Entstehung rezeptiver Felder 30.1.2006 http://www.uni-oldenburg.de/sinnesphysiologie/ Vorlesungsprogramm 17.10.05 24.10.05 31.10.05 07.11.05 14.11.05 21.11.05 28.11.05 05.12.05 12.12.05 08.01.06 16.01.06 23.01.06 30.01.06 06.02.06 Motivation Passive Eigenschaften von Neuronen Räumliche Struktur von Neuronen Aktive Eigenschaften von Neuronen Das Hodgkin-Huxley Modell Kodierung sensorischer Reize + Modellsimulation Analysemethoden und Kodierungsprinzipien Variabilität neuronaler Antworten Stimulusschätzung und Informationstheorie Zwei Modelle retinaler Verarbeitung Synaptische Verschaltung Künstliche Neuronale Netze Entstehung rezeptiver Felder Lernen in natürlichen und künstlichen Netzwerken Programm für heute Entstehung rezeptiver Felder in der Retina: Netzwerkinteraktionen für Bipolarzellen dendritische Verarbeitung für Ganglienzellen Entstehung rezeptiver Felder im visuellen Cortex durch Netzwerkinteraktionen durch dendritische Verarbeitung Grundlegende Verschaltungsmuster Divergenz präsynaptisch postsynaptisch präsynaptisch + - + - Vorzeichenumkehr präsynaptisch + postsynaptisch Konvergenz - + postsynaptisch +- +- Rekurrenz Hausaufgabe Durch welche Verschaltungsmuster können rezeptive Felder mit Zentrum-Umfeld Organisation entstehen? On- und Off-Center Retinale Ganglienzellen Niedrigen Feuerrate bei diffuser Beleuchtung bei Onund Off-Center RGCs Bei zentraler Lichtreizung wird die Aktivität von On-Center RGCS erhöht und von OffCenter RGCs erniedrigt Bei peripherer Lichtreizung ist es umgekehrt Je größer der stimulierte Bereich, desto stärker die Abweichung von der Spontanaktivität Kandel et al., 2000 Einfachste Lösung: Laterale Inhibition durch Konvergenz präsynaptisch postsynaptisch +++ ON - Das Problem ist durch ein einschichtiges Netzwerk lösbar “Mexican hat” Struktur der postsynaptischen rezeptiven Felder kann durch verschiedene synaptische Gewichte erreicht werden Aber: eine postsynaptische Zelle reicht nicht Laterale Inhibition durch Konvergenz und Divergenz Laterale Inhibition durch eine Kombination aus Divergenz und Konvergenz führt zu einer Verstärkung von Kanten Für die Population resultiert eine “Mexican hat” Struktur Reichert, 1990 Problem: Sowohl excitatorische als auch inhibitorsche Synapsen nötig Laterale Inhibition durch Konvergenz und Divergenz präsynaptisch postsynaptisch + + + - ON -- +- --++ + OFF ON- als auch OFF-center Zellen haben die gleichen präsynaptischen Eingänge Allerdings müssen die präsynaptischen Zellen auf den einen Typ erregend und auf den anderen hemmend wirken Laterale Inhibition durch Konvergenz und Vorzeichenumkehr präsynaptisch + + + + Interneurone postsynaptisch +++ ON - Die Vorzeichenumkehr kann durch eine Schicht von Interneuronen geleistet werden Um On- und Off-Center Zellen zu erhalten, muss jedem präsynaptischen Neuron ein Interneuron nachgeschaltet sein, um Signale sowohl mit gleichem als auch mit umgekehrtem Vorzeichen zu übertragen Vorzeichenumkehr in der Retina? Ja, aber ungwöhnlich! Off-center Bipolarzellen behalten das Vorzeichen der Photorezeptoraktivität bei (ionotrope Glutatmatrezeptoren) ON-center Bipolarzellen kehren das Vorzeichen um (metabotrope Glutamatrezeptoren) Divergenz: Jeder Photorezeptor hat zwei nachgeschaltete Bipolarzellen Kandel et al., 2000 Konvergenz: Jede Ganglienzelle hat mehrere vorgeschaltete Bipolarzellen Konvergenz und Divergenz in der Retina? Ja! Reichert, 1990 Divergenz: ein Zapfen => zwei Bipolarzellen => mehrere Amakrinzellen Konvergenz: ca 15-50 Stäbchen => eine Bipolarzelle mehrere Bipolarzellen und mehrere Amakrinzellen => eine Ganglienzelle Konvergenz auf RGCs Die Größe des rezeptiven Feldes hängt von der Lage der Ganglienzelle ab Die Größe des Dendritenbaums entspricht der Größe des rezeptiven Feldes In der Fovea und der Peripherie konvergiert ungefähr die gleiche Anzahl Bipolarzellen auf eine Ganglienzelle Koch, 1999 Sieht so das retinale Netzwerk aus? Photorezeptoren Bipolarzellen Ganglienzellen + - + - + - + - + - + - + - OFF ON OFF ON OFF ON OFF ON OFF ON OFF ON OFF ON OFF ON Ja: So sehen die (vereinfachten) Feed-forward Verbindungen für Zapfen der Fovea aus Nein: Die Quer- und Feedback-verbindungen fehlen! Querverbindungen in der Retina Horizontalzellen Amakrinzellen Zentrum-Umfeld Organisation bei Bipolarzellen Nicht erst Ganglienzellen, sondern schon Bipolarzellen haben rezeptive Felder mit Zentrum und Umfeld Das Membranpotential wird je nach Lage eines Lichtpunkts graduiert in beide Richtungen verändert Möglichkeiten für die Entstehung rezeptiver Felder von Bipolarzellen Direkte Konvergenz Photorezeptoren Horizontalzellen Bipolarzellen Feedforward Inhibition + + -+ ON Nein! Zumindest in der Fovea 1:1 Verschaltung Photorezeptor -> Bipolarzelle + + -+ ON Umfeld wird durch direkten HorizontalzellInput gebildet noch unklar! Feedback Inhibition + - - + - ON Umfeld entsteht durch Hemmung des Photorezeptors durch Horizontalzellen gefunden Horizontalzell-Feedback Horizontalzellen reagieren mit Hyperpolarisation, wenn ihre präsynaptischen Photorezeptoren hyperpolarisieren Bei manchen Arten ist Feedback nachgewiesen Wenn ein Photorezeptor erregt wird, hyperpolarisiert die Horizontalzelle und depolarisiert dadurch die umliegenden Photorezeptoren Kandel et al., 2000 Horizontalzell-Feedback Photorezeptoren hyperpolarisieren umso mehr, je größer die Intensität eines kleinen Lichtreizes ist Bei großen Lichtreizen erfolgt zunächst eine identische Antwort Bei länger andauernder Reizung mit einem großen Lichtpunkt depolarisiert der Photorezeptor aufgrund des Horizontalzell-Feedbacks http://webvision.med.utah.edu/ Die Rolle von Horizontalzellen Horizontalzellen modifizieren die Synapse Photorezeptor -> Bipolarzelle (und verbinden Stäbchen und Zapfen) Feedback auf Photorezeptor bei manchen Arten nachgewiesen Wenig Hinweise auf direkte Synapse Horizontalzelle -> Bipolarzelle http://webvision.med.utah.edu/ Die Rolle von Horizontalzellen Horizontalzellen sind untereinander elektrisch gekoppelt deshalb besitzen sie ein rezeptives Feld das größer als der durch die Dendriten abgedeckte Bereich ist Die Kopplung ist abhängig von der Lichtintensität http://webvision.med.utah.edu/ Horizontalzellen spielen bei Adaptation eine große Rolle Amakrinzellen Es gibt viele verschiedene Typen von Amakrinzellen Die Funktion der meisten Amakrinzellen ist unklar Amakrinzellen bekommen Input von Bipolarzellen und anderen Amakrinzellen Die meisten Amakrinzellen wirken inhibitorisch auf Ganglienzellen und auf Biplarzellen http://webvision.med.utah.edu/ Disinhibition des Zentrums rezeptiver Felder von RGCs wird diskutiert Häufig chemische und elektrische Synapsen Einfluss von Querverbindungen Das physiologisch definierte rezeptive Feld von RGCs (Änderung der Feuerrate bei Stimulation eines Bereichs von Photorezeptoren) ist größer als das anatomisch definierte (Bereich von Photorezeptoren, zu dem über Bipolarzellen Kontakt besteht) Koch, 1999 Diese Kontexteffekte werden durch Querverbindungen der Horizontal- und Amakrinzellen