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Die Diagnostik tumoröser Schleimhautveränderungen
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Die Diagnostik tumoröser
Schleimhautveränderungen und
Tumorentfernung mittels Dioden-Laser
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Michael Hopp, Alejandra Perez-Canto,
Herbert Kindermann, Reiner Biffar
Schlüsselwörter
Dioden-Laser, 980 nm-Laser, kleine Speicheldrüsen, Mukozele, Laserchirurgie, Speicheldrüsengewebe, Plattenepithelkarzinom
Zusammenfassung
Ein leicht entzündeter und verdickter Gewebsanteil oberhalb des linken inneren Lippenwinkels
sollte mit der Verdachtsdiagnose Mukozele oder Cheilitis glandularis trotz der Möglichkeit einer
antibiotischen Behandlung mittels Laser entfernt werden. Die pathohistologische Auswertung
des Exzidates zeigte neben Drüsengewebe bereits maligne entartete Zellen, die einem
Plattenepithelkarzinom zugeordnet werden können.
Einleitung
Eine systematische Untersuchung der Weichteile der
Mundhöhle, des Rachens und der Lippen gehören neben
der Kontrolle der Zähne zu jeder Grunduntersuchung beim
Patienten. Bei der Befunderhebung, die neben der klinischen Inspektion auch die Palpation und wenn nötig
weiterführende Methoden, z. B. Röntgen, Histologie, Serologie, Bakteriologie usw. beinhaltet, sollte systematisch vorgegangen werden. Nur so kommt der Zahnarzt seiner umfassenden Präventionspflicht und der Früherkennung von
Veränderungen nach. Festgestellte Veränderungen müssen diagnostiziert und anamnestisch mit auslösenden
Noxen in Verbindung gebracht werden.1
Die Aus- oder Fernwirkungen allgemeiner Erkrankungen sind von lokalen entzündlichen oder dysplastischen
Veränderungen zu differenzieren. Ebenso sind die Einflüsse
und Veränderungen durch Nahrungs- und Genussmittel,
Medikamente sowie beruflich oder regional bedingte
Noxen zu ergründen.2 Die generelle Anwendung von
Screeningmethoden zur Früherkennung von Schleimhauterkrankungen, z. B. Toluidinblau, fluoreszierendem Licht
oder Exfoliativzytologie kann noch nicht empfohlen werLaserZahnheilkunde 2005; 3/4/05: 159–167
den, da noch nicht genügend Erkenntnisse vorliegen.
Letzteres wird bereits bei Veränderungen bei Rauchern eingesetzt.3
Veränderungen in der nicht spezialisierten Mundschleimhaut sind unter anderem durch das klinische Erscheinungsbild, Lokalisation, anamnestische Daten, Schmerzempfindlichkeit, Schwellung, Änderung der Verschieblichkeit und
Gefäßreichtum mit möglichen Verdachtsdiagnosen zu differenzieren. Neben den ulzerierenden Veränderungen (z. B.
Herpes, Bissverletzungen, Aphthen, Dekubitus) kommen
unspezifische entzündliche Veränderungen, Entzündungen der Speicheldrüsen, Symptome allgemeiner Erkrankungen und Neubildungen der Gewebe der Mundhöhle
in Betracht.
Viele unspezifisch entzündlichen Veränderungen, die
lokal begrenzt sind und keinen Zusammenhang mit Erkrankungen der Zähne aufweisen, heilen ohne Therapie oder
mit lokaler Therapie aus. Ähnliches gilt für einige ulzerierende Veränderungen, bei denen oft nur der auslösende
Reiz entfernt werden muss, z. B. beim Dekubitus.
Tumorös veränderte Schleimhautareale bedürfen einer
genaueren Diagnostik. Hier spielen Konsistenz, Verschieblichkeit, Rötung, Gefäßeinsprossung, Keratinisierung,
Schmerz usw. eine wichtige Rolle.
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Veränderungen der Speicheldrüsen lassen sich von aphthösen und aphthoiden Veränderungen der Mundschleimhaut4 meist leicht durch Erscheinungsbild, klinische
Symptomatik und Patientengeschichte unterscheiden.
Schwierig dagegen ist die Differenzialdiagnose zu anderen Erkrankungen.
