Schlaf, Muskelmasse und Muskelfunktion im Alter

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MEDIZIN
ORIGINALARBEIT
Schlaf, Muskelmasse
und Muskelfunktion im Alter
Querschnittsanalyse auf Basis der Daten der Berliner Altersstudie II (BASE-II)
Nikolaus Buchmann, Dominik Spira, Kristina Norman, Ilja Demuth,
Rahel Eckardt*, Elisabeth Steinhagen-Thiessen*
ZUSAMMENFASSUNG
Hintergrund: Der Verlust von Muskelmasse kann insbesondere im höheren
Lebensalter zu Mobilitäts- und Funktionseinschränkungen führen. Es wird angenommen, dass Schlafstörungen, die mit einer Prävalenz von 6–30 % in
Deutschland häufig auftreten, eine zentrale Rolle bei der Aufrechterhaltung von
Muskelmasse spielen. Die vorliegende Untersuchung basiert auf Daten der Berliner Altersstudie II (BASE-II) und analysiert Zusammenhänge zwischen Schlafeffizienz/-qualität und Muskelmasse/-funktion.
Methoden: Querschnittsdaten von 1 196 Probanden (52,5 % Frauen; 68 ± 4
Jahre) lagen vor. Das Schlafverhalten wurde anhand von Fragen des Pittsburgh
Schlafqualitätsindex, die appendikuläre Skelettmuskelmasse (ALM) mittels
Dual-Röntgen-Absorptiometrie und die Muskelfunktion durch eine Handgreifkraftmessung sowie durch Fragebögen zu körperlichen Aktivität und Beeinträchtigung körperlicher Aktivitäten erfasst. Niedrige Muskelmasse wurde mit
Hilfe der Body-mass-Index(BMI)-korrigierten Muskelmasse (ALM/BMI) bestimmt.
Ergebnisse: Schlechte Schlafqualität berichteten 19,1 % der Frauen und 13,4 %
der Männer. Männer unterhalb des ALM/BMI Cut-off-Werts erwähnten häufiger
eine sehr schlechte Schlafeffizienz (9,1 % versus 4,8 % bei Frauen; p < 0,002).
Die Odds Ratio, eine niedrige Muskelmasse aufzuweisen, lag nach Adjustierung
für Männer mit schlechter Schlafqualität bei 2,8 (95-%-Konfidenzintervall:
[1,1; 6,7]) und mit schlechter Schlafeffizienz bei 4,3 [1,2; 15,1]. Obwohl der Zusammenhang zwischen Schlafqualität/-effizienz und ALM/BMI Cut-off-Werten
bei Frauen nicht statistisch signifikant war, zeigte schlechte Schlafqualität eine
Assoziation mit verringerter Greifkraft (16,25 ± 2,33 kg versus 15,67 ± 2,38 kg;
p = 0,009) und verringerter Muskelmasse (ALM: 16,25 ± 2,33 kg versus
15,67 kg ± 2,38 kg; p = 0,016).
Schlussfolgerung: Die Analyse unterstützt die Annahme, dass Zusammenhänge
zwischen Schlaf und Muskelmasse vorliegen. Inwiefern die Muskelmasse vom
Schlafverhalten abhängt, muss in longitudinalen Studien festgestellt werden.
►Zitierweise
Buchmann N, Spira D, Norman K, Demuth I, Eckardt R,
Steinhagen-Thiessen E: Sleep, muscle mass and muscle function
in older people—a cross-sectional analysis based on data from the Berlin
Aging Study II (BASE-II). Dtsch Arztebl Int 2016; 113: 253–60.
DOI: 10.3238/arztebl.2016.0253
* Die Autoreninnen teilen sich die Letztautorenschaft.
Forschungsgruppe Geriatrie der Charité – Universitätsmedizin Berlin: Dr. med. Buchmann,
Dr. med. Spira, Priv.-Doz. Dr. rer. medic. Norman, Priv.-Doz. Dr. rer. nat. Demuth, Dr. med. Eckardt*,
Prof. Dr. med. Steinhagen-Thiessen*
Charité – Universitätsmedizin Berlin, Institut für Medizinische Genetik und Humangenetik, Berlin:
PD. Dr. rer. nat. Demuth
Deutsches Ärzteblatt | Jg. 113 | Heft 15 | 15. April 2016
on schlafbezogenen Beschwerden wird in Hausarztpraxen wie auch im Klinikalltag mit einer
Prävalenz von 6–30 % oft berichtet. Insbesondere bei
über 65-Jährigen sind Ein- und Durchschlafstörungen
häufig (1, 2, e1). Mit zunehmendem Lebensalter ändern
sich Schlafqualität, -quantität und -architektur (3–5):
● Abnahme von Gesamtschlafzeit, Schlafeffizienz
und Schlafqualität
● Abnahme von „rapid eye movement“ (REM)Schlafzeit und Tiefschlafzeit
● Zunahme von Schlaflatenz und Wachliegezeit
● Zunahme von Leichtschlaf und Wachphasen
● Zunahme von Tagesschlaf und Tagesschläfrigkeit.
Diese großteils physiologischen Schlafveränderungen
besitzen nicht zwangsläufig Krankheitswert und unterliegen individuellen Schwankungen. Unzureichende
körperliche Bewegung, fehlende kognitive Anreize, äußere Störfaktoren (zum Beispiel Lärm, fremde Umgebung, falsche Raumtemperatur), psychische Belastungen (wie Depressionen oder Angststörungen) sowie somatische Faktoren (beispielsweise Nykturie, Demenz,
Schlafapnoe, kardiovaskuläre Erkrankungen oder
Schmerzen) beeinträchtigen vor allem bei älteren Menschen den Schlaf (e2, e3, 6).
Schlaf ist mit biologischen und psychischen Regenerationsprozessen assoziiert. Unzureichender oder
unerholsamen Schlaf kann zu mangelnder Konzentrationsfähigkeit, kognitiver Verschlechterung, Leistungsminderung, Einschränkungen sozialer Kontakte,
Abnahme der Lebensqualität oder einem erhöhten
Sturzrisiko führen (e3, e4, 7–10). Tagesmüdigkeit sowie Konzentrationsstörungen können dazu beitragen,
dass sich die Betroffenen weniger körperlich betätigen
und somit Muskelmasse abgebaut wird (11).