bewirkt Die räumliche Struktur von Neuronen wirkt sich auf ihre Aktivität aus EPSPs sind umso größer, je feiner der Ast ist, in dem sie erzeugt werden (kleinere Kapazität, größerer Widerstand) Bei der passiven Weiterleitung wird das EPSP abgeflacht Je näher ein EPSP am Soma ausgelöst wird, desto größer ist seine Amplitude und desto schneller ist sein Zeitverlauf am Soma Stuart et al., 1999 Die räumliche Struktur von Neuronen wirkt sich auf ihre Aktivität aus Differenz zu nur 1. EPSP Differenz zu nur 1. EPSP in a) Dendriten machen den Zeitverlauf von EPSPs am Soma schneller EPSPs, die Dendriten passieren, werden dort gefiltert und dadurch langsamer. Dadurch erhöht sich die zeitliche Summation am Soma Die EPSPs addieren sich nichtlinear, je näher die Synapsen zusammen liegen, desto kleiner ist die Summe Stuart et al., 1999 Die räumliche Struktur von Neuronen wirkt sich auf ihre Aktivität aus Differenz zu EPSPs ohne Inhibition Wenn Excitation mit shunting Inhibition kombininiert wird, ist das resultierende EPSP verkleinert Shunting Inhibition wirkt sich auf diejenigen EPSPs aus, die an oder distal zur inhibitorischen Synapse ausgelöst werden EPSPs von anderen Dendritenästen sind kaum oder nicht beeinflusst Stuart et al., 1999 Die räumliche Struktur von Neuronen wirkt sich auf ihre Aktivität aus Die Auswirkung der räumlichen Struktur von Neuronen und der dadurch bedingten Integration synpatischer Eingangssignale ist experimentell kaum analysierbar Als Methode werden Compartmental Models verwendet, die die räumliche Struktur eines Neurons als Kabelmodell nachbilden Compartmental Models können um aktive Prozesse erweitert werden Stuart et al., 1999 Inhibition durch Amakrinzellen könnte Integration beeinflussen Shunting Inhibition durch Amakrinzellen kann die Wirkung excitatorischer Eingänge von Bipolarzellen vermindern Reduktion der EPSP Amplitude Entscheidend für die Stärke des Effekts sind die Lage (EPSP distal zu Inhibition) die zeitliche Abfolge (ungefähr zeitgleich) der synaptischen Eingänge relativ zueinander Modellstudie, experimentell unklar Koch, 1999 Hypothese: And-Not Logik durch shunting Inhibition Koch, 1999 Durch die räumliche Anordnung von excitatorischen und shunting Inhibition Synapsen lassen sich Operationen entsprechen der Boolschen Logik imlementieren z.B. in A) e3 AND-NOT (i1 OR i2 OR i3) OR [e2 AND-NOT (i1 OR i2)] OR (e1 AND-NOT i1) und in B) (e1 AND-NOT i1) OR (e2 AND-NOT i2) OR {[(e3 AND-NOT i3) OR (e4 ANDNOT i4) OR (e5 AND-NOT i5) OR (e6 AND-NOT i6)] AND-NOT i7} Retinales Netzwerk für RGCs mit Zentrum-Umfeld Organisation http://webvision.med.utah.edu/ Rezeptive Felder von Bipolarzellen: Zentrum: direkt von Photorezeptor Umfeld: vermittelt durch Horizontalzelle Aufteilung in ON- und OFFPathway bei Bipolarzellen Ganglienzelle integriert mehrere Bipolarzellen Die Rolle von Amakrinzellen ist unklar, sie könnten nichtlineare Effekte bewirken Weiterleitung visueller Information Kandel et al., 2000 Retinale Ganglienzellen leiten Information zum LGN (laterales Geniculatum im Thalamus) Nur geringe Konvergenz Rezeptive Felder im LGN entsprechen etwa denen von RGCs (Zentrum-Umfeld, ähnliche Größe) LGN leitet Information zum primären visuellen Cortex (VI) Simple Cells in V1 Im primären visuellen Cortex (VI) werden vorwiegend simple cells direkt durch Projektionen aus dem LGN erregt Simple cells haben meist keine Zentrum-Umfeld Organisation Simple cells reagieren typischerweise am besten auf längliche Lichtreize (Kanten) einer