„Corporate Universities“

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Corporate Universities
Ein Überblick
Gertrud Hovestadt/Thomas Beckmann,
EDU-CON GmbH, Februar 2010
1. Einleitung..............................................................................................................................1
2. Forschungsstand und Literaturlage......................................................................................3
3. Definitionsansätze ................................................................................................................4
4. Entwicklung der Corporate Universities ...............................................................................5
5. Zum quantitativen Bestand.................................................................................................15
6. Literatur ..............................................................................................................................19
7. Anhang: Liste der Corporate Universities in Deutschland..................................................21
1. Einleitung
Ende der 1990er Jahre wurde in Deutschland das Managementkonzept „Corporate
University“ euphorisch aufgenommen. Es stammte aus den USA, dort waren Corporate
Universities bereits verbreitet, und sie sollten auch in deutschen Unternehmen und
Konzernen die Lernfähigkeit der Organisationen steigern, die praxisnahe Entwicklung der
Human Resources und die strategische Unternehmensentwicklung fördern. General Electric
(GE, USA) wird die erste Gründung einer Corporate University zugeschrieben. Im „John F.
Welch Leadership Development Center“, Crotonville, wurden in den Gründungsjahren
jährlich 8.000 Führungskräfte geschult, und diese Corporate University ist nach wie vor tätig.
Die Motorola University, die sich als unternehmenseigenes Äquivalent zur Harvard University
oder dem MIT sieht, ist eine weitere der besonders bekannten Corporate Universities. Beide
Unternehmen, GE und Motorola, waren in den Gründungsjahren ihrer Corporate Universities
am Markt sehr erfolgreich, und das war eine Bedingung, unter der die Idee auch für das
Management deutscher Unternehmen attraktiv wurde.
Während die Corporate Universities in den USA vor allem darauf zielten, Trainingsangebote
zu machen und diese Angebote besser als bisher an der Geschäftsstrategie auszurichten,
übertrafen
die
Ansprüche
der
deutschen
Corporate
Universities
diejenigen
ihrer
1
amerikanischen Vorbilder. Die neuen „Lernarchitekturen“ (Deiser 1998) sollten zur
Entwicklung der Unternehmensstrategie beitragen, „Think Tanks“ werden. Sie schienen
angemessener als das traditionelle Linienmanagement auf die unter den Bedingungen von
Globalisierung und Wissensgesellschaft zunehmende Ungewissheit künftiger Anforderungen
antworten zu können. „Die Idee schien wie eine Universallösung für allgemeine Probleme
der Unternehmensführung und der Strategiefindung“ (Gebauer 2007, S. 16).
Für wenige Jahre, von 1998 bis 2001, folgte in Deutschland eine turbulente Gründungswelle.
Corporate Universities wurden nicht nur zu einer modernen Managementmethode, sondern
auch zu einer Managementmode. Danach gab es – soweit aus der Literatur bekannt – nur
noch eine einzige Neugründung, und dies war zugleich die spektakulärste und aufwendigste:
2002 wurde besonders öffentlichkeitswirksam die VW AutoUni in Wolfsburg gegründet, und
der Konzern beabsichtigte, sich damit weltweit die Spitze des Wissens und der
Kompetenzen im Bereich der Automobilität zu sichern. Doch bereits 2006 titelte der Spiegel:
„Prestigeprojekt gescheitert. VW nimmt Abschied von der AutoUni“. Jenseits der
spezifischen Entwicklungen im Konzern schien damit nicht nur das Ende einer Mode,
sondern auch einer Managementmethode erreicht. 2009/10 präsentiert die VW AutoUni
jedoch, mit vier Instituten und 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf eigenem Campus,
das inzwischen vierte Programmheft.
Mit diesem Bericht wird zunächst ein knapper Einblick in den Forschungsstand und die
Literaturlage gegeben. Es werden dann einige Definitionsansätze vorgestellt, die bereits
zeigen, wie uneindeutig der Begriff Corporate University ist.
Unter drei Fragestellungen wird die Entwicklung der Corporate Universities in ihrem
Verhältnis zum institutionellen Umfeld thematisiert. Zunächst geht es um die Bedeutung der
Corporate University für das Unternehmen: Wird die vielfach postulierte Bedeutung der
Universities für die strategische Entwicklung der jeweiligen Unternehmen bestätigt? Die
zweite Frage bezieht sich auf die Arbeitnehmervertretungen innerhalb der Unternehmen:
Was
ist
darüber
bekannt,
wie
die
Betriebs-/Personalräte
und
die
Arbeitnehmervertreter/innen in den Aufsichtsräten in die Corporate Universities involviert
sind und wie sie sich zu diesen Institutionen positionieren? Schließlich wird das Verhältnis
zwischen den Corporate Universities und den Bildungsinstitutionen in ihrem Umfeld
betrachtet, insbesondere im Hochschulwesen. Ein weiteres Kapitel beleuchtet die Quantität:
Wie viele Corporate Universities gibt es? Auf welcher Grundlage werden in der Literatur
Angaben zur Zahl der Corporate Universities gemacht?
2
2. Forschungsstand und Literaturlage
Im Wesentlichen liegen vier größere Studien zu den Corporate Universities in Deutschland
vor.
Wimmer/Emmerich/Nicolai (2002) führten eine schriftliche Befragung der eintausend größten
Unternehmen durch und analysierten die Verbreitung und die Ziele der Corporate
Universities sowie ihre Funktion im Kontext der Unternehmen. Mit den Leitern von fünf
ausgewählten Corporate Universities wurden Interviews geführt; ergänzend wurden Experten
amerikanischer Universitäten interviewt. Ergebnis der Studie sind eine quantitative
Bestandsaufnahme sowie vertiefende Portraits ausgewählter Corporate Universities.
Klumpp/Helmstädter (2005) geben in einem knappen Bericht einen Überblick über
Selbstverständnis und Aufgaben sowie über eigene empirische Befunde zum quantitativen
Bestand an Corporate Universities.
Gebauer beschäftigt sich mit der „Managementmode“ Corporate University „zu einem
Zeitpunkt, zu dem diese bereits verblasst“ (Gebauer 2007, S. 250). Sie rekonstruiert in ihrer
Dissertation die „Einführung von Corporate Universities“ und ihre weitere Entwicklung mit der
Absicht,
die
Erfahrungen
zu
sichern.
