Blick über den Gartenzaun Die Euro-Kita in Frankfurt (Oder) hat sich im Stadtbild etabliert Der sich öffnende Wirtschaftsraum wird in den nächsten Jahren den Alltag der Menschen in Europa verändern. Dabei kommt der Grenzregion besondere Bedeutung zu. Für die Erzieherinnen hat das Tor zum Osten eine besondere Bedeutung. Sie wollen noch intensiver als bisher den europäischen Nachbarn kennen lernen, Traditionen, Sitten und Gebräuche verstehen. Speziell konzipierte Lerninhalte sollen Handlungsmöglichkeiten und neue Orientierungen geben, sich be- Aus der 20-jährigen traditionellen Zusammenarbeit zwischen dem Kindergarten Nr. 3 in S≤ubice und der Kindertagesstätte in Frankfurt (Oder) entstand das Projekt, deutsche und polnische Kinder gemeinsam in einer Kindertagesstätte aufwachsen zu lassen. Die Kita-Mitarbeiterinnen haben daraus diese Konzeption zur Gründung einer „Euro-Kita“ entwickelt. wusst mit vermittelten Bildern und Verhaltensweisen anderer Kulturen auseinander zu setzen und zu reflektieren. Die inhaltliche Gestaltung der pädagogischen Arbeit basiert auf folgendem situationsorientiertem Ansatz: In der Euro-Kita haben 20 polnische und 34 deutsche Kinder eine Stätte des gemeinsamen Spielens, der Begegnung, des Lernens und der Freude gefunden. AUS DER PRAXIS – FÜR DIE PRAXIS 69 Die polnischen Kinder sind in die drei Gruppen der Einrichtung integriert. Eine muttersprachliche Erzieherin agiert als Multiplikatorin und Moderatorin. Zielsetzung des Projekts ist es, einen eigenständigen Beitrag multikultureller Bildungsarbeit zu leisten und Toleranz sowie Akzeptanz durch Selbsterfahrung in den verschiedenen Sozialisationsbereichen der Kulturen zu entwickeln und Sprachbarrieren abzubauen. Die Euro-Kita ist in den vergangenen Jahren ein fester Punkt im Stadtbild geworden. Die Kita war bei Präsentationen und bei Messeeröffnungen dabei. Die Tanzdarbietungen der Kinder waren ein fester Bestandteil zum Beispiel bei Veranstaltungen zum 60. Geburtstag der Universitätspräsidentin der Viadrina, der Veranstaltung zum 10-jährigen Bestehen der Euroregion sowie beim Festumzug zur 750-Jahrfeier der Stadt Frankfurt (Oder). Bei verschiedenen Projekten zwischen den Oberbürgermeistern der Städte Frankfurt (Oder) und Slubice waren wir vor Ort, wie zum Beispiel bei dem symbolisch dargestellten Beitritt Polens in die EU. Einige Frankfurter Euro-Kindergartenkinder wurden zu Ehrenbürgern der Stadt Slubice ernannt. Unser Projekt wurde zum Beispiel von Studenten der Viadrina als Thema ihrer Diplomarbeit gewählt. Auch das Interesse der Medien an diesem deutsch-polnischen Vorhaben ist groß. Besonders erfreut waren wir darüber, dass das Ost-West-Europäische Frauennetzwerk OWEN e.V. auf uns aufmerksam wurde und über unsere Arbeit in einer Wanderausstellung berichtete. 70 AUS DER PRAXIS – FÜR DIE PRAXIS Auch ein Zusammenrücken deutscher und polnischer Eltern im Hause ist zu spüren. Ressentiments wurden abgebaut und die sprachlichen Barrieren zwischen den Kindern minimiert. Wenn der Elternwunsch vorhanden ist, haben die polnischen Kinder der Kita die Möglichkeit, in Frankfurt (Oder) die 2. Grundschule „Mitte“ zu besuchen. Nach dem Unterricht finden die polnischen Schulkinder im Rahmen der Hortbetreuung wieder ein Zuhause in ihrer Kita. Dieses Projekt beinhaltet, dass die Kinder nach Unterrichtsschluss von der Schule abgeholt werden und ihr Mittagessen hier wie gewohnt einnehmen können. Weiterhin findet auch eine Hausaufgabenbetreuung statt und die Kinder nehmen am Kita-Alltag teil. Durch unsere Kollegen ist gewährleistet, dass die polnischen Eltern schnell über Probleme und Mitteilungen der Schule informiert werden. Das Projekt der Hortbetreuung trägt der Elternverein der Euro-Kita. Außerdem findet jeden Monat ein pädagogischer