Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz

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Referat zum Thema:
Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz
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Inhaltsverzeichnis:
1. Definition sexueller Belästigung
2. Was sind sexuell belästigende Verhaltensweisen
3. Männliche Ansichten zur sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz
4. Sexuelle Belästigung als Instrument
5. Gesellschaftliche Strukturen und sexuelle Belästigung
6. Täter - Opfer: Wer sind die Belästiger, wer die Belästigten?
7. Männer als Opfer sexueller Belästigung
8. Folgen sexueller Belästigung
9. Betrieblicher Umgang mit sexueller Belästigung
10.
Maßnahmen zum Abbau sexueller Belästigung in Betrieben
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1. Definition von sexueller Belästigung
Eine einheitliche Definition für sexuelle Belästigung zu finden ist problematisch, da das
„subjektive Erleben“ der Belästigten hierbei eine zentrale Rolle spielt. Für manche
Betroffene sind schon verbale Anspielungen oder sexistische Witze belästigend, für
andere erst eindeutigere Handlungen wie „zufällige“ Berührungen oder „Po-Kneifen“ bis
hin zu erzwungenen sexuellen Handlungen.
Zum Vergleich hier einige Definitionen zu sexueller Belästigung, die in anderen Ländern
Gültigkeit finden:
 „Eine Form der verdeckten und täglichen Aggression, die über den offensichtlichen
physischen und sexuellen Übergriff hinaus andere Verhaltensweisen einschließt, die
von der Person, an die sie gerichtet sind, nicht erwünscht werden, wie beispielsweise
verbale oder körperliche Übergriffe sexueller Art, obszöne Gesten, Erpressung...“
(Secretaria Confederal de la mujer, Comisiones Obreras, Spanien)
 „Sexuelle Belästigung verkörpert ein Verhalten, bei dem eine Person ohne ihre
Einwilligung gezwungen wird, einen sexuellen Kontakt oder sexuelle Beachtung zu
erdulden. Sexuelle Belästigung tritt in verschiedenen Formen auf: lästige Blicke,
vulgäre und peinliche Bemerkungen, anzügliche Aufforderungen, Zeigen von
pornographischen Fotos, Berührungen, Machtmißbrauch, um sexuelle Gefälligkeiten
zu erzwingen (Erpressung bei Einstellung oder Beförderung), sexuelle Aggression
und im schlimmsten Fall Vergewaltigung. Sexuelle Belästigung wird im Prinzip
absichtlich eingesetzt, sie ist unerwünscht und umfaßt in der Regel Gesten,
physisches Verhalten oder Kommentare mit erotischer Ausrichtung; diese Gesten,
Handlungen oder Kommentare sind verwerflicher und beleidigender Art; sie erfolgen
am Arbeitsplatz oder in Situationen, die mit der Arbeit zusammenhängen; es kann
sich um einzelne Taten oder um eine Reihe von Vorfällen handeln.“ (Cabinet du
Secrétaire d’Etat à l’Emancipation sociale / Comission du Travail des Femmes du
Ministère de l’Emploi et du Travail, Belgien)
 „Sexuelle Belästigung verkörpert eine Form der Diskriminierung aufgrund des
Geschlechts und besteht aus dem ungerechtfertigten Druck, der auf eine Person
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ausgeübt wird, um entweder sexuelles Entgegenkommen zu erhalten oder um ihre
geschlechtstypischen Eigenschaften ins Lächerliche zu ziehen, oder der eine
Gefährdung ihres Rechts auf Gleichstellung am Arbeitsplatz, ihres Rechts auf
gerechte und zumutbare Arbeits- und Ausbildungsbedingungen oder ihres Rechts auf
Würde nach sich zieht.“ (Comission des droits de la personne, Québec)
 „Als sexuelle Belästigung gilt jedes sexuelle oder sexistische Verhalten oder
Benehmen, das sich als verbal, visuell oder physisch ausdrückt, gegen eine Person
oder eine Gruppe von Personen gerichtet ist und die Verletzung ihres Rechts auf
Gleichstellung am Arbeitsplatz oder ihres Rechts auf Arbeitsbedingungen, die ihre
psychische und physische Integrität und den Schutz ihrer Würde garantieren,
bezweckt oder nach sich zieht.“ (Association européenne contre les violence faites
aux femmes au travail, Paris)
Eine eindeutige Definition im juristischen ist Sinne schwierig, so existiert sexuelle
Belästigung als Straftatbestand in der BRD nicht.
