2
im Jahr oder Nullenergiehäuser mit einem Jahresheizwärmebedarf
von ca. 5 kWh/m2 im Jahr bereits vor Jahren definiert. Welche zusätzlichen Maßnahmen im Bereich der Konstruktion, insbesondere Dämmung oder der Heizungstechnik, sind zu welchen Mehrkosten bei einer Wirtschaftlichkeitsermittlung zu berücksichtigen? Wie reagieren
Eigentümer und Mieter hinsichtlich des Flächenanspruchs bei steigenden Betriebskosten? Werden bald nur noch kleine, aber energieeffiziente Wohnungen nachgefragt?
Diese Fragen zeigen, wie komplex Bauplanung allein durch die Energiepreisentwicklung geworden ist. Die uns heute bekannten allgemein anerkannten Regeln der Technik, so auch die zum Wärmeschutz
und zur Energieeinsparung, helfen bei der Beantwortung der aufgeworfenen Fragen nur kurzfristig. Der Anspruch einer wirtschaftlichen
Nutzung kann nur langfristig betrachtet und damit gerechnet werden.
Eine Betrachtungsdauer von 40 Jahres darf als verhältnismäßig kurz
bezeichnet werden, wenn man bedenkt, dass Wirtschaftlichkeitsermittlungen im Wohnungsbau in der 1970er Jahren noch mit 80 Jahren angesetzt wurden (HAMPE, 1982).
4
Die weitere Entwicklung
der Betriebskosten im Wohnungsbau
Bezeichnet man die weitere Entwicklung der Betriebskosten im Wohnungsbau als Risiko, ist es sinnvoll, das Thema „Risikomanagement“
in die folgenden Überlegungen einzubeziehen. Der Ursprung des Risikomanagements liegt im Finanzwesen. Inzwischen hat es aber auch in
die Bereiche Versicherungswirtschaft, Unternehmensführung, Informationstechnologie, Informatik sowie im Projektmanagement (zur Minimierung von Prozessrisiken), Eingang gefunden. Ziel der Einführung
eines Risikomanagements ist die Identifizierung, die Analyse, die Bewertung, die Bewältigung und die Überprüfung von Risiken (ARBEITS-
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GRUPPE 124 „RISIKOMANAGEMENT“; 2007). Für die Entwicklung eines Risikomanagementsystems für Betriebskosten ist es zunächst
notwendig eine einheitliche Definition des Begriffs „Risiko“ für den Bereich Betriebskosten zu erarbeiten. In der DIN 18960:2008-02, Nutzungskosten im Hochbau, (hier sind die Betriebskosten enthalten)
wird das Nutzungskostenrisiko als „Unwägbarkeiten und Unsicherheiten bei der Nutzungskostenermittlung“ definiert (DIN 18960).
Die Verfasserin Möller hat im Rahmen ihrer wissenschaftlichen
Arbeit die Definition des Risikobegriffs für Nutzungskosten stärker
differenziert. Das Nutzungskostenrisiko wird hier sowohl als Chance als auch als Gefahr definiert, da die Höhe der Betriebskosten im
Laufe des Lebenszyklus eines Gebäudes sowohl positiven als auch
negativen Einflüssen ausgesetzt ist. Dabei können die jährlich
ermittelten Betriebskosten (in €/m2 a) eines Gebäudes die prognostizierten Betriebskosten, mit anderen Worten die geplante Größe,
sowohl über- als auch unterschreiten. Bei einem Unterschreiten der
vorhergesagten Betriebskosten spricht man demzufolge von einem
Risiko im Sinne einer Chance, bei einer Überschreitung von einer
Gefahr. Die Chance stellt Einsparungen dar, im Falle einer Gefahr
entstehen Mehrkosten. Die Betriebskosten setzen sich aus Betriebskostenbestandteilen zusammen, welche sich gegenseitig bedingen
und unterschiedlichen Einflüssen ausgesetzt sind. Das Risiko stellt
somit die Summe aller Einzelrisiken dar, welche die Höhe der
Betriebskosten beeinflussen. Diese sich gegenseitig bedingenden
Einzelrisiken im Sinne von Chance oder Gefahr gilt es zu erkennen
und voneinander abzuwägen.
Auf der Grundlage der beschriebenen Risikodefinition wird die voraussichtliche Entwicklung der Betriebskosten als negatives Risiko
(Gefahr) definiert.
Bei der Erarbeitung des Meta-Modells ist das Augenmerk nicht ausschließlich auf die aktuellen Einflussfaktoren gerichtet, sondern auf
die gesamten Einflussfaktoren der Betriebskosten.
