1. Vortrag: Wiederholung

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1. Vortrag: Wiederholung
Paul Bubenzer
14. Oktober 2014
Inhaltsverzeichnis
1
Topologische, differenzierbare und eingebettete Mannigfaltigkeiten
1
2
Der Tangentialraum differenzierbarer und eingebetteter Mannigfaltigkeiten
4
3
Reguläre Werte
7
4
Immersionen, Submersionen, Einbettungen, Überlagerungen
7
5
Glatte Approximation
8
1 Topologische, differenzierbare und eingebettete
Mannigfaltigkeiten
Wir wiederholen zunächst die grundlegenden Definitionen aus der Vorlesung.
Definition 1.1. Eine topologische Mannigfaltigkeit ist ein topologischer Raum M, der
• lokal homöomorph zu Rd ,
• Hausdorffsch und
• zweitabzählbar ist.
Einen Homöomorphismus ϕ : U → V ⊂ Rd für offene Teilmengen U ⊂ M, V ⊂ Rd
nennt man auch Karte, die Umkehrabbildung ϕ−1 lokale Parameterisierung. Für zwei Karten ϕ, ψ heißt ϕ ◦ ψ−1 der Kartenwechsel. Falls d für alle Karten gleich ist (das ist z.B. der
Fall, wenn M zusammenhängend ist), so heißt dim M := d die Dimension von M.
Definition 1.2. Eine topologische Mannigfaltigkeit M zusammen mit einem Atlas (einer Menge an Karten, deren Definitionsbereiche M vollständig überdecken) mit glatten
Kartenwechseln heißt differenzierbare (oder glatte oder C∞ -) Mannigfaltigkeit. Eine Abbildung f : M → N zwischen glatten Mannigfaltigkeiten ist glatt, wenn für alle Karten ϕ,
ψ aus obigen Atlanten psi ◦ f ◦ ϕ−1 glatt im Sinne der Analysis ist.
1
1 Topologische, differenzierbare und eingebettete Mannigfaltigkeiten
Bevor wir zu Milnors Definition kommen, treffen wir noch folgende Vereinbarung:
Wir nennen eine Abbildung f : K → Rn für eine Teilmenge K ⊂ Rk glatt, wenn es für
jeden Punkt x ∈ K eine offene Umgebung U ⊂ Rk und eine glatte Abbildung F : U → Rn
gibt, die auf U ∩ K mit f übereinstimmt.
Definition 1.3 ([1, S. 1]). Eine Teilmenge M ⊂ Rk heißt differenzierbare Mannigfaltigkeit, falls jeder Punkt x ∈ M eine Umgebung U ⊂ M besitzt, die diffeomorph zu einer
offenen Teilmenge im Rd ist.
Versehen wir eine solche Teilmenge M mit der Teilraumtopologie, so ist diese offenbar nach unserer ursprünglichen Definition eine topologische Mannigfaltigkeit: Die
Hausdorff-Eigenschaft und das zweite Abzählbarkeitsaxiom vererben sich ja auf Unterräume und die Bedingung, die Milnor zusätzlich an die Teilmenge M stellt, erzwingt,
dass M lokal homöomorph zu Rd ist. Mehr noch: Da er einen Diffeomorphismus um
jeden Punkt verlangt, können wir einen Atlas mit glatten Kartenwechseln bauen, d.h.
M ist tatsächlich eine differenzierbare Mannigfaltigkeit nach unserer alten Definition.