Handlungen, die unter sexuelle
Belästigung fallen könnten werden zum Beispiel als Beleidigung, Körperverletzung oder
Nötigung geahndet, was unseres Erachtens zu einer Verschleierung des Problems führt
und zeigt, daß sexuelle Belästigung immer noch zu den Tabuthemen gehört.
Im amerikanischen Rechtssystem wurden Definitionen und Regelungen gefunden. Die
Definition
des
EEOC
(Equal
Employment
Opportunity
Comission)
lautet:
Unwillkommene Annäherung, Aufforderungen zu sexuellen Gefälligkeiten und anderes
verbales oder physisches Verhalten sexueller Art bilden sexuelle Belästigung, wenn sie
unter den folgenden Umständen stattfinden:
-wenn die Einwilligung in sexuelle Annäherungen eine explizite oder implizite
Bedingung dafür ist, einen Arbeitsplatz zu behalten oder zu bekommen;
-wenn ein Vorgesetzter oder Arbeitgeber eine Personalentscheidung von der Bereitschaft
und Akzeptanz sexueller Annäherung abhängig macht;
-wenn sexuelle Handlungen die Arbeitsleistung einer Person beeinträchtigen oder eine
einschüchternde, feindselige oder beleidigende Arbeitsatmosphäre schaffen.
(Definition aus Hopfgartner und Zeichen, 1988)
Hier gibt es nun zwei Arten der Belästigung, nach denen unterschieden werden kann:
zum einen die „quid pro quo“ Belästigung, die sozusagen einem Handel gleichkommt,
bei dem für Sexualität berufliche Vorteile angeboten werden oder wo bei Verweigerung
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Nachteile angedroht werden. Die andere Art der Belästigung ist die auf der Grundlage
einer einschüchternden, feindseligen oder beleidigenden „Arbeitsatmosphäre“. Laut
USA Gerichtshöfen muß hier die Belästigung den Kriterien „sufficiently severe or
pervasive“ genügen, damit eine Anklage gerechtfertigt ist (Koen, 1990,91)
Ergibt sich bei einer Klage für amerikanische Gerichte das Problem zu entscheiden, ob
eine Anklage gerechtfertigt ist, so wird eine fiktive, „vernünftige“, weibliche Person und
deren angemessene Sichtweise angenommen. Damit soll dem Umstand Rechnung
getragen werden, daß Männer und Frauen unterschiedliche Sichtweisen eines Verhaltens
haben können.
Da es wie erwähnt in der BRD keine eindeutige rechtliche Definition sexueller
Belästigung gibt, möchten wir die Definition nennen, die der ersten repräsentativen
bundesweit
durchgeführten
Untersuchung
in
Deutschland
im
Auftrag
des
Bundesministeriums für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit (BMJFFG) zugrunde
gelegt wurde.
Unter sexueller Belästigung sind Verhaltensweisen zu verstehen, die von den
Betroffenen nicht erwünscht sind, als abwertend und herabwürdigend erlebt werden und
bei Verweigerung oder Duldung zu negativen Auswirkungen (Beeinträchtigung der
Arbeitszufriedenheit, Schikanen, Verlust des Arbeitsplatzes) führen können.
