Tröstet, tröstet mein Volk!

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Worte aus dem Buch des Propheten Jesaja:
Tröstet, tröstet mein Volk! spricht euer Gott.
Redet mit Jerusalem freundlich und predigt ihr,
dass ihre Knechtschaft ein Ende hat,
dass ihre Schuld vergeben ist;
denn sie hat doppelte Strafe empfangen
von der Hand des Herrn für alle ihrer Sünden.
Es ruft eine Stimme:
In der Wüste bereitet dem Herrn den Weg,
macht in der Steppe eine ebene Bahn unserem Gott!
Alle Täler sollen erhöht werden,
und alle Berge und Hügel sollen erniedrigt werden,
und was uneben ist, soll gerade,
und was hügelig ist, soll eben werden;
denn die Herrlichkeit des Herrn soll offenbart werden,
und alles Fleisch miteinander wird es sehen;
denn des Herrn Mund hat’s geredet.
Es spricht eine Stimme: Predige!,
und ich sprach: Was soll ich predigen?
Alles Fleisch ist Gras,
und alle seine Güte ist wie eine Blume auf dem Felde.
Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt;
denn des Herrn Odem bläst darein.
Ja, Gras ist das Volk!
Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt,
aber das Wort unseres Gottes bleibt ewiglich.
Zion, du Freudenbotin, steig auf einen hohen Berg;
Jerusalem, du Freudenbotin,
erhebe deine Stimme mit Macht;
erhebe sie und fürchte dich nicht!
Sage den Städten Judas:
Siehe, da ist euer Gott; siehe, da ist Gott der Herr!
Er kommt gewaltig, und sein Arm wird herrschen.
Siehe, was er gewann ist bei ihm,
und was er sich erwarb, geht vor ihm her.
Er wird seine Herde weiden wie ein Hirte.
Er wird die Lämmer in seinen Arm sammeln
und im Bausch seines Gewandes tragen
und die Mutterschafe führen.
Jesaja 40
Predigt zu Jesaja 40, 1-11
Dritter Advent 2012
Liebe Gemeinde,
viele tausend Kilometer von uns entfernt
liegt eine weite Ebene.
Heiß und sumpfig soll es dort sein,
und manchmal wird das Land von zwei Flüssen überflutet, die durch diese Ebene fließen.
Die Flüsse heißen Euphrat und Tigris,
und das Land nannte man einfach das „Land zwischen den Flüssen“,
auf Griechisch heißt das Meso-potamien, das Zwei-stromland.
Wir kennen dieses Land aus der Zeitung,
weil dort jetzt schon seit Jahren Chaos und Gewalt herrschen,
Mesopotamien ist der Irak, das geschundene Land im Mittleren Osten.
Es ist ein Land mit einer uralten Kultur.
Es gibt Hügel dort in der weiten Ebene,
und wenn man an diesen Hügeln herumkratzt,
dann entdeckt man, dass das keine gewöhnlichen Hügel sind,
sondern man stößt auf jede Menge alte Ziegelsteine und Berge von Schutt.
Auf Mauern stößt man,
auf ehemals hohe, feste Mauern.
Die Hügel – das sind nämlich Reste verfallender, längst vergangener Städte
mit kilometerlangen Mauern, schnurgeraden Straßen, Türmen, Palästen und Tempeln.
Babylon – die größte Stadt der Welt damals.
Der Turm von Babel, ein wenig klingt in dieser alten Geschichte noch etwas nach
von vergangener Größe.
Wenn Sie mal nach Berlin fahren, dann sollten Sie dort nicht nur
das Brandenburger Tor besuchen, sondern auch das Babylonische Tor.
Das finden Sie im Vorderasiatischen Museum, im Pergamon-Museum,
vielleicht kennen Sie es ja.
Da hat man eine babylonische Prachtstraße aufgebaut, rekonstruiert aus den
ausgegrabenen Ziegelsteinen, eine Prachtstraße für den babylonischen Großkönig
und für die babylonischen Götterbilder, die dort auf goldenen Wagen einherzogen
- Demonstration der Größe und der Macht.
