Handlungsfeld Jugendarbeit © Universal Music Bernhard Heinzlmaier © Universal Music © Universal Music Institut für Jugendkulturforschung, Alserbachstraße 18/7. OG, 1090 Wien Medialer Wandel: Fernsehprogramm 10. April 1962 • Es gibt einen TV-Kanal • Sendebeginn unter der Woche: 19 Uhr 30; Sendeschluss: 22 Uhr Hauptabendprogramm ist ein „deutsches Fernsehspiel“ Fernsehspiel = Hörspiel im Form eines Theaters, das für die Wiedergabe im TV bestimmt ist. Das Paradies von Pont L´Eveque (Johannes Hendrich) "Zugluft pfeift durch jede Ritze diesen hier reisst es vom Sitze. Jener aber macht ihm klar, dass das gar nicht nötig war. TESA-Moll ins Fenster kleben und behaglich weiterleben." (Kurzfilmmosaik) • • • • Wandel Kommunikation: Sprachgebrauch April 1962 • Austria Wien stellt einen neuen Stürmer vor: Jacare kommt aus Brasilien • Der dunkelhäutige Brasilianer wird in verschiedenen Zeitungsartikel ohne Scheu als „Neger“ bezeichnet. • Heute wird in sprach- und kulturwissenschaftlichen Aufsätzen das Wort selbst dann nicht mehr verwendet, wenn es lediglich Gegenstand der wissenschaftlichen Reflexion ist. Um es zu vermeiden, verwendet man den Platzhalter „das N-Wort“. Einführung in das soziologische Denken Was ist Aufklärung? „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung einer anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung. Faulheit und Feigheit sind die Ursachen, warum ei so großer Teil der Menschen, nachdem sie die Natur längst von fremder Leitung freigesprochen, dennoch gern zeitlebens unmündig bleiben; und warum es anderen so leicht wird, sich zu deren Vormündern aufzuwerfen.“ Immanuel Kant (* 22. April 1724 in Königsberg, Preußen; † 12. Februar 1804 ebenda) war ein deutscher Philosoph der Aufklärung. Kritische und aufklärende Funktion der Soziologie „Die erste Stufe der Weisheit in der Soziologie ist, dass die Dinge nicht sind, was sie scheinen“ Peter Ludwig Berger (* 17. März 1929 in Wien) ist ein US-amerikanischer Soziologe. Künstliche Dummheit als Methode „Nur wenn wir uns darauf verständigen können, dass die Originalität der soziologischen gegenüber der alltäglichen Weltsicht vor allem in ihrer „künstlichen Dummheit“ (Hitzler 1986) besteht, darin also, die Commonsense-Gewissheit eben nicht zu teilen und vorsichtshalber immer erst einmal davon auszugehen, dass der andere Mensch, dem wir wo auch immer begegnen, in seiner Welt lebt, die eben nicht selbstverständlich auch die unsere und folglich prinzipiell erst einmal (vorsichtig, nachsichtig) zu explorieren ist, nur dann verstehen wir auch, was Ethnographie in der Soziologie überhaupt wollen kann.“ Anne Honer (* 30. März 1951 in Spaichingen; † 23. Februar 2012 in Unna[1)) war eine deutsche Sozialwissenschaftlerin. Alltagswissen und Alltagsverständnis „Her Schmidt ist ja Alkoholiker, die 12jährige Tina flirtet mit einem Punker, was offensichtlich in der Familie liegt, denn die Mutter hat ja seinerzeit auch schon früh angefangen. Der Hausmeister hat eine unsoziale Einstellung, weil er die Kinder nicht im Rasen spielen lässt. Für Frau Schmidt ist die die Ehe sicher eine einzige Tortur, denn man weiß ja, dass Alkoholiker sehr labil sind, sich nicht beherrschen können und sich so ihr Schicksaal selber zuzuschreiben haben. Man weiß auch, dass bei Frühreifen die Triebhaftigkeit im Blut liegt, was man durch geeignete Erziehungsmaßnahmen sicherlich in den Griff bekommen kann. Und der Hausmeister mag keine Kinder. Er ist ja schließlich im ganzen Viertel als Kinderschreck bekannt.“ Hans Peter Henecka, auch HP Henecka, (* 3. April 1941 in Karlsruhe) ist ein deutscher Soziologe. Aus der Perspektive der Soziologie betrachtet „Alkoholismus ist weniger ein individuelles als ein gesellschaftliches Problem, insofern er besonders häufig in Gesellschaften vorkommt, die den Alkoholkonsum als Zeichen der Männlichkeit und Lebensfreude ansehen oder auch als Seelentröster und Konfliktlöser empfehlen.“ Persönlichkeitseigenschaften und bestimmte Ausdrucksformen des Protests (z.B. Aggression), bilden sich eigentlich erst im Anschluss an ganz bestimmte Erfahrungen und Erlebnisse im zwischenmenschlichen Beziehungsfeldern. Der unsoziale Hausmeister könnte auch nur Symbol und Folge von einer mangelhafte Wohnungspolitik für Familien oder kinderfeindliche Leitbilder von Architekten, Baugesellschaften und Raumplanern sein. Hans Peter Henecka, auch HP Henecka, (* 3. April 1941 in Karlsruhe) ist ein deutscher Soziologe. Das „Wesen“ der Soziologie „Während aber der Philosoph nach dem „Wesen“ des Menschen fragt, der Theologe den Menschen im Zusammenhang mit einem letzten Prinzip (Gott) zu verstehen versucht oder der Psychologe sich auf die Bewusstseinsstrukturen des Menschen konzentriert, interessiert sich der Soziologe für das „Zwischenmenschliche“, für das soziale Beziehungsgefüge und wechselseitige Orientierungsmuster, das ganz verschiedene Individuen ziel- und zweckgerichtet miteinander handeln lässt.“ Hans Peter Henecka, auch HP Henecka, (* 3. April 1941 in Karlsruhe) ist ein deutscher Soziologe. Strukturen soziologischen Denkens und Forschens Soziologie ist die Wissenschaft vom sozialen Handeln und zwischenmenschlichen Verhalten Soziologie ist die Wissenschaft von den sozialen Institutionen und Organisationen Soziologie ist die Wissenschaft von der Gesamtgesellschaft und deren Stabilität und Wandel Soziologie ist die Wissenschaft von den Ideen über die Gesellschaft und der Sozialkritik Hans Peter Henecka, auch HP Henecka, (* 3. April 1941 in Karlsruhe) ist ein deutscher Soziologe. Austauschprozesse des „sozialen Wesens“ Mensch Mesoebene: Einfluss von sozialen Organisationen (Kirche, Parteien, Verbände) Makroebene: Einfluss der Gesellschaft und der Kultur (Milieus, Klassen, Schichten) Mikroebene: Einfluss von Kleingruppen (Peer Group, Familie etc.) Mensch als soziales Wesen Hans Peter Henecka, auch HP Henecka, (* 3. April 1941 in Karlsruhe) ist ein deutscher Soziologe. Metaebene: Einfluss von Gesellschaft und Kultur konstituierende Ideen (Liberalismus, Sozialismus) Strukturen Soziologischen Denkens und Forschens Mikrosoziologie: Grundbedingungen und Grundformen sozialen Handelns und Verhaltens; Aneignung und Auseinandersetzung des Individuums mit Kultur, gesellschaftlichen Rollen und Normen (Behaviorismus, Verstehende Soziologie) Mesosoziologie: Zweckorientierte und planmäßige Strukturen und Prozesse in Organisationen und informelle Dynamiken (Kirche, Parteien Verbände, Unternehmen) Makrosoziologie: Analyse großer sozialer Einheiten und umfassender sozialer Prozesse; Gesellschaftssysteme; Stände, Kasten, Klassen, Schichten, Milieus (z.B. marxistische Soziologie, Systemtheorie) Soziologische Meta-Ebene: Normen und Werte; ideologischer Überbau ( z.B. Wissenssoziologie) Hans Peter Henecka, auch HP Henecka, (* 3. April 1941 in Karlsruhe) ist ein deutscher Soziologe. Typen des sozialen Handelns Zweckrationales Handeln: Zweck des Handelns wird gegenüber den Mitteln vernunftmäßig abgewogen Wertrationales Handeln: Handeln wird von einem irrational gesetzten Wert bestimmt Affektuelles Handeln: Ziel und Verlauf des Handelns sind von Gefühlen und Stimmungen abhängig Traditionelles Handeln: Handeln beruht auf Gewohnheiten und irrationalen Überlieferungen Gesinnungs- und Verantwortungsethik. Orientierung am Ergebnis und dessen Verantwortbarkeit oder an Motiv und Absicht – Ziel ist gute Balance Maximilian Carl Emil Weber (* 21. April 1864 in Erfurt; † 14. Juni 1920 in München) war ein deutscher Soziologe, Jurist, National- und Sozialökonom. Werte, Normen, Institutionen Erwartungen in Bezug auf das Handeln oder Nichthandeln der Mitglieder einer Gesellschaft werden Normen genannten. (Hanecka) Werte: attraktiv-motivierend (Hans Joas); SollensErwartungen an Gemeinschaftsmitglieder; abstrakte, weitgefasste Ideen. Normen: restriktiv-obligatorisch (Hans Joas) ; Recht = Kodifizierte Sitten; höchste Verbindlichkeit. Abgeleitet aus Werten. Institutionen: Geronnene Sitten. Sie regulieren sexuelles Verhalten (Ehe), Reproduktion (Familie), Schule (Ausbildung und Integration) etc. Hans Joas (* 27. November 1948 in München) ist ein deutscher Soziologe und Sozialphilosoph. Vermittlung von Normen und Werten: Sozialisation Sozialisation als „Vergesellschaftung der menschlichen Natur“ (Hurrelmann); Mensch wird Mitglied der Gruppe, der Gesellschaft, wird zur sozial-kulturellen Person Erziehung: absichtsvolle und bewusst geplante Bemühungen und Handlungsschritt von Eltern oder Lehrern, die zum Ziel haben, die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes pädagogisch positiv zu beeinflussen Sozialisation: schließt den Vorgang der Erziehung mit ein und umfasst darüber hinaus auch jene ungeplanten, aber persönlichkeitsprägenden Lernvorgänge, die das Kind und der junge Mensch durch eigene Erfahrungen machen kann. Hans Peter Henecka, auch HP Henecka, (* 3. April 1941 in Karlsruhe) ist ein deutscher Soziologe. Margaret Mead: Sozialisation und Kulturrelativismus Was für natürlich gehalten wird, ist oft kulturelle Prägung, d.h. durch Sozialisation bestimmt Ethnologische Untersuchungen unter Stämmen auf Neuguinea: Tchambuli: Rollen von Mann und Frau vertauscht. Frauen sind aktiv, sachlich, planend und „herrisch“, ernähren die Familie; Männer: Kostüme, Malerei, Tanz, Gestaltung von Festlichkeiten Arapesh: Männer und Frauen haben sanfte Persönlichkeitsstruktur (altruistisch) Mundugumor: rücksichtslos, egoistisch, ehrgeizig, gewalttätig, aggressiv Grund: Unterschiedliche Sozialisation: Arapeh-Kinder erfahren freundliche, bejahende Umwelt, für die Kinder der Mundugur ist die Umwelt ein permanenter Kampfplatz Margaret Mead (* 16. Dezember 1901 in Philadelphia, Pennsylvania; † 15. November 1978 in New York) war eine US-amerikanische Ethnologin. Soziale Position, Prestige, Status, soziale Rolle Den sozialen sozialen Ort, den ein Mensch in der Gesellschaft einnimmt, bezeichnet die Soziologie als „soziale Position“ (Vater, Mutter, Lehrer, Marketingleiter, Bürgermeister, Bundeskanzler) Soziale Positionen haben unterschiedliche Prestigewerte. Den Prestigewert einer sozialen Position bezeichnet man als Status. „Zu jeder Stellung, die ein Mensch einnimmt, gehören gewissen Verhaltensweisen, die man von dem Träger dieser Position erwartet, zu allem, was er ist, gehören Dinge, die er tut und hat, zu jeder sozialen Position gehört eine soziale Rolle. (…) Mit jeder Position gibt die Gesellschaft ihm eine Rolle in die Hand, die er zu spielen hat. (…) Soziale Rollen bezeichnen Ansprüche der Gesellschaft an die Träger von Positionen. (…) Ansprüche an das Verhalten der Träger von Positionen (Rollenverhalten), zum anderen Ansprüche an sein Aussehen und seinen Charakter (Rollenattribute).