Häufig handelt es sich um kleine Schleimretentionszysten, die über das Epithel vorgewölbt sind und eine bläulich-transparente Farbe aufweisen. Bei der Palpation sind
sie verschieblich, meist prall elastisch. Ihre Entstehung ist
nicht vollständig geklärt, oft bedingt durch traumatische
Verlegung der Ausführungsgänge mit Schleimretention.
Etwa 45% aller Mukozelen sind in der Unterlippe lokalisiert,
außerdem in der Wange, selten in der Oberlippe, nie im
anterioren Gaumenbereich. Eine Epithelauskleidung ist
nicht immer gegeben, in der Umgebung ist oft Granulationsgewebe zu finden.5 Als besondere Form kann die
Ranula angesehen werden. Die Ranula, als Retensionszyste
der Glandula sublingualis, also der großen Speicheldrüsen,
durch Ausführungsgangatresie oder durch entzündliche
Obliteration entstanden, wird oft allgemein als Begriff für
Retentionszysten der Speicheldrüsen genutzt. Typisch ist
die Lokalisation und das violett-transparente Aussehen der
Ranula. Sie tritt meistens solitär auf, selten bilateral und
kann ein erhebliches Volumen erreichen6.
Veränderungen in der Sublingual- und Submandibularregion können ebenfalls neben den Speicheldrüsenerkrankungen vielfältige Ursachen haben.7 Besonders wichtig ist die diagnostische Abklärung, da in dieser Region
der Lymphfluss zusammengefasst und in den oberflächigen und tiefliegenden Lymphknoten gefiltert wird.
Schmerzhafte Schwellungen können somit sowohl eine
entzündliche, lokale oder systemisch neoplastische Ursache haben.
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Entzündliche Veränderungen der
kleinen Speicheldrüsen
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Weiterhin wird in der Literatur
le RCheilitis glandularis
ech Speicheldrüsen
als entzündliche Veränderung der kleinen
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8,9
beschrieben. Hierbei ist von einer entzündlichen
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änderung des Drüsenkörpers mit Anschwellung und
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pischer Öffnung der Orofizien auszugehen.
esse nDurch
z den
entzündlichen Charakter der Erkrankung bestand die Behandlung neben der chirurgischen Entfernung in der Gabe
von Antibiotika und Kortikosteroiden. Interessanterweise
ist die Cheilitis glandularis hauptsächlich in der Unterlippe
gefunden worden.10,11,12 Die laserchirurgische Entfernung
wurde von Hopp et al.13 beschrieben.
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Differenzialdiagnostisch ist bei der Lokalisation der Veränderung neben Bissverletzungen an
• eine Mukozele
• die Cheilitis glandularis (kommt selten in der Mundhöhle
vor)
• Dermoidzysten der Haut
• tiefliegende Hämangiome
• gut- oder bösartige Tumore der Epithelien, der Speicheldrüsen oder des Bindegewebes
• evtl. Lymphknotenschwellungen oder
• Metastasen anders lokalisierter Primärtumore
zu denken.
Die Diagnostik tumoröser Schleimhautveränderungen
Tumore der Epithelien, der
Speicheldrüsen oder des Bindegewebes
Präkanzerosen der Mundhöhle treten gehäuft im inneren
Lippenwinkel, an Wangeninnenseite, Mundboden, im Sublingualraum, Zunge, Unterkiefer- und Oberkiefer-Alveolarfortsätzen sowie am harten Gaumen auf. Plattenepithelkarzinome sind bei Männern viermal häufiger vertreten als
bei Frauen. Eine Häufigkeitsverteilung stellt sich wie folgt
dar:
Zunge
52%
Mundboden
16%
Alveolarkamm
12%
Gaumen
11%
Wange
9%
In der Regel entwickelt sich das Plattenepithelkarzinom auf
Basis weißer (Leukoplakie) oder roter (Erythroplakie)
Schleimhautveränderungen. Oft fallen Verhärtungen der
Schleimhaut mit Schmerzentwicklung auf. Bei der Palpation wird ein Knoten oder eine Platte gefühlt, anfangs verschieblich, später fixiert. Ausgeprägt unterscheidet man
die verruköse und ulzeröse Form.5
Unter einem Tumor versteht man eine umschriebene
Volumenzunahme eines Gewebes, unabhängig von seiner
Entstehungsgeschichte. Es ist eine abnorme Gewebsmasse,
die autonom, überschießend und progressiv proliferiert,
sich weder strukturell noch funktionell im Ursprungsgewebe eingliedert und noch weiter wächst, wenn der auslösende Reiz nicht mehr wirksam ist. Die Begriffe Tumor,
Geschwulst oder Neoplasie sagen nichts über das biologische Verhalten aus. Es lassen sich gut- und bösartige Tumore unterscheiden.