Des Weiteren werden bei beeinträchtigtem Schlaf
und Schlafmangel metabolische, hormonelle und immunologische Veränderungen beobachtet (12). Die
anabolen Hormone IGF-1 und Testosteron, die eine
wichtige Rolle bei der Proteinsynthese und damit Aufrechterhaltung von Muskelmasse spielen, werden durch
Schlafdefizit herunterreguliert (12). Auf der einen Seite
gilt die damit assoziierte Insulinresistenz als wesentlicher Risikofaktor für den Verlust an Muskelmasse und
-funktion im Alter (13). Auf der anderen Seite begünstigt verringerte Muskelmasse selbst Insulinresistenz, da
V
253
MEDIZIN
Mögliche
Zusammenhänge
zwischen
Schlafqualität/
-effizienz und
Muskelmasse
(modifiziert
nach [16])
HOMA-IR,
Homöostase-Modell
der Insulinresistenz;
CRP, C-reaktives
Protein;
IGF-1, „insulin-like
growth factor-1“;
TSH, Thyreoideastimulierendes
Hormon
GRAFIK 1
schlechte
Schlafeffizienz/
-qualität
– Depression
Insulinresistenz
(HOMA-IR)
körperliche
Leistungsfähigkeit
Inflammation (CRP)
körperliche Aktivität
Hormone (Kortisol)
Hormone
(IGF-1, Testosteron)
Komorbiditäten
– Schilddrüsenfunktionsstörung
(TSH)
– Alkoholkonsum
– Nikotinkonsum
– Schmerzen
– schlafstörende
Ereignisse
niedrige
Muskelmasse
Muskulatur der Hauptwirk- und Hauptspeicherort für
Glukose ist. Schlaf und Muskelmasse stehen somit in
wechselseitiger Beziehung (Grafik 1). Insbesondere im
höheren Lebensalter kann muskulärer Funktionsverlust
zur frühzeitigen Einschränkungen bei Alltagsaufgaben
und letztendlich früheren Pflegebedürftigkeit führen.
Unter der Annahme, dass Schlaf und Muskelmasse miteinander in Verbindung stehen, wurden Daten der Berliner Altersstudie II (BASE-II) zu Schlafqualität sowie
-effizienz von selbstständig und zu Hause lebenden Senioren ausgewertet sowie mögliche Assoziationen mit
Muskelmasse, Greifkraft und körperlicher Aktivität untersucht.
(ALM/BMI), die 2014 durch das Foundation for the
National Institutes of Health (FNIH) Sarcopenia Project
definiert wurden, bestimmt (15–17). Die Methoden
werden im eKasten detailliert beschrieben.
Methoden
Schlafcharakteristika
Insgesamt 16,4 % der Studienteilnehmer (19,1 % der
Frauen und 13,4 % der Männer) bezeichneten die subjektive Schlafqualität als ziemlich schlecht oder sehr schlecht,
16,2 % (19,6 % der Frauen und 12,5 % der Männer) gaben
eine schlechte Schlafeffizienz (< 85 %) an. Frauen berichteten somit häufiger als Männer von einer schlechten
Schlafeffizienz und schlechten Schlafqualität. Die mittlere
Schlafdauer war bei Frauen statistisch signifikant kürzer
als bei Männern (6,9 ± 1 Stunden versus 7,1 ± 1 Stunden;
p < 0,001), bei längerer selbstberichteter Einschlafdauer
(21 ± 25 Minuten versus 15 ± 18 Minuten; p < 0,001).
Für die aktuelle Datenanalyse lagen Querschnittsdaten
zu Schlafverhalten (Pittsburgh Schlafqualitätsindex), appendikulärer Skelettmuskelmasse (ALM) und Muskelfunktion (Handgreifkraftmessung und Fragebögen zu
körperlichen Aktivitäten) von 1 196 Probanden (52,5 %
Frauen; 68 ± 4 Jahre) der BASE-II vor. BASE-II ist eine
epidemiologische Kohortenstudie, die vorrangig das
Ziel verfolgt, Mechanismen von Krankheitsentstehung
im Kontext des Alterungsprozesses zu untersuchen (14).
Niedrige Muskelmasse wurde anhand der Cut-off-Werte
für Body-mass-Index(BMI)-korrigierte Muskelmasse
254
Ergebnisse
Insgesamt lagen komplette Querschnittsdaten zu
Schlafeffizienz und -qualität sowie zu ALM und BMI
von 1 196 Studienteilnehmern (52,5 % Frauen; 68 ± 4
Jahre) vor. Der BMI wurde benötigt, um ALM/BMI zu
kalkulieren. Die deskriptive Statistik klinischer Charakteristika und Schlafcharakteristika der Probanden
findet sich geschlechtergetrennt in Tabelle 1.
Deutsches Ärzteblatt | Jg. 113 | Heft 15 | 15. April 2016
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Zusammenhang zwischen Cut-off-Werten für
Body-mass-Index-korrigierte Muskelmasse und Schlaf
Klinische Charakteristika und Schlafcharakteristika der
Probanden finden sich geschlechtergetrennt und aufgeteilt auf ALM/BMI Cut-off-Werte in Tabelle 2. Insgesamt unterschritten 77 Frauen (12,3 %) und 106 Männer (18,7 %) die geschlechtsspezifischen ALM/BMI
Cut-off-Werte.
Der Vergleich zwischen Männern und Frauen in
Tabelle 2 ergab, dass Männer signifikant häufiger
niedrigere BMI-korrigierte Muskelmasse aufwiesen
(< ALM/BMI Cut-off-Werte). Einzelne Schlafcharakteristika wie Einschlafdauer, Aufstehzeit, Bettliegezeit
oder Schlafdauer waren weder bei Männern noch bei
Frauen mit niedriger Muskelmasse (< ALM/BMI Cutoff-Werte) assoziiert. Lag eine niedrige Muskelmasse
vor, berichteten Männer und Frauen häufiger über Beeinträchtigungen bei körperlichen Aktivitäten. Dazu
zählten Probleme bei moderaten körperlichen Aktivitäten, beim Treppensteigen und beim Überqueren von
Kreuzungen. Ferner ergaben sich bei Probanden beider
Geschlechter verringerte Werte für die maximale Handgreifkraft. Insbesondere das Homöostase-Modell der
Insulinresistenz (HOMA-IR) als Surrogatmarker für
Insulinresistenz, aber auch C-reaktives Protein (CRP)
als Inflammationsmarker zeigten erhöhte Werte, wenn
ALM/BMI Cut-off-Werte unterschritten wurden und
somit eine niedrige Muskelmasse vorlag (Tabelle 2).
Zudem konnte bei männlichen Studienteilnehmern
mit niedriger Muskelmasse eine signifikant verringerte
Schlafeffizienz beziehungsweise Schlafqualität gesehen werden. Diese Ergebnisse zeigten sich auch nach
Bonferroni-Korrektur. Zudem war bei Männern das
anabole Hormon Testosteron bei niedriger Muskelmasse signifikant verringert. Diese Ergebnisse konnten bei
Frauen nicht beobachtet werden.