Ich stelle mir vor, wie da der Großkönig entlangzieht
und die Leute sich niederwerfen und ihm huldigen…
Vorbei, alles vorbei:
die Menschen, die damals gelebt haben,
die mächtigen Großkönige,
die klugen Gelehrten, die den Himmel erforscht haben
und die den Sternbildern jene Namen gegeben haben, die wir heute noch verwenden
(großer Bär, kleiner Bär zum Beispiel),
vorbei die vielen kleinen Soldaten, Arbeiter, Handwerker, deren Namen niemand aufgeschrieben hat,
und das Heer von Sklaven, die diese Straßen und Paläste damals gebaut haben….
…. was sie erlebt, gedacht, geträumt haben --- wir wissen davon nichts.
Alles zugeweht vom Wüstenstaub,
im wahrsten Sinne des Wortes „vom Winde verweht“.
Unter den vielen kleinen Leuten damals
waren ein paar Verschleppte aus dem Land Israel,
verschleppt aus der brennenden Stadt Jerusalem,
589 vor Christus, aber das Datum brauchen Sie sich nicht zu merken,
verschleppt nach Babylon ins Babylonische Exil, in die weite Ebene,
in das Land „zwischen den beiden Flüssen“…..
Da saßen sie nun in der Fremde
und hatten jeden Tag die Macht des babylonischen Großkönigs vor Augen,
sie saßen buchstäblich auf einem Scherbenhaufen:
auf dem Scherbenhaufen ihrer Geschichte,
zerstörte Träume, zerstörte Hoffnungen …. Volk in der Wüste.
„Tröstet, tröstet mein Volk! spricht euer Gott.
In der Wüste bereitet dem Herrn den Weg,
macht in der Steppe eine ebene Bahn…“
Eines Tages trifft die Leute im Exil ein Wort,
ein Wort wie ein Blitz, ein Wort voller Kraft, Dynamis, heißt das auf Griechisch,
ein Wort voller Dynamik.
Die Bibel – nicht Opium fürs Volk, wie’s mal einer gesagt hat,
wo die Leute einschlafen. Wenn wir bei der Predigt einschlafen, liegt’s am Prediger
oder an uns selber, wenn wir zu spät ins Bett gekommen sind,
NEIN, das Wort Gottes ist nicht Opium, sondern Dynamis, Dynamik, Dynamit.
„Tröstet, tröstet mein Volk! spricht euer Gott.“
Das ist der erste Satz.
Mit diesem Satz beginnt das „Trostbuch“ des Propheten Jesaja,
das müssen Sie mal lesen: Jesaja – Kapitel 40 – 55.
Kein Mensch weiß, wer das geschrieben hat.
Und weil man’s nicht weiß, hat man’s einfach an den Propheten Jesaja drangehängt
und nennt es Deutero-Jesaja, den zweiten Jesaja.
Es ist ein Trostbuch.
Wem es schlecht geht, wer nicht mehr weiter weiß,
wem das Wasser bis zum Hals steht --- der muss dieses Trostbuch lesen.
Das sind Worte, die verbrauchen sich nicht.
Selbst die dicksten Mauern fallen irgendwann ein,
aber es gibt Worte, die nichts von ihrem Glanz verlieren im Lauf der Jahrhunderte.
Worte, die uns Menschen in Langenwinkel zwischen Rhein und Schwarzwald
noch genauso stärken und trösten können
wie die Menschen in Babylon vor zweieinhalbtausend Jahren in der weiten Ebene,
im Land zwischen den Strömen, in Mesopotamien.
„Es ruft eine Stimme: In der Wüste bereitet dem Herrn den Weg!“
Natürlich haben die Menschen damals gespürt,
dass sowas ein hochpolitischer Satz war:
keine Prachtstraße für den babylonischen Großkönig,
sondern einen Weg für Gott, den König, den Herrn…. was für eine Vision!
Eine Straße für Gott im Advent.
„Bereitet doch fein tüchtig den Weg dem großen Gast,
macht seine Steige richtig, lasst alles, was er hasst…“
So haben wir vorhin gesungen.