An deutschen Gerichten werden die sexuell belästigenden Verhaltensweisen
gegebenenfalls durch die Paragraphen
§174 Ziff. 1 StGB: sexueller Mißbrauch von Schutzbefohlenen (z.B. sexuelle
Handlungen an unter 16jährigen Auszubildenden);
§174 Ziff. 2 StGB: sexuelle Handlungen an unter 18jährigen unter Mißbrauch eines
Abhängigkeitsverhältnisses,
insbesondere
im
Rahmen
von
Ausbildungs-
und
Arbeitsverhältnissen;
§177 StGB: Vergewaltigung (Nötigung zum Beischlaf durch Gewalt oder durch
Drohung gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben);
§178 StGB: Nötigung zu sexuellen Handlungen;
§179 StGB: sexueller Mißbrauch Widerstandsunfähiger (vor allem bei Übergriffen auf
behinderte Frauen anzuwenden sowie auf Frauen mit „einer krankhaften seelischen
Störung, tiefgreifender Bewußtseinsstörung“ usw.);
§182 StGB: Verführung Minderjähriger (unter 16 Jahren);
§183 StGB: exhibitionistische Handlungen;
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§183a StGB: Erregung öffentlichen Ärgernisses;
§ 184C StGB: sexuelle Selbstbestimmung
§184 I Ziff. 1,2,5 und 6: Verbreitung pornographischer Schriften;
§185 StGB: Beleidigung (die Ehre wird durch vorsätzliche Kundgebung der Mißachtung
oder Nichtachtung rechtswidrig angegriffen, z.B. durch Witze, sexistische Äußerungen
usw.) und tätliche Beleidigung (betatschen, busengrapschen, zwischen die Beine greifen,
in den Po-Kneifen usw.);
§186 StGB: üble Nachrede (Behauptung einer beleidigenden Tatsache, die nachweislich
nicht wahr ist);
§187 StGB: Verleumdung (Behauptung einer beleidigenden Tatsache wider besseren
Wissens);
§223 StGB: Körperverletzung (bei körperlicher Mißhandlung und psychischer
Schädigung);
§223a StGB: Körperverletzung mit einer Waffe oder ähnlichen Gegenständen;
§223b StGB: Mißhandlung von Schutzbefohlenen;
§224, 225 StGB: Körperverletzung mit besonders schweren Folgen (Körperverletzung
von Personen unter achtzehn Jahren oder bei Handlungen Vorgesetzter gegenüber von
ihnen durch ein Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis abhängigen Personen) und
§ 240 StGB: Nötigung
abgedeckt. Gerade diese große Anzahl der Definitionen und die Anzahl der Gesetze in
Deutschland sind ein Hinweis darauf, wie schwer der Tatbestand der sexuellen
Belästigung einzugrenzen ist.
2. Was sind sexuell belästigende Verhaltensweisen?
Da ein Individuum die Verhaltensweisen eines anderen Menschen subjektiv einschätzt,
ist es schwer den Tatbestand der sexuellen Belästigung zu objektivieren. Manche
Menschen fassen bestimmte Verhaltensweisen als belästigend auf, wohingegen andere
dieselben Verhaltensweisen vielleicht als schmeichelnd oder als Kompliment werten
würden. Hier tauchen als Probleme auf, daß durch bestimmtes Verhalten verschiedene
Botschaften empfangen werden können. So kann am Arbeitsplatz ein Kompliment über
das Aussehen einer Frau diese einerseits freuen, sie andererseits aber auch auf ihre Rolle
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als Frau zurückverweisen, anstatt ihre Fähigkeiten anzuerkennen. Die Frau weiß in
diesem Moment nicht, in welche Richtung gehend das Kompliment gemeint war und das
erschwert wiederum ihre Reaktion. Außerdem waren viele Verhaltensweisen, die heute
verstärkt als belästigend oder abwertend nicht mehr geduldet werden, früher Teil eines
normativen Verhaltens. So hat Godenzi (1992) aus Gesprächen mit Männern Schlüsse
gezogen, daß Verhaltensweisen, die von Frauen als belästigend empfunden werden, für
die meisten Männer alltägliche Rituale der Expression, Annäherung, Kommunikation
und Bewertung seien. Sexuelle Handlungen sehen sie als Ausdruck ihrer aktiven Rolle
innerhalb des Interaktionsprozesses.
Eine wichtige Rolle spielt hier auch die Dynamik. So kann eine bestimmte
Verhaltensweise, zum Beispiel ein anrüchiger, anzüglicher oder sexistischer Witz oder
eine Berührung beim ersten Mal als nette Geste, Zufall oder Spaß wahrgenommen
werden, beim zweiten Mal allerdings schon als Belästigung. Es handelt sich also bei
sexueller Belästigung ähnlich wie beim „Mobbing“ nicht um einzelne Vorfälle, sondern
um dauerhafte, zermürbende und schikanierende Behandlungen.