Zusammenhang zwischen Schlafqualität/-effizienz und Muskelmasse, Greifkraft sowie körperlicher Leistungsfähigkeit
Im Weiteren wurden mögliche Zusammenhänge zwischen ALM, ALM/BMI, Greifkraft, körperlicher Leistungsfähigkeit und Schlafqualität beziehungsweise
-effizienz untersucht (eTabelle).
Männer mit subjektiv schlechtem Schlaf beziehungsweise schlechter Schlafeffizienz hatten sowohl
eine signifikant geringere ALM als auch eine geringere
BMI-korrigierte Muskelmasse (Grafik 2). Die Greifkraft war hingegen weder bei Männern mit schlechter
Schlafeffizienz noch mit schlechter Schlafqualität statistisch signifikant verringert. Lediglich selbstberichtete Probleme bei mittelschweren körperlichen Aktivitäten zeigten sich häufiger, wenn eine schlechte Schlafeffizienz vorlag.
Frauen mit subjektiv schlechtem Schlaf beziehungsweise schlechter Schlafeffizienz wiesen keine geringere BMI-korrigierte Muskelmasse auf (Grafik 2). Bei
schlechter Schlafqualität war jedoch ALM, die nicht
auf BMI-korrigierte Muskelmasse, statistisch signifikant verringert. Im Gegensatz zu den männlichen Probanden zeigten sich hierbei jedoch statistisch signifiDeutsches Ärzteblatt | Jg. 113 | Heft 15 | 15. April 2016
kante Zusammenhänge zwischen schlechter Schlafeffizienz beziehungsweise schlechter Schlafqualität und
niedriger Greifkraft (eTabelle).
Subgruppenanalyse
In der Subgruppenanalyse von 259 Probanden, bei denen zusätzlich Fragen bezüglich schlafstörender Ereignisse (zum Beispiel Schmerzen, Wärme, Kälte, Lärm
oder Nykturie) und Schlafmittelkonsum erhoben wurden (62,2 % Männer; 68 ± 4 Jahre), gaben 19,7 % der
Probanden Schmerzen, 24,3 % Wärme, 11,2 % Kälte,
15,8 % Husten und 6,7 % Atembeschwerden als Grund
für Störungen oder Unterbrechungen des Schlafes mindestens einmal pro Woche an. Frauen berichteten dabei
häufiger von Schmerzen als Männer (27,5 % versus
14,9 %; p = 0,016) sowie die Einnahme von Schlafmitteln (12,2 % versus 4,3 %; p = 0,025). Weitere Gründe
für Schlafunterbrechungen waren geschlechterunabhängig verteilt.
Studienteilnehmer mit niedriger Muskelmasse
(< ALM/BMI Cut-off-Werte) und Probanden oberhalb
der ALM/BMI Cut-off-Werte litten vergleichbar häufig
an schlafstörenden Ereignisse wie beispielsweise Nykturie oder Schmerzen und zeigten ähnliche Beeinträchtigungen bei körperlichen Aktivitäten oder Greifkraft
(Daten nicht gezeigt).
Die Einnahme von Schlafmitteln war ebenfalls weder
mit Greifkraft noch mit Muskelmasse assoziiert. Jedoch
war die selbstberichtete körperliche Leistungsfähigkeit
bei Frauen deutlich vermindert, wenn Schlafmedikamente verwendet wurden. Eine statistische Signifikanz
ergab sich bei der Fähigkeit, mittelschwere Tätigkeiten
auszuüben (p = 0,032; Daten nicht gezeigt).
Regressionsanalyse
Zuletzt wurden Regressionsmodelle berechnet, um die
Odds Ratio (OR) von schlechter Schlafqualität (schlecht
oder sehr schlecht) und schlechter Schlafeffizienz
(< 85 %) bezogen auf ALM/BMI Cut-off-Werte zu bestimmen. Die Ergebnisse der männlichen Studienteilnehmer sind in Tabelle 3 abgebildet. Das Modell mit der aufwendigsten Adjustierung (Modell 3; adjustiert für Alter,
Größe, Gewicht, körperliche Aktivität, Komorbiditäten,
Depression, Alkoholkonsum, Raucherstatus, Thyreoideastimulierendes Hormon [TSH], Testosteron, HOMA-IR und
CRP; R2 nach Nagelkern = 0,581) ergab für Männer eine OR
von 2,8; 95-%-Konfidenzintervall [1,1; 6,7] bei schlechter
Schlafqualität und eine OR von 4,3 [1,2; 15,1] bei schlechter Schlafeffizienz, unterhalb der ALM/BMI Cut-off-Werte zu liegen. Bei Frauen hingen diese zwei Schlafcharakteristika nicht statistisch signifikant zusammen.
Modelle 1–3 wurden erneut mit Greifkraft anstelle
von ALM/BMI Cut-off-Werten berechnet (Daten nicht
gezeigt). In Modell 1 (p = 0,003) und Modell 2
(p = 0,045) war bei den weiblichen Probanden der
Einfluss von schlechter Schlafeffizienz auf Greifkraft
signifikant. Diese Ergebnisse wurden im Modell 3
nicht beobachtet (p = 0,084). Schlechte Schlafqualität
und Greifkraft waren in keinem Modell signifikant
assoziiert.
255
MEDIZIN
TABELLE 1
Charakteristika der Studienteilnehmer nach Geschlecht
Frauen (n = 628)
Männer (n = 568)
p
Alter (Jahre)
68 ± 4
69 ± 4
0,005
BMI (kg/m2)
26,4 ± 4,6
27,1 ± 3,6
< 0,001
Schlaf
Einschlafdauer (min)
21 ± 25
15 ± 18
< 0,001
Aufstehzeit (Uhrzeit ± SD in min)
07:18 ± 59
07:18 ± 63
n. s.
Bettliegezeit (Std.)
8,15 ± 0,97
8,11 ± 1,07
n. s.
Schlafdauer (Std.)