Beispiel 1.4 (Stereographische Projektionen). Wir zeigen hier noch einmal (mit einem anderen, äquivalenten Atlas), dass Sn eine differenzierbare Mannigfaltigkeit ist. Im Unterschied zur Vorlesung wird der hier vorgestellte Atlas aus nur zwei Karten (unabhängig
von der Dimension n) bestehen. Seien hierzu N := (1, 0, . . . , 0) ∈ Sn ⊂ Rn+1 der Nordpol und S := (−1, 0, . . . , 0) ∈ Sn ⊂ Rn+1 der Südpol.1 Offenbar sind UN := Sn \ {N}
und US := Sn \ {S} offene Teilmengen von Sn . (Jetzt und im folgenden notieren wir
Punkte x ∈ Sn ⊂ Rn mit Koordinaten x = (x0 , . . . , xn ).) Wir wollen uns davon überzeugen, dass diese homöomorph zu Rn sind. Die Idee ist folgende: Für einen gegebenen
Punkt x ∈ UN sucht man den Schnittpunkt der Gerade, auf der x und N liegen, mit der
Hyperebene {0} × Rn . Nennen wir jenen Schnittpunkt ϕN (x), so wird die Zuordnung
ϕN : x 7→ ϕN (x) dann den Homöomorphismus definieren. Jetzt machen wir diese Idee
mathematisch rigoros: Sei gx : R → Rn+1 die Gerade, auf der x und N liegen. In Formeln: gx (t) = tx + (1 − t)N. Wann gilt gx (t) ∈ {0} × Rn ? Natürlich genau dann, wenn
die erste Komponente 0 ist. Diese ist gegeben durch
gx (t)0 = tx0 + (1 − t)N0 = tx0 + 1 − t = t(x0 − 1) + 1
und demnach genau dann 0, wenn t = 1/(1 − x0 ). Also ist
(0, x1 , . . . , xn )
= gx 1/(1 − x0 ) ∈ {0} × Rn
1 − x0
der gesuchte Schnittpunkt. Stellt man ähnliche Überlegungen für US an, so erhält man
1
Das ist ein wenig geschummelt, weil im üblichen kartesischen Koordinatensystem N nicht oben, sondern
“vorne” und S nicht unten, sondern “hinten” liegt; es wäre auch nicht schwer, die folgende Diskussion
entsprechend abzuändern. Die Verwendung dieser Punkte macht die Notation jedoch etwas übersichtlicher.
2
1 Topologische, differenzierbare und eingebettete Mannigfaltigkeiten
schließlich die beiden (stetigen) Abbildungen
(x1 , . . . , xn )
,
1 − x0
(x1 , . . . , xn )
ϕS : US → Rn , (x0 , . . . , xn ) 7→
,
1 + x0
ϕN : UN → Rn , (x0 , . . . , xn ) 7→
die stereographische Projektionen genannt werden.
Wir leiten exemplarisch die Umkehrabbildung von ϕN her. Das Problem, das sich
uns hierbei stellt ist ganz analog zu oben: Für einen Punkt x ∈ {0} × Rn suchen wir
den Schnittpunkt von Sn mit der Geraden, auf der N und x liegen. Offenbar ist N einer
der Schnittpunkte; es gibt aber noch einen zweiten (weil die Gerade wegen x 6= N nicht
tangential an N liegt). Diesen gilt es zu ermitteln. Jetzt wieder mathematisch rigoros: Sei
analog zu oben gx : R → Rn+1 die Gerade, auf der x und N liegen. Sie ist wieder gegeben
durch die Formel t 7→ tx + (1 − t)N. Offenbar schneidet gx die Sphäre in N. Wir wollen
den zweiten Schnittpunkt ermitteln. Es gilt gx (t) ∈ Sn genau dann, wenn kgx (t)k2 =
1 ist. Nutzen wir die konkrete Formel von gx (t), so sehen wir, dass kgx (t)k2 − 1 ein
Polynom zweiten Grades mit Nullstelle 0 ist. Die zweite Nullstelle lässt sich also leicht
ermitteln:
kgx (t)k2 − 1 = ktx + (1 − t)Nk2 − 1 = t2 kxk + (1 − t)2 kNk2 − 1 = t2 kxk2 − 2t + t2
!
2
2
2
= t( kxk + 1 t − 2) = (kxk + 1)t t −
.
kxk2 + 1
Das zeigt
kxk2 − 1, 2x1 , . . . , 2xn
kxk2 + 1
= gx
2
kxk2 + 1
!
∈ UN ⊂ Sn .
Aus dieser Formel kann man auch ablesen, dass die Abbildung
γN : Rn → UN , x 7→ gx 2/(kxk2 + 1)
stetig ist. Per Konstruktion ist γN die Umkehrabbildung von ϕN (man kann es auch
noch einmal nachrechnen). Der Kartenwechsel mit ϕS ist für x 6= 0 (dann gilt nämlich
γN (x) 6= S) gegeben durch
!