Sie
stützt
sich
dabei
sowohl
auf
Wimmer/Emmerich/Nicolais Datenstand als auch auf eigene Interviews mit Verantwortlichen
ausgewählter Corporate Universities. Anhand dieser Gespräche zeichnet sie unter
ausgewählten Aspekten den Werdegang einiger Corporate Universities nach, um deren
Erfolgs- und Misserfolgsbedingungen zu beschreiben. Eine ebenfalls systemtheoretisch
ausgerichtete Studie von Andresen (2003) untersuchte Idee und Konzeption von Corporate
Universities.
Hanft/Knust veröffentlichten 2007 eine Untersuchung zur wissenschaftlichen Weiterbildung;
eine Teilstudie befasste sich mit den Corporate Universities als Ort wissenschaftlicher
Weiterbildung. Die Corporate Universities wurden „aufgrund ihres außerordentlich vielfältigen
Spektrums nicht in Form einer systematischen Analyse in die Untersuchung einbezogen“ (S.
449), sondern exemplarisch in Form von drei Fallbeispielen (DaimlerChrysler Corporate
University, AutoUni der Volkswagen AG, Fraunhofer Technology Academy) erfasst.
Neben
diesen
Studien
liegen
verschiedene
Aufsätze,
Herausgeberbände
und
Tagungsdokumentationen vor, in denen an der Schnittstelle von Wissenschaft und Beratung
konzeptionell argumentiert sowie aus einzelnen Corporate Universities berichtet wird.
Thematisch werden oftmals einzelne Aspekte fokussiert, etwa die Corporate University als
eine Methode des E-Learning (Kraemer/Müller 2001, Glotz/Seufert 2002). Münch 2002
3
befasst sich mit dem Verhältnis zwischen Corporate Universities und Institutionen des
tertiären Bildungssystems.
3. Definitionsansätze
Es ist zunächst zu klären, was in der Literatur unter „Corporate University“ verstanden wird.
Nach Wimmer u. a. (2002) „besteht in der Literatur über die grundlegenden Elemente des
Konzeptes weitgehende Einigkeit: Im Kern stellt die Corporate University eine innovative
Lernarchitektur dar, die Personal- und Unternehmensentwicklung miteinander verzahnt und
Lernprozesse in den Strategieprozess der Unternehmens integriert“ (S. 5). Ganz ähnlich
definiert Andresen (2003) Corporate Universities als „firmeneigene Lerninstitutionen, welche
das
strategische
Management
in
Unternehmen
stützen.
(…)
die
Personalentwicklungsprogramme sind in verbindliche strategische Entwicklungskonzepte
(…) eingebunden. Lernen und strategisches Handeln werden als integraler Prozess
verstanden“ (zit. nach Hanft/Knust 2007, S. 452). Damit wären Corporate Universities
deutlich von klassischen innerbetrieblichen Weiterbildungseinrichtungen, die auf das
individuelle Lernen zielen, zu unterscheiden, und zwar durch ihre Funktion für die
Umsetzung oder die Entwicklung der Unternehmensstrategie.
Andere Autoren beziehen in ihre Definitionen der Corporate University die Einrichtungen ein,
die eher der traditionellen betrieblichen Weiterbildungseinrichtung entsprechen, und damit
wird auch deutlich, dass die von Wimmer angenommene Einigkeit keineswegs besteht.
Töpfer (1999, zitiert nach Münch 2002) etwa kategorisiert drei Entwicklungsstufen der
Corporate University. Auf der ersten Stufe werden „individual skills“ vermittelt, als Beispiel
werden McDonalds, Disney und Andersen Consulting genannt; erst auf der zweiten Stufe ist
der „organisatorische Wandel“ des Unternehmens die Kernaufgabe; und auf der dritten und
höchsten Entwicklungsstufe geht es um „Unternehmensstrategie und Netzwerke“. Deiser
(1998) bezieht in seine Definition das „Profit Center“, das Weiterbildung anbietet, sowie das
„Qualifikationszentrum“, das wettbewerbskritisches Wissen vermittelt, ein. Ähnlich ist es bei
Stauss (1999, nach Münch 2002), der den Typ „Training Department“ als eine zwar nur neu
etikettierte traditionelle Trainingsabteilung betrachtet, nichtsdestotrotz aber einbezieht.
Klumpp/Helmstädter (2005) wählen einen anderen Weg der Definition. Eine „klassische
Personal- und Weiterbildungsstelle“ in einem Unternehmen wird demnach dann zu einer
Corporate Academy, wenn sie über eigene Lehrplanung und Lehrkapazität verfügt; betreibt
sie außerdem Forschung, handelt es sich um eine Corporate University. Unerheblich ist
dabei, ob die University strategische Aufgaben hat. (S. 4)
4
Hanft/Knust (2007) stellen fest, dass in den Definitionen die Aussagekraft wesentlicher
Merkmale offen bleibt, „so dass sowohl bei Vertretern der Praxis als auch der Wissenschaft
weitgehende
Unklarheit
dahingehend
herrscht,
was
sich
konkret
hinter
der
Organisationseinheit CU verbirgt“. Somit sei es „zum einen nicht verwunderlich, dass es eine
Vielzahl sowohl von ähnlich klingenden Definitionen als auch von Aufzählungen der
wesentlichen Merkmale von CU gibt, die in den unterschiedlichsten Selbstdarstellungen der
CU zu lesen sind. Zum anderen resultiert aus dieser Unbestimmtheit auch das Bedürfnis, die
Organisationseinheit der CU durch Modelle oder Typen näher einzugrenzen.“ (S. 451)
Eine Schwierigkeit aller Definitionsansätze bleibt, dass mit ihnen keine Trennschärfe zu
traditionelleren unternehmenseigenen Weiterbildungseinrichtungen erreicht wird. „Eine
exakte Trennung zwischen dem, was als traditionelle Weiterbildung auch anderen
Arbeitnehmern im Unternehmen angeboten wird, und dem, was durch CU angeboten wird,
ist jedoch kaum möglich.“ (Hanft/Knust 2007, S. 452) Entsprechend weist die „Bayer
Academy“, die in den Studien als Corporate University betrachtet wird, darauf hin, zwischen
einer
Corporate
University
und
einer
qualifizierten
Weiterbildungsabteilung
keinen
Unterschied zu sehen. (Wimmer 2002, S. 115)
In ihrer Befragung der Unternehmen verzichten Wimmer/Emmerich/Nicolai (2002, S. 95 ff)
auf eine Definition. Sie gehen so vor, dass sie die Unternehmen fragen “Besitzen Sie in
Ihrem Unternehmen eine Corporate University?“. Wird diese Frage bejaht, handelt es sich im
Sinne der genannten Studie um eine Corporate University.