Das erarbeitete Meta-Modell basiert auf folgender These:
In der Nutzungsphase eines Gebäudes wirken sich viele Einflussfaktoren sowohl positiv (Einsparungen) als auch negativ (Mehrkosten) auf
die Betriebskosten aus.
Methodisch lassen sich daraus folgende Fragen ableiten:
1. Welches statistische Analyseverfahren ermöglicht eine Auswertung
der Betriebskosten und deren Einflussfaktoren?
2. Mit welchem statistischen Analyseverfahren kann eine Vorhersage
von Betriebskosten und deren Einflussfaktoren, unter Berücksichtigung der bestehenden Beziehungen zwischen den Betriebskosten und deren Einflussfaktoren, getroffen werden?
3. Welche Entscheidungsregeln aus der Entscheidungstheorie ermöglichen sowohl die Berücksichtigung der Betriebskosten und deren
Einflussfaktoren, als auch die entsprechenden Risiken, welche bereits in der frühen Planungsphase bzw. in der Nutzungsphase
durch Entscheidungen bestimmt werden?
5.1
Als Vorbereitung für die Erarbeitung des Meta-Modells wurden zunächst 130 Einflussfaktoren, welche sich ausschließlich auf die Betriebskosten von Wohngebäuden auswirken, herausgearbeitet. Anschließend wurden diese Einflussfaktoren in folgende fünf Gruppen
eingeteilt:
●
5
Modell zur Analyse und Bewertung
von Betriebskosten-Risiken
●
●
●
Um die Risiken und ihre Schwankungen als Ursache für die Betriebskosten, genauer zu beschreiben, werden die Einflussfaktoren auf die
Betriebskosten näher untersucht und Ursache-Wirkungszusammenhänge identifiziert.
Zur Bearbeitung dieser Problemstellung hat die Verfasserin Möller ein
statistisches Rechen-Modell auf der Grundlage eines Risikomanagementprozesses für Betriebskosten von Wohngebäuden entwickelt.
Das Rechen-Modell (Meta-Modell) stellt einen Ansatz dar, mit welchem der wirtschaftliche Lebenszyklus eines Gebäudes, unter Berükksichtigung und Bewertung der Betriebskosten und ihren Einflussfaktoren, analysiert wird. Das Meta-Modell kommt insbesondere in der
Planungsphase, aber auch in der Nutzungsphase eines Gebäudes zur
Anwendung. Dementsprechend sind der Bauherr als Eigentümer und
seine Planer (Architekten und Ingenieure) die Anwender des Meta-Modells. Sie entscheiden, welche Maßnahmen bei der Erhaltung oder der
Veränderung eines Gebäudes bei welchen Mehrkosten getroffen werden, um den Energieaufwand zu verringern und infolgedessen eine Kostenoptimierung zu erzielen.
Gruppierung der Einflussfaktoren
●
Markt
Umwelt
Regelwerke
Nutzung
Technik
Die Gruppierung wurde so vorgenommen, dass jede Gruppe unabhängig von den übrigen betrachtet werden kann. Die Gruppe „Markt“
beinhaltet Einflussfaktoren, die durch die Regulierung von Angebot
und Nachfrage von Waren und Dienstleistungen entstehen, wie beispielsweise die Anzahl der Unternehmen an einem Standort oder die
Höhe der Kosten für Heizöl, d. h. dieser Gruppe ist auch ein Teil der
aktuellen Einflussfaktoren zuzuordnen.
Die Gruppe „Umwelt“ fasst alle Einflussfaktoren zusammen, die
durch die Natur oder die Umgebung in Form von externen Bedingungen bestimmt werden. Dabei handelt es sich beispielsweise um
den Grad der Verschmutzung, verursacht durch Emissionen, aber
auch um die Vertragsgestaltung, beispielsweise von Reinigungsoder Wartungsverträgen. In der Gruppe „Regelwerke” sind alle Einflussfaktoren enthalten, die indirekt durch das Bestehen von Gesetzen und Verordnungen, wie beispielsweise der Energieeinsparverordnung, existieren.
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Die Gruppe „Nutzung“ enthält sämtliche Einflussfaktoren, die sich
durch die Nutzung eines Gebäudes begründen lassen. Dazu zählen beispielsweise die Betriebszeit oder die Reinigungshäufigkeit eines Gebäudes. In der Gruppe „Technik“ werden alle Einflussfaktoren gebündelt, die sich auf die Gebäudeeigenschaften zurückführen lassen.
