Studienteil 1 Zu Christus gehören Zu Christus gehören – Die Taufe in der Theologie Die Schriften des Neuen Testaments lassen erkennen, dass sich die Taufe unter den Christen sehr schnell durchgesetzt hat. Wer sich dem neuen Glauben zuwandte, wurde durch die Taufe in die Gemeinde aufgenommen. Begründet wurde diese Praxis mit dem Auftrag Jesu, den Matthäus am Ende seines Evangeliums formuliert: „Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker. Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe.“ (Matthäus 28,18-20). Die Taufe – ein Sakrament Die Taufe ist in der Evangelischen Kirche ein Sakrament, ein wirksames Zeichen der Gnade Gottes, das dem Menschen Anteil am Sterben und Auferstehen Jesu Christi gibt und das im Glauben empfangen sein will. Die Taufe markiert den Beginn eines christlichen Lebens. Durch die Taufe gehört ein Mensch zu Christus und seiner Kirche. Er wird Mitglied einer christlichen Gemeinde. In der Regel wird die Taufe im Gemeindegottesdienst vollzogen. Sie erfolgt nach dem Bekenntnis des Glaubens durch dreimaliges Übergießen mit Wasser im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Getauft werden Kinder christlicher Eltern, Heranwachsende und Erwachsene. Die Täuflinge werden von Christen begleitet, die das Patenamt für sie übernommen haben. Innerhalb des Neuen Testaments hat der Apostel Paulus die Bedeutung und die Konsequenzen der Taufe besonders profiliert beschrieben: Nach 1. Korinther 12,13 („Denn wir sind durch einen Geist alle zu einem Leib getauft, wir seien Juden oder Griechen, Sklaven oder Freie, und sind alle mit einem Geist getränkt.“) führt die Taufe zu einer neuen Gemeinschaft, in der die einzelnen Christen wie Glieder eines Leibes mit ihren unterschiedlichen Geistesgaben zusammengehören und aufeinander angewiesen sind. Die Taufe in der Bibel Die Wurzeln der christlichen Taufe liegen in der Taufpraxis Johannes des Täufers. Er trat wie ein Prophet am Rand der Wüste am Fluss Jordan auf und rief seine Zeitgenossen zur Umkehr: „Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen!“ (Matthäus 3,2). Mit der Androhung des nahen Gerichts wollte er den Hörern den Ernst ihrer Lage vor Auge führen. Diejenigen, die auf ihn hörten, taufte er im Fluss Jordan. Dieses Zeichen besagte: Die bis dahin begangenen Sünden wurden durch das Wasser, wie bei einem normalen Bad, abgewaschen. Die Taufe durch Johannes war Zusage und Zeichen der Rettung vor dem Gericht Gottes. Sie war in der damaligen religiösen Umwelt ohne Parallele. Die Christen sind nach Römer 6,3f. („Wisst ihr nicht, dass alle, die wir auf Christus Jesus getauft sind, die sind in seinen Tod getauft?“) durch die Taufe mit Jesus Christus verbunden. Sie gehören zu ihm, werden in ihrem Tun, Reden und Denken durch ihn bestimmt und haben durch ihn eine Hoffnung über den Tod hinaus. In Galater 3,28 begründet die Taufe eine weltweite Geschwisterschaft, in der die sozialen Unterschiede ebenso aufgehoben sind wie Unterschiede der Hautfarbe, der Nationalität oder des Geschlechtes. Taufe in der Kirchenund Theologiegeschichte Auch Jesus hat sich von Johannes im Jordan taufen lassen. Diese Taufe durch Johannes ist, das merkt man den Berichten der Evangelien noch an, von den Anhängern Jesu später durchaus als Problem empfunden worden: Empfand sich Jesus denn auch als Sünder? Jesus selbst hat dann seine Jünger nicht getauft. Erst zu Pfingsten