4. Entwicklung der Corporate Universities
Aus wissenschaftlicher Forschung liegen nur wenige Ergebnisse vor, im Wesentlichen sind
es die von Wimmer/Emmerich/Nicolai 2002, die jedoch aus der Gründungszeit stammen und
inzwischen knapp zehn Jahre alt sind. Diese Ergebnisse werden im Folgenden dargestellt
und aus den verstreuten Berichten wissenschaftsorientierter oder journalistischer Art sowie
aus eigenen Internetrecherchen ergänzt. Allerdings ist es vielfach nicht möglich, Aussagen
über die Aktualität zu treffen. Ob die Befunde von Wimmer u. a. noch Gültigkeit haben und
ob die Internetangaben aktuell sind, ist nicht gesichert.
Während die Bereiche Lernen und Geschäft/Arbeiten sich in traditioneller beruflicher
Weiterbildung meist eindeutig voneinander abgrenzen lassen, wird der Übergang in den
Corporate Universities fließender. Das Wissen oder die Kompetenzen werden nicht in (häufig
externen) Seminaren erlernt und zu einem späteren Zeitpunkt im Arbeitsprozess wieder
abgerufen. Vielmehr greifen in vielen Corporate Universities der Lern- und der
5
Arbeitsprozess ineinander. Im Rahmen der Geschäftsprozesse, von Projekten oder Change
Workshops geht es einerseits um den Erwerb von Wissen und Fähigkeiten der Beteiligten
und andererseits um die Lösung konkreter Geschäftsprobleme.
Ein großer Teil des Lernens in Corporate Universities findet virtuell statt. Die meisten
Unternehmen mit Corporate Universities sind große Konzerne mit weltweiten Standorten,
dafür bieten die Corporate Universities die Möglichkeit der standortübergreifenden Personalund Unternehmensentwicklung. Einbezogen sind vielfach auch Mitarbeiter/innen von
Zulieferern, Kunden und strategischen Partnern. Damit werden Präsenzveranstaltungen
jedoch sehr aufwendig. Internetbasierte Kommunikationsmethoden bieten die Möglichkeit,
Präsenzveranstaltungen und virtuelles Lernen zu kombinieren.
Verschiedene Autoren verwenden den Begriff der Corporate University wie ein Synonym für
unternehmensinternes E-Learning. Typisch dafür ist etwa der folgende Buchtitel von Glotz,
Peter/Seufert, Sabine (2002): „Corporate University. Wie Unternehmen ihre Mitarbeiter mit ELearning erfolgreich weiterbilden“. Ein so enger Zusammenhang wird für die Gründungsjahre
widerlegt (Wimmer u. a. 2002), für spätere Jahre liegen uns keine Nachweise vor.
Corporate Universities sind eine Lösung großer Unternehmen. Je größer das Unternehmen,
desto wahrscheinlicher ist, dass es eine Corporate University unterhält. Während 2001 bei
den 100 größten Unternehmen noch mehr als jedes dritte Unternehmen im Besitz einer
solchen Institution ist, war es nach Schätzungen von Wimmer u. a. (2002) auf den Rängen
301
bis
1000
nur
Unternehmensgröße
noch
und
jedes
Corporate
35.
Unternehmen.
University
besteht
Die
Korrelation
auch
im
zwischen
Jahr
2005
(Klumpp/Helmstädter 2005).
Über 90 % der Corporate Universities hatten 2001 keine eigene Rechtsform. Drei Viertel der
Einrichtungen waren bei der Personalabteilung, die Leitung der Corporate Universities in
knapp 60 % der Fälle eine Ebene unterhalb des Vorstandes angesiedelt. Die Finanzierung
erfolgte bei drei von vier Corporate Universities allein über Zentralbudgets oder in
Kombination mit Selbstfinanzierung. In mehr als 40 % der Corporate Universities wurde die
Beaufsichtigung
durch
den
Vorstandsvorsitzenden
vorgenommen.
(Wimmer/Emmerich/Nicolai 2002)
Die empirischen Befunde belegen, dass „Corporate University“ in Deutschland mehr ist als
ein modernes Etikett für traditionelle Weiterbildungsabteilungen. Wimmer/Emmerich/Nicolai
(2002) kamen zu dem Ergebnis, dass Corporate Universities sich durch die Verzahnung von
Personal- und Organisationsentwicklung, den strategischen Bezug, durch neue Lernformen
6
und die enge Kooperation mit Universitäten von traditionellen Weiterbildungsabteilungen
unterscheiden. Hinzu kam eine verstärkte Fokussierung auf die Leistungsträger des
Unternehmens. So waren typische Aussagen der Unternehmen auf die Frage nach den
Unterschieden
zwischen
ihrer
Corporate
University
und
traditionellen
Weiterbildungseinrichtungen: „stärkere strategische Orientierung“, „internationaler Level“,
„Integration
von
individueller
Entwicklung
und
Unternehmensentwicklung“,
„Hohes
Vorstands-Commitment“ oder „Fokus auf Leistungsträger und High Potentials“. Dabei zielen
die Corporate Universities relativ kleinerer Unternehmen eher auf Weiterbildung, die der
größeren eher auf „strategischen Wandel“.
Strategische Bedeutung für die Unternehmen
Zumindest in ihren Gründungsphasen hatten einige der Corporate Universities für ihre
Unternehmen eine strategische Funktion. Die Art der strategischen Funktion kann auf
Grundlage der Befragung von Wimmer u. a. (2002) differenziert werden und Gebauer (2007)
bietet dazu Aufschluss für einen späteren Zeitpunkt, allerdings nur für sehr wenige
Einrichtungen. Demnach steht die Strategieumsetzung deutlich im Vordergrund.
Die strategischen Think Tanks der Unternehmen, Orte der Strategienetwicklung, waren die
Corporate Universities nach Angaben der Unternehmen bereits in ihrer Gründungsphase
kaum. Strategischer Wandel stellte 2001 bei über 40% der von Wimmer u. a. Befragten den
primären Fokus dar; in den meisten Fällen lag der Fokus dabei auf Strategieumsetzung;
immerhin bei sechs (14%) der Corporate Universities lag der Schwerpunkt aber auf der
Strategieentwicklung. Bei diesen Sechs handelte es sich um Bertelsmann University,
Deutsche Bank University, Fraport Academy, Henkel Global Academy, Hochtief Corporate
University, die 2001 noch in der Gründungsphase war, sowie Otto International Academy.