Gutartige (benigne) Tumore wachsen zwar stetig und
verdrängend, siedeln aber keine Zellen in andere Körperregionen ab (Metastasierung). Bösartige (maligne) Tumore
wachsen infiltrierend und destruierend, invasiv mit metastasierender Ausbreitung im Körper und führen letztendlich
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Abb. 1 Schema der linearen Reihenfolge der malignen Entartung am Beispiel des Plattenepithels mit fakultativem Übergang einer Dysplasie in
ein Karzinom in situ und in ein mikroinvasives Karzinom (Basalmembrandurchbruch), aus Riede & Wehner.14
zum Tode des Patienten. Das destruierende Wachstum
führt zu fehlender Abkapselung. Das rasche Tumorwachstum geht mit einem Mitosereichtum in den Zellen und
einem Rezidivreichtum im Gewebe einher.
Je nach dem Entdifferenzierungsgrad gleicht das Tumorgewebe nur noch bedingt dem Ursprungsgewebe. Bei
der Dysplasie ist der zelluläre und histologische Aufbau des
Tumorgewebes erheblich verändert, gleicht aber noch dem
Ausgangsgewebe. Als präneoplastische Dysplasie umfasst
sie Zellatypien in Verbindung mit einer gestörten Gewebedifferenzierung. Die Dysplasie ist reversibel. Normalerweise bildet sich die Dysplasie zurück, wenn der
auslösende Stimulus entfällt. Dysplasien sind durch unregelmäßig vergrößerte Zellen mit Mitosen gekennzeichnet. Die funktionell polare Ausrichtung der Epithelien geht
dabei verloren.
Bei der Anaplasie ist die ursprüngliche histologische
Differenzierung nahezu vollständig verloren gegangen.
Die Tumorzellen und ihre Kerne zeigen dabei folgende typische Veränderungen:
• Zell- und Kernpolymorphologie mit unterschiedlich großen Zellen und Zellkernen sowie mehrkernigen Zellen infolge fehlerhafter Zellteilungen (Endomitosen) und uneinheitlicher Zellpopulation
• Kernpolychromasie mit wechselnd starker Anfärbbarkeit
des Zellkerns durch unterschiedlichen DNS-Gehalt
• Verschiebung der Kern-Plasma-Relation zugunsten des
Zellkerns
• Nukleolenvergrößerung infolge abnormen Proliferationsstoffwechsels.
Ein Karzinom in situ oder intraepitheliales Karzinom5 ist ein
hochgradig atypisches Epithel ohne histologische Anhaltspunkte für ein infiltratives Wachstum, das histologisch wie
ein nichtinvasives Karzinom aussieht.
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Ursache der Kanzerogenese ist das Auftreten von verursachenden Faktoren, wie chemischen, biologischen (Viren)
und physikalischen (Strahlung, mechanische Irritation usw.)
Kanzerogenen. Prinzipiell ist eine Zellveränderung auch als
Zufallsprodukt von Wachstums- und Teilungsprozessen, also
spontan möglich. Die Entwicklung einer gesunden Zelle zur
Tumorzelle vollzieht sich in mehreren Stadien.
Die erste Phase ist die Initiation oder Promotion. Es findet
eine Wechselwirkung einer kanzerogenen Noxe mit der zellulären DNS statt, die zu irreversiblen Veränderungen führt.
Tumorpromotoren potenzieren die Wirkung von kanzerogenen Noxen, sie selbst sind nicht in der Lage, die DNS zu
verändern.