haben die ersten Christen die Taufe des Johannes aufgegriffen und jeden neu Aufgenommenen zum Zeichen der Reinigung von allen Sünden im Wasser untergetaucht. Aber sie haben der Taufe einen neuen Sinn gegeben: sie tauften „auf den Namen Jesu“ und brachten damit zum Ausdruck, dass das Heilsgeschehen elementar mit Jesus Christus verbunden war. In der ersten Jahrhunderten markierte die Taufe eine Lebenswende: Sie bedeutete einen Bruch mit dem bisherigen Leben und einen persönlichen Neubeginn. Sie war darum mit einer längeren Vorbereitungszeit (Katechumenat) verbunden. Wer sich taufen lassen wollte, wurde im christlichen Glauben unterrichtet, um dann in den Stand eines „Katechumenen“ aufgenommen zu werden. Dabei wurde an ihm das Zeichen des Kreuzes vollzogen und ihm die Hand auferlegt. Die Taufhandlung selbst fand in der Regel in der Osternacht statt. Sie war verbunden mit einer Absage des Täuflings an den Teufel, mit 5 Studienteil 1 Zu Christus gehören einer nochmaligen Befragung nach dem Glauben, mit der Handauflegung und einer Salbung, der Bekleidung mit dem weißen Taufgewand (es wurde acht Tage lang bis zum „Weißen Sonntag“ getragen), der Übergabe der Taufkerze und der erstmaligen Teilnahme am Abendmahl. War in der alten Kirche zunächst die Erwachsenentaufe üblich, so wurde die Kindertaufe vom 4. Jahrhundert an zur Regel. War die Taufe in der Antike eine Lebenswende, ein Schritt vom Tod zum Leben, der vor der ganzen Gemeinde erfolgte, so wurde seit dem Mittelalter daraus ein familiäres Ereignis, in dessen Mittelpunkt die göttliche Annahme eines neugeborenen Kindes stand. In diesem Zusammenhang wurde auch „die ursprünglich unabdingbar zur Taufe gehörende Taufkatechese seit dem Mittelalter zunehmend von der Taufe abgetrennt und als das Sakrament der Firmung beziehungsweise als kirchliche Handlung der Konfirmation verselbständigt“ (Kirchenamt der EKD (Hg.), Die Taufe, Gütersloh 2008, 22). Martin Luther hat die Taufe zeitlebens theologisch hochgeschätzt: „Darum ist kein größerer Trost auf Erden denn die Tauf, durch welche wir in der Gnaden und Barmherzigkeit Urteil treten, die die Sünd nicht richtet, sondern mit vielen Übungen austreibt.“ Im Kleinen Katechismus gibt Luther kurze elementare Antworten auf die grundlegenden Fragen zur Taufe: Die Taufe „ist das Wasser in Gottes Gebot gefasst und mit Gottes Wort verbunden“, „sie wirkt Vergebung der Sünden, erlöst vom Tode und Teufel und gibt die ewige Seligkeit allen, die es glauben“ und bedeutet, dass der alte Mensch „durch tägliche Reue und Buße soll ersäuft werden“ und ein neuer Mensch täglich herauskommt, der in Gerechtigkeit vor Gott lebt. Ohne Glaube ist die Taufe für Luther „nichts nütze“, wobei der Glaube nicht die Taufe macht, sondern sie empfängt. Obwohl die Taufe selbst ein einmaliges Ereignis ist, eröffnet sie doch einen lebenslangen Prozess, sich auf die Taufzusage Gottes zu besinnen und sich stets darauf zu verlassen. „Denn es muss ohne Unterlass also getan sein, dass man immer ausfege, was des alten Adams ist, und hervorkomme, was zum neuen gehört. … Das heißt recht in die Taufe gekrochen und täglich wieder hervorgekommen.