Die folgende Tabelle der BMJFFG gibt an welche Vorkommnisse die weiblichen
Befragten schon mindestens einmal erlebt haben.
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aus: Holzbecher, M. (1992) S.24f.
Von diesen Verhaltensweisen wurden nur die ersten drei mehrheitlich nicht als sexuelle
Belästigung eingestuft. Werden die ersten drei also nicht beachtet, wurden laut Studie
72% der befragten Frauen schon einmal sexuell belästigt. Die anderen Verhaltensweisen
wurden mit Ausnahme pornographischer Bilder am Arbeitsplatz (75%) mit 85%iger
Übereinstimmung als sexuell belästigend eingeschätzt.
Unterschiede zwischen Männern und Frauen zeigen sich in der Wahrnehmung des
Problemausmaßes sexueller Belästigung. So meinen zwar beide, daß die Dunkelziffer
hoch sei, aber die Männer schätzen die Möglichkeiten zur Gegenwehr höher ein als die
Frauen und sie rechnen mit weniger negativen Konsequenzen. 63% der Männer sind der
Ansicht, daß nur sehr wenige Frauen sexuell belästigt werden und 39% waren dagegen,
einen Kollegen wegen Belästigung bloßzustellen, während dies nur zu 1/5 bei Frauen
zutraf. Die Männer sahen sexuelle Belästigung durchaus als Problem an und stimmten
mit den als belästigend empfundenen Verhaltensweisen der Frauen überein. Laut
BMJFFG-Studie läßt sich trotzdem vermuten, daß nur wenige Männer die Partei der
Opfer ergreifen würden, aus Angst, sich vor den männlichen Kollegen lächerlich zu
machen. Sie geben damit ihrer männlichen Solidarität den Vorrang.
3. Männliche Ansichten zur sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz
Sexuelle
Belästigung
am
Arbeitsplatz
ist
nach
Godenzi
inexistent.
Die
Handlungsabläufe, die als sexuell belästigend eingestuft werden können, werden wie
schon beschrieben von den meisten Männern als alltägliche Rituale angesehen. Frauen
haben durch ihre Geschlechtszugehörigkeit oft Aufforderungscharakter für Männer.
Männliche Verhaltensweisen sind hier Kontroll- und Disziplinierungsmaßnahmen. So
kam von Männern, die auf das Problem der sexuellen Belästigung angesprochen wurden
erst einmal Abwehr, Wut, Indifferenz und Fremdbeschuldigung zu Tage. Gängige
Kommentare sind:
- „Falls so etwas überhaupt vorkommt gehen Provokationen der Frau voran (Kleidung,
Blicke, Worte, Gesten, etc.)
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- Frauen wollen einen Vorteil erzielen. Wenn Männer sie zu explizit beim Wort nehmen,
tut es manchen von ihnen nachher leid und sie schieben die Schuld dem Mann zu
- Ohne da bißchen Feuer zwischen den Geschlechtern ist das Leben fad. Frauen haben es
ganz gern, wenn Männer sie verbal oder auch physisch anmachen ( das männliche
Wissen über die Wünsche der Frau).
- Da Frauen über weniger Sachkompetenz verfügen, setzen sie ihre Geschlechtlichkeit
als Karrieremittel ein.
Solche Erkärungsstrategien können als kognitive Restrukturierungstechniken bezeichnet
werden. Sie werden eingesetzt, wenn verbindliche Normen verletzt wurden.“ (Godenzi,
A.; „Männerlogik am Arbeitsplatz“, S.40 in Gerhard, U. et al. (Hrsg.): „Tatort
Arbeitsplatz“, München, 1992)
Wenn jemand Normen verletzt, so versucht er das eigene Verhalten durch bestimmte
Verhaltensweisen und Techniken zu rechtfertigen, nämlich indem Verantwortung
abgelehnt und das Ereignis geleugnet wird, dem Opfer die Schuld gegeben oder es
diskriminiert wird, Folgen der Handlung verleugnet oder minimiert werden und das
Ereignis umgedeutet, verharmlost, relativiert und moralisch gerechtfertigt wird und
indem negative Implikationen bezüglich der eigenen Person minimiert werden.
