Solitär im Kontext Liechti Graf Zumsteg: Oberstufenschulhaus Gipf-Oberfrick Das Oberstufenschulhaus in Gipf-Oberfrick schliesst an ein gewachsenes Ensemble von Bauten an. Mit seiner prägnanten, aus einer klaren Materialisierung resultierenden Form wahrt es Eigenständigkeit – und nimmt doch auf verschiedenen Ebenen Bezug auf die bestehende Struktur. 1 Text: Ahmed Sarbutu erfolgte eine neuerliche Ausdehnung: Nach Entwürfen des Gipf-Oberfrick, zusammengewachsen aus zwei einst selbst- Architekten Hans Oeschger entstand jenseits des Hütten- ständigen Dörfern, ist heute eine Gemeinde mit 3000 Einwoh- wegs, der das Schulareal bislang im Westen begrenzte, eine nern im Kanton Aargau, südwestlich von Frick. Seit 1950 hat neue Doppelturnhalle. sich die Bevölkerungszahl verdreifacht; die Einwohner sind Die unter dem Stichwort «Regos» bekannte Neuorganisa- nicht mehr in der Landwirtschaft tätig, sondern pendeln zur tion der Oberstufe, welche gerade in ländlichen Gebieten zur Arbeit nach Basel. Die Entwicklung der Agglomerationsge- Verbesserung der Unterrichtssituation führen soll, löste 2005 meinde lässt sich nicht zuletzt an der Schule ablesen, die einen Wettbewerb für einen zusätzlichen Oberstufentrakt auf einem Plateau am westlichen Ortsrand liegt. Der an der aus. Durchsetzen konnte sich das in Brugg ansässige Büro Hangkante gelegene Ursprungsbau stammt aus den Fünf- Liechti Graf Zumsteg, das mit der Ausführung betraut wurde. zigerjahren, wurde aber über die Jahrzehnte durch zwei Die Architekten schufen ein Gegenüber zur Turnhalle, die weitere Gebäude sowie eine im rechten Winkel dazu ste- somit nicht mehr als Solitär erscheint, sondern stärker in das hende Mehrzweckhalle samt Feuerwehrlokal erweitert. 2003 Gesamtensemble eingebunden ist. Ein leicht trichterförmiger 44 archithese 1.2009 2 Platz, der als Pausenfläche dient, spannt sich zwischen bei- hin verglast ist; Mehrzwecksaal, Mediathek und Lehrerzim- den Gebäuden auf und findet östlich des Hüttenwegs – vor mer sind von hier aus erreichbar. Zwei Treppenläufe führen dem Feuerwehrlokal – seine Fortsetzung. Vereinzelte Pflanz- hinauf zum ersten Obergeschoss mit seinem Mittelkorridor. inseln durchbrechen den Bodenbelag, der aus trapezoiden Auch hier wirkt die Erschliessungszone erstaunlich grosszü- Magerbetonplatten besteht; dazu kommen markante orange- gig, weil sie sich zu den Enden hin knochenförmig weitet und farbene Sitzelemente aus Fiberglas, die bei Dunkelheit von damit Raum für informelle Aufenthaltszonen lässt. Die Grup- 2 Querschnitt durch Oberstufenschulhaus und Turnhalle 1:666 innen her leuchten. penräume, welche sich die Schulleitung nicht mit den Klas- 3 Pausenplatz Auch hinsichtlich der Proportion, Materialität und Farbig- senzimmern kombiniert wünschte, finden sich paarweise in keit suchten Liechti Graf Zumsteg den Bezug zur Sporthalle. eben diesen Eckbereichen, vier Unterrichtsräume schliessen Wenn sie die Form des Gebäudes beschreiben, so kommen sich beidseitig des Korridors an. Die lineare Logik des Gebäu- sie gerne auf eine Strangpresse zu sprechen; und in der Tat des wird hier von einer punktsymmetrischen Anordnung der wirkt der lang gestreckte Trakt mit seiner markanten Gestalt Räume überlagert. wie ein extrudiertes Schnittprofil. Über einem verglasten, Die südlich orientierten Schulzimmer sind einseitig über durch Abgrabung des Terrains lediglich im Süden sichtba- grosse Fenster belichtet; die nach Norden ausgerichteten ren Untergeschoss mit Werk- und Technikräumen erhebt hingegen öffnen sich mit kleineren Fenstern zum Pausenhof sich das zweigeschossige Volumen, das nach Norden, also und zur Sporthalle, besitzen darüber hinaus aber eine Ober- zum Pausenhof hin, mit dem Obergeschoss auskragt und von lichtzone über der Wand zum Korridor. zwei Pultdächern gedeckt wird. 1 Gesamtansicht von Südosten (Fotos: René Rötheli) 3 Durch den Verzicht auf Dachüberstände und die fensterlose Front zum Hüttenweg wird der monolithische Charakter des Volumens ebenso gestärkt wie durch homogenisierende hellgraue Lasur des grossflächig geschalten Betons. Rahmenartige Strukturen, welche die Fenster umgeben, tragen zu einer Differenzierung und feinen Rhythmisierung der Längsfassaden bei. Man betritt das Gebäude unterhalb der Auskragung und gelangt in ein grosszügiges Foyer, das fast die gesamte Länge des Erdgeschosses in Anspruch nimmt und zum Pausenplatz 45 4 Foyer 5 Nach Norden ausgerichtetes Schulzimmer 4 6 Aufenthaltsbereich im Obergeschoss mit Treppenaufgang 5 6 46 archithese 1.2009 Oberstufenschulhaus Gipf-Oberfrick, Grundrisse 1:333 7 Situationsplan 8–10 Grundrisse Untergeschoss, Erdgeschoss sowie Obergeschoss 1:666 Obergeschoss Oberstufenschulhaus Gipf-Oberfrick, Grundrisse 1:333 7 Erdgeschoss Mit warmen Farbtönen, die schon in den Leuchtkörpern auf dem Platz anklingen, schaffen die Architekten eine bei aller Klarheit sinnliche Atmosphäre, die mit der farblichen Zurückhaltung des Äusseren kontrastiert. Ein terrakottafarbener Magnesitboden zieht sich durch alle Räume, und auch Obergeschoss Untergeschoss die Sichtbetonwände und Treppenhäuser sind in einem ver8 gleichbaren Farbton lasiert. Dazu tritt Weisstannenholz im Inneren der Schulräume. Liechti Graf Zumsteg ist ein Projekt gelungen, das ein eigentlich unspektakuläres Ensemble von Schulbauten auf adäquate Weise fortschreibt. Es trumpft nicht auf, stellt die bestehende Bebauung also nicht in den Schatten; es will aber zugleich mehr sein als blosse Erweiterung. So wahrt Oberstufenschulhaus Gipf-Oberfrick, Grundrisse 1:333 Erdgeschoss der Neubau Eigenständigkeit – und fügt sich doch in den 9 Kontext ein. Autor: Ahmed Sarbutu ist Architekturkritiker und lebt abwechselnd in Zürich, Rotterdam, London und Hongkong. Untergeschoss Obergeschoss Erdgeschoss 10 Architektur: Liechti Graf Zumsteg Architekten, Brugg; Projektteam: Ivano Cumetti, Christine Egli, Andreas Graf, Judith Höhener, Peter Keller, Peggy Liechti, Vanessa Mantei, Marco Vanoni, Lukas Zumsteg; Tragwerksplanung: Heyer Kaufmann, Baden; Landschaftsarchitektur: David & von Arx, Solothurn; Visuelle Gestaltung: Anex & Roth, Basel; Auftraggeber: Einwohnergemeinde Gipf-Oberfrick 47