Das können u. a. Materialeigenschaften sein, aber auch funktionale
oder konstruktive Eigenschaften, wie beispielsweise die Grundrissgestaltung, die Anzahl und der Wirkungsgrad der Beleuchtungskörper
oder die installierte Heizungstechnik.
Um die aktuelle Problematik steigender Heizölpreise und anderer
Einflüsse in das Meta-Modell zu integrieren, wird der Gruppe „Markt“
ein besonderer Stellenwert zuerkannt. Darüber hinaus können die Regelwerke mit der Notwendigkeit von Veränderungen, die sich aus den
aktuellen Preisentwicklungen und den anerkannten Regeln der Technik ergeben, nicht Schritt halten.
5.2
Aufbau des Meta-Modells
Um die Betriebskosten und ihre Einflussfaktoren besser beurteilen
zu können, werden qualitative und quantitative Methoden herangezogen. Hier liegt der Schwerpunkt auf den quantitativen Methoden. Um die Methoden anzuwenden, werden die Einflussfaktoren als
unabhängige Variablen und die Betriebskosten als abhängige Variablen definiert.
Das dreiteilige Meta-Modell beinhaltet ausgewählte Methoden, welche
sich auf die Fragen der oben genannten These stützen. Grundlage der
drei Schritte des Meta-Modells ist eine konzepionelle Analyse aktueller Daten (Betriebskosten und deren Einflussfaktoren) aus der Nutzungsphase zahlreicher Wohngebäude.
Zunächst werden die Betriebskosten und die Einflussfaktoren als
Variablen definiert. Im ersten Schritt des Meta-Modells wird die Korrelationsanalyse eingesetzt, ein Verfahren zur Identifizierung von
Korrelationen zwischen den Variablen. Der Einwirkungsgrad der Variablen untereinander wird mit Hilfe der Korrelationsanalyse durch einen Korrelationskoeffizienten bestimmt. Es werden alle Variablen, welche einen starken Einwirkungsgrad aufweisen, herausgearbeitet. Die
Variablen, welche einen sehr schwachen Einwirkungsgrad besitzen,
werden in der weiteren Betrachtung nicht mehr berücksichtigt, so dass
sich deren Anzahl reduziert. Die Zusammenhänge zwischen den Variablen sind mit Hilfe einer Funktion darzustellen.
Dazu wird im zweiten Schritt des Meta-Modells ein Verfahren eingesetzt, mit dem eine Vorhersage bestimmter Variablen möglich ist (Regressionsanalyse). Um die Regressionsanalyse anwenden zu können,
werden die Einflussfaktoren als unabhängige Variablen und die Betriebskosten als abhängige Variablen definiert. Ziel der Regression ist
es, eine abhängige Variable (Betriebskostenvariable) auf der Grundlage einer bestimmten unabhängigen Variable (Einflussvariable) zu
prognostizieren. Die folgende Abbildung zeigt das Ergebnis einer Regressionsanalyse. Die abhängige Variable stellt hier die Betriebskosten
dar und die unabhängige Variable die Fenster- und Türfläche eines
untersuchten Wohngebäudes in m2.
Abbildung 2:
scatter plot, Regression – erstellt mit der Statistik-Software: Statistical Package
for the Social Sciences (SPSS)
Die gezeigte Funktion macht deutlich, welcher Zusammenhang zwischen der Größe der Fenster- und Türfläche und den Betriebskosten besteht. In der Planungsphase kann diese Funktion ein sinnvolles Handwerkzeug zur Entscheidungsunterstützung für die am Objekt Beteiligten darstellen. Je nach Größe der geplanten Fensterfläche lassen sich
die voraussichtlichen Betriebskosten abschätzen. Es ist anzumerken,
dass sowohl die Korrelationsanalyse als auch die Regressionsanalyse
nur dann durchführbar ist, wenn erheblich größere Datensätze vorhanden sind, als in diesem Beispiel gezeigt. Nur so ist es möglich aussagefähige Ergebnisse zu erzielen. Das Beispiel dient zunächst als Veranschaulichung. Derzeit wird eine umfassende Datenerhebung anhand
von ca. 100 Wohngebäuden vorgenommen (MÖLLER et al., 2008).