4. Sexuelle Belästigung als Instrument
These: Sexuelle Belästigung kann ein Machtmißbrauch und/oder ein Platzverweis sein,
der durch sexuelle Verhaltensweisen umgesetzt wird
Die Täter belästigen ihre Opfer nicht weil sie hoffen dadurch eine „Beziehung“ aufbauen
zu können. Eher bestätigen sie sich durch die Belästigung Untergebener oder
„Schwächerer“ selbst in ihrer Machtposition zum Beispiel durch sexuelle Erpressung mit
angedrohter Kündigung oder sie versuchen angstauslösende Konkurrenten durch
Herabwürdigung, Bloßstellen etc. Abzuschütteln unter anderem durch das Schaffen einer
feindseligen Arbeitsatmosphäre. „Sexuelle Belästigung ist weniger eine Frage der
Sexualität als der Macht. Sexualität ist das Mittel, das wirkungsvoll eingesetzt werden
kann, um Macht zu demonstrieren.“ (Holzbecher;M.; „Sexuelle Belästigung am
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Arbeitsplatz - Ergebnisse einer bundesweiten Studie“ in Gerhard, U. et al. (Hrsg.):
„Tatort Arbeitsplatz“ ; München 1992)
Hier sei auch das Thema „Mobbing“ durch sexuelle Belästigung oder durch das
Gegenteil, nämlich durch das Unterstellen von sexueller Belästigung, zu erwähnen.
Sexuelle Belästigung kann also als Instrument der Belästiger angesehen werden, um
Kontrolle zu erlangen, was jedoch nicht unbedingt bewußt als solcher Prozeß
wahrgenommen oder intendiert ist. Der Zweck sexueller Belästigung wäre hier die
Frauen „daran zu erinnern“, d.h. sie zu disziplinieren, sich auf eine bestimmte Weise zu
verhalten, wenn sie in der Arbeitswelt bleiben wollen. Das Hauptziel wäre, daß die
lukrativen Arbeitszusammenhänge ein von Männern dirigiertes und exploitiertes
Kommunikationsfeld bleibt. Das Verhalten von Frauen in der Arbeitswelt wird von
Männern kontrolliert und eingeschränkt. Wenn gegen diese Regeln verstoßen wird, kann
dies nach Godenzi mit Bußen und Ausschlüssen geahndet werden. Für den Mann ist die
Frau auch in de Arbeitswelt Objekt männlicher Lust und Willkür.
5. Gesellschaftliche Strukturen und sexuelle Belästigung
These: Sexuelle Belästigung kann als Ausdruck der noch immer vorhandenen Hierarchie
der Geschlechter in unserer Gesellschaft gedeutet werden.
Sexuelle Gewalt gegen Frauen und Mädchen dient „der Aufrechterhaltung der
bestehenden patriarchalen Machtverhältnisse.....sexuelle Gewalt ist Ausdruck und
Instrument der bestehenden Geschlechterhierarchie.“ (Heiliger, A.; „ Gewalt gegen
Frauen hat viele Gesichter“. In Gerhard, U. et al. (Hrsg.): „Tatort Arbeitsplatz“;
München, 1992)
So werden Frauen, die in typischen Männerdomänen arbeiten häufiger mit sexuellen
Übergriffen konfrontiert. Da sie aber einem hohen Anpassungsdruck ausgesetzt sind,
nehmen sie die sexuellen Verhaltensweisen weniger häufig als Belastung wahr als
andere Berufstätige.
Auch durch bestehende Vorurteile und aus der verbreiteten Einstellung, daß Frauen sich
durch eine Beziehung zu ihren Chef oder Vorgesetzten beruflich oder privat verbessern
wollen - „jede Krankenschwester will einen Arzt heiraten und jede Sekretärin hat es auf
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ihren Chef abgesehen“- resultiert, daß sexuell belästigende Verhaltensweisen und
sexuelle Übergriffe immer noch als vom Opfer erwünschtes Verhalten erscheinen.
6. Täter - Opfer: Wer sind die Belästiger, wer die Belästigten?
Laut der Studie des BMJFFG ist die größte Gruppe der Belästiger unter den männlichen
Kollegen zu finden (38%). Ungefähr 1/3 der Belästiger sind Vorgesetzte und je nach
beruflicher Eigenheit treten als weitere Gruppe Kunden/ Klienten und Patienten (14%)
auf.