Die zweite Phase ist die klonale Expansion und Progression. Zwischen Erstkontakt mit einer kanzerogenen Noxe
und der klinischen Manifestation des Tumors kann eine
lange Latenzperiode liegen. Auch die Zerstörung entarteter
Zellen durch natürliche Killerzellen der Körperabwehr
ist möglich. Schließlich kommt es zur Proliferation der transformierten Zellklone (klonale Expansion), die im weiteren
Verlauf zu makroskopisch sichtbaren Tumorknoten heranwachsen (Progression). Die Versorgung des Tumorgewebes
wird über ein verstärkt einsprossendes Gefäßwachstum
sichergestellt. Dazu schüttet das Tumorgewebe angiogenetische Substanzen aus.
Das dritte Stadium ist die Metastasierung mit einer
körperweiten Ausbreitung der veränderten Zellen. Die Abbildung 1 zeigt die Entwicklung eines Plattenepitheltumors.
Maligne epitheliale Tumore werden eingeteilt in: papilläre, polypöse, ulzerierende, zystische, diffuse und multizentrische Karzinome. Plattenepithelkarzinome gehen
nicht nur von Organen aus, die normalerweise Plattenepithelien enthalten, sondern kommen auch in Organen
vor, die zwar kein Plattenepithel, dafür aber ein Epithel mit
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Acinuszellkarzinome, z. B. in der Glandula sublingualis16
sind selten. Sie weisen eine Gewebsschwellung und ggf.
inflammatorische Reaktionen auf.
Neben verschiedenen weichgewebigen Veränderungen
können die Speicheldrüsen auch Verkalkungsstrukturen
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Für die Prognose wichtiger ist die Einschätzung der Malignität. Nach Seifert (1972) werden die epithelialen Speicheldrüsentumoren eingeteilt in:
1. Fakultativ maligne: – Acinuszelltumor
– Mukoepidermoidtumor
2. Maligne:
– Adenoidzystisches Karzinom
(Zylindrom)
3. Stark maligne:
– Adenokarzinom
– Plattenepithelkarzinom
– Karzinom im pleomorphen
Adenom
– undifferenziertes Karzinom
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C wie auch die
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aufweisen. Hierbei sind sowohl Adie
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kleinen Speicheldrüsen17 betroffen.
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Bei den kleinen Speicheldrüsen ist die häufigste
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sation die Oberlippe, die bukkale Mukosa und die aUnternt
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lippe. Männer sind deutlich häufiger betroffen
esse nalsz Frauen.
Polymorphe, niedrig veränderte Adenokarzinome der kleinen Speicheldrüsen, weisen eine typische histologische
Struktur auf.18 Von der Altersverteilung fallen die vierte bis
achte Lebensdekade auf, auch hier dominieren die Männer
in Bezug auf die absolute Häufung.
Beim Befall der Speicheldrüsen, besonders der großen,
sind szintigrafische Untersuchungen bei der Differenzialdiagnose hilfreich. Mit dem Radionuclid 99 Tc ist eine funktionelle Darstellung und Differenzierung möglich.19
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der Fähigkeit zur Plattenepithelmetaplasie enthalten.
Solche Karzinome ahmen je nach Differenzierungsgrad das
verhornende Plattenepithel nach.14
Das Drüsenepithel der kleinen und großen Speicheldrüsen kann ebenfalls Plattenepithelkarzinome verursachen. Etwa 73% aller Speicheldrüsengeschwülste gibt die
Literatur (Maligne Speicheldrüsentumoren, 1986)15 mit
Erkrankung der Parotis an. 27% verteilen sich in absteigender Reihenfolge auf die kleinen Speicheldrüsen, die
Glandula submandibularis, Glandula sublingualis und auf
das aberrante Speicheldrüsengewebe (Orbita, Nasennebenhöhlen.
Einteilungen erfolgen z.B. nach verursachenden Primärgeweben oder der Prognose.