bestimmten Orientierung Kandel et al., 2000 Simple Cells in V1 Hubel und Wiesel haben die rezeptiven Felder von simple cells durch Konvergenz von Zellen mit gleicher Zentrum-Umfeld Organisation erklärt Heute weiss man, dass ON und OFF-center Zellen auf eine simple cell konvergieren Kandel et al., 2000 Complex Cells in V1 Kandel et al., 2000 Complex cells reagieren ebenfalls auf Kanten einer bestimmten Orientierung Wo in ihrem rezeptiven Feld sich diese Kante befindet, ist aber relativ unerheblich Es gibt keine Aufteilung des rezeptiven Feldes in erregenden und hemmenden Bereich Complex Cells in V1 Kandel et al., 2000 Hubel und Wiesel haben die rezeptiven Felder von complex cells durch Konvergenz von simple cells mit gleicher bevorzugter Orientierung erklärt Vermutlich spielen aber auch lokale Interneurone eine wichtige Rolle bei der Entstehung der rezeptiven Felder Grundlegende Zelltypen in V1 Pyramidenzellen: Eingang und Ausgang excitatorisch Interneurone: lokale Verarbeitung inhibitorisch http://webvision.med.utah.edu/ Kontexteinflüsse auf V1 Neurone Pyramidenzellen in V1 mit gleicher bevorzugter Orientierung sind Kolumnen-übergreifend gekoppelt Deshalb werden die Zellantworten auch durch die visuelle Umgebung rund um das rezeptive Feld beeinflusst Kandel et al., 2000 Aktive Prozesse in Dendriten Bei Pyramidenzellen (und anderen Neurone) gibt es dendritische spannungsabhängige Kanäle Dendritische Spikes sind recht variabel in ihrer Größe und Form Dendritische Spikes können somatische auslösen Durch aktive Prozesse verstärkte EPSPs können größere Distanzen überbrücken Stuart et al, 1999 Zurückpropagierte somatische Spikes interagieren mit dendritischen Aktive Prozesse in Dendriten Stuart, 1999 Durch aktive Prozesse werden schwache Eingangssignale unterdrückt und starke verstärkt, die Integration erfolgt also nichtlinear Durch starke Nichtlinearität bedingte Schwellen sind die Grundlage für Boolsche Operationen Dendritische Verarbeitung ermöglicht Koinzidenzdetektion Koch, 1999 Bei der dendritischen Integration synaptischer Eingangssignale ist die zeitliche Abfolge des Eintreffens entscheidend Aktive Prozesse werden nur bei Koinzidenz von EPSPs ausgelöst Rezeptive Felder entstehen durch dendritische Verarbeitung Modell: komplexe Eigenschaften rezeptiver Felder (Kontexteffekte, optische Täuschungen, Aufmerksamkeitseffekte) durch nichtlineare dendritische Integration erklärbar Stuart, 1999 Lokale Verarbeitung ermöglicht mehrere Berechnungen gleichzeitig Rezeptive Felder im visuellen System Zelle Photorezeptor Bipolarzelle Ganglienzelle LGNProjektionsneurone simple cell complex cell Rezeptives Feld homogen Helligkeit Zentrum-Umfeld, Kontrast Zentrum-Umfeld, Kontrast Zentrum-Umfeld, Kontrast langgestreckt Kanten ortsunabhängig Kanten teilweise Konvergenz Horizontalzellvernetzung Konvergenz Amakrinzell-Modifikation? leichte Konvergenz Feedbackeinflüsse? Konvergenz Interneuronen-Einflüsse? Konvergenz Interneuronen- und Feedback Einflüsse? Zusammenfassung Rezeptive Felder entstehen durch dendritische Integration synaptischer Eingangssignale Lokale, nichtlineare Verrechnung ermöglicht die Bildung komplexer Strukturen Auf Netzwerkebene spielt neben Konvergenz und Divergenz laterale Inhibition eine wichtige Rolle bei der Entstehung rezeptiver Felder Hemmung wird häufig durch Feedback-Schleifen vermittelt Im visuellen System ist die Rolle von Interneuronen und von dendritischer Integration für die Entstehung rezeptiver Felder noch weitgehend unklar