Man könnte den „üblichen Täter“ als Mann zwischen 40 und 50 Jahre alt, verheiratet
und mit langer Betriebszugehörigkeit beschreiben.
Die „typischen“ weiblichen Opfer sind oft zwischen 20 und 30 Jahre alt und sind in der
Regel erst ein bis drei Jahre im Betrieb tätig, haben eine feste Partnerschaft und keine
Kinder. Sie stehen häufig in einem für die Lebensplanung wichtigen Abschnitt, der über
beruflichen und privaten Werdegang entscheidet. Ungefähr 1/4 der belästigten Frauen
sind Auszubildende.
Diese Aussagen sind zwar stark verallgemeinert, kategorisiert und haben einen
Vorurteilscharakter, jedoch steckt in ihnen sicherlich ein wahrer Kern. Früher war es in
der Tat eher der Fall, daß eine junge Frau, die Zeit zwischen Schulabschluß und Heirat,
mit arbeiten überbrückt hat und sich in dieser Zeit einen Mann gesucht hat. Die
Arbeitswelt wurde da mehr oder weniger auch als „Heiratsmarkt“ benutzt. Durch die
Emanzipation hat die heutige Frau allerdings andere Ziele und Ansprüche der
Selbstverwirklichung (Rastetter, D., 1994). Für sie ist die Arbeitswelt keine
Zwischenstufe zur Heirat mehr, während der von uns beschriebene „typische“ Belästiger
mit ungefähr 50 Jahren noch der Generation angehört, in der es üblicher war, die
Arbeitswelt als „Heiratsmarkt“ zu benutzen. Unsere These scheint vielleicht auf den
ersten Blick weit hergeholt, aber wir sind der Meinung, daß man sexuelle Belästigung
zum Teil auch als einen Generationskonflikt beschreiben könnte.
Die Opfer sexueller Belästigung haben meistens einen sozial und beruflich unsichereren
Status als die Belästiger, was es ihnen erschwert, sich gegen die Belästigung erfolgreich
zur Wehr zu setzen. Die Ergebnisse der Studie mögen vielleicht klischeehaft klingen,
aber sie demonstrieren trotzdem deutlich die verschiedenen Ausgangsebenen der
Belästiger und der Belästigten.
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7. Männer als Opfer sexueller Belästigung
Laut der Studie des BMJFFG wurden 19% der befragten Männer schon einmal belästigt.
Dabei ging die Belästigung zu 37% von Frauen aus, zu 18% von männlichen Kollegen,
ebenfalls zu 18% von Kunden und Klienten und zu 7% von einer Gruppe von Frauen.
Die Männer gaben eher an, sich davon geschmeichelt zu fühlen (67%), während sich nur
15% der Befragten angeekelt fühlten und 31% völlig „unbeeindruckt“ blieben. Bei
diesen Zahlen sollte allerdings berücksichtigt werden, daß die herrschenden
Männlichkeitsideale von den Männern verlangen, sich gegen eine Frau „zur Wehr“
setzen zu können, bzw. es gilt als angesehen, von Frauen „umworben“ zu werden.
Würde ein Mann wegen sexueller Belästigung Beschwerde einlegen oder sich wehren,
könnte er sich dem Verdacht der Kollegen aussetzen homosexuell zu sein oder mit einer
Frau nicht richtig umgehen zu können. Selbst eine ausbleibende Reaktion seitens des
Mannes auf eine weibliche sexuell belästigende Aktivität kann aufgrund des
Männlichkeitsbildes negativ sanktioniert werden.
Zum anderen können Männer, die von Männern belästigt werden so traumatisiert sein,
daß sie sich nicht trauen, Beschwerde einzulegen. Die Täter, die Männer belästigen, sind
meistens jünger als die typischen Belästiger von Frauen und sie sind dem belästigten
Mann beruflich eher gleichgestellt.
Die belästigenden Frauen sind in den meisten Fällen die Vorgesetzten der Männer.