Die Klassifizierung der Speicheldrüsentumore erfolgt
nach den Empfehlungen der WHO in:
A. Epitheliale Tumoren
1. Mukoepidermoidtumor
2. Acinuszelltumor
3. Karzinome
• Adenozystisches Karzinom (Zylindrom)
• Sonstige Adenokarzinome
• Plattenepithelkarzinom
• Karzinom im pleomorphen Adenom
• Speichelgangkarzinom
• Hellzelliges Karzinom
• Anaplastisches Karzinom
B. Nichtepitheliale Tumoren
1. Sarkome
2. Geschwülste des lymphoretikulären Gewebes
C. Metastatische Tumoren
D. Unklassifizierte Tumoren
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Hautzelltumore
Differenzialdiagnostisch sind die intraoralen Keratoakanthome abzugrenzen.20 Sie können solitär21,22 oder gehäuft
auftreten. Normalerweise sind es weit verbreitete Neubildungen der äußeren Haut, oft an den lichtexponierten
Körperstellen. Diese auch als selbstheilendes Stachelzellkarzinom bezeichnete Neubildung bedarf jedoch in
jedem Fall einer Therapie. Heidenreich et al.23 beschreiben ein exophytisch wachsendes, verruköses Keratoakanthom. Eine Besonderheit ist hierbei aber das
gemeinsame Merkmal der Keratoakanthome, die kraterförmige Läsion in der Mitte der Neubildung. Verschiedene
Zysten, wie Dermoidzysten als benignes reifes Teratom,
sind gegenüber den Veränderungen der großen Speicheldrüsen eher unproblematisch.
Metastasen und
Allgemeinerkrankungen
Metastasen aus anderen Körperbereichen können sich in
der Mundschleimhaut festsetzen und als raumgreifende,
teils entzündliche Prozesse darstellen. Häufiger ist ihr
Auftreten im Kieferknochen. Das Vorkommen von Fernmetastasen im Mundbereich liegt unter 1%. Beispiele
sind Metastasen des Brustkrebses 24 , der Trachea, der
Lunge, Leber und der Hoden. Auch die Metastasierung
eines Cystosarkoma phyllodes mit Metastasen in Lunge,
Knochen, Leber, Gehirn, Gastrointestinaltrakt und anderen Geweben in drei bis zwölf Prozent der Fälle25 ist denkbar.
Abzugrenzen sind dagegen Veränderungen der
Schleimhäute oder Verbindungsgewebe durch Erkrankungen des blutbildenden Systems. Pogrel26 beschreibt
eine gingivale Manifestation einer akuten Leukämie nach
Hyperplasie der Gingiva im unteren Frontzahnbereich.
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Abb. 2 Entzündliche Vorwölbung im Vestibulum nahe des linken
Mundwinkels.
Abb. 3 Halbmondförmige Inzision des Epithels.
Abb. 4 Freilegen der vermeintlichen Mukozele.
Abb. 5 Abklappen der Schleimhaut über dem Drüsenkörper.
Fallvorstellung
An der Basis der Vorwölbung wurde die Schleimhaut
mittels eines halbmondförmigen Schnittes inzidiert (Abb.
3) und der Schnitt in Richtung des vermeintlich veränderten Drüsenkörpers vertieft (Abb. 4).
Es erfolgte die Darstellung und schrittweise Extirpation
des Speicheldrüsenkonvoluts (Abb. 5 bis 8). Der Drüsenkörper kann gut aus dem Bindegewebe separiert und
segmentweise herausgelöst werden. Entstehende Karbonisationen werden mit einem Wattepellet und physiologischer NaCl-Lösung entfernt. Der Defekt mit etwa acht
Millimeter Durchmesser, aber erheblicher Tiefe wurde mit
fünf Knopfnähten lose vernäht (Abb. 9).
Bei einem 34-jährigen Patienten in guter allgemeiner gesundheitlicher Verfassung fiel in regio 23 nahe des linken
Lippenwinkels eine leicht schmerzhafte und moderat entzündete Vorwölbung auf (Abb. 2). Der Patient gab an, bereits seit mehreren Tagen einen Spontanschmerz, aber
auch Druckdolenz zu empfinden. Der Tumor war nur bedingt verschieblich und wies eine erhöhte Konsistenz auf.
Klinisches Vorgehen
Der tumorös vorgewölbte Bereich wurde mittels Infiltrationsanästhesie ad loco mit UDS forte (Aventis) unterspritzt. Als Laser kam ein Dioden-Laser WDL 2,5 (WeilDental, Rosbach) mit der Wellenlänge 980 nm zum Einsatz.