2
kxk
−
1,
2x
,
.
.
.
,
2x
n
1
ϕS ◦ ϕ−1
N (x) = ϕS ◦ γN (x) = ϕS
kxk2 + 1
!−1
kxk2 − 1
(2x1 , . . . , 2xn )
x
=
· 1+
=
.
2
2
kxk + 1
kxk + 1
kxk2
Offenbar ist dieser glatt (als Abbildung Rn \ {0} → Rn \ {0}). Dies schließt (mit dem
Hinweis, dass ganz ähnliche Rechnungen entsprechendes für den Kartenwechsel ϕN ◦
ϕ−1
S zeigen) den Nachweis ab, dass es sich bei {ϕN , ϕS } um einen differenzierbaren
Atlas von Sn handelt.
3
2 Der Tangentialraum differenzierbarer und eingebetteter Mannigfaltigkeiten
Bemerkung 1.5. Obiges Beispiel beschreibt die stereographische Projektionen auf die Hyperebene {0} × Rn , in der der Äquator der Sn liegt. Weit verbreitet ist es auch, die stereographische Projektion vom Nordpol auf die Hyperebene {−1} × Rn zu verwenden
(hierin liegt nur der Südpol). Tatsächlich ist die Wahl der Hyperebene aber reine Geschmackssache; für jede Hyperebene {x0 } × Rn mit x0 6= 1 gibt es eine stereographische
Projektion vom Nordpol (und entsprechend für den Südpol, wenn x0 6= −1). Lediglich
die Formeln ändern sich.
Beispiel 1.6. Es sei K ∈ {R, C, H}. Der projektive Raum ist der topologische Raum
KPn := Kn+1 \ {0} /K× ,
wobei K× auf Kn+1 \ {0} durch Skalarmultiplikation operiert. Wir bezeichnen die Äquivalenzklasse eines Punktes (x0 , . . . , xn ) ∈ Kn+1 \ {0} mit (x0 : · · · : xn ). Der projektive Raum ist eine differenzierbare Mannigfaltigkeit. Für 0 6 i 6 n und Ui :=
{(x0 : · · · : xn ) | xi 6= 0} sind Karten gegeben durch
−1
ϕi : Ui → Kn , (x0 : · · · : xn ) 7→ (x−1
i x1 , . . . , xi xn ),
wobei die i-te Koordinate ausgelassen wird. Umkehrabbildungen sind durch einfügen
einer 1 an die i-te Stelle gegeben. Mit der Beobachtung, dass Cn ' R2n und Hn ' R4n
folgt, dass CPn 2n-dimensionale und HPn 4n-dimensionale Mannigfaltigkeiten sind.
Bemerkung 1.7. Man kann sich überlegen, dass man KPn in K(n+1)×(n+1) ' K(n+1)
einbetten kann. Eine Einbettung ist z.B. durch
2
KPn → K(n+1)×(n+1) , ` 7→ π`
gegeben. Hierbei ist π` : Kn+1 → Kn+1 die Orthogonalprojection auf die Gerade `.
2 Der Tangentialraum differenzierbarer und eingebetteter
Mannigfaltigkeiten
Definition 2.1. Set M eine differenzierbare Mannigfaltigkeit und x ∈ M. Der Tangentialraum am Punkt x ist die Menge
Tx M := {ω : (−ε, ε) → M | ω glatt, ε > 0, ω(0) = x}/ ∼,
wobei ω ∼ η genau dann gilt, wenn (ϕ ◦ ω) 0 (0) = (ϕ ◦ η) 0 (0) für alle reellwertigen glatten Abbildungen ϕ auf M gilt. Für eine glatte Abbildung f : M → N zwischen glatten
Mannigfaltigkeiten erhalten wir eine (wohldefinierte!) Abbildung Tx f : Tx M → Tf(x) N,
gegeben durch Tx f([ω]) = [f ◦ ω].
Proposition 2.2. Der Tangentialraum Tx M und die Abbildung Tx f haben die folgenden Eigenschaften.