6,9 ± 1
7,1 ± 1
< 0,001
sehr gut
136 (21,7)
163 (28,7)
ziemlich gut
372 (59,2)
329 (57,9)
ziemlich schlecht
111 (17,7)
67 (11,8)
Schlafqualität (n [%])
sehr schlecht
Schlafeffizienz (n [%])
0,005
9 (1,4)
9 (1,6)
sehr gut
386 (61,5)
412 (72,5)
ziemlich gut
119 (18,9)
85 (15,0)
ziemlich schlecht
66 (10,5)
44 (7,7)
sehr schlecht
57 (9,1)
27 (4,8)
86 (87,8)
154 (95,7)
0,025
kein regulärer Schlafmittelkonsum (n [%])*
0,002
Lebensstil/Komorbiditäten (n [%])
regelmäßiger Zigarettenkonsum
50 (8,0)
66 (11,6)
< 0,001
regelmäßiger Alkoholkonsum
560 (89,2)
522 (91,9)
n. s.
Depression
85 (14,4)
49 (9,4)
0,006
Herzinsuffizienz
16 (2,5)
15 (2,6)
n. s.
koronare Herzkrankheit
17 (2,7)
31 (5,5)
n. s.
Diabetes mellitus
55 (9,4)
88 (17,6)
< 0,001
COPD
36 (5,7)
26 (4,6)
n. s.
270 (43,0)
276 (48,6)
n. s.
ALM (kg)
16,14 ± 2,35
23,93 ± 2,88
< 0,001
ALM/BMI
0,62 ± 0,10
0,89 ± 0,12
< 0,001
max. Handgreifkraft (kg)
arterielle Hypertonie
Muskelmasse und körperliche Leistungsfähigkeit
26,81 ± 4,94
41,87 ± 6,79
< 0,001
Probleme bei moderater körperlicher Aktivität (n [%])
150 (24,7)
83 (15,8)
< 0,001
Probleme beim Treppensteigen (n [%])
205 (33,7)
131 (25,0)
0,006
59 (9,7)
34 (6,5)
n. s.
Probleme beim Überqueren einer Kreuzung (n [%])
Laborparameter
TSH (mU/L)
2,1 ± 1,1
1,7 ± 0,58
< 0,001
CRP (mg/L)
2,06 ± 2,82
1,83 ± 2,40
n. s.
HOMA-IR
2,15 ± 1,85
2,96 ± 5,59
< 0,001
Testosteron (µg/L)
0,57 ± 0,48
16,49 ± 7,15
< 0,001
SD, Standardabweichung; COPD, chronisch obstruktive Lungenerkrankung; ALM, appendikuläre Skelettmuskelmasse; BMI, Body-mass-Index; ALM/BMI, BMI-korrigierte Muskelmasse; TSH, Thyreoidea-stimulierendes Hormon; CRP, C-reaktives Protein; HOMA-IR, Homöostase-Modell der Insulinresistenz; n. s., nicht signifikant
* Daten für 269 Probanden vorhanden; Angaben als Mittelwert ± Standardabweichung oder absoluter und prozentualer Anzahl
Diskussion
In der aktuellen Analyse einer Gruppe von 1 196 selbstständig und zu Hause lebenden Senioren der BASE-II
wurden Zusammenhänge zwischen Muskelmasse und
256
Schlaf gesehen. Die OR, unterhalb der ALM/BMI Cutoff-Werte zu liegen, ergab im Modell 3 bei Männern
mit schlechter Schlafqualität 3,64 [1,43; 9,31] und mit
schlechter Schlafeffizienz 4,23 [1,20; 14,88].
Deutsches Ärzteblatt | Jg. 113 | Heft 15 | 15. April 2016
MEDIZIN
TABELLE 2
Charakteristika der Studienteilnehmer nach Geschlecht und Cut-off-Werten für Body-mass-Index-korrigierte Muskelmasse
Frauen (n = 628)
ALM/BMI > 0,512
(n = 551)
Männer (n = 568)
ALM/BMI < 0,512
(n = 77)
p
ALM/BMI > 0,789
(n = 462)
ALM/BMI < 0,789
(n = 106)
p
Alter (Jahre)
68 ± 4
69 ± 4
0,050
69 ± 4
69 ± 4
n. s.
BMI (kg/m2)
25,7 ± 4,1
31,2 ± 4,8
0,001
26,4 ± 2,9
30,2 ± 4,5
0,001
Einschlafdauer (min)
22 ± 26
17 ± 18
n. s.
14 ± 15
20 ± 28
n. s.
Aufstehzeit (Uhrzeit ± SD in min)
07:18 ± 58
07:17 ± 60
n. s.
07:17 ± 60
07:19 ± 75
n. s.
Bettliegezeit (Std.)
8,16 ± 0,95
8,03 ± 1,12
n. s.
8,07 ± 1,05
8,27 ± 1,16
n. s.
n. s.
n. s.
Schlafdauer (Std.)
7±1
7±1
131 (28,4)
32 (30,2)
282 (61,0)
47 (44,3)
43 (9,3)
24 (22,6)
1 (1,3)
6 (1,3)
3 (2,8)
340 (61,7)
46 (59,7)
341 (73,8)
71 (67,0)
105 (19,1)
14 (18,2)
66 (14,3)
19 (17,9)
ziemlich schlecht
54 (9,8)
12 (15,6)
38 (8,2)
6 (5,7)
sehr schlecht
52 (9,4)
5 (6,5)
17 (3,7)
10 (9,4)
67 (84,8)
19 (100,0)
n. s.
121 (96,0)
33 (94,3)
n. s.
46 (8,3)
4 (5,2)
n. s.
59 (12,8)
7 (6,6)
0,024
494 (89,7)
66 (85,7)
n. s.
424 (91,8)
99 (92,5)
n. s.
max. Handgreifkraft (kg)
27,1 ± 4,9
24,7 ± 4,8
< 0,001
42,6 ± 4,8
38,8 ± 6,6
< 0,001
Probleme bei moderater körperlicher Aktivität (n [%])
Schlafqualität (n [%])
7±1
7±1
sehr gut
121 (22,0)
15 (19,5)
ziemlich gut
323 (58,6)
49 (63,6)
ziemlich schlecht
99 (18,0)
12 (15,6)
8 (1,5)
sehr gut
ziemlich gut
sehr schlecht
Schlafeffizienz (n [%])
kein regulärer Schlafmittelkonsum (n [%])*
n. s.
n. s.
0,001
0,017
Lebensstil (n [%])
regelmäßiger Zigarettenkonsum
regelmäßiger Alkoholkonsum
körperliche Leistungsfähigkeit
119 (22,3)
31 (41,7)
< 0,001
60 (14)
23 (24,5)
< 0,001
Probleme beim Treppensteigen (n [%])
165 (31)
40 (54,5)
< 0,001
92 (21,4)
39 (41,6)
< 0,001
Probleme beim Überqueren einer Kreuzung (n [%])
41 (7,7)
18 (24)
< 0,001
23 (5,3)
11 (11,7)
0,026
TSH (mU/L)
2±1
2±4
n. s.