Es wurde die 200 μm Glasfaser mit einer Leistungseinstellung von 2,5 Watt im cw-Modus verwendet.
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Pathologisch-anatomische
Begutachtung mit kritischer
Stellungnahme
Ein 10 x 12 x 3 mm großes Schleimhautexzidat wurde zur
pathohistologischen Begutachtung eingesandt. Der histologische Befund zeigte eine plattenepitheliale Schleimhaut
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Abb. 6 Der Drüsenkörper ist erreicht.
Abb. 7 Schrittweises Auspräparieren des Drüsenkörpers.
Abb. 8 Die sehr voluminöse Drüse wird mittels Skalpell teilresiziert.
Abb. 9 Mehrere lockere Knopfnähte fixieren die Wundränder.
Abb. 10 Histologisches Präparat mit Mukosa und Veränderungen im
subepithelialen Bindegewebe, Färbung HE, Vergr. x 40.
und in der Tiefe kleine Speicheldrüsen, welche fokal geringe periduktale chronische Entzündungsinfiltrate aufwiesen. Es lag keine nennenswerte Atrophie vor. Die Ausführungsgänge waren leicht ektatisch. In einem relativ
umschriebenen Bereich unterhalb des Oberflächenepithels ist das Schleimhautstroma muzinös durchtränkt
bei interstitieller Ansammlung von Diastase-resistentem
und PAS-positivem schleimartigem Material, welches die
präexistenten kollagenen Bündel stark auseinander
drängt. Geringe entzündliche Reaktion mit Histiozyten,
Lymphozyten, vereinzelten Plasmazellen und eosinophilen
und neutrophilen Granulozyten. Darüber hinaus in diesem
Bereich an einer Stelle eine ca. 1 mm durchmessende plattenepitheliale Proliferation mit sehr unterschiedlich großen
und unterschiedlich geformten atypischen Plattenepithelverbänden, in der Peripherie lediglich als schmale Zell-
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Abb. 11 Detaildarstellung von Bindegewebe, Speicheldrüsenlappen
und Muskulatur, Färbung HE, Vergr. x 100.
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Abb. 12 Normale Epithelstruktur, Färbung HE, Vergr. x 200.
Abb. 13 und 14 Große, mehrkernige azidophile Zellen als Zeichen der Entartung im subepithelialen Bindegewebe, Färbung HE, Vergr. x 200.
stränge. Deutlich zelluläre Atypien, darunter auch große
Zellen mit recht atypischen Kernen und vereinzelten zweikernigen Epithelzellen. Es treten vermehrt Mitosen auf
(Abb. 10–14).
Es ist eine sehr unscharfe Begrenzung des Herdes und
der einzelnen Epithelverbände erkennbar, was an invasives
Wachstum denken lässt. Der Ausgangspunkt dieser
Proliferation ist histologisch nicht ersichtlich. Eine Verbindung zum Oberflächenepithel ließ sich trotz der räumlichen Nähe nicht darstellen. Die Läsion war nur in den
ersten drei Stufenschnitten und nicht mehr in den nachfolgenden Paraffinschnitten zu sehen. Das Oberflächenepithel zeigt allenfalls eine geringe Dysplasie.
Es wurde folgende Beurteilung getroffen: Die muzinöse
Imbibition des Stromas der plattenepithelialen Schleimhaut ist mit geringer entzündlicher Reaktion passend zu
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einer sog. relativ frischen interstitiellen Mukozele. Darin findet sich eine atypische Plattenepithelproliferation von ca.
1 mm im Durchmesser mit unklarem Ausgangspunkt. Fokal
tritt eine geringe Dysplasie des darüber liegenden Plattenepithels auf (klinisch: Verdachtsdignose auf Mukozele oder
Entzündung am Übergang Lippe-Wange).
Der Ausgangspunkt der plattenepithelialen Proliferation
und deren Natur ist nicht ganz sicher. Konventionell histologisch ist die Läsion verdächtig auf Ausläufer eines Plattenepithelkarzinoms. Eine reaktive pseudoepitheliomatöse
Hyperplasie ausgehend, z. B. von einem rupturierten Ausführungsgang einer kleinen Speicheldrüse ist aber letztendlich nicht sicher ausgeschlossen. Wenn die Läsion nicht
vollständig entfernt worden wäre, wäre eine Nachresektion,
ansonsten eine strenge Beobachtung anzuraten.