1. Tx M ist ein d-dimensionaler R-Vektorraum und Tx f ist bezüglich dieser Vektorraumstruktur R-linear.
4
2 Der Tangentialraum differenzierbarer und eingebetteter Mannigfaltigkeiten
2. Für jede offene Teilmenge U ⊂ M und x ∈ U induziert die Inklusion einen Isomorphismus Tx U ' Tx M. Allgemeiner: Ist M ⊂ N eine Untermannigfaltigkeit, so induziert die
Inklusion einen Monomorphismus Tx M ,→ Tx N.
3. Es gilt Tx idM = idTx M und Tx (g ◦ f) = Tf(x) g ◦ Tx f. Hieraus folgt auch, dass ein
'
Diffeomorphismus f : M −→ N einen Isomorphismus Tx f : Tx M ' Tf(x) N induziert.
4. Es gilt Tx Rn ' Rn (kanonisch).
Korollar 2.3. Jede Karte ϕ : U → V um x induziert einen Isomorphismus Tx M ' Rd .
Beweis. Punkt 3 besagt, dass Tx ϕ : Tx U → Tϕ(x) V ein Isomorphismus ist. Nach Punkt 2
ist Tx U ' Tx M und Tϕ(x) V ' Tϕ(x) Rd und nach Punkt 4 Tϕ(x) Rd ' Rd . Schalten wir
diese Isomorphismen in nahe liegender Weise zusammen, erhalten wir den gewünschten Isomorphismus.
'
Definition 2.4. Den von ϕ induzierten Isomorphismus Tx M −→ Rd werden wir fortan ebenfalls mit Tx ϕ bezeichnen (bis auf kanonische Isomorphie stimmt er ja mit Tx ϕ
überein).
0
Lemma 2.5. Es sei f : Md → Nd eine glatte Abbildung zwischen differenzierbaren Mannigfaltigkeiten. Es seien folgende Daten gegeben:
• Ein Punkt x ∈ M,
• eine Karte ϕ : U → V um x,
• eine Karte ψ : U 0 → V 0 um f(x).
Man kann den Definitionsbereich von ϕ so verkleinern, dass die Komposition ψ◦f◦ϕ−1 sinnvoll
0
ist. Unter den von ϕ und ψ induzierten Isomorphismen Tx M ' Rd , Tf(x) N ' Rd entspricht
Tx f dann der Abbildung dϕ(x) (ψ ◦ f ◦ ϕ−1 ). Noch präziser: Die Verknüpfung
(Tx ϕ)−1
T f
Tf(x) ψ
x
Rd −−−−−−→ Tx M −−
→ Tf(x) N −−−−→ Rd
0
stimmt mit dϕ(x) (ψ ◦ f ◦ ϕ−1 ) überein.
Man kann mit Lemma 2.5 Tangentiale von glatten Abbildungen ausrechnen. Wir illustrieren das an einem Beispiel.
Beispiel 2.6. Sei p : Sn → RPn , (x0 , . . . , xn ) 7→ (x0 : · · · : xn ) die kanonische Projektion.
Wir rechnen das Tangential von p am Südpol S aus. Offenbar ist S ∈ UN und p(S) =
(−1 : 0 : · · · : 0) ∈ U0 . Die Komposition mit den Karten ϕN und ϕ0 lautet
ϕ0 ◦ p ◦ ϕ−1
N (x1 , . . . , xn ) =
(2x1 , . . . , 2xn )
kxk2 − 1
.
leiten wir dies bei ϕN (S) = 0 ab, so erhalten wir
d0 (ϕ0 ◦ p ◦ ϕ−1
N ) = −2 · id .
Insbesondere folgt, dass TS p : TS Sn → Tp(S) RPn ein Isomorphismus ist. Ähnlich rechnet man nach, dass dies auch für TN p der Fall ist.
5
2 Der Tangentialraum differenzierbarer und eingebetteter Mannigfaltigkeiten
Milnor definiert den Tangentialraum für eingebettete Mannigfaltigkeiten so:
Definition 2.7 ([1, S. 4]). Sei Md ⊂ Rn eine glatte Mannigfaltigkeit und x ∈ M. Sei
ϕ : U → V eine Karte um x. Die Umkehrabbildung ϕ−1 fassen wir als glatte Abbildung
ϕ−1 : V → Rd auf. Der Tangentialraum ist Txϕ M := dϕ(x) ϕ−1 (Rd ) ⊂ Rn .