Erfahrungsaustausch (Spotkanie) mit dem Partnerkindergarten Nr. 3 in S_ubice statt. Dabei geht es um Hospitationen bei Lehrveranstaltungen, Weiterbildungen sowie Hilfestellungen beim Erlernen von Fremdsprachen. Pädagogische Konzeption Die pädagogische Arbeit im Euro-Kindergarten orientiert sich am „situationsorientierten Ansatz“ nach Dr. Armin Krenz. „Der situationsorientierte Ansatz ist keine pädagogische Technik oder didaktische Methode, er gleicht einer Haltung, einer persönlichkeitsbedingten Sichtweise von ganzheitlicher Pädagogik unter Berücksichtigung von Wertschätzung der Kinder, Nichtausgrenzen von aktuellen Situationen, Bedeutung jedes einzelnen Tages und Arbeit an der eigenen Identität und Professionalität.“ „Erzieherinnen in Kindergärten, die sich dem situationsorientierten Ansatz in der sozialpädagogischen Praxis verpflichtet fühlen, möchten Kindern – in enger Zusammenarbeit mit den Eltern – die Möglichkeit geben, Lebensereignisse und erlebte Situationen, die die Kinder beschäftigen, nachzuerleben (auf der emotionalen Ebene), diese zu verstehen (auf der kognitiven Ebene), aufzuarbeiten bzw. zu verändern (Handlungsebene), damit sie die Erfahrung machen, gegenwärtiges Leben zu verstehen und praktische Situationen bewältigen zu können. Dabei werden die individuellen Erfahrungen und Erlebnisse eines jeden Kindes – soweit wie möglich berücksichtigt mit dem Ziel, eigene, lebenspraktische Fähigkeiten (Kompetenzen) aufzubauen und zu erweitern, Erfahrungshorizonte zu vergrößern, Selbstständigkeit weiterzuentwickeln und sich selbst als ein Teil von anderen Menschen zu begreifen, als ein Teil der Ökologie zu verstehen und damit selbstbewusst, kompetent und solidarisch zu denken und zu handeln. Dabei wird das Schwergewicht der Arbeit auf der Vernetzung von Situationen im Kindergarten und außerhalb des Kindergartens liegen, um künstlich hergestellte, idealtypische Situationen möglichst zu vermeiden.“ (Aus Armin Krenz: „Der situationsorientierte Ansatz im Kindergarten“). Ein guter Ort für lebendige Nachbarschaft Unser Haus liegt im Herzen der Stadt, nahe am Oderufer, dort, wo man Deutschland und Polen gleichzeitig im Blick hat und wo im Schatten der historischen Konzerthalle „Carl Philipp Emanuel Bach“ auch die europäische Geschichte Frankfurts spürbar wird. Unser Haus wurde 2003 mit Unterstützung des WoWi – Projekts „Wirtschaft für Kinder“ renoviert. Der Garten bietet Spielgeräte, einen Sandkasten und auch einen Fußballbolzplatz. Die Spielplätze an der Oderpromenade und im Lenné-Park sind nur wenige Schritte entfernt. Wir besuchen sie oft und gern. Unsere vier Gruppenräume sind altersgerecht und liebevoll ausgestaltet, sie bieten viel Platz und Anregungen zum Basteln, Spielen und Ausprobieren. Jeder Gruppenraum ist mit einem eigenen Sanitärbereich ausgestattet. Diesen Rahmen haben wir geschaffen, damit aus der Begegnung zwischen den Nationen ein Stück fröhliche Kindheit werden kann – Tag für Tag. Das Leben ist bunt Begleiten Sie uns durch den Alltag und die Feste in der Euro-Kita – und erfahren Sie dabei, welche pädagogischen Grundsätze unsere Arbeit leiten. Zu unserem Kita-Alltag gehören: Tradition /Tanz / Leben Unterschiedliche Lebensweisen kennen und achten lernen – so zum Beispiel in unserer Tanzgruppe, die deutsche und polnische Tänze und Lieder lernt und aufführt oder bei den vielen Festen und Veranstaltungen, die wir zusammen mit AUS DER PRAXIS – FÜR DIE PRAXIS 71 den Kindern und Kollegen unserer PartnerKita machen. Besuch in Kindergarten Nr. 3 Die Kinder gewinnen und pflegen persönliche Kontakte jenseits der Grenze. Somit wird der Besuch in einem „fremden Land“ zu einem regelmäßigen und schönen Erlebnis. Dies führt dazu, dass Hemmungen und Ressentiments gar nicht erst entstehen. Sprachkurs Die