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Literatur
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Die Diagnostik intraoraler Schleimhautveränderungen
stellt erhebliche Anforderungen an den Behandler. Der
Vorteil in der Mundhöhle ist, dass der Zahnarzt seinen
Patienten sehr viel häufiger sieht als andere Fachärzte und
das Gewebe gut einsehbar und beurteilbar ist. Damit kann
der Prophylaxe von Tumorentstehungen bestens entsprochen werden.
In den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass bei der
Ausprägung der Karzinome von Mund und Rachen die
Inzidenz bei Männern leicht rückläufig ist, wohingegen sie
bei Frauen leicht zunimmt.27 Die Ursachen hierfür sind
nicht vollständig geklärt.
Im vorliegenden Fall war die histopathologische Beurteilung des Exzidates von besonderer Bedeutung, da
neben der sich bestätigten Verdachtsdiagnose einer gutartigen Mukozele eine maligne Epithelentartung im Stadium
eines mikroinvasiven Karzinoms aufgetreten ist. Es konnte
allerdings nicht geklärt werden, ob das Mundepithel oder
das Epithel der kleinen Speicheldrüsen Ursprung der entarteten Zellen war. Der Fakt der rechtzeitigen Erkennung und
Entfernung der Entartung in Kombination mit einem zukünftig engen Dispensaire für den Patienten in einer entsprechenden Spezialsprechstunde kann die weitere Ausbreitung des Karzinoms verhindern.
Wichtig ist in jedem Fall bei Gewebsentfernungen die histopathologische Begutachtung von Exzidaten, wie von
Klammt und Wittstock28 gefordert. Dabei trägt die histologische Begutachtung zur onkologischen Prophylaxe des
Patienten bei.
Die Entscheidung, ob zur Entfernung ein Skalpell oder
der Laser genutzt wird, obliegt dem Behandler. Bei Veränderungen, die relativ klein sind oder eher in der Tiefe liegen, bei denen keine vorausgehende pathohistologische
Beurteilung möglich oder sinnvoll ist, sollte wie im vorliegenden Fall der Laser genutzt werden. Ein wesentlicher
Vorteil ist weitgehende Verhinderung des Ausschwemmens entarteter Zellen im Gegensatz zur konventionellen
Skalpellchirurgie, die Fernwirkungen durch Metastasierung
verursachen können. Dies wurde bei Verwendung von
Nd:YAG-Lasern festgestellt, dürfte aber durch die weitgehend identische Wirkung der Wellenlänge 980 nm auch für
diesen Laser angenommen werden.29
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Schlussfolgerungen und
Diskussion
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Die Diagnostik tumoröser Schleimhautveränderungen
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Dr. med. Dr. med. dent. Herbert Kindermann
Ärztezentrum Axel-Springer-Passage
Markgrafenstrasse 20
10969 Berlin
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Key words: diode laser, 980 mm laser,
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glands, mucocele, laser surgery, salivary gland tissue,
oral squamous cell carcinoma
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Dr. med. Alejandra Perez-Canto
Institut für Pathologie
Teltowkanalstraße 2
12247 Berlin
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The diagnostics of tumor mucous
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Autoren und Korrespondenzadressen
Dr. Michael Hopp
Zahnarztpraxis am Kranoldplatz
Kranoldplatz 5
12209 Berlin-Lichterfelde
KLINISCHE GRUNDLAGEN
Summary
A slightly inflamed and swollen part of tissue above left
inner oral angle with tentative diagnosis mucocele or cheilitis glandularis should be excised by laser in spite of a possible antibiotic treatment. Additionally to glandular tissue
the histopathologic analysis of the excised material already showed cancerated cells which can be related to an
oral squamous cell carcinoma.
Prof. Dr. Reiner Biffar
Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald,
Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde
Abteilung für Zahnärztliche Prothetik und
Werkstoffkunde,
Direktor: Professor Dr. Reiner Biffar,
Rotgerberstraße 8
17489 Greifswald
LaserZahnheilkunde 2005; 3/4/05: 159–167
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