(Wimmer/Emmerich/Nicolai 2002) Die Sichtung der Publikationen und Selbstdarstellungen
lässt keine Aussagen darüber zu, ob dieser Befund auch in den Folgejahren noch Gültigkeit
hat.
Auch die AutoUni der Volkswagen AG, die erst 2002 gegründet wurde,
hat für das
Unternehmen eine ganz erhebliche strategische Bedeutung: Sie soll die Voraussetzungen
schaffen, um den Konzern an die weltweite Spitze der Mobilitätsforschung zu bringen. Der
damalige Vorstandsvorsitzende Pischetsrieder wird zitiert, die Institution solle der „Think
Tank für den Konzern“ werden (Steputat 2007). Als unternehmenseigene, staatlich
anerkannte Hochschule sollte sie laut Gründungspräsident Zimmerli die „Lücke zwischen
Wissenschaft und Wirtschaft schließen“, und er erwartete, dass auch konkurrierende
Automobilkonzerne ihre Mitarbeiter hier qualifizieren würden. (vgl. Steputat 2007) In diese
7
Strategie eingebunden ist ein „Fahrzeugzentrum“, an dem neben der AutoUni auch das Land
Niedersachsen, die TU Braunschweig und andere regionale Akteure eingebunden sind. 2007
wurde der Gründungsvertrag unterzeichnet. Insgesamt zehn Institute sollen in der Region
entstehen:
Fahrzeugtechnik,
Motorentechnik,
Verkehrssicherheit,
Verkehrswesen,
Aufbaukonstruktion, Nutzfahrzeugtechnik, Kraftstoffsysteme, Fahrzeug-Informatik, FahrzeugElektronik, Automobilwirtschaft. (Schlesag 2007)
Auch bei EnBW stand der Aufbau der Corporate University im Kontext einer strategischen
Aufgabe. Die EnBW entstand
1997 durch den Zusammenschluss zweier regionaler
Elektrizitätswerke, die sich damit auf die bevorstehende Deregulierung des deutschen
Energiemarktes
vorbereiteten.
Unter
dem
Dach
der
neuen
Holding
Konzernstruktur mit mehreren unabhängigen Geschäftsfeldern ausgebildet,
wurde
eine
der Konzern
vergrößerte sich in kurzer Zeit um ein Vielfaches. Die interne Organisationskomplexität nahm
entsprechend zu, und 2000 wurde die EnBW Akademie gegründet. Sie griff zunächst „eher
traditionelle Aufgaben wie zum Beispiel klassische Mitarbeiterweiterbildungsprogramme“
(Gebauer 2007) auf, darunter auch solche, die sich auf fusionsbedingte Informations- und
Handlungsbedarfe bezogen. Gebauer zitiert einen damals leitenden Mitarbeiter der
Akademie: „Als das Unternehmen anfing zu wachsen, gab es einen gewaltigen Bedarf an
Integration. Es musste ein gemeinsames Verständnis geschaffen werden, weil in der neu
gegründeten
EnBW
die
unterschiedlichsten
Führungsverständnisse
und
Unternehmenskulturen zusammengekommen waren. Unterschiedlicher kann man es sich
gar nicht vorstellen. (…) Hierzu haben wir sehr viel gemacht: Schulungen, Veranstaltungen,
wo wir das neue, gemeinsame Führungsverständnis vorgestellt haben, wo wir Diskussionen
zugelassen haben, wo wir aber auch gezeigt haben, wie man das denn nun konkret
eigentlich macht: Zielvereinbarungen, Mitarbeitergespräch usw.“ (Gebauer 2007, S. 225)
Die strategische Bedeutung eines Teils der Corporate Universities ist für die Gründungsjahre
gut belegt. Allerdings ist nicht bekannt, ob diese Ausrichtung nach wie vor gilt. Weiterhin ist
nicht geklärt, ob in den Unternehmen, die keine bzw. keine auf die Strategie ausgerichtete
Corporate University haben, dafür andere Institutionen entwickelt wurden.
Bildungspolitische Bedeutung
Corporate Universities sind ein neuer Institutionstyp im Bildungssystem. Es stellt sich die
Frage, ob die Corporate Universities in Konkurrenz zu den staatlichen oder staatlich
anerkannten Universitäten oder Fachhochschulen stehen. Genauer geht es dabei auf Seiten
der Hochschulen im Wesentlichen um ein sehr kleines, aber für die Hochschulen besonders
interessantes und einträgliches Segment: die Studiengänge für „Master of Business
8
Administration (MBA)“, entsprechend ausgerichtete weitere Master-Studiengänge sowie
Weiterbildungen für betriebliche Führungskräfte, die nicht zu einem Hochschulgrad führen.
Sie werden an den Fachbereichen für Betriebswirtschaft bzw. den sogenannten Business
Schools sowie gelegentlich auch an anderen Fachbereichen angeboten.
Corporate Universities sind keine Wettbewerber klassischer Hochschulen, wenn es um den
Leistungstypus geht, und dieser Anspruch wird von ihnen auch nicht erhoben; eine
Ausnahme stellt die AutoUni dar, die zwar nicht mehr den Status einer staatlich anerkannten
Hochschule anzustreben scheint, mit ihren Veranstaltungen jedoch frei zugängliche
wissenschaftliche Weiterbildung anbietet und schnell hervorragende Reputation erreichen
könnte. Durch Kooperation mit einer europäischen Hochschule könnte der Anschluss zum
tertiären System, etwa im Sinne der Anerkennung der Studienleistungen oder auch der
Erreichung von Hochschulgraden, schnell hergestellt werden.
Bezeichnend ist, dass nur wenige der anderen deutschen Einrichtungen, die ihren
amerikanischen Vorbildern entsprechend als Corporate Universities bezeichnet werden, von
den
Unternehmen
auch
University
genannt
werden.
Lediglich
ein
Drittel
der
Organisationseinheiten, die Wimmer u. a. (2002) befragten, verwendeten den Begriff
„University“, während zwei Drittel andere Namen wie z. B. Akademie, Academy, School oder
ähnliches wählten (vgl. auch: Gebauer 2007)
Wimmer/Emmerich/Nicolai beschrieben 2002 das Verhältnis von Corporate University und
Universität folgendermaßen: „Nicht Substitution, sondern Subsidiarität, nicht Wettbewerb,
sondern Komplementarität – dies sind wohl die Merkmale, die das Verhältnis von
Hochschulen und Corporate Universities auch in Zukunft prägen werden. Dieses Fazit kann
gezogen werden: Weder in der Forschung noch in der Nachwuchsqualifizierung bieten
Corporate Universities Ersatz für das, was an Hochschulen geleistet wird – und sie wollen es
auch gar nicht“. (S. 14) Im Unterschied zu den Universitäten gehört Forschung nicht zu den
Aufgaben der meisten Corporate Universities, und sie beabsichtigen auch keine
Wissenschaftlichkeit insofern, als sie nicht unabhängig sein wollen. Im Gegenteil, sie sind
den Interessen ihrer Unternehmen verpflichtet. Die Hochschulen ihrerseits können individuell
qualifizieren, aber keine strategische Entwicklung des Unternehmens bewirken oder
umsetzen. (Hanft/Knust 2007)
Zu einem ähnlichen Ergebnis gelangten Kraemer/Müller (1999, zit. nach Münch 2002, S. 70).