Proposition 2.8. Milnors Tangentialraum Txϕ M ist unabhängig von der Wahl der Karte. Zudem gilt Txϕ M ' Tx M (unabhängig von der Wahl einer Basis).
Beweis. Wir zeigen beides in einem Rutsch. Seien i1 : U ,→ M, i2 : M ,→ Rn die Inklusionen. Betrachte die Verknüpfung
ϕ−1
i
i
1
2
V −−−→ U −→
M −→
Rn .
Wende das Tangential und Lemma 2.5 darauf an (als Karten für V und Rn wählen wir
idV und idRn ). Wir erhalten ein kommutatives Diagramm
Tϕ(x) V
Tϕ(x) ϕ−1
Tx U
Tx i 1
Tϕ(x) idV
Rd
Tx M
Tx i 2
T x Rn
Tx idRn
dϕ(x)
ϕ−1
,
Rn
wobei die untere horizontale Abbildung streng genommen dϕ(x) (i2 i1 ϕ−1 ) heißen müsste. Aus der Kommutativität des Diagramms und der Tatsache, dass Tϕ(x) idV , Tϕ(x) ϕ−1
und Tx i1 Isomorphismen sind, folgt nun:
Txϕ M = dϕ(x) ϕ−1 (Rd ) = Tx idRn Tx i2 (Tx M).
Insbesondere ist Txϕ M unabhängig von ϕ und Tx idRn ◦Tx i2 schränkt sich zu einem Isomorphismus Tx M → Txϕ M ein.
Beispiel 2.9 (Der Tangentialraum von Sn ). Der
Tx Sn der n-Sphäre kann
Tangentialraum
⊥
n+1
mit dem orthogonalen Komplement x = y ∈ R
hx, yi = 0 von x in Rn+1 idenn
⊥
tifiziert werden.2 Ein Isomorphismus Tx S → x ist gegeben durch [ω] 7→ (ι ◦ ω) 0 (0),
wobei ι : Sn ,→ Rn+1 die Inklusion ist. Die Abbildung ist unabhängig von der Wahl des
Repräsentanten, denn ist [η] = [ω], so folgt insbesondere (pri ◦ι◦ω) 0 (0) = (pri ◦ι◦η) 0 (0)
für die Projektion pri : Rn+1 → R auf die i-te Koordinate. Das besagt aber gerade, dass
die partiellen Ableitungen von ι ◦ ω und ι ◦ η in 0 übereinstimmen, also (ι ◦ ω) 0 (0) =
(ι ◦ η) 0 (0). Die Abbildung hat auch den richtigen Zielbereich, denn
d d 0
0
2hω (0), xi = 2hω (0), ω(0)i =
hω(t), ω(t)i =
1 = 0.
dt t=0
dt t=0
2
Diese Aussage wäre nicht sehr spannend, wenn die Identifikation nicht unabhängig von der Wahl einer
Basis wäre – schließlich ist das orthogonale Komplement eines eindimensionalen Raumes in einem
n+1-dimensionalen Raum stets n-dimensional und damit, nach Basiswahl, isomorph zu jedem anderen
n-dimensionalen Vektorraum.
6
3 Reguläre Werte
Die Umkehrabbildung ist die Abbildung, die einen Vektor y ∈ x⊥ auf die Äquivalenzklasse der Kurve
y
ωy : R → Sn , t 7→ cos(kyk t)x + sin(kyk t)
kyk
schickt. Man rechnet sofort ωy (0) = x sowie
kωy (t)k2 = cos(kyk t)2 + sin(kyk t)2 = 1
nach. Die Abbildung x⊥ → Tx Sn , y 7→ [ωy ] ist also wohldefiniert. Es ist auch die gewünschte Umkehrabbildung, denn ωy0 (0) = y.
3 Reguläre Werte
Definition 3.1. Es sei f : M → N eine glatte Abbildung zwischen Mannigfaltigkeiten.