“ Ralf Gustav Dahrendorf, Baron Dahrendorf of Clare Market in the City of Westminster, KBE, FBA (* 1. Mai 1929 in Hamburg; † 17. Juni 2009 in Köln), war ein deutsch-britischer Soziologe, Politiker und Publizist. Soziale Kontrolle und abweichendes Verhalten Soziale Rollen sind unausgesprochene Erwartungen und direkt artikulierte Ansprüche und Forderungen an das einzelne Individuum. Vorstellungen und Erwartungen an eine soziale Rolle werden durch soziale Kontrolle durchgesetzt. Erfüllung er Ansprüche (=rollenkonformes Verhalten) wird mit Belohnung und Lob positiv sanktioniert, Enttäuschte Erwartung (=Abweichendes Verhalten) mit Missbilligung, Verachtung, Vorwürfen oder mit disziplinaren Maßnahmen negativ sanktioniert. Spannweite von Verletzungen gesellschaftlicher Normen, Werte und Institutionen bis hin zur „Delinquenz“ bis zu „aktiver Neugestaltung der Umwelt“ als Vorwegnahme künftigen normalen Verhaltens. Hans Peter Henecka, auch HP Henecka, (* 3. April 1941 in Karlsruhe) ist ein deutscher Soziologe. Gemeinschaft und Gesellschaft Gemeinschaft: gefühlsmäßige Zusammengehörigkeit: Mitglieder einer Gemeinschaft sind füreinander da, bedeuten einander etwas, helfen einander in der Not. Ursprüngliche Form des menschlichen Zusammenlebens; kleine überschaubare Einheiten wie Familie, Nachbarschaft, Dorf Gesellschaft: Verbindung, um in egoistischer Absicht gewisse Ziele zu verfolgen, bestimmte Tauschinteressen möglichst vorteilhaft durchzusetzen. „Keiner wird für den anderen etwas tun oder leisten, keiner dem anderen etwas gönnen und geben wollen, es sei denn um einer Gegenleistung oder Gegengabe illen, welche er seinem Gegebenen wenigstens gleich achtet.“ Gesellschaft repräsentiert Lebensbedingungen in industriellen und postindustriellen Kontexten: Großstadt, Betriebe, Organisationen, moderner Staat Ferdinand Tönnies (* 26. Juli 1855 bei Oldenswort; † 9. April 1936 in Kiel) war Soziologe, Nationalökonom und Philosoph. Besonderheiten des modernen Lebens In der vormodernen Gesellschaft ist das Leben der Menschen durch eine Vielzahl von Bindungen bestimmt (Familie, Dorfgemeinschaft, Religionsgemeinschaft etc.) Zentrum des Lebens sind die „small communities“, in denen man seinen festen räumlichen und sozialen Platz hatte. Dies bedeutete Einschränkung der Wahlmöglichkeiten und Optionen, aber auch Vertrautheit und Schutz. Moderne: Herauslösung der Menschen aus traditionellen sozialen Bindungen und Glaubensvorstellungen – Individualisierung (Beck) Anspruch und Zwang zum eigenen Leben jenseits traditioneller Vergemeinschaftungen und überkommener sozial-moralischer Milieus. Anne Honer (* 30. März 1951 in Spaichingen; † 23. Februar 2012 in Unna[1)) war eine deutsche Sozialwissenschaftlerin. Posttraditionale Formen der Vergemeinschaftung "Der individualisierte Mensch bevorzugt schwache Bindungen.“ •Individualistische Identität mit dem Eingehen „starke Bindungen“ häufig unvereinbar •Bindungslose Flexibilität (Richard Sennett) •Schwache Bindungen: Herausbildung von so genannten „Posttraditionellen Formen der Vergemeinschaftung“ •Vergemeinschaftung als ästhetisches Prinzip? Ronald Hitzler (* 4. März 1950 in Königsbronn in BadenWürttemberg) ist ein deutscher Soziologe. Ronald Hitzler, Thomas Bucher, Arne Niederbacher: Leben in Szenen. Formen jugendlicher Vergemeinschaftung heute. VS Verlag für Sozialwissenschaften (Wiesbaden) 2005. 2., aktualisierte Auflage. Jugendszenen als schwach gebundene Netzwerke Die Jugend bevorzugt schwache Bindungen • Individualismus mit starken Bindungen schwer zu vereinbaren • „Bindungslose Flexibilität“ (Sennett) • Posttraditionelle Formen der Vergemeinschaftung • Thematische Netzwerke mit kollektiver Form der Stilbildung • Geht es in den Szenen vor allem um Äußerlichkeiten? Ronald Hitzler (* 4. März 1950 in Königsbronn in BadenWürttemberg) ist ein deutscher Soziologe. Definition Jugendszenen Szenen sind thematisch fokussierte Netzwerke von Personen, die bestimmte materielle und/oder mentale Formen der kollektiven Stilisierung teilen und Gemeinsamkeiten an typischen Orten und zu typischen Zeiten interaktiv stilisieren und weiterentwickeln Ronald Hitzler (* 4. März 1950 in Königsbronn in BadenWürttemberg) ist ein deutscher Soziologe. Angesagte Jugendszenen Szenenlandschaft Österreichin Österreich: 2010 Jugendszenen in Österreich Welche der folgenden Szenen ist in Österreich gerade angesagt? Angaben in Prozent Fitness Beachvolleyball Fußball Com puterszene House Mountainbike HipHop Skateboard Ökos/Alternative Techno Snow board Metal/Rocker Em o-Szene Inline-Skater Krocha/Styler 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 Jugendstudie „timescout“ Österreich 2010, n=900, Altersgruppe: 11 bis 29 Jahre Szenenlandschaft Österreich Jugendszenen in Österreich Welchen der folgenden Szenen fühlst Du Dich zugehörig? Angaben in Prozent Fitness Computerszene Fußball House Mountainbike Beachvolleyball Ökos/Alternative Snowboard HipHop Inline-Skater 0 5 10 15 20 25 Jugendstudie „timescout“ Österreich 2010, n=900, Altersgruppe: 11 bis 29 Jahre Szenenlandschaft Österreich Jugendszenen in Österreich Welchen der folgenden Szenen fühlst Du Dich zugehörig? Angaben in Prozent Weiblich Männlich Fitness Computerszene Fußball House Mountainbike Beachvolleyball Ökos/Alternative Snowboard HipHop Inline-Skater 0 5 10 15 20 25 30 Jugendstudie „timescout“ Österreich 2010, n=900, Altersgruppe: 11 bis 29 Jahre Tecktoniks: Neuer „Prolo-Stolz“ Style: Schirmkappen (Neonfarben ohne Logos; Van Dutch; Ed Hardy); Marken: Lacoste, Adidas (Schuhe), Dolce & Gabbana, Palitücher, De Puta Madre; T-ShirtAufdrucke: „cock of the year“, „italian boy; Solariumsbräune Sprachcode: „Kroch ma eine in die Schicht!“, „Bam oida“, „Patienten“ (Nachschichtgänger) Musik: Schranz (Tektonics distanzieren sich von Gabba-Techno); Tanzstil: Jumpstyle (http://www.youtube.com/watch?v=wlALUel5e6w, http://www.youtube.com/watch?v=TxQAgZIo-Ds) mehr auf youtube & www.krocha.at Die Hierarchien der Styler „Wenn man die Musik hört wird man einfach zu dem – zumindest war‘s bei mir so“. Millennium Club Culture „Von der Politik halten wir nicht viel: weil da geht ja gar nichts weiter ...“ Nachtwerk „Die Ausländer sind im Nachtwerk. Die nennen sich Styler.“ Die Emos: Teenager der Mittelschicht Dresscode: schwarz gefärbter Pony, Seitenscheitel, Röhrenjeans, enge T-Shirts, Schweißbänder, Buttons, Sportschuhe, dunkel geschminkte Augen, Nietengürtel. Farben: schwarz kombiniert mit rot und pink. Karomuster. Mix von niedlichen Dingen (z.B. Hello Kitty-Accessoirs) und Düsterem (Totenköpfe) Marken: Converse, Vans (Schuhe) Musikstil: „emotional Hardcore“ – Wechsel im Gesang (Clean und Schreien), im Tempo und der Lautstärke; melodiöse und komplizierte Gitarren-Riffs; emotionale Texte, in denen es um Liebe, Trauer, Verzweiflung aber auch oft andere Alltagsprobleme geht; weniger politisch als andere mit Punk assoziierte Genres. Acts: Sleepytime Tria, Senses Fail, boysetfire Gesellschaftsanalytische Betrachtungen Gesellschaftsanalyse: Ökonomisierung des Sozialen „Der Wandel der Marktwirtschaft zur Marktgesellschaft geht mit einer Ökonomisierung des Sozialen einher.