Es stelle sich für die deutschen Universitäten weniger „die Frage des Wettbewerbs zu den
Corporate Universities, sondern vielmehr, ob es gelingt, eine Lernallianz zwischen diesen
beiden Institutionen zu etablieren und zu den Business Schools bzw. Ivy League
Universitäten, mit deren derzeitigen Führungspositionen in der Executive Education,
9
aufzuschließen.“ Ivy League Universitäten, also Universitäten mit Spitzenplätzen auf
nationalen oder Weltranglisten, sind vielfach Kooperationspartner, aber verschiedene
Autoren sehen den Ausbau der Kooperationen als eine Herausforderung an beide Seiten.
Corporate Universities wollen also weder die besseren noch eine Nachbildung der
Hochschulen sein. Allerdings scheinen die Hochschulen ihrerseits
durchaus um die
Teilnehmer/innen und um die finanziellen Mittel zu konkurrieren. „Die Konkurrenz ist mit
Händen
zu
greifen“,
zitiert
Hartung
(2004)
den
Präsidenten
des
Deutschen
Hochschulverbandes Kempen, „Privathochschulen und Corporate Universities haben
dieselbe Zielgruppe.“ Das könnte etwa auf das folgende Beispiel zutreffen: Die „Munich
Business School“, eine private Fachhochschule für Führungskräfte der Wirtschaft, wirbt auf
ihrer Website nicht um individuelle Studierende, sondern um Unternehmen als Kunden.
Schaubild 1: Munich Business School
Quelle: Website der Munich Business School (30.01.2010)
http://www.munich-business-school.de/wissen/executive-education.html
10
Allerdings konkurrieren keineswegs nur private Hochschulen um diese Mittel und damit um
die Studierenden. Auch die staatlichen Hochschulen bieten Studiengänge, insbesondere in
ihren ökonomischen Fachbereichen, mit denen sie sich an berufstätige Führungskräfte
wenden (Studiengänge zum Master of Business Administration oder als Weiterbildungen mit
Zertifikat); dafür ist die Universität Frankfurt/Main in Kooperation mit der Fuqua School of
Business (Duke University) ein Beispiel. Die Fachhochschule Frankfurt/Main ist ein weiteres
Beispiel; hier wurden Kooperationen mit Unternehmen vereinbart: Zusammen mit den
großen
deutschen
Flugsicherung
Flughafenbetreibern,
GmbH
(DFS)
führt
sie
Fluggesellschaften
den
kooperativen
und
der
Deutschen
Bachelor-Studiengang
„Luftverkehrsmanagement – Aviation Management“ durch. In der Selbstdarstellung der FH
im Internet heißt es, dass der Studiengang „im Unterschied zu herkömmlichen
Studienangeboten ein hochqualifiziertes Hochschulstudium durchgängig mit betrieblichen
Studienabschnitten [integriert]. Durch diese intensive Vernetzung von Theorie und Praxis
geht der Studiengang einen entscheidenden Schritt über das bisherige Nebeneinander von
Hochschulstudium und betrieblicher Ausbildung hinaus und vermittelt den künftigen
Führungskräften die erforderlichen Kernkompetenzen für ein erfolgreiches Wirken in einem
sich rasant verändernden internationalen Umfeld.“ Es wäre zu klären, ob dieser kooperative
Studiengang zumindest teilweise die Funktionen ersetzt, die bis zu ihrer Schließung 2003
von der Lufthansa School of Business übernommen wurden. Die FH Frankfurt bietet
außerdem im Bereich der Weiterbildung auch „maßgeschneiderte Inhouse-Schulungen“ an.
Ein Unternehmen mit einer Corporate University, die zwar keine Hochschulabschlüsse
vermittelt, wohl aber über ein anspruchsvolles und vielfältiges Angebot verfügt, wird weniger
dazu tendieren, das Studium bei einer externen Hochschule zu fördern. Die Teilnahme an
Weiterbildungen außerhalb eines vollen Studiums, wie es von den universitären
Weiterbildungseinrichtungen angeboten wird,
wird ein solches Unternehmen nur in
Ausnahmefällen fördern.
Häufig kooperieren Corporate Universities mit Hochschulen, etwa mit Fachbereichen für
Wirtschaft. Die VW AutoUni zielt, wie wohl keine andere Corporate University in
Deutschland, auf die Kooperation mit Hochschulen. Ursprünglich war beabsichtigt,
die
staatliche Anerkennung als Hochschule zu erlangen und somit Hochschulabschlüsse zu
vermitteln; dieses Ziel wird jedoch nicht mehr verfolgt, und dieses Ziel verfolgt auch kein
anderes Unternehmen. Die Kooperationen der Corporate Universities mit Hochschulen
beziehen sich auf verschiedene Ebenen. Die Veranstaltungen finden teilweise in den
Räumen kooperierender Hochschulen statt; gemeinsam werden Studienprogramme
konzipiert; eine stabile Kooperation ist unverzichtbar, wenn akademische Abschlüsse
11
vergeben werden sollen. Das können ausschließlich staatliche oder staatlich anerkannte
Hochschulen, und diesen Status hat keine der Corporate Universities. Für die Vernetzung ist
nicht zuletzt erheblich, dass die Geschäftsführer der Corporate Universities, gelegentlich
auch “dean“ (Dekan) genannt, oftmals einen (auch) ausgeprägt akademischen Hintergrund
haben.
Die
folgende
Übersicht
zeigt
für
eine
Auswahl
von
Corporate
Universities
die
Kooperationspartner des tertiären Systems.
Schaubild 2: Kooperationspartner im tertiären System
Quelle: Münch 2003, S. 29, nach Kraemer/Müller 2001.
Knapp 80 % der Corporate Universities kooperierten 2001 mit Universitäten, die Kooperation
wurde von über 50 % als „enge Lernpartnerschaft“ beschrieben. (Wimmer/Emmerich/Nicolai
2002) Die Bedeutung dieser Kooperationen wird allerdings relativiert, wenn man auch die
Kooperationen mit anderen Institutionen oder mit externen Einzelpersonen berücksichtigt,
die in der „Kooperationsbeziehungsmatrix“ von Hanft/Knust (2007) aufgelistet sind. Die
Daten stammen aus einer schriftlichen Befragung von 34 Unternehmen, die eine „CU
12
besitzen oder einmal eine besaßen“, 14 der befragten Unternehmen beteiligten sich an der
Befragung (ebd., S. 449).
Schaubild 3: Kooperationsbeziehungsmatrix von Corporate Universities
Quelle: Hanft/Knust 2007, S. 461.
In der letzten Spalte werden die Kooperationsformen zu institutionellen („Lernallianzen“) und
personenbezogenen Kooperationsformen gruppiert. Vier der 14 Corporate Universities
kooperieren bei „kurzen Einzelveranstaltungen und Seminare“ mit öffentlichen Hochschulen,
ebenso viele sind es bei längeren Veranstaltungen. Erheblich mehr Corporate Universities
kooperieren in diesen Bereichen mit Beratungs- und Trainingsunternehmen sowie mit
Business Schools; auch private Hochschulen, die es insgesamt in Deutschland im Vergleich
zu den öffentlichen nur in geringer Zahl gibt, erreichen höhere Werte. Auch bei den
Kooperationen mit Einzelpersonen werden seltener Lehrende von Hochschulen gewählt als
andere. Immerhin gaben aber zehn von vierzehn Corporate Universities an, im Bereich der
kürzeren Veranstaltungen mit Einzelpersonen von Hochschulen zu kooperieren. Wie groß
die Schnittmengen sind, ob es etwa die gleichen Corporate Universities sind, die bei
unterschiedlicher Veranstaltungsdauer mit Hochschulen kooperieren, ist der Matrix ebenso
wenig zu entnehmen wie die Gesamtzahl der antwortenden Corporate Universities, die einen
13
solchen Veranstaltungstyp haben. Insgesamt kommen Hanft/Knust zu dem Ergebnis, „dass
die Art und Intensität der Kooperationen seitens der CU zu staatlichen Hochschulen eher als
gering angesehen werden muss.“ (ebd., S. 450)
Die Typen der Kooperation sind vielfältig. Von Netzwerken, Lernpartnerschaften,
Kooperationen, Allianzen ist die Rede, und dahinter verbergen sich sehr unterschiedliche
Strukturen, wobei die Rolle von Universitäten in Abhängigkeit vom entsprechenden Typ der
Corporate University zu sehen ist. Die Zusammenarbeit zwischen Corporate Universities und
Universitäten kann sich dabei auf mehrere Felder erstrecken:
¾ Maßgeschneiderte, in Kooperation mit Hochschulen (v. a. internationale Business
Schools
mit
hoher
Reputation)
entwickelte
und
durchgeführte
Seminare
für
Führungskräfte, die in das Angebot der Corporate Universities eingebunden werden;
¾ Standardkurse
bzw.
Integration
von
Hochschulreferenten
oder
entwickelten
Studienmaterialien;
¾ Kooperative Veranstaltungen, wie beispielsweise Konferenzen;
¾ Unterstützung der Corporate University bei der Curriculumentwicklung;
¾ Qualitätssicherung und Zertifizierung: Vergabe von akademischen Credits bis hin zu
akademischen Studienabschlüssen.
Die Kooperation sowie gemeinsame Netzwerke werden von verschiedenen Autoren als ein
wesentliches Entwicklungskriterium und als ein Kriterium für den langfristigen Erfolg beider
Institutionstypen bewertet. „Die Unternehmen müssen intelligente Plattformen schaffen, die
sich der Universitäten in aller Welt bedienen“, zitiert Hartung (2004) Peter Glotz; „einen
großen Stab an Mitarbeitern wie bei der AutoUni brauchen sie dafür nicht – der beschäftigt
sich zu sehr mit sich selbst.“ (Zit. nach: Hartung 2004)
Bedeutung für die betriebliche Mitbestimmung
Die Bedeutung der betrieblichen Mitbestimmung und der Arbeitnehmervertretungen für die
Corporate Universities sowie, umgekehrt, die Wahrnehmung der Corporate Universities
durch Betriebs-/Personalräte und Arbeitnehmervertreter/innen in den Aufsichtsräten sind in
der Literatur blinde Flecken, sie werden an keiner Stelle erwähnt. Veröffentlichungen oder
Stellungnahmen von betrieblichen Interessenvertretern oder aus dem gewerkschaftlichen
Raum liegen uns nicht vor. Das Zitat des DGB-Vertreters Jochen Koch-Bantz (Hartung 2004,
s. o.), mit dem allerdings auch keine gewerkschaftsspezifische Perspektive thematisiert wird,
ist die einzige Erwähnung, die uns bekannt ist.
Die
Mitbestimmungsregelungen
nach
Betriebsverfassungs-
und
nach
Personalvertretungsgesetz werden am ehesten für jene Corporate Universities greifen, die
einer traditionellen betrieblichen Weiterbildungseinrichtung ähneln und sich (auch) an die
unteren Führungskräfte bzw. an große Teile der Belegschaft richten. Bei Corporate
14
Universities, die sich auf Führungsspitzen sowie auf High Potentials richten und die für die
Entwicklung der Unternehmensstrategie und der Netzwerke bedeutsam sind, dürfte es für
die Interessenvertretungen schwer sein, überhaupt nur Informationen zu erhalten.
Verbandsstrukturen
Verbandsstrukturen sind ein Indiz für die Langlebigkeit und Stabilität einer Entwicklung und
können diese zugleich stützen. Solche Strukturen sind auch im Kontext der Corporate
Universities entstanden. Neben dem amerikanischen Verband “Corporate University
Xchange“ gibt es einen europäischen Verband, European Corporate Learning Forum
(ECLF), der in 2010 seine sechste jährliche Konferenz durchführte. Gründer und
Vorsitzender ist Roland Deiser, der in ihrer Gründungszeit die DaimlerChrysler Corporate
University leitete. ECLF hat 2009 knapp 60 Mitglieder, annähernd ein Drittel davon deutsche
Unternehmen (u. a. Allianz, AXA, BASF, Bertelsmann AG, Daimler, Deutsche Telekom,
Deutsche Bahn, Deutsche Bank, Deutsche Post, Infineon, Merck, RWE, Heidelberg,
Siemens, ThyssenKrupp). Der Verband betont die spezifisch europäische Perspektive und
schreibt über sich: „The European Corporate Learning Forum (ECLF) is a community of top
executives (…) who have a global responsibility for fostering large-scale learning, change
and transformation processes. The purpose of the Forum is to share perspectives and jointly
develop an innovative body of practice, shaping the future of Executive and Organizational
Learning” (http://www.eclf.org, Stand Oktober 2009). Der Verband bezieht sich zwar nicht
speziell auf Corporate Universities, sondern allgemeiner auf Corporate Learning, betont aber
„large-scale learning, change and transformation processes“ Über die traditionelle
„betriebliche Weiterbildung“ geht das deutlich hinaus.
5. Zum quantitativen Bestand
Zur quantitativen Ausbreitung der Corporate Universities in Deutschland liegen zwei
Erhebungen vor, deren Vorgehensweise und Ergebnisse hier vorgestellt werden.
Bestand 2001
Wimmer/Emmerich/Nicolai (2002) befragten im Jahre 2001 schriftlich 1.000 der nach Anzahl
der Mitarbeiter/innen bzw. nach Umsatz größten Unternehmen Deutschlands und konnten
die Angaben von 326 Unternehmen namentlich auswerten. Sie verzichteten dabei auf jede
Definition dessen, was als Corporate University verstanden werden sollte, sondern fragten
voraussetzungslos nach einer solchen: „Besitzen Sie in Ihrem Unternehmen eine Corporate
University?“. 47 der Unternehmen bejahten das, 18 gaben an, zwar selbst keine Corporate
University zu unterhalten, auf Holdingebene aber Zugang zu einer zu haben; 26
15
Unternehmen planten eine Corporate University, und 235 gaben an, weder eine Corporate
University zu besitzen noch eine zu planen. Sie konnten einen Zusammenhang zwischen
Unternehmensgröße und Besitz einer Corporate University feststellen: Während bei den 100
größten Unternehmen noch mehr als jedes dritte Unternehmen eine Corporate University
hatte, nahm die Zahl bei den kleineren Unternehmen ab; bei den Unternehmen auf den
Rängen 301 bis 1000 war es nur noch jedes 35. Den Gesamtbestand an Corporate
Universities bei den 1000 größten Unternehmen schätzten Wimmer/Emmerich/Nicolai auf ca.
80.
Bestand 2005
Klumpp/Helmstädter (2005) führten Untersuchungen zum Bestand im Jahr 2005 durch, und
zwar mittels Internetrecherchen und Telefonanfragen bei den Unternehmen. Sie bezogen die
100 nach Umsatz größten Unternehmen Deutschlands sowie einige weitere Konzerne aus
dem Finanzdienstleistungsbereich ein. Ein Vergleich der Ergebnisse mit dem Befund von
2001 liegt nahe. Weil jedoch die Untersuchung sowohl methodisch als auch bezüglich der
Stichprobenkonstruktion anders durchgeführt wurde als die von 2001, „ist die Validität dieses
Vergleiches als sehr gering anzusehen“ (S. 10). Ein wesentlicher Befund ist jedoch, dass
Klumpp/Helmstädter nur sehr wenige Corporate Universities fanden, die bei Wimmer/Nicolai
noch nicht gelistet waren. Damit ist Klumpp/Helmstädter zuzustimmen, dass die
Neueinführungsrate in den Jahren 1997 bis 2001 am höchsten war, mehr noch: Dass
Klumpp/Helmstädter nur noch eine einzige Corporate University fanden, für die ein
Gründungsdatum nach 2001 angegeben wird (AutoUni der VW AG in 2002), belegt das
Ende der Gründungsphase in 2002.
Allerdings wird in der Studie „vereinfachend angenommen, dass die 2002 existierenden
Corporate Universities auch im Jahr 2005 noch bestehen. Eine mögliche Schließung solcher
Einrichtungen wurde im Einzelnen nicht überprüft.“ (S. 10, Anm. 11) Als quantitativer
„Bestand 2005“ werden somit die 2001 sowie die 2005 zusätzlich erhobenen Corporate
Universities addiert. Klumpp/Helmstädter kommen somit in 2005auf eine Gesamtzahl von 30
Corporate Universities bei den 110 „größten Unternehmen“. Die folgende Grafik ist
Klumpp/Helmstädter (ebd., S. 11) entnommen. Die Daten von 2002 beziehen sich auf die
Studie von Wimmer/Emmerich/Nicolai 2002;
betont sei noch einmal, dass die
Grundgesamtheit der befragten Unternehmen sowie die Erhebungsmethoden sich deutlich
unterscheiden.
16
Schaubild 4: Corporate Universities 2002 und 2005
Quelle: Klumpp/Helmstädter 2005
Zum Bestand 2009
Neuere Erhebungen liegen nicht vor. Sämtliche uns bekannten Angaben zum quantitativen
Bestand beziehen sich auf die genannten Befunde von 2001 und 2005. Hanft/Knust 2007
setzen wie Klumpp/Helmstädter voraus, dass einmal nachgewiesene Institutionen weiterhin
Bestand haben, sich somit „nach einer geringfügigen Konsolidierung Anfang der
Jahrtausendwende die Anzahl der CU in Deutschland als relativ stabil erweist“ (S. 451).
Aufgrund unserer Recherchen, die sich allerdings auf einige stichprobenartige Telefonate mit
den Unternehmen sowie auf das Internet beschränken und keinen Anspruch auf
Wissenschaftlichkeit erheben, halten wir diese Projektion für überprüfungsbedürftig. Für eine
erhebliche Anzahl der 2001 erhobenen Corporate Universities konnten wir in 2009 im
Internet keinen Nachweis finden, die Internetpräsenz erschien nicht aktuell. Die Realität
hinter der virtuellen Repräsentanz erscheint oftmals fraglich, oder aber die Funktion scheint
grundlegend verändert. So führt etwa die Suche nach der „SAP University“ nicht zu einer
Corporate University, sondern zu „SAP University Alliances“, die durch Kooperationen mit
Hochschulen den erfolgreichen Einsatz eigener Produkte im Hochschulsektor vorantreibt.
17
Wimmer/Nicolai sahen im Jahr 2002 noch die Möglichkeit, dass Corporate Universities ein
Massenphänomen werden könnten (Wimmer/Nicolai in: Münch 2002, S. 64). Den
Erhebungen zufolge ist aber ihre Anzahl stabil geblieben, Corporate Universities sind somit
weiterhin eine Erscheinung, die auf einen kleinen Teil der größten Unternehmen begrenzt ist.