“ In der Reformationszeit war gerade die Taufe Anlass für heftige theologische Kontroversen im prote- stantischen Lager. Der reformierte Protestantismus sah in der Taufe eher ein bestätigendes Zeichen für das, was Gottes Geist an dem zum Glauben gekommenen Menschen getan hat. In der Täuferbewegung, dem radikalen Flügel der Reformation, wurde die Kindertaufe grundsätzlich kritisiert. Bevor ein Mensch getauft werden könne, müsse er doch vorher von Christus gehört und sich zum Glauben an ihn entschieden haben. Luther hat auf diese Kritik geantwortet: Macht man den Glauben so zur Vorbedingung der Taufe, dann wird der Glaube verfälscht, weil ein menschliches Werk daraus gemacht wird. Im 20. Jahrhundert kam es zu einer heftigen theologischen Diskussion über die Kindertaufe. Den Anstoß gab der reformierte Theologe Karl Barth, der eine Säuglingstaufe für bedenklich hielt und den sakramentalen Charakter der Taufe in Frage stellte. Die Taufe ist für ihn ein Akt der Verkündigung. Ihr sinnvoller Vollzug setzt das Verstehen und das Einverständnis des Täuflings voraus. Von daher hält Barth die Taufe unmündiger Kinder zwar nicht für ungültig, aber für eine den Sinn der Taufe verdunkelnde Praxis. Karl Barth hat sich mit seiner Tauflehre nicht durchsetzen können. Die von ihm angestoßene Taufdiskussion führte aber unter anderem zu dem Ergebnis, dass in vielen Landeskirchen die Erwachsenen- oder Mündigentaufe neben der Kindertaufe als legitime Taufform anerkannt wurde. Kindertaufe oder Erwachsenentaufe? Der Streit zwischen Kindertaufe und Erwachsenentaufe ist heute nicht mehr aktuell. Die allermeisten christlichen Kirchen praktizieren sowohl die Säuglingstaufe wie die Mündigentaufe. „Die Säuglingstaufe bringt auf eine unüberbietbare Weise die Bedingungslosigkeit der göttlichen Heilszusage zum Ausdruck. In einer Lebenssituation, in der von einer eigenen Leistung oder zu erfüllenden Bedingung des Täuflings noch nicht die Rede sein kann, wird einem neugeborenen Menschen die heilsame Bestimmung seines Lebens auf sinnenfällige Weise zugesprochen.“ (W. Härle, Dogmatik, Berlin/New York 1995, 555). Doch auch wer sich als Erwachsener taufen lässt, hat die Taufe nur dann verstanden, wenn er sie als ein Geschenk begreift, das nicht von seiner Entscheidung, sondern von Gottes Gnade abhängt. Das getaufte Kleinkind aber braucht eine realistische Chance, von der Bedeutung seiner Taufe zu erfahren und sie zu nutzen. Eine Kirche, die kleine Kinder tauft, steht in der Pflicht, mit Konfir6 Studienteil 1 Zu Christus gehören mandenarbeit und Religionsunterricht alles zu tun, um den getauften Kindern die Relevanz ihrer Taufe zu erschließen. liches Leben nichts andres ist denn eine tägliche Taufe, einmal angefangen und immer darin gegangen.“ (Martin Luther) Theologische Grundaussagen Nach der Bibel ist die Taufe verbunden mit der Gabe des Heiligen Geistes. Der Heilige Geist gibt den Getauften die Kraft, nicht in Egoismus und Gleichgültigkeit zu verfallen, sondern sich auch anderen Menschen zuzuwenden und Lebensmut und Hoffnung auch in schwierigen Situationen zu bewahren. Durch die Taufe bekommt das Leben eines Menschen eine neue Perspektive. Es ist begründet in der Liebe Gottes. Die Taufe ist ein Gottesgeschenk, der Beginn einer wunderbaren Freundschaft. „Die Taufe zeigt den unendlichen Wert, den wir für Gott haben. Wir brauchen uns nicht zu überschätzen und nicht an uns zu verzweifeln. Wir können uns selbst bejahen, weil Gott uns bejaht und zu uns steht.