Sprache des europäischen Nachbarn wird spielend erlernt und täglich angewendet. Der Sprachunterricht wird einmal pro Woche erteilt, dazu kommt eine polnische Erzieherin in unsere Kita. Basteln / Musik Das Kindergartenleben ist geprägt durch kreative Aktivitäten wie Singen, Musizieren, Basteln und Tanzen. So entwickeln die Kinder spielerisch ein Gefühl für Musik und Rhythmus. Sie werden in ihrer Grob- und Feinmotorik geschult und haben einfach Spaß! 72 drei kindgerechte Mahlzeiten frisch zu. Einmal im Monat wird ein typisch polnisches Nationalgericht gekocht. Fest / Elternarbeit Auch die Begegnung deutscher und polnischer Eltern gehört zum Programm. Dies geschieht zum Beispiel bei Festen oder durch gemeinsame Elternversammlungen. Sanitärbereich Wir legen Wert auf die Erziehung zur Selbstständigkeit und die Festigung hygienischer Gewohnheiten. Dazu gehört auch das regelmäßige Zähneputzen nach den Mahlzeiten. Kind tröstet Kind Soziales Verhalten und die Übernahme von Verantwortung füreinander sind ein wichtiges Erziehungsziel. So lernen die Kinder die Konsequenzen kennen, die ihr eigenes Verhalten mitsichbringen. Die Kinder erlernen den Umgang miteinander. Spiel im Freien Im freien Spiel im Garten erwerben die Kinder Sozialkompetenz. Sie lernen, gegenseitig auf sich zu achten und Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen. Das Austoben an der frischen Luft bereitet den Kindern Freude und fördert die Ausgeglichenheit des Kita-Alltags. Ausflüge Oft machen wir uns auf den Weg, die gegenseitigen Heimatländer gemeinsam zu erkunden. Mehrmals im Jahr machen wir mit unserer Partnerkita aus S≤ubice Ausflüge in Deutschland oder Polen. Das fördert den Kontakt der Kinder untereinander und die Kinder lernen viele schöne Orte in ihrem Heimatund im Nachbarland kennen. Je früher, desto besser, desto selbstverständlicher! Essen Der Kindergarten bietet Vollverpflegung aus eigener Küche. Unsere Köchin bereitet täglich Kommende Generationen werden in einem Europa leben, in dem die Oder nicht mehr Demarkationslinie ist, sondern ein Fluss mit- AUS DER PRAXIS – FÜR DIE PRAXIS ten durch einen gemeinsamen Lebens- und Arbeitsraum. Darauf möchten wir unsere Kinder vorbereiten. Das heißt für uns nicht, die Unterschiede zwischen den Nationen gleichzumachen. Es bedeutet vielmehr, die jeweils andere Nation zu kennen, sie zu akzeptieren und selbstverständlich mit ihr umzugehen. Das gilt für die Sprache, die Geschichte, für Kultur und Tradition ebenso wie für viele Dinge des Alltags. Vor allem aber gilt es für die Menschen. Darum haben wir im Jahr 2000 den deutschpolnischen Kindergarten Euro-Kita in Frankfurt (Oder) gegründet. Dies ist ein erster Eindruck. Den zweiten sollten Sie sich durch einen Besuch bei uns verschaffen. Wir laden Sie herzlich ein! Aufnahmebedingungen Die polnischen Kinder müssen ihren Hauptwohnsitz in S≤ubice / Polen nachweisen. Die deutschen Kinder werden nach einer Rechtsanspruchprüfung in die Kita aufgenommen. Kontakt: Euro-Kita Schulstraße 5 15230 Frankfurt (Oder) Tel.: 0335 / 6802739 Fax.: 0335 / 6802739 Internet: www.eurokita.de E-Mail: [email protected] Betreuung Die Betreuung erfolgt in deutsch-polnischgemischten Gruppen gemeinsam durch polnische und deutsche Erzieherinnen. Alle deutschen Erzieherinnen beherrschen die polnische Sprache. Die Schulvorbereitung / Zertifikat Einmal wöchentlich findet ein Vorschulkurs für deutsche sowie auch für die polnischen Kinder statt. Für die polnischen Kinder, die in Frankfurt (Oder) eingeschult werden, findet eine gesonderte Vorschule statt. In den Gruppen wird gezielt durch den jeweiligen Gruppenerzieher eine Übung pro Tag durchgeführt. Öffnungszeiten Montag bis Donnerstag: 6.00 bis 17.30 Uhr Freitag: 6.00 bis 17.00 Uhr AUS DER PRAXIS – FÜR DIE PRAXIS 73