2,2
3,6
n. s.
CRP (mg/L)
1,9 ± 2,8
3,2 ± 2,6
< 0,001
1,7 ± 2,5
2,3 ± 2,1
< 0,001
2,0 ± 1,9
3,0 ± 1,9
< 0,001
2,5 ± 3,4
4,8 ± 10,5
< 0,001
0,57 ± 0,48
0,56 ± 0,48
n. s.
16,84 ± 7,04
14,96 ± 7,45
0,014
Laborparameter
HOMA-IR
Testosteron (µg/L)
SD, Standardabweichung; ALM, appendikuläre Skelettmuskelmasse; BMI, Body-mass-Index; ALM/BMI, BMI-korrigierte Muskelmasse; TSH, Thyreoidea-stimulierendes Hormon; CRP, C-reaktives
Protein; HOMA-IR, Homöostase-Modell der Insulinresistenz; n. s., nicht signifikant
* Daten für 269 Probanden vorhanden; Angaben als Mittelwert ± Standardabweichung oder absoluter und prozentualer Anzahl
Bei Frauen hingen schlechte Schlafqualität und
ALM ebenfalls zusammen, ALM/BMI oder ALM/BMI
Cut-off-Werte waren jedoch nicht mit Schlafqualität
oder -effizienz assoziiert. Greifkraft als Maß der Muskelkraft war aber bei Frauen mit schlechter Schlafeffizienz oder Schlafqualität statistisch signifikant verringert. Ergebnisse bezüglich der Greifkraft wurden nicht
im Regressionsmodell 3 gesehen.
In die Kalkulation der Regressionsmodelle wurden Einflussvariablen beziehungsweise Störgrößen aufgenommen
(Tabelle 3, Grafik 1), die sowohl Schlafverhalten als auch
Deutsches Ärzteblatt | Jg. 113 | Heft 15 | 15. April 2016
Muskelmasse beeinflussen können (26). Muskelmasse
nimmt mit zunehmendem Alter ab und ist von Körpergröße sowie -gewicht abhängig (Modell 1). Daneben beeinflussen auch erhöhtes Lebensalter und erhöhter BMI
das Schlafverhalten. Körperliche Aktivitäten zählen zu
den protektiven, Lebensstilfaktoren wie Alkoholkonsum
und Rauchen sowie Komorbiditäten zu den negativen
Einflussfaktoren für Muskelmasse/-funktion und Schlaf
(Modell 2). Im Modell 3 erfolgte eine Kontrolle auf metabolische (Insulinresistenz; HOMA-IR) und hormonelle
Parameter (Testosteron und TSH; Modell 3) (27).
257
MEDIZIN
GRAFIK 2
a)
Frauen
Männer
1,50
p = 0,001
Frauen
Männer
1,30
1,30
1,10
1,10
ALM/BMI
ALM/BMI
1,50
0,90
0,90
0,70
0,70
0,50
0,50
b)
0,30
„schlechte“ oder
„sehr schlechte“
Schlafqualiät
„gute“ oder
„sehr gute“
Schlafqualität
p = 0,017
0,30
Schlafeffizienz
≥ 85 %
Schlafeffizienz
< 85 %
Abhängigkeit der Muskelmasse (ALM/BMI) von Schlafqualität (a) und Schlafeffizienz (b) bei Männern und Frauen
ALM, appendikuläre Skelettmuskelmasse; BMI, Body-mass-Index; ALM/BMI, BMI-korrigierte Muskelmasse; Schlafqualität, selbstberichtete Schlafqualität;
Schlafeffizienz, prozentualer Anteil der Schlafenszeit an der im Bett verbrachten Zeit
Die unterschiedlichen Ergebnisse zwischen Männern
und Frauen können aufgrund des Querschnittdesigns
nicht eindeutig geklärt werden. Insulinresistenz, die
sich insbesondere bei Männern mit verringerter Schlafdauer entwickelt, aber auch andere metabolische und
hormonelle Veränderungen könnten eine wichtige Rolle
spielen (28, 29). Zudem existieren Hinweise, dass der
BMI infolge einer verringerten Schlafdauer zunehmen
kann. Die Erhöhung des BMI zeigt sich bei Männern als
monotoner Trend (erhöhter BMI bei verringerter
Schlafdauer), wohingegen bei Frauen ein U-kurveförmiger Zusammenhang mit der Schlafdauer vorliegt
(29). Da sich unsere Ergebnisse auch auf die BMI-korrigierte Muskelmasse beziehen, könnte dies zu den unterschiedlichen Werten zwischen Männern und Frauen
beigetragen haben. Auch die Ergebnisse der Handgreifkraft, die positiv mit dem BMI assoziiert waren, können
dementsprechend beeinflusst worden sein (30, 31).
Männer hatten einen signifikant höheren BMI als Frauen (Tabelle 1).
Die aktuelle Datenanalyse von selbstständig und zu
Hause lebenden Senioren mit wenig Komorbiditäten
basierend auf Einzelfragen des standardisierten Pittsburgh Schlafqualitätsindex (PSQI)-Schlaffragebogens
zeigt jedoch, dass schlechte Schlafeffizienz und/oder
schlechte Schlafqualität im höheren Lebensalter häufig
berichtet werden (schlechte Schlafqualität bei 16,4 %;
schlechte Schlafeffizienz bei 16,2 %). Eine Subgruppenanalyse von 269 Probanden, bei denen zusätzlich
Daten zu Schlafmittelkonsum und schlafstörenden Ereignissen (Fragen aus dem PSQI-Fragebogen) erhoben
wurden, ergab zudem, dass schlafstörende Ereignisse,
nächtliche Wachphasen und regelmäßiger Schlafmittelkonsum ernstzunehmende Probleme sind. Diese Tatsa-
258
che spielt insbesondere in Hinblick auf die Hauptergebnisse der Studie eine wichtige Rolle: Schlechte Schlafqualität und -effizienz sind mit verringerter Muskelmasse beziehungsweise verringerter Greifkraft assoziiert.