Ein Punkt x ∈ M heißt regulär, wenn rank Tx f = dim N gilt, das heißt, wenn Tx f surjektiv
ist. Ein Punkt y ∈ N heißt regulärer Wert, wenn jeder Punkt x ∈ f−1 (y) regulär ist.
Die Bedeutung von regulären Werten begründet sich in folgendem Satz, dem Satz
vom regulären Wert.
Theorem 3.2. Es sei y ∈ N ein regulärer Wert der glatten Abbildung f : M → N. Dann ist
f−1 (y) ⊂ M eine Untermannigfaltigkeit.
Beispiel 3.3. Sei wie in Beispiel 2.6 p : Sn → RPn die kanonische Projektion. Wir haben
dort nachgerechnet, dass TS p : TS Sn → Tp(S) RPn ein Isomorphismus ist. Insbesondere
ist S ein regulärer Punkt. Wenn man die Bemerkung am Ende von Beispiel 2.6 glaubt,
so ist p(S) ein regulärer Wert, denn p−1 p(S) = {N, S} und die Bemerkung sagt gerade,
dass TN p ebenfalls ein Isomorphismus ist.
4 Immersionen, Submersionen, Einbettungen, Überlagerungen
Definition 4.1. Seien M und N glatte Mannigfaltigkeiten. Eine Immersion ist eine glatte
Abbildung f : M → N, deren Tangential Tx f : Tx M → Tf(x) N an jedem Punkt x ∈ M
injektiv ist. Eine Submersion ist eine glatte Abbildung g : M → N, deren Tangential
Tx g : Tx M → Tg(x) N an jedem Punkt x ∈ M surjektiv ist.
Offenbar muss dim M 6 dim N gelten, damit Immersionen existieren; für die Existenz von Submersionen braucht man entsprechend dim M > dim N. Warum interessiert
man sich für diese speziellen Klassen von Abbildungen?
Zunächst zu Submersionen: Nach dem Satz vom regulären Wert produzieren Submersionen jede Menge Untermannigfaltigkeiten von M, denn per Definition ist jeder
Punkt in N ein regulärer Wert von N. Ist g : M → N eine glatte Überlagerung von (notwendig gleichdimensionalen) Mannigfaltigkeiten, so ist g eine surjektive Submersion.
Fordert man umgekehrt, dass g eine surjektive Submersion mit kompakter Quelle zwischen gleichdimensionalen Mannigfaltigkeiten ist, so ist g auch eine Überlagerung.
7
5 Glatte Approximation
Proposition 4.2. Es sei g : M → N eine surjektive Submersion, es gelte dim M = dim N und
es sei M kompakt. Dann ist g eine Überlagerung.
Beispiel 4.3. Sei fn : S1 → S1 , z 7→ zn mit n 6= 0 (in komplexer Schreibweise). Offenbar
ist f surjektiv. Mit Polarkoordinaten mit geeigneten Definitionsbereichen entspricht fn
der Abbildung ϕ 7→ nϕ. Dies zeigt zum einen, dass fn glatt ist und zum anderen, dass
die Ableitung von fn gegeben ist durch Multiplikation mit n. Also ist fn eine surjektive
Submersion und somit eine Überlagerung.
Die Annahme, dass die Quelle kompakt ist, können wir leider nicht wegfallen lassen,
wie das folgende Beispiel zeigt.
Beispiel 4.4. Sei exp : (0, ∞) → S1 die Einschränkung der üblichen Exponentialabbildung. Dies ist eine surjektive Submersion (schon exp : R → S1 war ja eine), aber keine
Überlagerung.
Nun zu Immersionen: Einbettungen sind stets Immersionen, das wird von der Eigenschaft, dass die Inklusion einer Untermannigfaltigkeit auf Tangentialräumen einen
Monomorphismus induziert, impliziert. Immersionen hingegen sind lokale Versionen
von Einbettungen in folgendem Sinne.
Proposition 4.5. Sei f : M → N eine Immersion. Dann gibt es um jeden Punkt x ∈ M eine
offene Umgebung U ⊂ M, sodass die Einschränkung f|U : U → N eine Einbettung ist.