“ (Wilhelm Heitmeyer) • Imperative des Marktes werden verallgemeinert • Effizienz, Nützlichkeit, Verwertbarkeit, Funktionsfähigkeit und Rentabilität sind die Gradmesser menschlichen Denkens und Handelns • Es kommt zu - Veränderung der Qualität sozialer Sicherungssysteme - Bedeutungszuwachs der Erwerbsarbeit - Unterordnung von Familienleben und Schule unter die Anforderungen des Arbeitsmarktes - Politik verliert Kontrolle über die Wirtschaft Wilhelm Heitmeyer (* 28. Juni 1945) ist Professor für Pädagogik mit dem Schwerpunkt Sozialisation und Direktor des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung an der Universität Bielefeld. Gesellschaft als Anhängsel des Marktes Die Marktform hingegen, die mit einer eigenen, spezifischen Zielsetzung verbunden ist, nämlich Austausch, Tauschhandel, ist imstande, eine spezifische Institution hervorzubringen: den Markt. Dies ist letztlich der Grund, warum die Beherrschung des Wirtschaftssystems durch den Markt von ungeheurer Bedeutung für die Gesamtstruktur der Gesellschaft ist: sie bedeutet nicht weniger als die Behandlung der Gesellschaft als Anhängsel des Marktes. Die Wirtschaft ist nicht mehr in die sozialen Beziehungen eingebettet, sondern die sozialen Beziehungen sind in das Wirtschaftssystem eingebettet. (Karl Polanyi: The Great Transformation, 1944) Karl Paul Polanyi (* 21. Oktober 1886 in Wien; † 23. April 1964 in Pickering (Ontario)) war ein ungarisch-österreichischer Wirtschaftshistoriker und Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler. Ökonomisierung des Sozialen: Beispiel Kultur • • • • Neoliberalismus ist ein Diskurs, der in alle soziokulturellen Felder der Gesellschaft eindringt. Der Neoliberalismus ist ein „Gas“ (Gilles Deleuze). Kunst- und Musikhochschulen müssen zu „Produktionszentren“ ausgebaut werden, „wo im Verbund mit Produzenten am Markt die Produkte den laufenden Wirklichkeitstest unterworfen werden“. Ziel ist es, „Künstler und Kulturmanager, die vom ersten Tag an für diverse Publika produzieren und sich als Unternehmer erproben“ auszubilden. „Der Künstler soll endlich einsehen, dass auch er nur ein Unternehmer ist, der sich den Gesetzen des Marktes zu beugen und nach Nachfrage zu produzieren hat; er soll nicht die Frechheit besitzen, außerhalb der kommerzialisierten Alltagswelt seltsame Sachen wie Theorien oder Konzeptkunst herzustellen.“ (FAZ: 15. März 2010) Niklas Maak in der FAZ vom 15. März 2012: Aufgabe der Kunst: Herausforderung der Gesellschaft • Öffentlich geförderte Universitäten und • • Kunsthallen: Orte, die sich die Gesellschaft leistet, um von ihnen herausgefordert zu werden; um Erfahrungen mit Fremdem und Unverständlichen zu machen. Maler wie Jackson Pollock oder Mark Rothko hätte es ohne großzügiger staatlicher Förderungsprogramme nicht gegeben. Ökonomisierung: Kunst und Bildung wird auf ihren ökonomische Nutzen abgeklopft. Niklas Maak in der FAZ vom 15. März 2012 Zur Kritik der instrumentellen Vernunft Um zu beweisen, dass er mit Recht gedacht wird, muss jeder Gedanke ein Alibi haben, muss er seine Zweckmäßigkeit verbürgen. Selbst wenn sein direkter Gebrauch „theoretisch“ ist, wird er letzten Endes durch die praktische Anwendung der Theorie überprüft, in der er funktioniert. Denken muss an etwas gemessen werden, das nicht Denken ist, an seiner Wirkung auf die Produktion oder seinem Einfluss auf das gesellschaftliche Verhalten: wie die Kunst heute letzten Endes in jedem Detail an etwas gemessen wird, das keine Kunst ist, ob es sich um die Theaterkasse oder den Propagandawert handelt. Max Horkheimer (* 14. Februar 1895 in Zuffenhausen, heute ein Stadtbezirk Stuttgarts; † 7. Juli 1973 in Nürnberg) war ein deutscher Sozialphilosoph und führender Kopf der Frankfurter Schule. Ökonomisierung der Bildung und des Denkens • Katharinenschule in der Hamburger Hafencity; • • Kaderschmiede zukünftiger Wirtschaftsbosse. „Die Schulkinder genießen ihre Pause auf dem wohl höchsten Pausenhof der Stadt mit spektakulärem Panorama und lernen so eine wichtige unternehmerische Tugend: den Weitblick.“ (Internetauftritt Katharinenschule) Hamburg: Initiative zur Abschaffung des Kunstunterrichts wurde abgewehrt mit dem Argument, das Gehirn lerne beim Kunstunterricht mit komplexen Strukturen umzugehen, was später im Berufsleben hilft. „Die Ökonomisierung des Denkens ist offenbar so weit vorangeschritten, dass auch die Verteidigung des Kunstunterrichts nicht mehr auf einen Common Sense setzen kann, nach dem Beschäftigung mit Kunst nicht begründungsbedürftig, sondern Ziel an sich ist.“ Niklas Maak in der FAZ vom 15. März 2012:27 Das Steigerungsspiel Das Steigerungsspiel „Immer weiter, immer höher, immer größer – das ist das wirkungsvolle Grundprinzip der (Post-)Moderne.“ • Die postmoderne Kultur des permanenten Unterwegssein hat das Ankommen verlernt. • Erfüllung finden man am Hausbau und nicht am Wohnen. • Mögliche neue Tendenz im 21. Jahrhundert: Kultur des Ankommens. • Neuer Menschentyp, der sein Heil nicht in einem Mehr an Konsum, an Steigerungswissen und an materieller Grenzüberschreitung sucht, sondern in daseinsfroher Bescheidung und in vitaler Ausschöpfung der bestehenden Möglichkeiten. Gerhard Schulze (* 1944): Deutscher Soziologe. Autor der „Erlebnisgesellschaft“ Hysterie der Veränderung „Es herrscht eine Hysterie der Veränderung und ein Fetisch Innovation“ „Man kann gar nicht mehr über Gehandeltes, Entschiedenes nachdenken, es hätte auch keinen Zweck, weil es in seiner Bedeutung schon überholt ist. (…) Unser hektisches Ausgerichtetsein auf das, was kommt, auf Zukunft, entwertet im Grund alles, was bereits getan wurde. Wir werden sukzessive um Genuß und Glück gebracht. Nicht bloß deshalb, weil wir nach griechischem Vorbild nicht mehr überlegen, nachdenken können, also um unsere Eudaimonia gebracht werden, sondern weil wir uns schlicht nicht mehr „auf unseren Lorbeeren ausruhen können“. Peter Heintel (* 1940): Österreichischer Philosoph. Verein zur Verzögerung der Zeit „History ist bunk“ (Henry Ford) Zukunft als Zuchtmeister moderner Gesellschaften „Wer immer seine Interessen durchsetzen will, macht dies gegenwärtig mit der Drohgebärde, dass anderenfalls die Zukunftsfähigkeit - des Landes, der Wirtschaft, des Standortes, seiner Partei - gefährdet sei.“ • Moderne Gesellschaften sind prinzipiell auf die Zukunft orientiert • Die Zukunft wird alles verändern, nichts wird bleiben, wie es ist • Gegenwart = ungemütliche Befindlichkeit: „Durchsetzt von den Flecken einer Vergangenheit, die es zu überwinden gilt – veraltete Strukturen, veraltete Technologien, veraltete Konzepte, veraltete Ideen – und schon angesteckt von den Keimen des Neuen, das alles besser macht – neue Strukturen, neue Konzepte, neue Ideen – darf die Gegenwart nie bei sich sein.“ • Aber die Zukunft darf nicht kommen. Alles Neue muss sofort überboten werden. „Der daraus entstehende Taumel wird dann häufig mit Beschleunigung verwechselt.“ Konrad Paul Liessmann (* 13. April 1953 in Villach) ist Universitätsprofessor für Methoden der Vermittlung von Philosophie und Ethik an der Universität Wien, Institut für Philosophie. Der Mensch als des Menschen Wolf: „Why I am Leaving Goldman Sachs“ Die Diktatur der „äußeren Güter“ in der Warengesellschaft • Alasdair MacIntyre unterscheidet zwischen äußeren • • • • Gütern und inhärenten Gütern Man kann Schach spielen, um äußerliche Güter zu erreichen (Geld, Ansehen etc.) oder wegen Gütern, die aus dem Schachspiel selbst erwachsen (analytisches Geschick, strategische Vorstellungskraft etc.) Inhärente Güter sind nur zu erreichen, wenn es uns um die Sache selbst geht…. … und wenn wir uns in Gemeinschaften (nicht zweckrationale Interessensgemeinschaften) einordnen und uns den Gemeinschaftsmitgliedern gegenüber moralisch (ehrlich, gerecht) verhalten. Orientierung auf äußere Güter befördern Betrug und Korruption Alasdair MacIntyre (geb. 1929): Schottisch- amerikanischer Philosoph, Tugendethiker „Homo homini lupus“ „Und in jeder Gesellschaft, die nur äußere Güter kennt, wäre Konkurrenz das beherrschende und sogar ausschließliche Merkmal. Wir besitzen eine bestechende Schilderung einer solchen Gesellschaft in Hobbes´ Darstellung des Zustandes der Natur (…).“ (Alasdair MacIntyre: Der Verlust der Tugend) „Es ist unleugbar, daß Krieg der natürliche Zustand der Menschen war, bevor die Gesellschaft gebildet wurde, und zwar nicht einfach der Krieg, sondern der Krieg aller gegen alle.“ (Thomas Hobbes) Alasdair MacIntyre (geb. 1929): schottisch-amerikanischer Philosoph, Tugendethiker Thomas Hobbes (1588 – 1879): Philosoph und Staatstheoretiker Why I Am Leaving Goldman Sachs • Greg Smith, zwölf Jahre lang Geldhändler bei • • • • • Goldman Sachs veröffentlicht sein Kündigungsschreiben in der „New York Times“. Kunden heißen dort intern „Muppets“ – kauzig, weich und manipulierbar. Man rühmt sich intern, wer schlichten Gemütern Hochrisikoprodukte aufschatzt, wer den Kollegen an Ruchlosigkeit übertrifft. Firma spekuliert gegen die Produkte, die sie ihren Kunden empfiehlt. Smith beschreibt eine Firma, in der statt einer Kultur der Verantwortung nur noch kriminelle Energie honoriert wird. „How did we get here? The firm changed the way it thought about leadership. Leadership used to be about ideas, setting an example and doing the right thing. Today, if you make enough money for the firm (and are not currently an ax murderer) you will be promoted into a position of influence.“ Greg Smith is resigning today (March 14, 2012) as a Goldman Sachs executive director and head of the firm’s United States equity derivatives business in Europe, the Middle East and Africa. Herrschaft über den Menschen durch die Aktivierung von Selbststeuerungspotentialen Individualisierung "Das Individuum wird zentraler Bezugspunkt für sich selbst und die Gesellschaft.“ • Das Individuum im Spannungsfeld zwischen Individuation und Sozialisation • Individualität als Pflicht: Erfinde dich täglich ohne Vorlage oder Vorbild • Das Individuum steht im Mittelpunkt, nicht traditionelle Gruppen oder Kollektive • Posttraditonelle Gemeinschaften entstehen (Szenen, informelle Gruppen) • Lebensstile und Moden gewinnen an Bedeutung Ulrich Beck (* 15. Mai 1944) in Stolp in Hinterpommern ist ein deutscher Soziologe Identitätsbildung durch Konsum „Konsumgesellschaft: Konsum wird zur zentralen Integrationsformel überhaupt.“ • Konsum ist das Mittel der Statusrepräsentation, der • Identitätsbildung für Individuen wie Gruppen, der Freiheit und des guten Lebens, ja sogar des nonkonformistischen Protests. Die Vielzahl an Angeboten und Optionen ist Schlüsselelement der Massenkonsumgesellschaft. „Die Optionenvielfalt ist zwar in vieler Hinsicht reizvoll, führt aber auch zu Entscheidungszwängen und Überforderung bis zum Überdruss.