“ (J. Zink/R. Röhricht, Was wir glauben, Gütersloh 1969, 20). In der Taufe nimmt Gott einen Menschen in ein Vertrauensverhältnis hinein, das das irdische, sterbliche und immer wieder gefährdete Leben weit übersteigt. Die Taufe zielt auf Glauben, sie will Glauben wecken und im Glauben gelebt werden - aber sie hat den Glauben nicht zur Voraussetzung. Wenn die Taufe erst durch den Glauben gültig würde, hätte das zur Folge, dass die Taufe selbst ungültig würde, wenn jemand an seinem Glauben irre wird. Die Taufe zielt auf den Glauben, sie bleibt aber auch dann gültig, wenn jemand seinen Glauben verloren hat. Die einmal vollzogene Taufe kann von keinem Menschen wieder rückgängig gemacht werden. Die Taufe ist einmalig. Auch wer aus der Kirche austritt, verliert seine Taufe nicht. Er muss im Falle eines Wiedereintritts auch nicht erneut getauft werden. Ein Mensch wird immer im Namen des dreieinigen Gottes getauft. Damit ist deutlich: Dieser Mensch gehört zu Gott, kein anderer kann ihn besitzen, er ist Gottes Kind. Das wird besonders deutlich in der Taufe kleiner Kinder: Die Taufe hält fest, dass ein Kind frei ist und von seinen Eltern nicht vereinnahmt und verplant werden kann. Eltern haben ihr Kind nicht „gemacht“ und Kinder sind nicht der „Besitz“ ihrer Eltern. Kinder sind ein Geschenk Gottes, sie werden ihren Eltern von Gott anvertraut. Das ist eine große Würde und zugleich ein Vertrauensbeweis: Gott beteiligt uns an dem wunderbaren Geschehen, durch das er das Leben auf dieser Erde erhält und von Generation zu Generation erneuert. Jede Geburt ist Auswirkung des Schöpfungssegens Gottes, jedes Kind bringt einen neuen Lebensanfang in die Welt. Die Taufe ist die Aufnahme in die Kirche Jesu Christi. In allen Kirchen begründet die Taufe die Kirchenmitgliedschaft. Wer getauft wird, ist in die Gemeinschaft der Glaubenden aufgenommen. Mit der Taufe bleibt niemand allein, sondern bekommt viele Geschwister, auch in anderen Ländern und Erdteilen. Durch die Taufe sind alle Christen radikal gleichgestellt (vgl. Galater 3,28): „Denn was aus der Taufe gekrochen ist, das mag sich rühmen, dass es schon zum Priester, Bischof und Papst geweiht sei, obwohl nicht einem jeglichen ziemt, solch Amt zu üben.“ (Martin Luther) Taufe ist Taufe im Namen Jesu Christi. Wer getauft ist, gehört zu Jesus Christus. Im Neuen Testament wird die Taufe als symbolisches Sterben und Auferstehen mit Christus beschrieben. Das bezeichnet einen Herrschaftswechsel: Die Taufe richtet das Leben auf einen neuen „Herrn“ aus, auf Jesus Christus. Sie gibt dem Leben eine neue Richtung, indem Wort und Geist Jesu den Weg des Getauften bestimmen. Die Taufe ist voraussetzungslos, aber nicht folgenlos. Sie ist der Beginn eines Christenlebens, aber ein Beginn, der auf Fortsetzung angelegt ist. Die Taufe will in Anspruch genommen, das Gottesgeschenk will auch ausgepackt werden. „Also dass ein christ- Segenshandlung und Sakrament Wenn Eltern ihr Kind taufen lassen wollen, dann sind sie häufig durch die Geburt und das Erleben des kleinen Kindes religiös „bewegt“. Sie spüren das Wunder, aber auch die Verletzlichkeit und Gefährdung des neuen Lebens. Die Erfahrung zeigt immer wieder: Auch bei bisher eher distanzierten Kirchenmitgliedern stellt sich bei der Geburt des eigenen Kindes die Frage nach Gott, Glauben und Religion in einer ganz neuen Weise. So bringen viele Eltern ihre kleinen Kinder in die Kirche, um mit der Taufe ihre Freude und Dankbarkeit für die Geburt und das neue Leben zum Ausdruck zu bringen, um sie in 7