18
6. Literatur
Anmerkung: Alle Internetpräsenzen wurden zuletzt am 30. November 2009 geprüft.
Andresen, Maike: Corporate Universities als Instrument des Strategischen Managements
von Person, Gruppe und Organisation. Frankfurt, 2003.
Baucus, David/Baucus, Melissa: The Changing shape of Corporate Universities, Journal of
online education, Volume 1, Issue 5, June/July 2005. http://www.innovateonline.info/
Chaton, Cordelia: Die Uni im Unternehmen. FAZ.NET, 10.02.2001.
Deiser, R.: Corporate Universities – Modeerscheinung oder strategischer Erfolgsfaktor? In:
Organisationsentwicklung, 1/1998, S. 36-49.
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Entwicklungsverläufe von Corporate Universities. In: Personalführung, 12/2006
http://www.dgfp.de/perdoc/document.php?id=77534.
Gebauer, Annette: Einführung von Corporate Universities. Rekonstruktion der
Entwicklungsverläufe in Deutschland. Heidelberg (Carl Auer Verlag) 2007.
Glotz, Peter/Seufert, Sabine (Hrsg.): Corporate University. Wie Unternehmen ihre Mitarbeiter
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Hanft, Anke/Knust, Michaela (Hrsg.): Internationale Vergleichsstudie zur Struktur und
Organisation der Weiterbildung an Hochschulen. Universität Oldenburg/BMBF. Januar 2007.
http://www.bmbf.de/pub/internat_vergleichsstudie_struktur_und_organisation_hochschulweit
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Hartung, Manuel J.: Bildung aus der Fabrik. AutoUni von Volkswagen, Hamburger University
von McDonald’s – viele Firmen legen sich eigene Hochschulen zu. In: Die Zeit. Ausgabe 35,
Jg. 2004. http://www.zeit.de/2004/35/C-CorporateUniversities?page=all.
Lichtenberger, Bianca/Andresen, Maike: Corporate universities in Germany: Implementing
and developing the organization's strategy through learning. In: Development and Learning in
Organizations. 2007, Vol. 21, Issue 4, p. 25 – 27.
Klumpp, Matthias/Helmstädter, Hans Georg: Campus Sapiens Paper No. 3 Corporate
University – Definitionen und Konzepte. Essen 2005.
Kölling, Martin: „Drive Your Dream“ – Toyota investiert in Weiterbildung. Eine
Firmenuniversität soll Toyotas Management für eine globalisierte Wirtschaft fit machen. In:
Personalführung 4/2002.
19
Kraemer, Wolfgang/Müller, Michael (Hrsg.): Corporate Universities und E-Learning.
Personalentwicklung und lebenslanges Lernen. Strategien – Lösungen – Perspektiven.
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Lehman, Lynn: We can’t start a Corporate University because we’re in the midst of poor
economic times. Corporate University Xchange, 23.09.2008.
http://www.corpu.com/weekly/article/we-cant-start-corporate-university-because/.
Münch, Joachim (Hrsg.): Status und Rolle der Corporate University zwischen betrieblicher
Bildungsabteilung und öffentlicher Hochschule. Ein Workshop der Arbeitsgemeinschaft
Betriebliche Weiterbildungsforschung e. V. Berlin am 18./19. November 2002. Universität
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Reinhold, Thomas: Sie denken nicht an Humboldt. FAZ.NET 29.07.2007.
Sattelberger, Thomas: "Wo Lufthansa drauf ist, muß auch Lufthansa drin sein". Interview
durch Cornelia Girndt / Gertrud Hovestadt. In: Die Mitbestimmung 9/1998, S. 18-22.
Schlesag, Markus: Hier entsteht das intelligente Auto. Forschungsregion soll Spitzenstandort
in der Fahrzeugtechnik mit internationalem Rang werden. Wolfsburger Nachrichten,
7.12.2007.
Spiegel Online: VW nimmt Abschied von der AutoUni. Prestigeprojekt gescheitert.
15.12.2006 http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/0,1518,454861,00.html.
Steputat, Robert: Unser Harvard am Hageberg: Die Auto-Uni. Über die Wertschätzung des
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Wimmer, Rudolf/Emmerich, Astrid/Nicolai Alexander T.: Corporate Universities in
Deutschland. Eine empirische Untersuchung zu ihrer Verbreitung und strategischen
Bedeutung. Eine Studie im Auftrag des BMBF. 2002.
Websites
Corporate University Xchange (amerikanischer Verband der Corporate Universities):
http://www.corpu.com/
European Corporate Learning Forum (ECLF): http://www.eclf.org/newsite/
20
7. Liste der Corporate Universities in Deutschland
Folgend
sind
in
alphabetischer
Reihenfolge
alle
Einrichtungen
gelistet,
die
in
Veröffentlichungen unterschiedlichen Datums und unterschiedlichster Art - wissenschaftliche
Studien, Tagungsberichte, journalistische Artikel, Pressemitteilungen, Blogs etc. - als
"Corporate Universities" deutscher Unternehmen genannt werden. Darunter sind solche, die
als Corporate Universitiy in der wissenschaftlichen Literatur anerkannt sind, und auch solche
Einrichtungen, deren (aktuelle) Existenz nicht gesichert ist und/oder bei denen es sich eher
um traditionelle betriebliche Weiterbildungseinrichtungen handeln könnte.
21
ABB University Germany
Alcatel University
Allianz Management Institute - AMI
Bayer Academy
Bertelsmann University
Burda Media Campus
DaimlerChrysler Corporate University
DDG Dräxlmaier Dienstleistungs GmbH Corporate University
Deutsche Bahn University
Deutsche Bank University
Deutsche Post World Net University
Dresdner Bank Corporate University
E.ON Academy
EADS Corporate Business Academy
EnBW Akademie
ERGO Management Akademie
FAG Academy
Franz Haniel Akademie GmbH
Fraport Academy
Hella KG Hueck & Co. Corporate University
Henkel Global Academy
Hochtief Corporate University
Infineon University
Jenoptik Innovation Academy
Lufthansa School of Business
Merck University
Metro Academy
mg academy
MLP Corporate University
Otto International Academy
Print Media Academy
Robert Bosch Kolleg
Sandvik College
SAP University
Schering Corporate University
Siemens Management Learning
Telekom Business Academy
Unilever Deutschland GmbH Training Department
VTG-Lehnkering Führungsakademie
VW AutoUni
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