“ (Stefan Lorenz) Stefan Lorenz: Überflusskultur und Wachstumshunger. Universität Jena, Institut für Soziologie. Konsum als Selbstausdruck und Selbstverwirklichung • Konsum ist Selbstverwirklichung. Ende der Konsumkritik • Konsum als Mittel des Selbstausdrucks. Waren sind symbolische Repräsentanten der eigenen Identität • Warenästhetische Komponente des Konsums; Konsum als Kultivierung des Lebens • Leben als Inszenierung von Schönheit • Formensensibler Konsument: Farben, Formen, Bilder, Gerüche etc. sind wichtig! • Qualität wird mit dem Markenprodukt identifiziert Stefan Lorenz: Überflusskultur und Wachstumshunger. Universität Jena, Institut für Soziologie. Freizeitkultur als Konsumkultur: Einkommen der Jugend 2011 Frei verfügbare Einkommen im Monat Wievel Geld hast Du im Monat zur Deinen freien Verfügung Angaben in Absoluten Zahlen 20-29 Jahre 310 11-19 Jahre 87 Gesamt 259 30-39 Jahre 467 25-29 Jahre 380 20-24 Jahre 244 15-19 Jahre 132 11-14 Jahre 31 Männlich 270 Weiblich 249 0 50 100 150 200 Timescout 15. Welle 2011, 11-39, n=1000 250 300 350 400 450 500 Konsumgüer und demonstrativer Konsum Ausgaben Wieviel gibst Du für folgende Dinge durchschnittlich im Monat aus? Angaben in Prozent sehr viel viel Kleidung/Accessoires nicht-alkoholische Getränke Zigaretten Kosmetik/Körperpflege Süßwaren/Snacks Ausgehen Sparen Reisen Handy Sportausübung Fastfood Treibstoff (für Auto, Moped etc.) 0 5 10 15 20 25 30 35 40 Im Mittelpunkt stehen Produkte, die sich für den demonstrativen Konsum eignen. Timescout 15. Welle 2011, 11-39, n=1000 Manipulation anstelle von Disziplinierung „Wir befinden uns in einer allgemeinen Krise aller Einschließungsmilieus.“ (Gilles Deleuze) • Foucault ordnet die Disziplinargesellschaft dem 18. und 19. Jahrhundert zu. Einschließungsmilieus: Integration des Individuums in Familie, Schule, Kaserne, Fabrik, Klinik, Gefängnis – konzentrieren, im Raum verteilen, in der Zeit anordnen • Kontrollgesellschaft: Kontrollformen mit freiheitlichem Aussehen. (Unternehmen statt Fabrik, Tagesklinik statt Krankenhaus). Das Unternehmen ist kein Körper, sondern eine Seele, ein Gas. • Kontrollgesellschaft: Aktivierung von Selbststeuerungspotentialen statt Überwachen und Strafen – neoliberale Bildungsinstitutionen Gilles Deleuze (1925 – 1995): französicher Philosoph Das Diktat der Selbstverwirklichung • Die Menschen stehen unter • permanentem Druck, aus eigener Verantwortung heraus selbst Initiativen setzen und gestalten zu müssen. „Die Depression zeigt uns die aktuelle Erfahrung der Person, denn sie ist die Krankheit einer Gesellschaft, deren Verhaltensnormen nicht mehr auf Schuld und Disziplin gründet, sondern auf Verantwortung und Initiative. Gestern verlangten die sozialen Regeln Konformismus im Denken, wenn nicht Automatismus im Verhalten; heute fordern sie Initiative und mentale Fähigkeiten.“ (Alain Ehrenberg, Das erschöpfte Selbst) Alain Ehrenberg, born in Paris in 1950, is a French sociologist. Herrschaft durch moralisierende Toleranz Die Geschichte zweier Väter, die ihr Kind auffordern, an einem Sonntagnachmittag die Großmutter zu besuchen. Der ödipale Vater: „Mir ist es egal, wie dir zumute ist, du musst deine Großmutter besuchen. Du musst gehen, du wirst gehen. Und benimm dich anständig.“ Der postmoderne, tolerante Vater: „Du weißt ja, wie sehr deine Großmutter dich liebt, aber natürlich solltest du sie nur dann besuchen, wenn du es wirklich willst.“ Im ersten Fall geht es um einen völlig klaren Befehl: Das ödipale Gebot kann befolgt werden oder nicht. Aber im zweiten Fall enthält die scheinbar freie Entscheidung untergründig eine noch strengere Anweisung: „Du solltest nicht nur deine Großmutter besuchen, sondern du musst es auch gerne tun.“ Ein Beispiel dafür, dass eine scheinbar tolerante freie Entscheidung einen noch stärkeren Befehl in sich bergen kann. Slavoj Žižek (* 21. März 1949 in Ljubljana) ist ein aus Slowenien stammender Philosoph, Kulturkritiker und Theoretiker der lacanianischen Psychoanalyse. Empirie: Druck und Stress Druck und Stress in der Erfolgsgesellschaft Was ist Dir im Leben sehr wichtig? Jugendwertestudie 2011, repräsentativ für Österreich, n = 1.500, 14 – 29 Jahre Druck und Stress in der Erfolgsgesellschaft Jugendwertestudie 2011, repräsentativ für Österreich, n = 1.500, 14 – 29 Jahre Druck und Stress in der Erfolgsgesellschaft Die 14- bis 19-jährigen: Jugendwertestudie 2011, repräsentativ für Österreich, n = 1.500, 14 – 29 Jahre Druck und Stress in der Erfolgsgesellschaft Ich würde manchmal gerne für einige Tage den Schul-, Studiums- und Arbeitsdruck abschütteln und nichts machen: Jugendwertestudie 2011, repräsentativ für Österreich, n = 1.500, 14 – 29 Jahre Druck und Stress in der Erfolgsgesellschaft Geht’s Du gerne in die Schule? (SchülerInnen 14 bis 19 Jahre) Jugendwertestudie 2011, repräsentativ für Österreich, n = 1.500, 14 – 29 Jahre Druck und Stress in der Erfolgsgesellschaft Geht’s Du gerne in die Lehre ? (Lehrlinge 14 bis 19 Jahre) Jugendwertestudie 2011, repräsentativ für Österreich, n = 1.500, 14 – 29 Jahre Das Ungleichgewicht der Wissensgesellschaft und die Verantwortung der Universitäten Ungleichgewicht der Wissensgesellschaft • Was wertvolles Wissen ist, wird bestimmt durch betriebswirtschaftliche Rationalisierungsprozesse • Überhang des Wissens in technischen, betriebswirtschaftlichen und naturwissenschaftlichen Bereich • Unterrepräsentiert: Deutungswissen, reflektierendes Wissen, politische Urteilsfähigkeit • Politische Urteilskraft und gesellschaftliche Deutungskompetenz sind Qualitätsmerkmale einer demokratischen Gesellschaft • Halbierte Vernunft: Vernunft, die alleine auf technische Rationalisierung und die Vereinfachung von Verfahren gerichtet ist Betriebswirtschaftliche Rationalität ist o.k. wenn sie auf • Einzelbetriebe beschränkt bleibt. Problem: die halbierte Vernunft will bestimmend für das Ganze sein Oskar Reinhard Negt (* 1. August 1934 auf Kapkeim in Ostpreußen) ist ein deutscher Sozialphilosoph. Er gilt als einer der führenden Denker der Kritischen Theorie. Universitäre Sozialisation im Neoliberalismus • Verallgemeinerung des Symbol- und Sprachspektrums des ökonomischen Denkens • Eindringen des Ökonomismus in die Bildungseinrichtungen • Universitäten sollten nicht nur Information vermitteln, sondern auch Menschen erziehen und bilden • Schulische und universitäre Sozialisationsprozesse sollten immer auch Bindungsfähigkeit herstellen; Kraftreserven für den Umgang mit dem Gemeinwesen bereitstellen • • Ich-AG: Ich als Kampfplatz ökonomischer Interessen Genommen wird dem ICH das Menschrecht auf Urteilsfähigkeit und Eigensinn • ICH unterscheidet zwischen Gut und Böse, Wahrheit und Irrtum; ICH-AG zwischen Vorteil und Nachteil • Öffentliche Förderungen von der Erfüllung des Erziehungs- und Bildungsauftrages abhängig machen? Evaluierung gemeinwesenbezogenen Bildungsinhalte? Oskar Reinhard Negt (* 1. August 1934 auf Kapkeim in Ostpreußen) ist ein deutscher Sozialphilosoph. Er gilt als einer der führenden Denker der Kritischen Theorie. Unzeitgemäße Betrachtungen: Wilhelm von Humboldt und Theodor W. Adorno Bildung bei Humboldt „Bewiesen halte ich demnach durch das Vorige, dass die wahre Vernunft dem Menschen keinen anderen Zustand, als einen solchen wünschen kann, in welchem nicht nur jeder Einzelne der ungebundendsten Freiheit geniesst, sich aus sich selbst, in seiner Eigenthümlichkeit, zu entwikkeln, sondern in welchem auch die physische Natur keine andre Gestalt von Menschenhänden empfängt, als ihr jeder Einzelne, nach dem Maasse seines Bedürfnisses und seiner Neigung, nur beschränkt durch die Gränzen seiner Kraft und seines Rechts, selbst und willkührlich giebt.“ (Wilhelm von Humboldt, 1792) Wilhelm von Humboldt (1767 – 1835): deutscher Gelehrter, Staatsmann und Mitbegründer der Universität Berlin Bildung als Widerstand gegen das „Aufgedrängte“ • „Kraft des Widerstands durch eigenes Denken.“ • „(...) die einzige wirkliche Konkretisierung der Mündigkeit darin besteht, dass die paar Menschen, die dazu gesonnen sind, mit aller Energie darauf hinwirken, dass die Erziehung eine Erziehung zum Widerspruch und zum Widerstand ist.“ • „Selbstreflexion und kritische Anstrengung – als das Gegenteil des blinden und verbissenen Fleißes.“ • „(…) die Menschen sind davon abzubringen, ohne Reflexion auf sich selbst nach außen zu schlagen. Erziehung wäre sinnvoll überhaupt nur als eine zu kritischer Selbstreflexion.“ • „Die einzige wahrhafte Kraft gegen das Prinzip von Auschwitz wäre Autonomie, wenn ich den Kantischen Ausdruck verwenden darf; die Kraft zur Reflexion, zur Selbstbestimmung, zum Nicht-Mitmachen.“ Theodor W. Adorno (1903 – 1969): Soziologie und Philosoph Bildung und Pädagogik in der Kontrollgesellschaft „Pädagogisierung ist der Prozess des lebenslangen Einschwörens auf die Logik der Warengesellschaft. Was in früheren Zeiten brutale, auf körperliche Bestrafung ausgerichtete Gesetze in Verbindung mit weit reichender exekutiver Gewalt erreichen musste, das systemkonforme Funktionieren der Menschen, wird heute durch pädagogischpsychologische Dauerintervention bewerkstelligt. (…) Pädagogisierung meint die Ausweitung der „pädagogischen Lüge“ auf die gesamte Lebenszeit und die gesamte Gesellschaft. Hatten bisher nur die Lehrer behauptet, nur unser Bestes zu wollen, behaupten das nun auf einmal alle – vor nichts sollte man sich allerdings mehr fürchten.