Eine Straße für Gott im Advent.
Nicht wir selber müssen diese Straße bauen,
es reicht, wenn wir selber bereit sind.
„Zieh in mein Herz hinein“, heißt es im Lied,
und nicht: „Krempelt die Ärmel hoch, es gibt noch viel zu tun im Advent…“,
nein, eben „Zieh in mein Herz hinein…“
Es sagt eine Stimme: Predige!
Ach, lieber Gott, sagt der Prediger, was soll ich predigen?
Wer möchte schon eine Predigt hören?
Und was kann der Prediger sagen?
Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt…
immer dasselbe, alles vergänglich, steht ja schon in der Bibel.
Ja, Gras ist das Volk, sagt die Stimme zum Prediger,
aber das Wort unseres Gottes bleibt ewiglich.
Es ist interessant:
im hebräischen Urtext steht für das Wort „bleiben“ genau genommen etwas anderes,
nämlich KUM – aufstehen.
Talita kumi – vielleicht kennen Sie das: Mägdlein, steh auf! sagt Jesus zum Töchterlein des Jairus,
die Bibelfüchse unter uns werden’s wissen.
Das Wort unseres Gottes --- steht immer wieder auf, heißt es also wörtlich.
Da wird man ganz nachdenklich:
im Wort Gottes steckt eine Kraft – wie in einem Samenkorn.
Manchmal sieht dieses Wort kraftlos aus, unscheinbar,
im Gegensatz zu den babylonischen Großkönigen aller Zeiten,
die ihre Prachtstraßen bauen und sich selber feiern,
aber immer wieder geschieht’s, dass dieses Wort neu aufsteht, zum Leben erwacht,
etwas be-wegt, ja auch uns selber in Bewegung bringt.
Die schlauen Kommentare, die klugen Ausleger der biblischen Texte sagen uns:
durch diesen Text, Jesaja 40, zieht sich eine Bewegung,
und wenn Sie’s daheim einmal nachlesen, dann merken Sie es auch.
Es ist wie ein Gespräch mit mehreren Teilnehmern.
Am Anfang spricht GOTT.
„Tröstet, tröstet mein Volk…“
Und dann eine „Stimme“, wie es heißt, die himmlischen Heerscharen,
dem lieben Gott sein Hofstaat, wie man’s bildhaft sagen könnte:
„In der Wüste bereitet den Weg des Herrn…“
Dann spricht der Prediger,
er gibt auch noch Widerworte:
„Was soll ich predigen? Hört ja doch keiner zu, hat ja doch keinen Zweck:
„Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt…“, sagt er.
Und dann am Schluss soll die Gemeinde selber zu Wort kommen:
„Zion, du Freudenbotin, Jerusalem, erhebe deine Stimme… und fürchte dich nicht!“
Merken Sie, wie das Wort hier hin und her geht?
Bewegung im Text, und – darauf läuft’s hinaus:
am Ende sollen auch wir erreicht werden hier in Langenwinkel.
„Tröstet, tröstet mein Volk!“
Diese Doppelung ist eine Stileigentümlichkeit bei Deuterojesaja,
er sagt alles zweimal, mit besonderem Nachdruck:
„Tröstet, tröstet…“
„Ich, ich bin der Herr…“
„Wach auf, wach auf, Zion…“
Ich lade Sie ein, dass wir diese Botschaft jetzt aufnehmen und sie uns zusingen.
Es gibt nämlich ein Adventslied im Gesangbuch,
da wird genau unser Text nachgedichtet,
sogar mit der für den Propheten eigentümlichen Dopplung!
Im Lied 15 heißt es nämlich auch: Tröstet, tröstet…
und dann: Freundlich, freundlich… und ebnet, ebnet Gott die Bahn… und so weiter.
Vielleicht ist das Lied überhaupt nicht bekannt.
Aber der Herr Groß wird’s uns sicher beibringen, uns die Melodie vielleicht
mal vorspielen, bevor er alle Register zieht und wir die Trostbotschaft
des Jesaja so kräftig singen, dass man’s in ganz Langenwinkel hört.
Amen.
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