Handreichung zu multireligiösen Feiern am Beispiel christlich – islamischer Feiern Diese Handreichung ist als Orientierungshilfe gedacht und versteht sich nicht als abschließende Regelung. Die Anregungen sind Ergebnisse aus dem Arbeitskreis, „Unterwegs im christlich – islamischen Dialog“ 1 ( www.c-i-d.at.tf) und nehmen teilweise wörtlichen Bezug auf die Ausführungen der Orientierungshilfe „ Multireligiöses Beten“, erstellt im Auftrag des Ökumenereferats des Erzbischöflichen Ordinariats München. Multireligiöse Feier – Interreligiöse Feier? Wichtig ist es, im Vorfeld zu klären, welchen Charakter eine gemeinsame religiöse Feier grundsätzlich haben soll. Dabei sind folgende Varianten möglich: Multireligiöse Feier bedeutet, dass Angehörige verschiedener Religionen neben- und nacheinander, aber eventuell durchaus in einem gemeinsamen liturgischen Rahmen, jeweils ihre eigenen Gebete sprechen (Beispiel: Friedensgebet in Assisi 1986). Interreligiöse Feier heißt entweder • dass Angehörige verschiedener Religionen miteinander gemeinsam formulierte Gebete sprechen, oder • dass sich die Angehörigen einer Religion am Gebet und Gottesdienst der sie einladenden anderen Religion beteiligen. 2 Gemeinsam Beten? Das deutsche Wort „Gebet“ bezeichnet in den verschiedenen Religionen unterschiedlich festgeprägte Formen, die in der Regel nur gemeinsam mit Gläubigen der eigenen Religion verrichtet werden können. Unter Gebet wird in den jeweiligen Religionen verschiedenes verstanden. Diesen verschiedenen Sichtweisen entsprechen unterschiedliche Vorstellungen der Beziehung des Menschen zu Gott. Ein gemeinsames Gebet erscheint deshalb ohne ausführlichen und lehrmäßigen Dialog nicht möglich. Sinnvoller und ... leistbarer ist es, zu einer multireligiösen Feier einzuladen. 3 Gegenseitige Vereinnahmung vermeiden Voraussetzung für das Gelingen einer multireligiösen Feier ist eine gemeinsame Vorbereitung, an der die Vertreter/inn/en aller beteiligten Religionen in gleichberechtigter Weise teilnehmen. Deshalb sollten Situationen vermieden werden, die es Angehörigen der jeweils anderen Religion nur erlauben, sich in einen fremdbestimmten, bereits vorgegebenen Rahmen einzufügen. Ort /Gestaltung des Raumes Bei der Wahl des Ortes ist darauf zu achten, dass für andere Religionen in der Regel eine Kirche als Gebetsraum ausscheidet. Zentrale christliche Symbole sind dabei mit unterschiedlichen Erfahrungen und Vorstellungen besetzt, die es schwer machen können, im Angesicht dieser Symbole zu beten. Diese Überlegungen haben für die Gebetsräume anderer Religionen ebenfalls Gültigkeit. Es erscheint deshalb ratsam, auf gottesdienstlich geprägte Räume ganz zu verzichten. Insgesamt empfiehlt sich eine möglichst einfache Gestaltung des Raumes, eventuell unter Verwendung von Naturmaterialien.4 (Bilderverbot beachten!) 1 Die Texte der Handreichung sind z.T. der Broschüre des Arbeitskreises, Wien 2002, entnommen nach Klöcker, Michael/Tworuschka, Udo (Hg.): Handbuch der Religionen. Kirchen und andere Glaubensgemeinschaften in Deutschland. Loseblattwerk in zwei Ordnern, München: Olzog 2001, (II)15f 3 Multireligiöses Beten. Eine Orientierungshilfe, erstellt im Auftrag des Ökumenereferats München, S. 2 4 vgl. Multireligiöses Beten. S.3,4 2 2 „Neutrale“ Anlässe eignen sich am besten Von gemeinsamen Feiern anlässlich christlicher Feste wie Weihnachten und insbesondere Ostern, das Muslim/inn/en aufgrund ihres anderen Verständnisses von Jesus Christus nicht mitfeiern können, ist daher abzusehen. Möglich wäre eine gemeinsame Feier zum Erntedankfest, da der Dank an Gott, den Schöpfer der Natur, auch für Muslim/inn/en etwas Selbstverständliches ist. Auch das islamische Fest des Fastenbrechens ist aufgrund seiner sozialen Komponenten als Anlass für eine gemeinsame Feier geeignet. Das Fasten als Einübung in Bescheidenheit und das in der Fastenzeit besonders ausgeprägte Teilen mit den sozial Schwachen sind Aspekte, die Christ/inn/en nicht fremd sind. Vorzuziehen sind für eine gemeinsame religiöse (z.B.: Schul-) Feier jedoch „neutrale“ Anlässe oder Themen, z.B. Schulbeginn, Schulfest, Ende des Schuljahres, u.ä. Geeignet sind auch Themen, die sich aus dem Schulalltag oder aus dem Unterricht ergeben können, wie z.B. Schöpfung, Umwelt, Freundschaft, Frieden, etc. Religiöse Feier / Gottesdienst? Dabei (s.o.) sollte dennoch immer klargestellt werden, dass es sich um eine religiöse Feier handelt. Die Bezeichnung der gemeinsamen Feier als „Gottesdienst“ ist zu vermeiden, da z.B. Muslim/inn/en darunter in erster Linie das fünfmalige tägliche Ritualgebet verstehen, welches formal streng festgelegt ist und keine gemeinsame Gestaltung zulässt. Auch ist darauf zu achten, dass „Allah“ und „Gott“ als gleichwertige Bezeichnungen verwendet werden. Das arabische Wort „Allah“ ist kein Eigenname, sondern bedeutet lediglich „der (eine)Gott“. Deshalb verwenden auch arabischsprachige Christ/inn/en das Wort „Allah“, wenn sie Gott anrufen. Möglicher Ablauf Den üblichen Ablauf eines christlichen Wortgottesdienstes für gemeinsame religiöse Feiern zu adaptieren, erscheint nicht sinnvoll, da dies als Vereinnahmung der Mitfeiernden interpretiert werden könnte. 1. Beginn: Eingangssprüche Im Vorfeld ist zu klären, ob ein gemeinsamer Spruch für alle Beteiligten passend ist. Entsprechende Vorschläge finden sich bei Kuhn5, z.B: „Im Namen Gottes, der ganz nah bei uns ist.“ Die Trinitarische Eingangsformel „Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ ist für Menschen islamischen Glaubens nicht nachsprechbar. Aus islamischer Sicht ist die christliche Vorstellung der Trinität nicht mit der Einheit und Souveränität Gottes vereinbar. Als weitere Möglichkeit wird dort der Eingangsspruch „Im Namen Gottes, der barmherzig ist und ein Erbarmer“ vorgeschlagen, der sich deshalb eigne, weil er sowohl einen Vers aus der Bibel aufgreife (Jak 5,11) als auch die „Basmala“ (Im Namen Gottes, des Barmherzigen, des Allerbarmers), die jede/r Muslim/in dem Gebet, der Koranrezitation und profanen Handlungen voranstellt. Wenn kein gemeinsamer Eingangsspruch verwendet wird, bietet sich eine Zweiteilung an: • Eingangsspruch des muslimischen Leiters; • Eingangsspruch des christlichen Leiters. 5 Kuhn, E. (Hg.): Gott in vielen Namen feiern. Interreligiöse Schulfeiern mit christlichen und islamischen Schülerinnen und Schülern. Gütersloh 1998, S.154 3 2. Thematischer Teil Hier finden entweder dem Thema entsprechende Texte aus der je eigenen Tradition oder gemeinsam ausgewählte Texte ihren Platz. Bei der Auswahl der Texte sollte u.a. darauf geachtet werden, dass Fest geprägte Texte nicht leichtfertig verwendet werden. Besser ist es, auf solche Texte ganz zu verzichten, als die jeweils andere Seite dazu zu drängen, Änderungen vorzunehmen. Auf christlicher Seite betrifft dies z.B. das Vater Unser, auf islamischer Seite Texte aus dem Koran (keine Verwendung von Koranübersetzungen, die nicht erwünscht sind; keine Streichungen im Vater Unser.) „Beim Vater Unser ist darauf zu achten, dass es sich hier um ein christliches Gebet handelt, zu dem zwar in anderen Religionen Bezüge möglich sind, das aber trotzdem nicht alle mitbeten können. Sollte es verwendet werden, dann ist es sinnvoll, dieses Gebet als rein christlichen Beitrag in eine multireligiöse Feier einzubringen.“6 Die Möglichkeit, Tanz / Lied als gestalterisches Element einzusetzen, ist mit den Religionsvertreter/inn/en im Vorfeld abzuklären. 3. Abschluss: Friedensgruß Der Friedensgruß hat seinen Platz sowohl in der christlichen Liturgie als auch nach dem Abschluss des rituellen Gebets der Muslime und ist deshalb Angehörigen beider Religionen vertraut. Als Formulierungen empfehlen wir: • „Friede sei mit dir“ bzw. • „As-salamu-aleikum“ Muslim/inn/en schließen das rituelle Pflichtgebet mit einem Friedensgruß zu den Nachbar/inn/en zu ihrer Rechten und Linken ab. Dabei sprechen sie: „As-salamu- aleikum“, das heißt: „Der Friede sei mit euch“.7 Falls eine Handreichung geplant ist, müssen männliche Teilnehmer warten bis diese von der muslimischen Frau/dem Mädchen selbst ausgeht. Generell gilt: Genaue Absprache in Bezug auf eine Handreichung (auch bei Tänzen) ist hier wichtig, da unterschiedliche Reinheitsvorstellungen bei den Religionen vorhanden sind und deshalb verletzt werden könnten. Kleidung Die Kleidung aller aktiv am Gebet Beteiligten sollte der Regelung für das Gebet der jeweiligen Religion entsprechen und von allen akzeptiert werden können. Einander darüber zu informieren und auszutauschen gehört ebenfalls zu einer guten Vorbereitung.8 Einheitsreligion? Ziel gemeinsamer religiöser Feiern ist es nicht, eine „Einheitsreligion“ zu schaffen. Wenn Gläubige unterschiedlicher Religionen miteinander feiern, dann tun sie es als Angehörige ihres je eigenen Glaubens. Sie sprechen Texte und Gebete aus ihrem eigenen Grundverständnis heraus, das sich von dem der anderen Religion unterscheidet. Dennoch ist es möglich, dies im respektvollen Dabeisein des jeweils anderen zu tun. Vielleicht lassen sich dabei unerwartete Gemeinsamkeiten entdecken, vielleicht wächst dadurch die Sensibilität, Fremdes wahrzunehmen und in seiner Unterschiedlichkeit zu schätzen und zu achten.9 6 Multireligiöses Beten. S.6 vgl. Kuhn (1998), S.166 8 Multireligiöses Beten. S.4,5 9 Kuhn (1998), S.42 7 Was „brauchen“ wir, damit überhaupt eine gemeinsame religiöse Feier für uns möglich ist? (Voraussetzungen, Rahmen, Rücksichtsnahme...) aus Sicht der muslimischen Dialogpartner/inn/en aus Sicht der christlichen Dialogpartner/inn/en Eine gemeinsame partnerschaftliche Vorbereitung Rechtzeitige Vorinformation aller beteiligten Lehrer/inn/en „Neutrale“ Feste gemeinsam feiern, z.B. Schulabschlussfest,.... Eltern muslimischer Kinder soll die Möglichkeit gegeben werden, an den Aktivitäten teilzunehmen. Menschliches Vertrauen Vorbereitung mit allen teilnehmenden Lehrer/inn/en der verschiedenen Religionsgemeinschaften. Innere Bereitschaft, Bedürfnis (muss in der Schule manchmal erst geweckt werden...) Texte, die für alle akzeptabel sind Sensibilität Anlass Gute Vorbereitung Geeignete Bibel und Koranstellen Ungewohnte Gesten vorher erklären Schulpartnerschaft (Schulleitung, Eltern, Lehrer/inn/en) Konfrontatives Glaubensbekenntnisse Mission Spontane Einfälle, die zum Ärgernis werden Was sollte auf keinen Fall passieren? Keine einseitig, festgelegte Rahmenbedingungen Theologische Auseinandersetzungen vermeiden Diskussionen über negative geschichtliche Entwicklungen sollten in der Vorbereitung kein Thema sein, um zu vermeiden, dass es mit dem Dialogpartner zu einem Konflikt kommt, der u.U. eine gemeinsame Feier unmöglich macht.