“ Erich Ribolits, geb. 1947 in Wien, Bildungswissenschafter Bildung für die Demokratie • „Getrieben vom Gewinnstreben (…) vernachlässigen Gesellschaften und ihre Bildungssysteme genau die Fähigkeiten, die benötigt werden um Demokratie lebendig zu halten.“ • Es gibt nichts gegen eine gute naturwissenschaftliche und technische Ausbildung einzuwenden (…). Meine Sorge ist vielmehr, dass (…) entscheidende Fähigkeiten in diesem Konkurrenzgetümmel verloren gehen, die unverzichtbar für das gute Funktionieren einer jeden Demokratie sind, (…).“ • „Diese Fähigkeiten erwachsen aus den Geisteswissenschaften und den Künsten: die Fähigkeit zum kritischen Denken, die Fähigkeit, über lokale Bindungen hinaus zu denken und die Probleme der Welt als „Weltbürger“ anzugehen; und schließlich die Fähigkeit, sich in die Notlage eines anderen Menschen zu versetzen.“ Martha Nussbaum, geb. Craven, (* 6. Mai 1947 in New York City auch: Martha C. Nussbaum, Martha Craven Nussbaum) ist Philosophin und Professorin für Rechtswissenschaften und Ethik an der University of Chicago „Liberal Arts“ und „sokratische Pädagogik“ • Am Beginn des Studiums „allgemeinbildende Komponente“. Vier Semester „Liberal Arts“: Vielzahl von Kursen, bei denen die Geisteswissenschaften die Hauptrolle spielen. • Ziel der „Liberal Arts“: Allgemeinbildende Erziehung zur Heranbildung gut informierter, selbständig denkender und empathiefähiger demokratischer BürgerInnen.“ • Aktives Lernen anstelle von standardisierten Tests, anstelle einer Pädagogik des Drills für die landesweite Abtestung von „Bildungsstandards“. • Aktives Lernen als „Sokratische Pädagogik“. Im Mittelpunkt steht die Fähigkeit des „Argumentierens“. • „Unser Geist erlangt wahre Freiheit nicht durch den Erwerb von Wissensstoff und die Aneignung der Ideen anderer Menschen, sondern durch die Bildung eigener Beurteilungsmaßstäbe und die Formulierung eigener Gedanken.“ (Rabindranath Tragore) Rabindranath Thakur , ältere Schreibweise Rabindranath Tagore * 7. Mai 1861 in Kalkutta ; † 7. August 1941 ebenda), war ein bengalischer Dichter, Philosoph, Maler, Komponist, Musiker, der 1913 den Nobelpreis für Literatur erhielt und damit der erste asiatische Nobelpreisträger war. Umfassende Bildung als Menschenrecht „Die Bildung muss auf die volle Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit und auf die Stärkung der Achtung vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten gerichtet sein. Sie muss zu Verständnis, Toleranz und Freundschaft zwischen allen Nationen und allen rassischen oder religiösen Gruppen beitragen.“ Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, 1948 Prinzip Hoffnung: Bleibt der pragmatische Individualismus die dominierende Grundhaltung der Jugend? „Es ist unterhaltsam, mit Titanen zu kämpfen“ (Kalle Lasn) Protest als Mittel zum Kleinbürgerlichen Zweck? Ging es allein um persönliche Interessen? Wollten die Protestierenden lediglich materielle Belohnung für ihr braves Mitmachen und den Verzicht auf Selbstbestimmung und Freiheit einklagen? Bewusstseinswandel durch gemeinsame Aktion und Diskussion? David Graeber: „Revolution beginnt mit der Transformation des politischen Common Sense.“ Occupy-Bewegung als Populismus von Unten: Ihre Kritik richtet sich nicht gegen Sündenböcke und „glückliche Schwache“ (Wilhelm Reich), sondern gegen Wirtschaftsbosse, Banker und Parteipolitiker. David Rolfe Graeber (* 12. Februar 1961) ist ein amerikanischer Ethnologe und Anarchist. Er lehrt am Goldsmiths College der University of London. Die Jugend: Definition und ihr Einfluss auf die Geselslchaft Definition der Zielgruppe „Jugend“ „Die Jugendphase dehnt sich aus. Es gibt immer mehr Menschen, die von jugendkulturellen Stilistiken beeinflusst sind.“ • Die Jugendphase beginnt früher (Verschwinden der Kindheit) und endet immer später (Juvenilisierung / Infantilisierung der Gesellschaft). • Phasen: Frühe Jugend, Adoleszent, Postadoleszenz (Zeitspanne: 10 bis 35 Jahre) • Entstrukturierung der Jugendphase: Es gibt keine vorgegebenen Muster, keine Vorbilder mehr. Die (post-)moderne Jugend ist ein buntes Gemisch an Lebensentwürfen, Lebenswelten und Lebenslagen. Juvenilisierung der Alltagskultur „Die jungen Zielgruppen verfügen über die kulturelle (symbolische) Meinungsführerschaft “ • Präfigurative Kultur: „Die Wege, die uns in die • Gegenwart geführt haben, sind nicht mehr gangbar und werden nie mehr begehbar sein.“ In einer solchen Kultur lernen die Alten von den Jungen. Die Jungen kommt die Aufgabe zu, die Älteren bei der Hand nehmen und ihnen den Weg ins Unbekannte weisen. Margaret Mead (1901 – 1978), amerikanische Anthropologin und Ethnologin: Der Konflikt der Generationen. Jugend ohne Vorbild. Postmoderne: Jugend als eigenständige Existenzform • 1950er und 1960er Jahre: Integratives • • Paradigma (Eisenstadt) – Altershomogene Beziehungen als systemfunktionale Notwendigkeit 1960er bis 1980er Jahre: Paradigma der Gegenkultur (Cultural Studies) – Jugendliche machen sich in ihren Milieus nicht fit für den Einstieg sondern für den Ausstieg 1990er Jahre bis zur Gegenwart: Eigenständige Existenzform, die sich nicht gegen andere Existenzformen richtet – Langfristige Existenzform: jugendliche im Habitus und erwachsen im Geltungsanspruch Gerhard Schulze (* 1944): Deutscher Soziologe. Autor der „Erlebnisgesellschaft“ Das 40igste Lebensjahr: Grenzen der Juvenilität • Vierzigstes Lebensjahr als Grenzzone zwischen • • • • den Altersgruppen Werte der Jugendlichkeit: Erlebnishunger, Abwechslungsbedürfnis, Offenheit für unerwartete Situationen, Expressivität Kognitive Entwicklung: immer unausweichlicher wird die Erkenntnis, das die subjektive Zukunft kürzer sind wird, als die subjektive Vergangenheit Physiologische Entwicklung: Erscheinungsbild evidenter Jugendlichkeit geht verloren „Der Spielraum sozialer Definitionen von „jünger“ und „älter“ hat in den Jahren um die Lebensmitte eine Obergrenze. Es ist ein sozialhistorisch neues Faktum, dass dieser Spielraum tatsächlich bis zur Grenze ausgenutzt wird.“ (Erlebnisgesellschaft/ 371) Gerhard Schulze (* 1944): Deutscher Soziologe. Autor der „Erlebnisgesellschaft“ Die Weisheit des Alters – ein Irrtum? „Allgemein neigen Tiere zum kumulativen Lernen durch Erfahrung. Der alte Elephant ist der weiseste der Herde. Dieser Selektionsprozeß funktioniert beim Menschen nicht immer. Manchmal ist Weisheit in der Tat eine Eigenschaft des Alters, öfter jedoch ist dieses über das durchschnittliche Maß hinaus voll von Aberglauben, falschen Vorstellungen und unvernünftigen Dogmen. Man möchte die Vermutung wagen, dass beim Menschen irrige Identifizierungen in Worte konserviert werden, wodurch sie – anders als es bei Katzen und Elephanten der Fall ist –der ständigen Anpassungskontrolle durch die Umgebung entzogen sind ….“ (Stuart Chase: The Tyranny of Words) Werte und Einstellungen Was sind Werte überhaupt? „Ein Wert ist eine explizit gemachte oder implizit gelassene Auffassung (a conception) vom Wünschenswerten (the desirable), die für ein Individuum oder für eine Gruppe kennzeichnend sind und die Auswahl verfügbarer Handlungsweisen sowie Handlungsmittel und ziele beeinflußt.“ Clyde Kluckhohn (1905 – 1960): amerikanischer Anthropologe und Soziologe Werte als Ideen und Ideale „A value is not just a preference but is a preference which ist felt and/or considered justified.“ Talcott Parsons (1902 – 1979) amerikanischer Soziologe Werte sind Vorstellungen, Ideen, Ideale (Abgrenzung von einem ökonomischen Wertverständnis) Unterscheidung von faktisch vorhandenen und gerechtfertigten Wünschen (Bedürfnisse und Werte) Funktion von Werten a) Auswahlkriterien für Modi, Mittel und Ziele von Handlungen b) Steuern die Selektion von Wahrnehmungen c) Charakterisieren die personale oder kollektive Identität von Personen und Gruppen d) Dienen der Motivzuschreibung und Erwartungsbildung (konsensstiftende Funktion) Werte und Normen • Wichtige Unterscheidung zwischen Werten und Normen. • Werte = attraktiv-motivierend, • Normen = restriktiv-obligatorisch • Normen sind Spezifizierungen allgemeiner Werte auf besondere Handlungssituationen • Die Einhaltung der Normen ist verbindlich, wird sanktioniert oder belohnt Normen entlasten den Einzelnen von permanenten Gewissensentscheidung. Hans Joas, Professor für Soziologie und Sozialphilosophie an der Universität Freiburg Der Wertewandel in den 1960er Jahren • Werte drücken aus, was wünschenswert ist. Werte sind „attraktiv-motivierend“. • Postmaterialismus statt Nachkriegsmaterialismus. • Anstelle der Mentalität des „Schaffe, spare, Häusle baue“ tritt bei der Generation der 1968er eine nicht-instrumentelle, idealistische Wertorientierung. • Werte wie ästhetische Kreativität, individuelle Selbstverwirklichung, Schutz der Natur, sozialer Idealismus gewinnen an Bedeutung. Postmaterialismus als neues Wertesetting • Verschiebung in den Überlebensstrategien. Nachkriegsgesellschaft zielt auf ökonomischen Gewinne. Mit zunehmendem Wohlstand geht es um die Verfeinerung des Lebensstils. • Von Werten die das Überleben garantieren zu Werten, die das Wohlbefinden steigern. • Mangelhypothese: Den größten subjektiven Wert misst man den Dingen zu, die relativ knapp sind. • Sozialisationshyothese: Die Wertevorstellungen eines Individuums spiegeln die Bedingungen wieder, die zu seiner Jugendzeit geherrscht haben • Ökonomistische Wertetheorie: Enge Beziehung zwischen Werteentwicklung und Inflationsrate Materialismus/Postmaterialismus • Postmaterialismus: Selbstverwirklichung, Individualismus, ästhetische Bedürfnisse, Mitbestimmung, politischer Idealismus • Materialismus: wirtschaftliche Stabilität, Wirtschaftswachstum, Statussymbole, Schutz vor Kriminalität • Inglehart-Skala Schutz des Rechtes auf freie Meinungsäußerung Kampf gegen die steigenden Preise Mehr Einfluss der Bürger auf die Entscheidung der Regierung Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung Neomaterialismus 2000 „Am Beginn des dritten Jahrtausends kehrt der Materialismus zurück“ • • • • „Silent Revolution“ am Ende. Anstelle von Selbstverwirklichung und idealistischen Gesellschaftsutopien geht es wieder um Einkommen, Konsum, Karriere und Sicherheit. Gab es unter den Unter-30-jährigen 1980 noch 50% Postmaterialisten, so waren es 2002 gerade mal 25%. Themen wie Finanzierung des Sozialstaates, Arbeitslosigkeit, Innere Sicherheit, Migration und Terrorismus verändern die Wertepräferenzen. Sicherheit wird zum zentralen Thema. Sicherheit im Beruf, in der Öffentlichkeit, in der Familie, in der Partnerschaft, in den Freundesbeziehungen, im Konsum. Das „ungebundene Selbst“ und seine Folgen Atomistische Sozialontologie der Gegenwart; dem „ungebundenen Selbst“ fehlt der Sinn gegenseitiger Verpflichtung. Die Gesellschaft des „ungebundenen Selbst“ ist „eine Ansammlung von Individuen“, die durch ihr „gemeinsames Handeln“ Vorteile erhalten wollen, „die sie nicht individuell sichern konnten. Das Handeln ist kollektiv, doch sein Sinn bleibt individuell. Das gemeinsame Gut wird ausschließlich durch individuelle Güter gebildet.“ Udo Tietz: Die Grenzen des Wir. Eine Theorie der Gemeinschaft. Frankfurt 2002 Michael J. Sandel (* 5. März 1953 in Minneapolis ) ist ein US-amerikanischer Philosoph. Bekannt wurde er vor allem als Mitbegründer der kommunitaristischen Strömung Gemeinschaftswerte und egoistischer Individualismus • Self-regarding virtues gewinnen die Oberhand gegenüber other-regarding virtues • „Individuen sind also nicht wichtig, sondern nur ihre Wirkung auf uns; sie sind vollkommen austauschbar – nämlich durch etwas anderes, das dieselbe Wirkung hervorbringt.“ (Michael Stocker) • Vermögen etwas für einen Menschen nur um dieses Menschen willen zu tun = Grundlage für Liebe und Freundschaft. • Instrumentelle Beziehung kann bestenfalls Bekanntschaft oder freundschaftliche Beziehungen hervorbringen Bindung light: Bindungsverhalten in Online Communities "Der individualisierte Mensch bevorzugt schwache Bindungen.“ •Individualistische Identität mit dem Eingehen „starke Bindungen“ häufig unvereinbar •Bindungslose Flexibilität (Richard Sennett) •Schwache Bindungen: Herausbildung von so genannten „Posttraditionellen Formen der Vergemeinschaftung“ •Vergemeinschaftung als ästhetisches Prinzip? Ronald Hitzler, Thomas Bucher, Arne Niederbacher: Leben in Szenen. Formen jugendlicher Vergemeinschaftung heute. VS Verlag für Sozialwissenschaften (Wiesbaden) 2005. 2., aktualisierte Auflage. Helmut Klages: Wertesynthese! • Wertesynthese als zukunftsfähiges Wertesetting (Helmut Klages). Verbindung von Materialismus und Postmaterialismus in adaptiv-pragmatischen Milieus. • Vereinigung gegensätzlich erscheinender „traditioneller“ und „moderner“ Werte. • Verbindung von „Materialismus“ und „Postmaterialismus“ im Typus des „aktiven Realisten“. • Der „aktive Realist“ ist leistungsorientiert, handelt aber trotzdem moralisch. • Aktive Realisten bei der technischen Intelligenz (HTL, Landwirtschaftliche Fachschulen) und im klein- und mittelstädtischen Bereich überrepräsentiert. Jugendkulturen Die Szenen und Milieus der Jugend © Universal Music Bernhard Heinzlmaier © Universal Music © Universal Music Institut für Jugendkulturforschung, Alserbachstraße 18/7. OG, 1090 Wien Gesellschaftliches Sein und Bewusstsein • sozioökonomische Lebensbedingungen (Einkommen, Bildung etc.) werden in der Alltagswelt der modernen Gesellschaft in sehr unterschiedlichen ästhetisch-stilistischen Inszenierungen wirksam, sichtbar und erfahrbar. • Gleiche sozioökonomische Lebensbedingungen können ungleiche Lebensstile produzieren • Alltagshandeln nicht nur von demographischen Merkmalen, sondern auch von kulturellen Bedingungen und milieuspezifischen Werthaltungen geprägt • Soziale Milieus = Zusammenfassung von Menschen mit ähnlichen Lebensauffassungen und Lebensweisen Was sind die Sinus Milieus? • Menschen und Verbrauchersegmente mit ähnlichen Auffassungen, Lebens-, Konsum- und Arbeitsweisen • Gruppierung nach Werten (Familie, Politik, Religion etc.), Lebensstil, Geschmack, Kommunikation, Wohnen und Arbeiten • Werden seit den 1980er Jahren regelmäßig durchgeführt • Je höher ein Milieu angesiedelt ist, desto gehobener sind Bildung, Einkommen und Stellung in der Berufshierarchie • Je weiter rechts ein Milieu positioniert ist, desto moderner ist die Grundorientierung und Werthaltung Sinus-Milieus 2011 – Relative Autonomie der Werte Österreicher werden meist in Alte und Junge, Arme und Reiche, sowie Männer und Frauen in Zielgruppen unterteilt. Die internationale Sinus MilieuForschung geht einige Schritte weiter und zeichnet ein Bild der Gesellschaft nach ihren Wertorientierungen und Lebenseinstellungen. Die aktuellen Ergebnisse für Österreich zeigen, dass sich die Gruppen seit der letzten Befragung im Jahr 2001 deutlich verändert haben. Sinus-Milieus 2011 Der ehemals dominierenden Gruppe der bürgerlichen Mitte gehören aktuell nur noch 15 Prozent bzw. 1,1 Millionen Österreicher an. Damit ist die Gruppe des leistungs- und anpassungsbereiten Mainstreams seit der letzten Erhebung im Jahr 2001 um ein Fünftel geschrumpft. Das Milieu hat mehr Ängste und Sorgen als früher und fühlen sich vom sozialen Abstieg bedroht. Am aufsteigenden Ast sind die "digitalen Individualisten", die bereits 6 Prozent ausmacht. Durch den Internet-Boom wird die Gruppe mit einem Durchschnittsalter von 26 Jahren auch in Zukunft weiter rasant anwachsen. Sinus-Milieus 2011 Wie die digitalen Individualisten sind die Performer fest in der digitalen Welt verankert, die eine leistungsorientierte Elite bilden und neun Prozent der Bevölkerung ausmachen. Auf der anderen Seite gehen die konservativere Gruppen zusehends zurück, obwohl das "traditionelle Milieu" mit 15 Prozent noch stark vertreten ist, ist das "Ländliche Milieu", das 2001 noch sieben Prozent ausmachte, beispielsweise heute kaum noch anzutreffen. Jugend - Sinus-Milieus 2012 Abgrenzung der gesellschaftlichen Mitte nach unten Nicht lange rumtrödeln, flexibel sein und den richtigen Zeitpunkt für die Familienplanung erwischen (Beschleunigung,Konventionalismus) Subjektiver Optimismus – „Ich werde erreichen was ich mir vornehme (Ausnahme: die Prekären) Expeditive und Experimentalisten – starke Orientierung an Selbstverwirklichung (Autonomie) Sozialökologische und KonservativBürgerliche – Verantwortung und Gemeinwohlorientierung (Heteronomie) Jugend - Sinus-Milieus 2012 Die Prekären schämen sich oft für die soziale Stellung ihrer Eltern. Nehmen sich als ausgegrenzt und benachteiligt war Ihnen fehlt das Geld, um mangelnde Teilhabe durch Konsum zu kompensieren. Das Leben ein ständiger Kampf unter ungerechten Bedingungen Sozialer Aufstieg wird über Bildungsinstitutionen nicht erwartet Freizeitorientierung und „Spannungsschema“, gleichzeitig aber auch Passivität und Lethargie (vgl. die Arbeitslosen von Marienthal) Politisch Desillusioniert Jugend - Sinus-Milieus 2012 Die materialistischen Hedonisten setzen vor allem auf Konsum und wollen sich nicht kontrollieren lassen. Sie wollen keine Autoritäten akzeptieren (Rebellentum) und streben nach einem "gechillten Leben". Oper, Theater, klassische Musik - die Hochkultur insgesamt lehnen sie ab. "Geld macht jeden glücklich“, lautet ihr Lebensmotto. (Materialismus) Ausgeprägte Freizeitorientierung mit markenbewussten Konsumwünschen Traditionelle Rollenbilder, traditionelle Familienkonzepte (Konventionalismus) Politisch stark an rechts-populistischen Konzeptionen ausgerichtet Orientierung am „Spannungsschema“ Jugend - Sinus-Milieus 2012 Die experimentalistischen Hedonisten wollen ihr Leben einfach genießen und möglichst kreativ gestalten. Sie distanzieren sich vom Mainstream, sie sind die Reserve der Subkultur. Lebensmotto: "Ich lasse mir von niemandem sagen, wie ich mein Leben leben soll, bisher hat es auch ganz gut geklappt." Freizeitorientierung, Spannungsschema aber posttradtionelle Werte und Vergemeinschaftungspraxen Politik: Wenig Interesse Jugend - Sinus-Milieus 2012 Die Adaptiv-Pragmatischen sind so etwas wie die angepassten Neo-Spießer. Sie orientieren sich am Machbaren, planen voraus, und streben nach dem Wohlstand im Kleinen (Haus, Auto, Urlaub etc.) Eher am Status Quo ausgerichtet. Alles soll am besten so bleiben wie es ist – Veränderungen machen Angst. Statusbewusst: Auf andere, die weniger leistungsbereit und erfolgreich sind, schauen sie gerne herab. Problem: Den sozialen Status der Eltern halten Politik: Traditionelle Parteien der politischen Mitte Jugend - Sinus-Milieus 2012 Die Sozialökologischen sind die, die sich am ehesten engagieren und andere von ihren Ansichten überzeugen wollen Materialismus und Konsum sehen sie kritisch. "Ohne Geld würde unsere Welt viel schöner aussehen", sagen Jugendliche dieser Gruppe häufig Postmaterialistische Werthaltung: Ideen zählen mehr als Geld Handeln auf Gemeinschaft und Gesellschaft gerichtet. Im Zweifelsfall Heteronomie statt Autonomie Politik: Eindeutig Grüne Jugend - Sinus-Milieus 2012 Die Konservativ-Bürgerlichen finden