Tatsächlich sind Immersionen im Allgemeinen aber keine globalen Einbettungen, allein schon deshalb, weil sie nicht injektiv sein müssen (Beispiel Lemniskate). Auch eine
injektive Immersion ist noch keine Einbettung (Beispiel Schmetterlingsflügel). Fordern
wir zusätzlich, dass die Quelle kompakt ist, so gilt dies aber.
Proposition 4.6. Sei f : M → N eine injektive Immersion und sei M kompakt. Dann ist f eine
Einbettung.
5 Glatte Approximation
Einige Sätze, denen wir in Milnors Buch begegnen werden, setzen voraus, dass bestimmte Abbildungen glatt sind oder treffen nur Aussagen über glatte Abbildungen und glatte
Homotopien. Tatsächlich lassen sich einige dieser Aussagen nur mit stetigen Abbildungen und Homotopien formulieren und auch beweisen. In diesem Abschnitt wollen wir
mit Hilfe der in der Vorlesung behandelten glatten Approximation andeuten, wie man
Aussagen über glatte Abbildungen und glatte Homotopien in entsprechende Aussagen
über stetige Abbildungen und stetige Homotopien umwandelt. Zunächst brauchen wir
die grundlegenden Resultate über die glatte Approximation stetiger reellwertiger Abbildungen.
Theorem 5.1. Sei M eine differenzierbare Mannigfaltigkeit und ϕ : M → R stetig. Für jedes
ε > 0 gibt es dann eine glatte Abbildung f : M → R mit kϕ − fk∞ 6 ε.
Diese Aussage lässt sich ohne Probleme auf Rn -wertige Abbildungen verallgemeinern, indem man sie auf die Komponentenabbildungen anwendet.
8
5 Glatte Approximation
Korollar 5.2. Sei M eine differenzierbare Mannigfaltigkeit und ϕ : M → Rn stetig. Für jedes
ε > 0 gibt es dann eine glatte Abbildung f : M → Rn mit kϕ − fk2 6 ε.
Definition 5.3. Erfüllt eine glatte Abbildung f : M → Rn obiges Korollar, so sagen wir
ϕ werde durch f ε-approximiert oder f sei eine ε-Approximation an ϕ.
Eine triviale Beobachtung: Jede stetige Abbildung ϕ : M → Rn ist homotop zu einer
glatten Abbildung f : M → Rn und zwar via der Homotopie
H : I × M → Rn , (t, x) 7→ tf(x) + (1 − t)ϕ(x).
Wird ϕ durch f ε-approximiert, so ist diese Homotopie sogar ε-klein, das heißt H ist zu
jedem Zeitpunkt höchstens ε von ϕ entfernt, in Formeln
kH(t, x) − ϕ(x)k 6 ε
für alle t und x.
Um diese Beobachtung und die vorangegangenen Aussagen entscheidend auf die Approximation durch glatte Abbildungen zwischen beliebigen Mannigfaltigkeiten zu verallgemeinern, brauchen wir ein technisches Hilfsmittel.
Theorem 5.4. Es sei Nn ⊂ Rn+k eine kompakte Untermannigfaltigkeit. Dann gibt es ein
derartiges ε > 0, dass die Umgebung Uε := {x ∈ Rn+k | dist(x, N) < ε} von N in Rn+k ein
glatter Retrakt von N ist. Das bedeutet: es gibt eine glatte Abbildung π : Uε → N derart, dass
πι = idN , wobei ι : N ,→ Uε die Inklusion ist.
Definition 5.5. Für genügend kleines ε > 0 nennen wir Uε zusammen mit dem Retrakt
π : Uε → N eine Tubenumgebung von N.
Beispiel 5.6. Für jedes 1 > ε > 0 ist Uε = {x ∈ Rn+1 | dist(x, Sn ) < ε} eine Tubenumgebung von Sn . Wir können einen Retrakt π : Uε → Sn sogar konkret angeben,
π(x) := x/ kxk. Die Forderung ε 6 1 stellt x 6= 0 sicher.
Diese Tubenumgebung wurde im Beweis, dass sich jede stetige Abbildung M → Sn
durch glatte Abbildungen approximieren lässt, benutzt. Ersetzen wir Sn durch N und
den konkreten Retrakt x 7→ x/ kxk durch eine Tubenumgebung, so erhalten wir die
gewünschte Verallgemeinerung.