Um die Analyse und Bewertung im Rahmen des Meta-Modells zu vervollständigen, kommt im dritten Schritt die Szenariotechnik zur Anwendung. Die Szenarien müssen eine Aussage über die zukünftige Entwicklung der unabhängigen Variablen und der damit verbundenen Risiken ermöglichen. Das erste Szenario ist beispielsweise so gestaltet,
dass es Angaben zu der Höhe der Betriebskosten liefert. Dazu wird die
Entwicklung der Betriebskosten zu einem bestimmten Zeitpunkt, unter der Einwirkung entsprechender Einflussfaktoren, festgelegt. Das
zweite Szenario enthält beispielsweise die alternativen Kosten für entsprechende Instandsetzungs-, Modernisierungs- Umbau- oder Abbruchmaßnahmen, die zugehörigen Einflussfaktoren und die Höhe der Einsparungen, bezogen auf einen festgelegten Zeitraum. Es sind viele Szenarien möglich. Die Durchführung von Szenarien hilft den Entscheidern, Alternativen auszuarbeiten und die prognostizierten Entwicklungen für eine Wirtschaftlichkeitsermittlung zugrunde zu legen.
Dabei spielt der Aspekt der Beeinflussbarkeit von Risiken eine entscheidende Rolle. Beispielsweise liegt die Energiepreisentwicklung
nicht im Einflussbereich der Anwender des Meta-Modells. Deshalb
werden für die entsprechenden Risiken Handlungsempfehlungen herausgearbeitet. Eine Handlungsempfehlung kann die Optimierung der
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Heizungstechnik im Rahmen einer Modernisierungsmaßnahme sein.
Im äußersten Fall kann ein Abbruch des Gebäudes die Konsequenz
sein. Mit Hilfe der Szenariotechnik können Mehrkosten und Einsparungen voneinander abgewogen werden, so dass Entscheidungen zur Risikoverminderung oder Risikovermeidung optimiert werden.
Tab. 1 zeigt das vereinfacht dargestellte Ergebnis eines Szenariovergleiches, der die Grundlage für die Entscheidungsfindung bietet. Es
werden die kostenwirtschaftlichsten Maßnahmen bei den jeweils angenommenen Preissteigerungen für Heizöl, betrachtet über einen
Zeitraum von 40 Jahren, angegeben.
Tabelle 1:
Beispiel: Maßnahmen am Gebäude je nach Preisentwicklung
6
Anwendung zur Entscheidungsunterstützung in der Praxis
Die aktuelle Preisentwicklung auf dem Energiemarkt erfordert eine
möglichst schnelle Entscheidung durch die Eigentümer von Wohngebäuden. Für sie stellen sich folgende Fragen: Wie entwickeln sich die Betriebskosten z. B. in den nächsten 40 Jahren? Soll das Gebäude unverändert fortbestehen und regelmäßig instand gehalten werden, muss eine Modernisierung oder gar ein Abbruch in Betracht gezogen werden?
Es muss davon ausgegangen werden, dass sich die derzeitige Dynamik
der Energiepreise fortsetzt. Die Eigentümer von Gebäuden müssen
entscheiden, welche der genannten Maßnahmen durchzuführen sind.
Da das Wohnen in Zukunft insgesamt teurer werden wird, ist ein
weitreichendes Umdenken bei den Eigentümern unbedingt notwendig.
Weiterhin zu untersuchen bleibt die Entwicklung der Energiepreise,
des Energieverbrauchs und der Nettokaltmiete.
6.1
Ausblick: Geplante Anwendung des Meta-Modells
Aufgrund der bereits gewonnenen Erkenntnisse sind die Energiepreise als sehr wichtig zu beurteilen. Für die Anwendung des Meta-Modells
wird eine These aufzustellen sein, welche den Aspekt der Auswirkungen denkbarer Preisentwicklungen enthält. Der Bauherr oder Eigentümer eines Gebäudes wird in Kenntnis der voraussichtlichen Auswirkungen daraus Konsequenzen ziehen müssen.
Es wird von folgenden drei unterschiedlichen Entwicklungen des Ölpreises in den nächsten 40 Jahren ausgegangen (siehe Abb. 3).
Abbildung 3:
Spekulative Entwicklung des Preises für Heizöl von 2010 bis 2050
Preissteigerung 2010 bis 2050
Konsequenzen
x % p. a.
nur Instandhaltung
y % p. a.
Modernisierung
z % p. a.
Abbruch
Bei einer jährlichen Steigerung des Heizölpreises von x % wird im Rahmen einer Wirtschaftlichkeitsermittlung festgestellt, dass eine Instandhaltung des bestehenden Gebäudes die Lösung mit den insgesamt geringsten Aufwendungen ist.
Bei einer Preissteigerung von y % p. a. ist eine Modernisierung und bei
einer jährlichen Preissteigerung von z % ein Abbruch das kostenwirtschaftlichste Ergebnis. Neben den reinen kostenwirtschaftlichen
Aspekten, dürfen je nach konkretem Anwendungsfall Faktoren, wie beispielsweise die von den Nutzern gestellten Anforderungen (Mieterzufriedenheit), nicht vernachlässigt werden und müssen in den Entscheidungsprozess einfließen.
Literatur
ARBEITSGRUPPE 124 „RISIKOMANAGEMENT“, DEUTSCHE GESELLSCHAFT FÜR QUALITÄT E. V.; 2007: Risikomanagement –
Risiken beherrschen – Chancen nutzen, Beuth Verlag GmbH; Berlin.
DIN 18960:2008-02: Nutzungskosten im Hochbau
DIN 4110:1934: Technische Bestimmungen für die Zulassung neuer
Bauweisen
DIN 4108:1969-08: Wärmeschutz im Hochbau
DIN 4108:1952-01: Wärmeschutz im Hochbau
ENERGIESPARVERORDNUNG (EnEV): 2002-02
HAMPE, K.-H.; INSTITUT FÜR BAUFORSCHUNG, 1982: Bauteile
und Bauunterhaltungskosten. Bewertung von Bauteilalternativen
im Hinblick auf eine günstige Relation zwischen Investitions- und
Bauunterhaltungskosten. Fraunhofer IRB Verlag, Stuttgart.
HAWLICZEK, I.; NIEDERSÄCHSISCHES LANDESAMT FÜR STATISTIK,
2001: In: Statistische Monatshefte Rheinland-Pfalz, 3/2001. Verbraucherpreise für Kraftstoffe und Heizöl von 1970 bis 2000, S. 54
INSTITUT FÜR BAUFORSCHUNG E. V., 2007: Bau-Nutzungskosten.
Bau-Nutzungskosten-Kennwerte für Wohngebäude. Fraunhofer
IRB Verlag, Stuttgart.
KÜNZEL, H.; FRAUNHOFER INSTITUT FÜR BAUPHYSIK, 2006: In:
wksb 55/2006. Wärmedämmung – Wohnverhalten – Feuchteschäden,1.
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Aktuelle Einflüsse auf die Betriebskosten im Wohnungsbau
Sarah Möller, Wolfdietrich Kalusche
Lehrstuhl Planungs- und Bauökonomie
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Wolfdietrich Kalusche; geboren in Dresden, Studium der Architektur an der
TU Berlin, der Arbeits- und Wirtschaftswissenschaften an der TU München sowie Promotion an
der Universität Karlsruhe; langjährige Praxis im
Flughafen-, Büro- und Hotelbau; im Jahr 1996 Berufung an die Brandenburgische Technische Universität (BTU) Cottbus, seitdem Inhaber des Lehrstuhls Planungs- und Bauökonomie; im Jahr 2003
Gastprofessor am Institut Bauplanung und Baubetrieb, ETH Zürich.
LORBEER, M.; 2008: Regionalpreise für Heizöl – Berlin und Brandenburg, Berlin, http://www.heizoel24.de/heizoel-berlin.php
(11.08.2008).
MÖLLER, S.; MEHICIC EBERHARDT, S.; KALUSCHE, W.; MIßLERBEHR, M.; 2008: Decision tools for risk management support in
industrial building construction. Conference Society for Risk Analysis Europe, Valencia.
OEBBEKE, A.; 2008: Betriebskostenspiegel 2007 für Deutschland,
Neustadt, http://www.bauzentrale.com/news/2007/2057.php4,
(aufgerufen am 08.08.2008)
REBITZER, D.; 2008: BKI – Objektdaten E3 – Energieeffizientes Bauen – Neubau. Baukosteninformationszentrum, Stuttgart, S. 20
RUßIG; V.; 2005: Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienwirtschaft. Institut für Wirtschaftsforschung e. V.; München, S. 4
VERORDNUNG ÜBER EINEN ENERGIESPARENDEN WÄRMESCHUTZ (Wärmeschutzverordnung – WSchV): 1977
Dipl.-Ing. Sarah Möller; geboren in Hamburg; Studium der Architektur an der Brandenburgischen
Technischen Universität Cottbus (BTU); seit 2007
Doktorandin am Lehrstuhl Planungs- und Bauökonomie an der BTU Cottbus in der International
Graduate School – Fachklasse E „Modelle, Methoden und Werkzeuge zum Risikomanagement“;
Dissertationsthema: „Umgang mit Risiken bei den
Nutzungskosten im Hochbau“.
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