Selbstdisziplin wichtiger als Selbstentfaltung Es sind die Frühvergreisten unter den Jugendlichen. Auch sie wollen, dass sich möglichst wenig ändert Es geht ihnen darum, einen Platz in der Erwachsenenwelt zu finden - der Traum ist die "Normalbiografie„ Traditionsorientierung – die Biographie der Eltern soll wiederholt werden. Kein Rebellentum. Traditionelle Geschlechterrollen und Lebensstile, hohe Anpassungsbereitschaft Elitenbewusstsein Zunehmende Mitleidslosigkeit und Intoleranz. (vgl. Heitmeyer 2010) Politik: ÖVP und FPÖ Jugend - Sinus-Milieus 2012 Die Expeditiven wollen flexibel, mobil und pragmatisch sein Es sind die Hipster unter den Jugendlichen, d.h. es ist für sie wichtig die neuesten Trends zu kennen und aufzunehmen. Der Massengeschmack wird verabscheut Sie wollen etwas leisten und sich gleichzeitig selbst verwirklichen. Wichtig in Allem: sich von der Masse abheben (Snobismus) Politik: Unkonventionelle Aktionen und Thematiken Materialistische und experimentalistische Hedonisten Jugend - Sinus-Milieus 2012 (Konsum-)Gesellschaft strukturiert sich nach Werten, Lebensstilen, ästhetische Praxen. Alleinige Betrachtung nach sozialstrukturellen Kriterien (Oberschicht, Mittelschicht, Unterschicht) greift zu kurz. Dem entsprechend greifen rein quantitativ ausgerichtete Ungleichheits-Analysen zu kurz. Wichtig ist es, unterschiedliche milieuspezifische Sinnstrukturen und symbolische Vermittlungsformen zu kennen. Zielgruppenkommunikation ist notwendig am verbalen- und nonverbalen Code des jeweiligen Milieus auszurichten. Milieuübergreifende Kommunikation ist nur dann möglich, wenn die verschiedenen Milieus Schnittmengen (Werte, Symbole etc.) aufweisen. Jugendkommunikation Diskursive und Präsentative Symbolik, Medien, Jugendkommunikation © Universal Music Bernhard Heinzlmaier © Universal Music © Universal Music Institut für Jugendkulturforschung, Alserbachstraße 18/7. OG, 1090 Wien Medienwelten gestern und heute • • • • • • Es gibt einen TV-Kanal Sendebeginn unter der Woche: 19 Uhr 30; Sendeschluss: 22 Uhr Hauptabendprogramm ist ein „deutsches Fernsehspiel“ Fernsehspiel = Hörspiel im Form eines Theaters, das für die Wiedergabe im TV bestimmt ist. Das Paradies von Pont L´Eveque (Johannes Hendrich) "Zugluft pfeift durch jede Ritze diesen hier reisst es vom Sitze. Jener aber macht ihm klar, dass das gar nicht nötig war. TESA-Moll ins Fenster kleben und behaglich weiterleben." (Kurzfilmmosaik) Mediatisierung der Jugend „20. Jahrhundert: Medien werden zur Sozialisationsinstanz“ • Neben Eltern, Peers und Schule werden Medien im ausgehenden 20. Jahrhundert zur einflussreichen Sozialisationsinstanz • Medien prägen die individuelle Welterfahrung und sind an der Konstruktion sozialer Wirklichkeiten beteiligt • Medien sind in den Alltag integriert, ihre Nutzung findet habitualisiert statt. • Habitus: Verinnerlichung kollektiver Dispositionen. Verinnerlichte Denk-, Handlungs- und Wahrnehmungsschemata Medientheorie „The medium is the massage.“ • • • • Medium: Mittel der Kommunikation, Mittel zur Speicherung von Informationen Medien sind bedeutende Faktoren der Konstitution von Mensch und Gesellschaft Mediatisierung der Gesellschaft durch Entwicklung und Einsatz von Reproduktionstechniken (Buchdruck, Fotographie, Film, Fernsehen etc.) „Die Botschaft jedes Mediums oder jeder Technik ist die Veränderung des Maßstabs, Tempos oder Schemas, die es der Situation des Menschen bringt. (…) Der Druck brachte im sechzehnten Jahrhundert den Individualismus und den Nationalismus hervor.“ (Herbert Marshall McLuhan) Medienwandel und Wandel der Lebenswelten „Neuer sozio-technischer Möglichkeitsraum für Jugendkulturen“ Digitalisierung (Umstellung von analoger zu digitaler Technologie, Signale, die mit Computer zu verarbeiten sind) • Konvergenz (Zusammenwachsen unterschiedlicher Medien z.B. TV+Internet) • Pluralisierung (Vervielfachung der Medien; Mp3Player, I-Pod, Smartphones, Spielekonsole etc.) • Diversifizierung (spezielle Radio- und TV-Kanäle und Webangebote entstehen) • Kommunikationstheorie Kommunikationsmodell „Keine Kommunikation ohne Zeichen“ Code (Zeichensystem) SenderIn Medium encodiert EmpfängerIn decodiert Einfluss von Medien auf die Kommunikation • Medienvermittelter Kommunikation fehlt „TurnTaking“. Abwechselndes Turn-Taking führt zur engen Abstimmung zwischen Alter und Ego. • Face-to-Face-Kommunikation wird nicht verdrängt, weil Gegengewicht zu zunehmender Unpersönlichkeit der Kommunikation • Wesentliche Merkmale von Kommunikationstechnologien für den Aufbau von persönlichen Beziehungen: Erlauben sie Turn- Taking? Und wenn ja, in welchem Rhythmus erfolgt das Wechselspiel? Wird zwischen Alter und Ego kommuniziert? Verändertes Rezeptionsverhalten: Hypertext Verändertes Rezeptionsverhalten: Hypertext „Von der linearen zur hypertextuellen Lektüre.“ • Hypertextualität des elektronisches Schreibens/Lesens im Internet: einzelne Elemente in arbiträren Strukturen verbinden, verlinken und den Leser leicht von einem Element zum anderen zu führen • Hypertext greift über sich hinaus, möchte Verbindungen zu anderen Texten herstellen • Interaktivität des Hypertext: „Jede Lektüre wird realisiert durch eine Interaktion zwischen dem Leser und der verlinkten Struktur. Hypertexte verändern sich, indem sie auf die Bedürfnisse jedes einzelnen Lesers und jeder neuen Lektüre reagieren.“ (Jay D. Bolter) Hypertext Hypertext Hypertext Performative Ökonomie der Jugendkultur • • • • • Verwandlung moderner Sozialordnungen in Marktgesellschaften Kommerzialisierung der Jugendkultur (Kleidung, Accessoires, Events etc.) Performative Ökonomie Gesellschaftliche Statusmerkmale verschieben sich von der Leistungserbringung zum Leistungsverkauf (Leistung – Sachverwirklichung; Erfolg – soziale Durchsetzung, Zuschreibungskategorie) Prämiert wird der performative Markterfolg, nicht die arbeitsbezogene Leistung Sighard Neckel (* 25. Oktober 1956 in Gifhorn) ist deutscher Soziologe und war bis 2011 Universitätsprofessor für Soziologie an der Universität Wien Laufstegökonomie „Individuelle Eigenschaften und zugeschriebene Merkmale sich wichtiger als Qualifikationen.“ Leistungsorientierte Arbeitsgesellschaft: Prüfung von beruflichen Wissen • Laufstegökonomie: gelungene Präsentation • Casting statt Prüfung (Castingshows als mediale Degradierungsrituale) • Erfolgsprinzip: performativer Individualismus, der nicht durch Zuwachs persönlicher Autonomie, sondern durch Abhängigkeit von ökonomischen Märkten entsteht • Der Körperkult in der Lebensstilgesellschaft Der Körper als Symbol für Individualität und Leistungsfähigkeit • Der Körper ist der „Aufmerksamkeitsgenerator“ unserer Zeit • Er steht für Vitalität und Leistungsfähigkeit in Beruf und Freizeit • Der Körper als Garant von Individualität. Er macht den Massenmenschen zu etwas Besonderem und Einzigartigem • Der Körper ist ein wichtiges Kommunikationsmittel in einer Zeit, in der symbolischer und Bildkommunikation die größte Bedeutung zukommt • 45 Prozent der Unter-30-jährigen treiben dreimal die Woche Sport • Grosses Wissen über und großes Interesse an Gesundheitsthemen. Hohe Ausgabenbereitschaft vorhanden Eine Gesellschaft im Körperwahn Der Körper unter Perfektionsdruck – Schöner sein als die Natur erlaubt • 500.000 Schönheitsoperationen wurden 2011 in Deutschland durchgeführt • 30,7 Prozent der Schönheitsoperationen in Deutschland werden an Patienten unter 30 Jahren durchgeführt • 19 Menschen sind in Deutschland zwischen 1998 und 2002 bei oder nach einer Fettabsaugung gestorben • 16,8% der Patienten, die ihren Körper verschönern lassen sind Männer, ca. 20 Prozent in der Gruppe der unter 30jährigen • 800 Millionen Euro gaben die Deutschen 2011 für Schönheitsoperationen aus • 5.500 Euro koste eine Brustvergrößerung mindesten. Eine Lidstraffung gibt es um 1.800 Euro. Für eine Fettabsaugung muss man 1.500 bis 5.000 Euro bezahlen. • 5% mehr verdient ein gut aussehender Arbeitnehmer im Vergleich zum durchschnittlich attraktiven Kollegen (DIE ZEIT Nr. 45, 31. Oktober 2012:15) Jury bei der Miss Germany Wahl 2012 Arthur Abraham - ehem. Boxweltmeister im Mittelgewicht Ross Antony - Sänger & Allround-Talent Bernd Bechtel - Condor-Direktor Group Fleet Management Reiner Calmund - Fußballfunktionär, Moderator & Buchautor Regina Halmich - ehem. Box-Weltmeisterin Monica Ivancan - internationales Model Jennifer Knäble - Moderatorin RTL & N-TV Heiner Lauterbach - deutscher Schauspieler Ingo Lenßen - Schauspieler & Rechtsanwalt - Sat.1 "Lenßen & Partner" Jürgen Mack - Geschäftsführender Gesellschafter vom Europa-Park Prof. Dr. Dr. Werner Mang - Schönheitschirurg Bodenseeklinik Yasemin Mansoor - Miss Germany 1996 & Queen of the World 1997 Tessy Pavelková - Chefredakteurin Zeitschrift Neue Woche Francèk Prsà - Friseurmeister Francek Friseure Marcus Schenkenberg - das bekannteste Männermodel der Welt Performative Alltags- und Medienkultur • Gesellschaftliche Statusmerkmale verschieben sich von der Leistungserbringung zum Leistungsverkauf (Leistung – Sachverwirklichung; Erfolg – soziale Durchsetzung, Zuschreibungskategorie) • Prämiert wird der performative Markterfolg, nicht die arbeitsbezogene Leistung • Der Körper und die Selbstdarstellungsfähigkeit rücken in den Focus der Aufmerksamkeit Sighard Neckel (* 25. Oktober 1956 in Gifhorn) ist deutscher Soziologe und war bis 2011 Universitätsprofessor für Soziologie an der Universität Wien Ästhetisierung des Lebens „Sehr allgemein bezieht sich der Ausdruck ‚ästhetisch‘ auf das Sinnenhafte. ‚Ästhetisch‘ kann geradezu gleichbedeutend mit ‚sinnenhaft‘ gebraucht werden. (….) Zum Ästhetischen gehört eine Tendenz der Überformung, Überhöhung und Veredelung des Sinnlichen. Sie kann bis zu Konnotationen des Überfeinerten, Sublimen, ja Ätherischen reichen.