8. Folgen sexueller Belästigung
Auf Seiten der Opfer können als Folge sexueller Belästigung verschiedene negative
Symptome
auftreten,
wie
Streß,
Angst,
sinkende
Motivation,
Scham,
Beziehungsstörungen zu Männern und gesundheitliche Probleme wie beispielsweise
psychosomatische Beschwerden. Diese Symptome beziehen sich nicht nur auf die
Arbeitszeit, sondern beeinflussen das ganze Leben der betroffenen Personen. Hierbei
gestehen sich besonders Frauen oft nicht ein, daß die Beschwerden direkte Folgen der
Belästigung sind, da sie sich dann auch die Demütigung eingestehen müßten.
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Nach einer Schätzung von Gutek (1985) kündigen 10% der Frauen wegen sexueller
Belästigung ihr Arbeitsverhältnis oder sie werden dazu gedrängt zu kündigen.
Da sexuelle Belästigung von den Frauen aus Scham, Demütigung oder Angst oft
verheimlicht wird, haben die Betroffenen keine Chance, sich gemeinsam gegen den oder
die Belästiger zur Wehr zu setzen. Hier kommt es zu Motivationsrückgängen, höheren
Fehlzeiten, häufigen Krankmeldungen u.ä. Hier entsteht also auch für das Unternehmen
ein erheblicher Schaden. In einer Untersuchung in 160 der 500 größten Unternehmen der
USA konnte jeweils ein Produktionsausfall von durchschnittlich 6,7 Millionen Dollar
festgestellt werden.
aus: Rastetter, D. (1994), S.185
9.Betrieblicher Umgang mit sexueller Belästigung
Belästigte Frauen erwarten von einer offiziellen Beschwerde nicht viel Hilfe sondern
rechnen häufig eher mit zusätzlichen Problemen. Die Erfahrungen der Frauen, die sich
an eine offizielle Stelle gewendet haben, lassen sich als Bagatellisierung, Parteinahme
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für den Täter und peinliche, wiederholende Dauerbefragungen beschreiben. So wird
häufig eine Vorab-Schuldzuweisung an das Opfer betrieben.
Ein anderes Problem ergibt sich, wenn der Personalverantwortliche die Handlungen
sofort in einen juristischen Tatbestand umformuliert, der nur in sehr schweren Fällen
und bei absolut eindeutiger Beweislast geahndet werden kann. Die Beweislage zu klären
ist ein schwieriges Unterfangen, da häufig keine Zeugen existieren oder sie nicht bereit
sind auszusagen.
Ein weiteres generelles Problem für das Opfer ist die Möglichkeit, daß eine
Belästigungsbeschwerde als Qualifikationsdefizit angesehen werden kann, da die
betroffene Person doch mit etwas derartigem „umgehen können müßte“.
Die Frauenbeauftragte der Schutzpolizei des Landes Nordrhein-Westfalen sagte dazu in
einem Zeitungsinterview:
„Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist kein Thema, da die Polizistinnen selbstbewußt
genug sind, diese Art von Problemen alleine zu meistern.“ (Westfälische Rundschau,
31.03.1990, S.2, Wochenendbeilage)
Mit dem Grundsatz „im Zweifel für den Angeklagten“ werden häufig laufende
Geschlechterstereotypen und Vorurteile verbunden wie z. B. die Belästigung wäre nur
ein „mißglückter Kontaktversuch eines einsamen Mannes“ gewesen oder der natürliche
Sexualtrieb des Mannes sei manchmal eben nicht kontrollierbar, was oft mit einer
Rückschuldzuweisung an das Opfer einhergeht - das Opfer sei selber Schuld, da es sich
zu aufreizend verhalten habe.
10.
Maßnahmen zum Abbau sexueller Belästigung in Betrieben
Sexuelle Belästigung stellt also eine Belastung am Arbeitsplatz dar, auch wenn sie von
subtiler Art ist, bei der meistens keine offene Gewalt erkennbar ist. Hier wird ein angstund stressfreies Arbeiten verhindert. Arbeitgeber, Organisationen, Gewerkschaften,
Betriebs-
und
Personalräte
Antidiskriminierungsgesetz
sind
dazu
laut
bestehenden
verpflichtet,
solche
Schutznormen
und
Beeinträchtigungen
dem
am
Arbeitsplatz zu verhindern. Aber was können Verantwortliche tun, um solche
Situationen zu vermeiden oder zu verändern?
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1. - Sie sollten offen Stellung beziehen und das Verhalten der Belästiger kritisieren und
als drastisches Fehlverhalten deklarieren.
2. - Sie müssen mehr als üblich Frauen beratend unterstützen.
3. - Es kann vorteilhaft sein anonyme Regelungen zu finden, so könnte ein Vorgesetzter
einen
Beschuldigten
auf
sein
Fehlverhalten
ansprechen,
ohne
seine
Informationsquelle preiszugeben.
4. - Das weiter Verhalten des Belästigers sollte beobachtet werden.
5. - Der oder dem Belästigten muß auf Wunsch die Möglichkeit gegeben werden, die
Angelegenheit selbst zu regeln.
Nach Godenzi reicht dieses aber noch nicht aus, sondern für ihn sind effektive, primäre
und langfristige Präventionsstrategien vorrangig wichtig:
 „Gleichstellung der Geschlechter (Macht- und Führungspositionen, Arbeitsteilung,
Einbindung der Männer in Reproduktionspflichten etc.).
 Ökonomischer Ausgleich (Lohn, Renten, Versicherungen),
 Auflösung
von
Gewaltnormen
(incl.
Gesetzesvorschriften
gegen
Gewaltanwendungen).
 Stärkung des sozialen Netzwerks (u.a. weibliche Arbeitszusammenhänge fördern,
nicht nur in schlecht bezahlten Bereichen).“ (Godenzi, A.; „Männerlogik am
Arbeitsplatz“, S.46 in Gerhard, U. et al. (Hrsg.): „Tatort Arbeitsplatz“, München,
1992)
Eine Zielsetzung muß in jedem Fall sein, das weitgehend nichtvorhandene
Unrechtsbewußtsein zu entwickeln und die Tabuisierung sexueller Belästigung
aufzuheben. Hierbei ist es besonders wichtig, zur Sensibilisierung und zur Erweiterung
von
Beratungs-
und
Handlungskompetenzen
für
Verantwortliche
und
Entscheidungsträger beizutragen, indem zum Beispiel Schulungen angeboten werden
könnten.
Es
sollte
eingesehen
werden,
daß
sexuelle
Belästigung
keine
Privatangelegenheit „überempfindlicher Frauen“ ist, sondern auch einen groben Verstoß
gegen Firmeninteressen darstellt.
Sexuelle Belästigung ist keine Privatsache, sondern ein ernstzunehmendes Problem, so
hat selbst die EG-Komisssion inzwischen einen Verhaltenskodex entwickelt, der klare
Definitionen über sexuelle Belästigung enthält und Maßnahmen gegen Belästiger fordert.
Es sind mittlerweile zwar viele Schritte gegen sexuelle Belästigung eingeleitet worden,
„doch jenseits aller Vorschriften und offiziellen Regelungen müssen sich die Bilder und
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Wertvorstellungen ändern, die wir vom Mann- und Frausein in uns tragen, um zu einem
wirklichen Miteinander zu gelangen und insbesondere subtile Formen der Gewalt gegen
Frauen abzubauen (S.38, Monika Holzbecher, M.; „Sexuelle Belästigung am
Arbeitsplatz“, S.38 in Gerhard, U. et al. (Hrsg.): Tatort Arbeitsplatz“, München, 1992)
Literatur:
-Ducret, Veronique; Fehlmann, Chloe: „Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz - Worüber
Frauen schweigen“ , Untersuchung in Genf
-Gerhart, Ulrike; Heiliger, Anita; Stehr, Annette (Hrsg.) (1992): „Tatort Arbeitsplatz.
Sexuelle Belästigung von Frauen.“ München: Verlag Frauenoffensive
-Müller, U. & Holzbecher, M. (1992): „Sexuelle Belästigung - eine unsichtbare
Dimension von Belastung am Arbeitsplatz“ Arbeit 1/1
-Rastetter,
D.
(1994):
„Sexualität
und
Herrschaft
in
Organisationen.
geschlechtervergleichende Analyse“; Opladen: Westdeutscher Verlag
Eine
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