Die Ergebnisse der Auswertung stehen dabei im Einklang mit aktuellen Arbeitshypothesen. Studienteilnehmer mit verringerter Schlafzeit oder ineffizientem
Schlaf, insbesondere im Rahmen der Schlafapnoe, weisen hormonelle oder metabolische Veränderungen auf
(e7–e10, 12, 28, 32, 33). Hormone wie Testosteron oder
IGF-1 werden hierbei herunter- und Kortisol heraufreguliert (e10, 33). Dabei ist insbesondere IGF-1 ein zentraler Faktor bei der Proteinsynthese im Muskel. Ein
IGF-1-Mangel enthemmt die Wachstumshormonsekretion und fördert eine Insulinresistenz. Diese gilt als
wichtiger Mediator für den Verlust von Muskelmasse
und Muskelkraft beziehungsweise die Entwicklung von
funktionellen Einschränkungen im Alter (34, 35). Auch
in der vorliegenden Analyse waren die Werte von
HOMA-IR als Marker für Insulinresistenz bei Probanden
unterhalb des ALM/BMI Cut-off-Wertes angestiegen.
Der Inflammationsparameter CRP, der auch in unserer
Auswertung bei Probanden unterhalb des ALM/BMI
Cut-off-Wertes erhöht war, wird ebenfalls im Kontext
von Muskelabbau diskutiert (36).
Bei Studienteilnehmern unter Schlafentzug wurde
bereits beobachtet, dass sich die Muskelmasse verringert und die Muskulatur abbaut (37, 38).
Analysen unserer Arbeitsgruppe belegten, dass die
ALM/BMI Cut-off-Werte auch im Zusammenhang mit
Frailty und körperlicher Leistungsfähigkeit für die
Gruppe der BASE-II Probanden anwendbar sind (22).
Eine Korrektur auf Körpergröße und -gewicht, wie
Deutsches Ärzteblatt | Jg. 113 | Heft 15 | 15. April 2016
MEDIZIN
TABELLE 3
Relatives Risiko für geringe Muskelmasse in Abhängigkeit von Schlafqualität und -effizienz bei Männern
Modell 1
OR, 95-%-KI
p-Wert
Modell 2
OR, 95-%-KI
p-Wert
Modell 3
OR, 95-%-KI*3
p-Wert
schlechte Schlafeffizienz*1
3,6 [1,2; 10,1]
0,021
3,7 [1,1; 12,1]
0,031
4,3 [1,2; 15,1]
0,025
schlechte Schlafqualität*2
2,6 [1,3; 5,4]
0,007
2,4 [1,1; 5,2]
0,034
2,8 [1,1; 6,7]
0,026
KI, Konfidenzintervall; OR, Odds Ratio; TSH, Thyreoidea-stimulierendes Hormon; HOMA-IR, Homöostase-Modell der Insulinresistenz; CRP, C-reaktives Hormon
*1 Schlafeffizienz < 85 %; *2 subjektive Schlafqualität ziemlich schlecht oder sehr schlecht; *3 R2 (nach Nagelkern) = 0,581
Modell 1: Alter, Größe, Gewicht
Modell 2: Model 1 + körperliche Aktivität + Komorbiditäten (Morbiditätsindex) + Lebensstilfaktoren (Alkoholkonsum und Raucherstatus)
Modell 3: Model 2 + Depression, Laborparameter (TSH, Testosteron, HOMA-IR und CRP)
McLean et al. und andere vorgenommen haben, spiegelt Limitationen bei körperlicher Leistungsfähigkeit
sowie die Handgreifkraft besser wieder und ist somit
ein geeigneterer Marker für klinisch relevant niedrige
Muskelmasse (15, 16, 39). Dennoch muss bedacht werden, dass der Einsatz fester Cut-off-Werte für ALM/
BMI im Einzelfall auch die Ergebnisse verzerren kann,
da ein identischer BMI bei verschiedenen Phänotypen –
in Bezug auf Größe, Gewicht und Muskelmasse – auftreten kann. Bei identischem BMI mit stark abweichenden Körpergrößen treten unterschiedliche BMIgewichtete ALM-Werte auf. Dementsprechend wurden
in unserer Analyse auch unabhängig von diesen festen
Cut-off-Werten Assoziationen zu Muskelmasse und
Greifkraft untersucht.
Eine verringerte Muskelmasse spielt im höheren Lebensalter eine entscheidende Rolle und ist nicht nur mit
der Bewältigung von Alltagsaktivitäten, sondern auch
mit geriatrischen Syndromen wie Frailty oder Sturz assoziiert. Somit nimmt die verringerte Muskelmasse ein
zentrales Themengebiet der Altersmedizin ein (22, 40).
Inwiefern sich der Schlaf auf die Aufrechterhaltung
von Muskelmasse auswirkt, ob die Muskelmasse den
Schlaf beeinflusst beziehungsweise eine positive Beeinflussung des Schlafverhaltens zur Aufrechterhaltung
von Muskelmasse beiträgt, kann aufgrund der aktuellen
Querschnittsuntersuchung nicht eindeutig geklärt und
sollte an longitudinalen Untersuchungsergebnissen verifiziert werden.
Schlafqualität entscheiden. Somit ist möglich, dass die
tatsächliche Schlafqualität über- oder unterbewertet
wurde. Gleiches gilt für die Fragen nach körperlichen
Aktivitäten und körperlicher Leistungsfähigkeit. Die
körperliche Aktivität wurde lediglich durch Befragung
analysiert, aber nicht durch andere Messinstrumente,
zum Beispiel Aktinograph, objektiviert. Schlafstörende
Ereignisse und Schlafmittelkonsum konnten nur mittels
der Daten einer Teilstichprobe von 269 Probanden ermittelt werden. Somit war es nicht möglich, für die gesamte Studienpopulation die PSQI Cut-off-Werte auszuwerten. Werden diese schlafstörenden Ereignisse in
unsere Berechnungen einbezogen, ändern sich die Ergebnisse jedoch nicht. Zuletzt handelt es sich bei
BASE-II nicht um eine Zufallsstichprobe der Bevölkerung: Die Befragten sind im Durchschnitt gesünder und
gesundheitsbewusster als die allgemeine Bevölkerung
(14). Erkrankungen wie die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) und die koronare Herzkrankheit sind unterrepräsentiert, wodurch die Ergebnisse
dieser Studienpopulation nicht uneingeschränkt auf die
Gesamtbevölkerung übetragen werden können. Aus unserer Sicht wäre zu erwarten, dass in einer Kohorte mit
mehr Komorbiditäten die Prävalenz für Funktionseinschränkungen steigt und die in der vorliegenden Studie
gefundenen Zusammenhänge tendenziell ausgeprägter
sind.
KERNAUSSAGEN
Limitationen
Unsere Ergebnisse unterliegen einigen Limitationen.
Die Daten der Schlafqualität sowie -effizienz sind
selbstberichtete und damit subjektive Informationen
aus einem Fragebogen. Durch die vorgegebenen Antwortmöglichkeiten zu Schlafqualität konnten Studienteilnehmer nur zwischen den folgenden Kategorien entscheiden:
● sehr schlecht
● ziemlich schlecht
● ziemlich gut
● sehr gut.