Theorem 5.7. Seien ϕ : M → N eine stetige Abbildung zwischen differenzierbaren Mannigfaltigkeiten und Nn ⊂ Rn+k eine kompakte Untermannigfaltigkeit. Für jedes ε > 0 gibt es eine
glatte Abbildung f : M → N mit kϕ − fk2 < ε. Zudem sind f und ϕ homotop.
Beweis. Ohne Einschränkung sei ε > 0 so klein, dass Uε/2 eine Tubenumgebung ist.
Sei f̃ : M → Rn+k eine ε/2-Approximation an ϕ : M → N ⊂ Rn+k (in Rn+k !). Wir
bemerken, dass f̃(M) ⊂ Uε/2 – schließlich ist f̃ nur ε/2 von ϕ entfernt und ϕ bildet
nach N ab. Damit ist f := π ◦ f̃ eine wohldefinierte, glatte Abbildung M → N. Wir
behaupten, dass dies die gesuchte glatte Approximation an ϕ ist. Dies folgt so:
kϕ − fk2 6 ϕ − f̃ + f̃ − πf̃ 6 ε/2 + ε/2 = ε.
9
Literatur
Eine Homotopie von ϕ nach f ist durch
H : I × M → N, (t, x) 7→ π tf̃(x) + (1 − t)ϕ(x)
gegeben.
Beispiel 5.8. Später im Seminar werden wir einer glatten Abbildung f : M → N zwischen gleichdimensionalen Mannigfaltigkeiten einen Abbildungsgrad deg(f) zuordnen
und zeigen [1, S. 28, Theorem A, Theorem B], dass er nur von der glatten Homotopieklasse der Abbildung abhängt.
Obiges Resultat können wir nutzen, um den Abbildungsgrad für alle stetigen Abbildungen zu definieren und zu zeigen, dass er nur von der (stetigen!) Homotopieklasse der Abbildung abhängt: Zunächst sei ε > 0 so klein, dass Uε eine Tubenumgebung von N ist. Für eine stetige Abbildung ϕ : M → N zwischen gleichdimensionalen
glatten orientierten Mannigfaltigkeiten sei f : M → N eine ε 0 -Approximation für ein
ε/2 > ε 0 > 0. Wir setzen deg(ϕ) := deg(f). Das hängt nicht von der Wahl von f ab: Ist
nämlich g : M → N eine ε 00 -Approximation an ϕ mit ε 00 < ε/2, so ist
H : I × M → N, (t, x) 7→ π tf(x) + (1 − t)g(x)
eine glatte Homotopie zwischen f und g. In der Tat ist tf + (1 − t)g für jedes t ∈ I stets
in Uε , denn
ktf(x) + (1 − t)g(x) − ϕ(x)k 6 t kf(x) − ϕ(x)k+(1−t) kg(x) − ϕ(x)k 6 tε 0 +(1−t)ε 00 < ε
und ϕ(x) ∈ N. Für die zweite Aussage benötigen wir, dass zwei glatte Abbildungen,
die stetig homotop sind, auch glatt homotop sind (das ist nicht-trivial und benötigt eine Verallgemeinerung glatter Approximation, die besagt, dass man die Approximation
sogar so wählen kann, dass sie auf einer abgeschlossenen Teilmenge mit der ursprünglichen Abbildung übereinstimmt, falls diese dort bereits glatt war). Dann können wir für
homotope ϕ ' ψ entsprechende Approximationen f an ϕ und g an ψ zur Berechnung
von deg heranziehen. Wir sehen dann f ' ϕ ' ψ ' g durch stetige Homotopien, also
auch f ' g durch eine glatte Homotopie. Also deg(ϕ) = deg(f) = deg(g) = deg(ψ).
Literatur
[1] J. W. Milnor. Topology from the differentiable viewpoint. Princeton Landmarks in Mathematics. Based on notes by David W. Weaver, Revised reprint of the 1965 original.
Princeton University Press, Princeton, NJ, 1997, S. xii+64. isbn: 0-691-04833-9.
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