7 2 Bakterien Alexander Kirov 2.1 Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 2.2 Pathogenitätsfaktoren . . . . . . . . 8 2.3 Vermehrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 2.4 Einteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Legionella pneumophila . . . . . . . . . . . Die Gattung Helicobacter/ Campylobacter . . . . . . . . . . . . . . . . . . Durchfallerkrankungen . . . . . . . . . . . . Escherichia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Salmonellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vibrionen und Cholera . . . . . . . . . . . . Yersinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Shigellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wichtige gramnegative Stäbchenbakterien als Verursacher nosokomialer Infektionen . . . . . . . . . 2.4.1 Bakterienformen . . . . . . . . . . . . . . . . 9 2.4.2 Gram-Färbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 2.5 Physiologische Flora . . . . . . . . . . 10 2.5.1 Haut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 2.5.2 Mund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 2.5.3 Verdauungstrakt . . . . . . . . . . . . . . . . 11 2.5.4 Atemwege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 2.5.5 Harnwege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 2.5.6 Scheide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 2.6 Die humanmedizinisch wichtigsten Bakterienarten . . . 12 2.6.1 Grampositive Kokken . . . . . . . . . . . . . 12 Staphylokokken . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Streptokokken . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 2.6.5 Spirochäten – schraubenförmige Bakterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Treponema pallidum . . . . . . . . . . . . . Leptospiren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Borrelien und Lyme-Borreliose . . . . . . Erkrankungen durch Zeckenstich . . . . 40 42 43 44 45 47 49 51 52 52 52 54 55 57 2.6.6 Zellwandlose Bakterien . . . . . . . . . . . 58 Mykoplasmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 2.6.7 Chlamydien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chlamydophila pneumoniae . . . . . . . Chlamydia trachomatis . . . . . . . . . . . Chlamydophila psittaci . . . . . . . . . . . 58 58 58 59 2.6.2 Gramnegative Kokken . . . . . . . . . . . . 20 Neisserien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 2.7 2.6.3 Grampositive Stäbchenbakterien . . . . Corynebakterien . . . . . . . . . . . . . . . . . Listerien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sporenbildner: Bacillus und Clostridium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mykobakterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 24 25 2.7.1 Harnwege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 25 30 2.7.4 Wundabstriche . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 2.6.4 Gramnegative Stäbchenbakterien . . . 37 Bordetella pertussis und Keuchhusten 38 Hämophile Bakterien . . . . . . . . . . . . . 39 Bakteriologische Diagnosemöglichkeiten . . . . . . . 59 2.7.2 Stuhl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 2.7.3 Sputum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 2.7.5 Blutkulturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 2.8 Antimikrobielle Therapie – Antibiotika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 8 2 Bakterien Bakterien (griech. = Stäbchen) sind mikroskopisch kleine, einzellige Lebewesen (Größe meist 0,5−5 £ m). Früher wurden sie dem Pflanzenreich zugeordnet. Begriffswendungen wie z. B. Bakterienflora stellen noch Relikte aus dieser Zeit dar. Heute sieht man die Bakterien – neben Pflanzen und Tieren – als selbständige Einheit an, da sie eine von Pflanzen und Tieren abweichende Organisation der Zelle besitzen. Die überwiegende Mehrzahl der Bakterien lebt in freier Natur und erfüllt dort die unterschiedlichsten Aufgaben. Erwähnt sei die hervorragende Leistung im Rahmen der Trinkwasseraufbereitung. Eine zweite Gruppe von Bakterien leistet dem Menschen in der pharmazeutischen Industrie bei der Herstellung von Medikamenten (z. B. Insulin) große Dienste. Verursacher von Infektionskrankheiten ist nur eine kleine, aber leider bedeutungsvolle Gruppe von Bakterien. 2.1 Aufbau Bakterien besitzen im Gegensatz zu Pflanzen und Tieren keinen Zellkern. Die Erbinformation besteht aus einer doppelsträngigen DNA (Desoxyribonukleinsäure). Das so genannte Kernäquivalent befindet sich neben den anderen Zellbestandteilen und -strukturen (Wasser, RNA [Ribonukleinsäure], Proteine, Enzyme, Stoffwechselprodukte, Ribosomen u. a.) im Zellwand Kernäquivalent Abb. 2-1 Zellmembran Zytoplasma Bakterienschema Geißel Zytoplasma (Abb. 2-1). Dieses wird von einer Zellmembran umgeben, die unter anderem für den Stofftransport von innen nach außen entscheidend ist. Eine starre Zellwand bestimmt die Form, schützt das Bakterium vor äußeren Einflüssen und wirkt als Antigen. Die Struktur der Zellwand ist sehr kompliziert und nicht bei allen Bakterien identisch. Nur wenige Bakterienarten sind zellwandlos (z. B. Mykoplasmen). Manche Arten besitzen Fortbewegungsorgane, die Geißeln. Sie sind einzeln, in Büscheln oder am ganzen Bakterienleib angeordnet. 2.2 Pathogenitätsfaktoren Unter Pathogenitätsfaktoren versteht man genetisch bedingte Eigenschaften der Bakterien, die eine Infektionskrankheit beim Wirt (z. B. Mensch) auslösen können. Es gilt die Regel: Je mehr Pathogenitätsfaktoren eine Bakterienart besitzt, desto komplizierter wird der Krankheitsverlauf und desto schwieriger die Therapie. Hier müssen jedoch die individuellen Voraussetzungen des Patienten berücksichtigt werden (Alter, Grunderkrankungen, Immunschwäche u. v. m.). Folgende Pathogenitätsfaktoren sind bekannt: Kapsel: Bei einigen Bakterienarten befindet sich außerhalb der Zellwand noch eine schleimige Schicht. Diese verhindert, dass unsere Abwehrzellen die Bakterien erkennen, und bietet diesen somit einen Schutz vor Phagozytose. Pili: Bei vielen gramnegativen Bakterien (s. unten) findet man Pili. Dies sind Eiweißfäden auf der Zelloberfläche, die nach Eindringen der Erreger in den menschlichen Körper der Anheftung an Wirtsstrukturen dienen (z. B. an Schleimhäute des Atem-, Gastrointestinal- oder Urogenitaltrakts). Toxine: Toxine sind Bakterienprodukte, die den Wirtsorganismus schädigen. Werden 2.4 Einteilung Toxine von den Bakterien als Stoffwechselprodukt nach außen abgegeben, so spricht man von Exotoxinen (z. B. Tetanustoxin). Werden sie erst bei Zerfall von Bakterien (nach Antibiotikatherapie) frei, spricht man von Endotoxinen. Enzyme: Hierunter versteht man katalytisch wirksame Eiweißstoffe, die ein Bakterium produziert, um Substanzen des Wirtes zu spalten. Hierdurch werden einerseits Nährstoffquellen für Bakterien erschlossen, andererseits können sie ein Schutz vor Abwehrstrukturen des Wirtes sein. Einige wichtige Beispiele: – Hyaluronidasen: Zersetzen von Gewebe; Ausbreitung in Wirtsstrukturen – Hämolysine: Auflösen von Erythrozyten – Proteasen: Spaltung von Wirtsproteinen – Koagulase: Verklumpung von Plasma – Fibrinolysine: Auflösen von Fibrin 2.3 Vermehrung In der Regel vermehrt sich die Bakterienzelle durch Zweiteilung. Aus einer Mutterzelle entstehen zwei Tochterzellen. Die Geschwindigkeit dieses Teilungsvorgangs ist stark von der Bakterienart und vom Umgebungsmilieu abhängig. Diese Generationszeit beträgt zum Beispiel bei Escherichia coli (E. coli) – gute Umweltbedingungen vorausgesetzt – nur 20 Minuten, beim Tuberkuloseerreger (Mycobacterium tuberculosis) jedoch ca. 20 Stunden. Die hierdurch bedingten unterschiedlichen Wachstumszeiten beeinflussen damit auch den Zeitpunkt des Sichtbarwerdens als Kolonie auf festen Nährböden. Geht man davon aus, dass für eine Koloniebildung 45 Generationen notwendig sind, braucht E. coli ca. 15 Stunden (20 Min * 45 Gen.), während M. tuberculosis ca. 37 Tage (!) (20 Std. * 45 Gen.) benötigt. Der Befund einer anschließenden Resistenztestung des angezüchteten Stammes wird bei der Tuberkulosediagnostik daher nicht wie gewohnt nach 9 24 bis 48 Stunden, sondern in der Regel erst nach 6 bis 8 Wochen zu erwarten sein. 2.4 Einteilung Als praktisch und sinnvoll hat sich für Bakterien die Einteilung nach folgenden Kriterien erwiesen: Form und Anfärbeverhalten (Gram-Färbung) Wachstumsbedingungen im Labor hinsichtlich optimaler Temperatur und Umgebungsmilieu (Sauerstoffverträglichkeit) Kolonieaussehen und Verhalten auf Nährböden biochemische Leistungsmerkmale (z. B. Abbauvermögen von verschiedenen Zuckerarten) Oberflächeneigenschaften gegenüber speziellen Antikörpern (Serotypie) Verhalten gegenüber Antibiotika (Resistotypie) Sporenbildung (Ausbildung von umweltresistenten Dauerformen) Lysotypie-Eigenschaften (hochspezifisches Vermögen bestimmter Viren [Bakteriophagen], eine Infektion oder sogar das Abtöten des zu untersuchenden Bakterienstamms auszulösen) Im Folgenden gehen wir kurz auf die ersten beiden Differenzierungsmerkmale ein. 2.4.1 Bakterienformen Man unterscheidet im Wesentlichen drei Bakterienformen (Abb. 2-2, S. 10): Kokken (= Kugelbakterien) stäbchenförmige Bakterien schraubenförmige Bakterien (Spirochäten) 10 2 Bakterien Staphylokokken (= Haufenkokken) Streptokokken (= Kettenkokken) Diplokokken (= Doppelkokken) Stäbchen Abb. 2-3 Grampositive Kokken, hier Staphylokokken, traubenförmige Anordnung (mit freundlicher Genehmigung von Prof. Braun, Esslingen) Schraubenformen Abb. 2-2 Verschiedene Bakterienformen 2.4.2 Gram-Färbung Bakterien unterscheiden sich von ihrem Zellwandaufbau voneinander. So gibt es Bakterien mit einer dünneren und solche mit einer dickeren Zellwand inklusive einer so genannten Mureinschicht. Dieser Sachverhalt wird bei einem relativ einfachen Färbetest sichtbar, der bereits 1884 von dem dänischen Mikrobiologen H.C.I. Gram zufällig entdeckt wurde. Bakterien, die nach dieser Färbung dunkelblau erscheinen, werden grampositiv (Abb. 2-3), solche, die sich rot anfärben lassen, gramnegativ benannt (Abb. 2-4). Dieser Test wird in jedem bakteriologisch ausgerichteten Labor durchgeführt. Das Anfärbeverhalten ist von großer Wichtigkeit für die Artdiagnose eines Erregers und u. a. auch von großer Bedeutung für die richtige Auswahl eines Antibiotikums für einen an einer Infektionskrankheit leidenden Patienten. Abb. 2-4 Gramnegative Stäbchen, hier E. coli (mit freundlicher Genehmigung von Prof. Braun, Esslingen) 2.5 Physiologische Flora Bevor wir die wichtigsten humanpathogenen Bakterienarten besprechen, wenden wir uns der physiologischen Bakterienflora zu. Unter der physiologischen Bakterienflora versteht man Bakterien, mit denen wir in einer Art Symbiose zusammenleben und die einem gesunden Menschen normalerweise nicht schaden, sondern teilweise sogar von Nutzen sind.