Die Gruppe der Probanden, die zwischen den Kategorien ziemlich schlecht und ziemlich gut schwankte,
musste sich somit für die Kategorie schlechte oder gute
Deutsches Ärzteblatt | Jg. 113 | Heft 15 | 15. April 2016
● Die Prävalenz von schlechter Schlafqualität und verminderter Schlafeffizienz im fortgeschrittenen Lebensalter
(> 60 Jahre) ist hoch. Frauen sind dabei stärker betroffen als Männer.
● Schlechte Schlafqualität und geringe Schlafeffizienz
sind bei älteren Menschen nicht nur mit Funktionseinschränkungen wie Verminderung von Greifkraft und körperlicher Aktivität, sondern auch mit Muskelmasse und
-funktion assoziiert.
● Unerholsamer Schlaf ist genauso wie verringerte Muskelmasse mit metabolischen (Insulinresistenz) und hormonellen Veränderungen assoziiert.
259
MEDIZIN
Interessenkonflikt
PD Dr. Norman bekam Studienunterstützung (Drittmittel) von Nutricia, einer
spezialisierten Healthcare-Sparte des Nahrungsmittelkonzerns Danone.
Die übrigen Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Manuskriptdaten
eingereicht: 24. 6. 2015, revidierte Fassung angenommen: 7. 12. 2015
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Anschrift für die Verfasser
Dr. med. Nikolaus Buchmann
Forschungsgruppe Geriatrie
Charité – Universitätsmedizin Berlin
Reinickendorfer Str. 61
13347 Berlin
[email protected]
Zitierweise
Buchmann N, Spira D, Norman K, Demuth I, Eckardt R, Steinhagen-Thiessen E:
Sleep, muscle mass and muscle function in older people—a cross-sectional analysis based
on data from the Berlin Aging Study II (BASE-II). Dtsch Arztebl Int 2016; 113: 253–60.
DOI: 10.3238/arztebl.2016.0253
@
The English version of this article is available online:
www.aerzteblatt-international.de
Zusatzmaterial
Mit „e“ gekennzeichnete Literatur:
www.aerzteblatt.de/lit1516 oder über QR-Code
eKasten, eTabelle:
www.aerzteblatt.de/16m0253 oder über QR-Code
Deutsches Ärzteblatt | Jg. 113 | Heft 15 | 15. April 2016
MEDIZIN
Zusatzmaterial zu:
Schlaf, Muskelmasse und Muskelfunktion im Alter
Querschnittsanalyse auf Basis der Daten der Berliner Altersstudie II (BASE-II)
Nikolaus Buchmann, Dominik Spira, Kristina Norman, Ilja Demuth, Rahel Eckardt*, Elisabeth Steinhagen-Thiessen*
Dtsch Arztebl Int 2016; 113: 253–60. DOI: 10.3238/arztebl.2016.0253
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Deutsches Ärzteblatt | Jg. 113 | Heft 15 | 15. April 2016 | Zusatzmaterial
I
MEDIZIN
eKASTEN
Methoden
● Studienpopulation
In der vorliegenden Arbeit wurden die Querschnittsdaten der Berliner Altersstudie II (BASE-II) analysiert. BASE-II ist eine epidemiologische Studie
zur Erkennung von Faktoren, die mit der Krankheitsentstehung assoziiert sind. Der multidisziplinäre Ansatz in BASE-II umfasst eine (bio)medizinische, genetische, sozio-ökonomische und psychologische Datenerhebung bei selbstständig und zu Hause lebenden Senioren (60–84 Jahre) sowie bei einer Kontrollgruppe von jungen Probanden (20–36 Jahre) (14). Die Teilnehmer wurden über Anzeigen in lokalen Tageszeitungen und im
öffentlichen Nahverkehr rekrutiert. Demnach handelt es sich bei der BASE-II um ein „convenience sample“. Für die aktuelle Auswertung lagen Daten zu Schlafverhalten sowie Muskelmasse und Body-mass-Index (BMI) von 1 196 älteren Personen (> 60. Lebensjahr) vor. Bei einer Untergruppe
von 269 Probanden (62,2 % Männer; 68 ± 4 Jahre) waren zudem Informationen zu schlafstörenden Ereignissen, unter anderem Schmerzen,
Hitze, Kälte und Lärm, sowie zur Einnahme von schlaffördernden Medikamenten vorhanden. Die Studie wurde von der Ethikkommission der
Charité – Universitätsmedizin Berlin genehmigt (Zulassungsnummer EA2/029/09).
● Schlafverhalten
Um das Schlafverhalten zu erfassen, wurden Fragen aus dem Pittsburgh Schlafqualitätsindex (PSQI) verwendet (18, 19). Der PSQI erfasst über
den Zeitraum der letzten vier Wochen, wie die Probanden die Schlafqualität (sehr gut, ziemlich gut, ziemlich schlecht, sehr schlecht), gewöhnliche
Schlafzeiten, Schlafdauer, Einschlafdauer und Aufstehzeit einschätzen. Die Schlafeffizienz wurde definiert als der Anteil der Schlafenszeit (Zeit, in
der geschlafen wurde) während der nächtlich im Bett verbrachten Stunden (Zeit vom „ins Bett gehen“ bis zum Aufstehen inklusive geschlafener
und wach im Bett verbrachter Zeit). Über 85 % der Probanden bewerteten die Schlafeffizienz als schlecht (e5, e6, 20). Die PSQI-Komponenten
Schlafqualität, Schlafeffizienz, Schlaflatenz und Schlafdauer wurden bei allen untersuchten Teilnehmern erfragt. Einer Untergruppe von 269 Probanden wurde der komplette PSQI-Fragebogen mit zusätzlichen Informationen zu Schlafstörungen (Schmerzen, Lärmbelästigung, Kälte, Wärme,
nächtliches Husten, häufiges Aufwachen oder Atembeschwerden), Schlafmittelkonsum und Tagesschläfrigkeit vorgelegt.
● körperliche Aktivität
Wir verwendeten den Rapid Assesment of Physical Activity (RAPA)-Fragebogen, um die körperliche Aktivität zu bestimmen (21). In diesem Fragebogen wird erfasst, wie häufig pro Woche und wie lange (mehr/weniger als 20/30 Minuten/Tag) leichte, mittelschwere oder schwere körperliche Aktivität durchgeführt wird. Falls mehrere Fragen bejaht wurden, wurde die höchstmögliche Gruppe ausgewählt. Die Probanden wurden zudem nach
Einschränkungen bei mittelschweren körperlichen Anstrengungen, beim Steigen mehrerer Treppenstufen, beim Überqueren mehrerer Kreuzungen, beim Heben und Tragen oder beim Beugen und Knien befragt, damit auch Beeinträchtigungen bei körperlichen Aktivitäten ermittelt wurden.
Als Antwortmöglichkeiten konnten keine, leichte oder schwerwiegende Beschwerden angegeben werden. Als Maß für die Muskelkraft wurde die
maximale isometrische Handgreifkraft mittels eines Smedley Dynamometers gemessen (Scandidact, Dänemark).
● Körperzusammensetzung
Die Körperzusammensetzung wurde mittels Dual-Röntgen-Absorptiometrie (DXA) bestimmt. Für die Messung und Analyse der röntgendiagnostisch erhobenen Daten wurde das Gerät Hologic QDR DiscoveryTM und die Software APEX Version 3.0.1 verwendet. Durch diese Messmethode
kann Fett- von Magermasse (Muskel- und Knochenmasse) unterschieden werden. Als Maß für die Muskelmasse wurde die appendikuläre
Skelettmuskelmasse (ALM) in Kilogramm als die Summe der Magermasse von Armen und Beinen (ohne Knochenmasse) berechnet. Um die
BMI-korrigierte Magermasse zu ermitteln, wurde der Quotient aus ALM und BMI (ALM/BMI) gebildet. Ein Wert von ALM/BMI < 0,512 bei Frauen
und ALM/BMI < 0,789 bei Männern galt als niedrige Muskelmasse, die mit einem erhöhten Risiko für Funktionseinschränkungen (verminderte
Greifkraft beziehungsweise Ganggeschwindigkeit) einhergehen kann (nach Foundation for the National Institutes of Health [FNIH]) (15, 22). Da
diese Cut-off-Werte nicht für jüngere Personen validiert sind, wurden lediglich die Daten der älteren BASE-II-Probandengruppe herangezogen.
● laborchemische Untersuchungen
Nach einer mindestens achtstündige Fastenperiode erfolgte eine umfangreiche laborchemische Blutuntersuchung. Der Glukosespiegel wurden mittels
photometrischer Messmethode und HbA1c mittels Ionenaustausch-Hochleistungsflüssigkeitschromatographie (HPLC) bestimmt. Das Thyroideastimulierende Hormon (TSH) und Testosteron wurden durch Elektro-Chemilumineszenzimmunoassay (ECLIA) erfasst. Die Insulinresistenz wurde über
den Nüchtern-Glukose- und Insulinspiegel im Homöostase-Modell der Insulinresistenz (HOMA-IR) als Nüchtern-Glukose (mg/dL) × Nüchtern-Insulin
(mU/mL)/405 berechnet. Die Konzentration des C-reaktiven Proteins (CRP) wurde in Serumproben mit einem Immunoassay-Test bestimmt.
● Alkoholkonsum, Rauchverhalten und Komorbiditäten
In der ärztlichen Anamnese wurden Alkoholkonsum (Menge und Häufigkeit) und Rauchgewohnheiten (aktuell/Ex-Raucher/nie) ermittelt. Die Diagnose
eines Typ-2-Diabetes konnte durch Laboruntersuchungen und bei Studienteilnehmern ohne bekannte Diagnose eines Typ-2-Diabetes mittels eines
oralen Glukosetoleranztests (oGTT) nach den Vorgaben der Deutschen Diabetesgesellschaft (DDG) objektiviert werden (Nüchtern-Blutzuckerwerte
von > 126 mg/dL; 2-Stunden-Werte > 200 mg/dL oder HbA1c-Level > 6,5 %) (23). Die Prävalenz von weiteren Erkrankungen wie zum Beispiel Depression, koronare Herzkrankheit, chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) oder bösartige Erkrankungen wurde durch eine ärztliche Anamnese
anhand eines Prüfbogens bestimmt. Um diese und andere Krankheiten in den Analysen zu berücksichtigen, wurde ein Morbiditätsindex verwendet,
der auf Kategorien des Charlson-Komorbiditätsindex basiert und schon früher von uns beschrieben wurde (24, 25). Außerdem wurde eine anamnestische Depression, die sowohl Schlaf als auch Muskelmasse beeinträchtigen könnte, in die Berechnungen aufgenommen.
II
Deutsches Ärzteblatt | Jg. 113 | Heft 15 | 15. April 2016 | Zusatzmaterial
MEDIZIN
● statistische Auswertung
Die statistische Auswertung erfolgte mit IBM SPSS Version 21 (Armonk, NY: IBM corp.). Zunächst wurde eine deskriptive Datenanalyse durchgeführt (Tabelle 1). Mittels Kolmogorov-Smirnov-Test wurde überprüft, ob die involvierten Variablen normalverteilt sind. Die weitere explorative Auswertung normalverteilter Variablen wurde durch parametrische Tests (t-Test), die nicht normalverteilter Variablen mit Hilfe nichtparametrischer
Tests (Mann-U-Test) durchgeführt. Ein p-Wert < 0,05 wurde als signifikant gewertet. Bei mehrfachen Vergleichen derselben Probandengruppe
(Tabelle 2) erfolgte für die Hauptzielkriterien Schlafqualität und Schlafeffizienz eine Bonferroni-Korrektur, woraufhin ein p-Wert < 0,025 als
statistisch signifikant galt. Die Ergebnisse des Mann-U-Tests sind im Boxplot (Grafik 2) bezüglich des Mittelwertvergleichs von BMI-korrigierter
Muskelmasse für die Hauptzielkriterien Schlafqualität und Schlafeffizienz grafisch abgebildet. Der Chi²-Test wurde verwendet, um Gruppenunterschiede in Häufigkeitsverteilungen zu bestimmen.
Hierauf wurden binär logistische Regressionsmodelle berechnet, um die Odds Ratio für Probanden mit schlechter Schlafeffizienz (Schlafeffizienz
< 85 %) oder schlechter Schlafqualität (ziemlich schlecht oder sehr schlecht) zu ermitteln, eine niedrige Muskelmasse (< der geschlechtsspezifischen ALM/BMI der FNIH) aufzuweisen. Die Modelle wurden für Alter, Größe, Gewicht, körperliche Aktivität, Komorbiditäten, Depression, Alkoholkonsum, Raucherstatus, TSH, Testosteron, HOMA-IR und CRP adjustiert (Tabelle 3) (Modell 3). Zuletzt wurden Modelle 1–3 erneut mit Greifkraft
als abhängige Variable berechnet (lineare Regressionsmodelle).
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III
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