“ (Wolfgang Welsch: Grenzgänge der Ästhetik) Doppelcharakter der elementaren Ästhetik: 1. Empfindungen (lustbezogen, gefühlshaft, subjektiv, hedonistisch) 2. Wahrnehmungen (gegenstandsbezogen, erkenntnisartig, objektiv) Ästhetisierung der Kommunikation „Wichtiger als die Dinge selbst ist die Art und Weise wie sie arrangiert sind“ „Die spezifisch ästhetische Lust bezieht sich beispielsweise auf das Arrangement von Speisen – statt auf deren Substanz, oder den Vollzug der Liebe statt der Triebbefriedigung, oder auf die Form der Rede – anstelle dessen Inhalt.“ (Wolfgang Welsch, Grenzgänge der Ästhetik) Wolfgang Welsch (* 17. Oktober 1946 in Steinenhausen) ist ein deutscher Philosoph und einer der wichtigsten deutschsprachigen Theoretiker der Postmoderne. Medientrend: Gefühl vor Verstand und Vernunft „Bildzentrierte, nicht-argumentative, symbolische Kommunikation“ • Bilder drängen in den Vordergrund, der wortsprachliche Anteil der Kommunikation wird reduziert. • Nichtbegriffliche Kommunikationen der Verführung. • Zeigen, Rituale und Inszenierungen anstelle von Argumenten. • Kultur des Einfühlens und Verstehens • Neoromantische Gefühlsrhetorik • Eskapismus in Fantasiespiele am Computer, Fantasiekino und Fantasieliteratur Von der diskursiven zur präsentativen Symbolik? • Diskursive Symbolik bezieht sich auf die Logik sprachlich vermittelter Denkprozesse • Präsentative Symbolik – Ausdruck durch mimisch-körperliche Gesten und Bilder; sprachlose Zeichen • z.B. Präsentative Symbolik der Musik: sie wirkt sinnlich unmittelbar und intuitiv verstanden (vgl. Dieter Baacke 1997) • In der Jugendkommunikation drängen präsentative Symboliken in den Vordergrund Susanne K. Langer (* 20. Dezember 1895 in New York; † 17. Juli 1985 in Old Lyme) war eine amerikanische Philosophin. Was heißt das in der Praxis? • Die neuen «Enriched E-Books» bieten, was das klassische gedruckte Buch nicht leisten kann: bewegte Bilder, Tondokumente, Animationen, Interviews. • In Ken Follets »Sturz der Titanen« ist es möglich Zusatzinformationen zu den darin vorkommenden historischen Persönlichkeiten, Orten und Ereignissen« zu bekommen. Stammbäume und Karten veranschaulichen darüber hinaus die Geschichte und Ken Follett berichtet in Videointerviews über seinen persönlichen Bezug zum Roman«. Bilder als Medium der Werbung Bilder sind „das Medium“ der Jugendkommunikation • Bilder werden fast immer zuerst betrachtet • Bilder werden schneller verarbeitet • Bilder sind glaubwürdiger • Bilder werden schneller gelernt und besser im Gedächtnis behalten • Bilder vermitteln mehr Informationen in kürzerer Zeit • Bildinhalte werden intuitiver erfasst als Texte Bildkommunikation ist im Vormarsch: - Werbung ist immer weniger argumentationsbetont - Steigender Anteil von Anzeigenwerbung ohne Fließtext - Wachsender Flächenanteil von Bildern in Anzeigen - Beachtungschance einer Anzeige ist um so größer, je weniger Text sie enthält - Es können viele Inhalte simultan erfasst werden (keine sukzessive Abfolge der Inhalte notwendig) Die Gebote Jugendkommunikation in der Postmoderne Gebote der Jugendkommunikation Jugendliche haben ein lustbetontes Lebenskonzept Hervorhebung des Lustaspekts von gesundem Verhalten und keine Verzichtsakrobatik einfordern. Junge Erwachsene, 22 Jahre: Ich weiß nicht, ich würde sagen, ich ernähre mich nicht so ungesund, ich schaue schon, dass ich, also ich esse auch gerne Salat und Obst und Gemüse oder so was, aber ich trinke halt auch gerne einmal ein Bier, also wenn ich jetzt Lust auf irgend etwas habe, dann esse ich das einfach.“ Gebote der Jugendkommunikation Mens sana in corpore pulcher Schönheit und Gesundheit sind für Jugendliche eng miteinander verbunden. Zunehmend rückt die Körperästhetik, der Körper als symbolisches Kapital ins Zentrum des Interesses. Junger Erwachsener, 22 Jahre: „Natürlich möchte man fesch sein und nicht daherkommen, wie irgendwas, oder dass man die ganze Zeit hustet – wegen der Raucherei. Das würde ja auch die Freundin abstoßen. Ich finde, dass ist ein wichtiger Grund, gesund zu leben. Weil natürlich sucht man sich eine Freundin aus, die fesch ist. Und die Freundin wird das genau so machen.“ Gebote der Jugendkommunikation Jugendkommunikation ist Bildkommunikation Kommunikation muss sich einer starken Bild- und Symbolsprache bedienen. Junge Menschen lassen sich gerne durch auf Verstehen und Emotionen gerichtete Kommunikation ansprechen. Eventbesucher, 25 Jahre: Prinzipiell ist es immer so, dass mir die Grafikenen oder Stilistiken am Flyer gefallen. (…) Selten eigentlich, dass ich auf eine Veranstaltung oder auf ein Event stoße, nur weil es dort steht, nur aus Interesse. Es ist primär schon das Visuelle und dann stoße ich erst auf interessante Themen. Gebote der Jugendkommunikation Schule als wichtiger Ort der Gesundheitskommunikation Viele Jugendlichen finden, dass die Schule der beste Ort für Gesundheitskommunikation ist. Wichtig: Gerade bei Gesundheitsthemen kann das Internet das direkte Gespräch mit vertrauten Personen nicht ersetzen. Weibliche Jugendliche, 16 Jahre: „Ich denke vor allem in der Schule. Ich denke, wenn da ein gesunder Lebensstil beigebracht wird, dass man den auch behält, und deshalb sollten in den Schulen öfter Berater kommen, sympathische Menschen, die einem das alles erklären, würde mich sehr interessieren im Unterricht.“ Jugendsprache Jugendsprache: Spiegelung und Gegenspiegelung Verhältnis von Jugendkultur und Jugendsprache zu dominanter Kultur und Standardsprache (Neuland 2008) Konzept der Spiegelung und Gegenspiegelung Drei Formen der Bezugnahme auf Standardsprache/Standardkultur und jugendkulturellen Sprach- und Lebensstil: - affirmativ-spiegelnd - karikierend-ironisierend - oppositionell-gegenspiegelnd Kleinwagen (Schlaglochsucher), Kino (Drüsenschau), Alternativ-Szene (Müslimann, aldinativ) Jugendtypische Besonderheiten in der Gesprächsführung Kategorie jugendtypisch/unterhaltsam erwachsenentypisch/ernsthaft Länge Redebeiträge kurz und knapp lang Syntax reduziert, Parataxe Schriftsprache, Hypotaxe Phonologie expressiv, variantenreich monoton, sachlich Lexik Neubildungen, Tabuwörter Hochsprache Stilistik Hyperbolik Präzision, Litotes Inhalte siuationsgebunden, Tabubrüche abstrakt, ernst Kohärenz Angebotskommunikation Themenfixierung Genres Necken, Frotzeln, Dissen Diskutieren, Bitten, Entschuldigen Gesprächsorganisation kompetitiv redegeleitet Nonverbales Paralelle Aufmerksamkeitsfoki Konzentration auf das Gespräch Beziehung Identitätswettbewerb, Vertrautheit Distanz, Höflichkeit, Takt, Indirektheit Soziolinguistische Stile Sprache als Ausdrucksmittel von jugendtypischen posttraditionellen Gemeinschaftsformen (Szenen) und Subkulturen Sprachstile Jugendlicher sind Gruppenstile; sie setzen die Interaktion in der Gruppe und gemeinsam geteilte Werte voraus Stil-Bastelei oder Bricolage: Sprachliche Elemente werden aus bestehenden kulturellen Kontexten herausgelöst und in einen neuen, jugendkulturellen Kontext überführt Jugendsprache: Stilmittel Wortschöpfungen, Neologismen alken, gruscheln, vloggen, Brüllwürfel Verfremdungen, Umdeutungen fett = betrunken; großartig „Ich finde das VLoggen ist eine super Sache um seine Stimme im Internet zu nutzen, gerade weil die Menschen heute lieber Videos gucken als sich lange Texte durchzulesen so wie diesen hier *GRINS*.“ Jugendsprache: Stilmittel Entlehnungen chillen, covern, heavy; abtanzen, mal Hybridbildungen (verschiedene Sprachen) ausflippen, gestylt, abgefuckt, gefakt Abtauchen zum Abtanzen Das Unterdeck eines Badeschiffs wurde zur Partylocation umfunktioniert, in der Fluc-Wanne feiert die Indie-Szene, und im Phoenix Supper Club sollten auch die Socken gestylt sein. Jugendsprache: Stilmittel Superlativbildungen mega-, mörder-, ur-, voi Metaphorik Fit im Schritt!, die Sau raus lassen, am Arsch der Welt sein Die Metapher (Übertragung) ist eine rhetorische Figur, bei der ein Wort nicht in seiner wörtlichen, sondern in einer übertragenen Bedeutung gebraucht wird, und zwar so, dass zwischen der wörtlich bezeichneten Sache und der übertragen gemeinten eine Beziehung der Ähnlichkeit besteht. Jugendsprache: Stilmittel Wortverkürzungen Alk, Majo, Mäci, Zivi, logo Wortadditionen Warmduscher, FestnetzTelefonierer Füllwörter Oida, Mann, voll, und so, in echt Jugendsprache: Beispiele Diskriminierende Begriffe Spasti, Mongo, Bimbo, Schwuchtel Comicsprache grins, igitt, smile, würg, kotz Leetspeak und ChatSprache lg, 4u, u2, sers, lol, afk Leetspeak (auch Leetspeek; von engl. elite, „Elite“) bezeichnet das Ersetzen von Buchstaben durch ähnlich aussehende Ziffern sowie Sonderzeichen.So wird der Begriff Leetspeak selbst häufig 1337, manchmal 1337 5P34K, selten auch 31337 bzw. 313373 geschrieben. Jugendsprache: Beispiele „Ich mach dich Rogan.“ (Ich mach dich fertig) „Hast ihn ua gedisst Oida.“ (disrespect; beschimpfen, verbal niedermachen) „Lass uns chilln.“ (ausruhen, relaxen, sich beruhigen) „Flash mi ned.“ (Überrasche, erschrecke mich nicht) „Hast du Face?“ (Bist du auf Facebook?) „Kannst mich adden?“ (Zur Freundschaftsliste hinzufügen) „Hast du kein Leben, du Opfa? (Opfa=Synonym für Unterordnung, Anpassungsbereitschaft, Strebertum) Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit