Karsten Becker, MdL - SPD-Landtagsfraktion Niedersachsen

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Rede
des Sprechers für Energiepolitik
Karsten Becker, MdL
zu TOP Nr. 40
Erste Beratung
Solarenergie fördern: Photovoltaik weiterentwickeln
und zusätzliche Potenziale heben
Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen –
Drs. 17/7683
während der Plenarsitzung vom 07.04.2017
im Niedersächsischen Landtag
Es gilt das gesprochene Wort.
Anrede,
die Vereinbarungen der 21. UN-Klimakonferenz im Dezember 2015 in Paris, die
globale Erwärmung auf deutlich unter 2°C, möglichst 1,5°C zu begrenzen und die
Treibhausgasemissionen bis zur Mitte des Jahrhunderts weltweit auf Null zu
reduzieren, setzen nicht weniger als einen kompletten und globalen Umbau der
Energieerzeugungs- und -versorgungsstrukturen voraus.
In Deutschland sollen die erneuerbaren Energien bis 2020 einen Anteil von
mindestens 35 Prozent am Stromverbrauch erreichen; bis 2050 mindestens
80 Prozent.
Niedersachsen ist heute schon weiter. Der Anteil der regenerativen Energieträger
an der gesamten Stromerzeugung in Niedersachsen betrug im Jahr 2015
40,1 Prozent und lag damit deutlich über dem Bundesdurchschnitt von
29 Prozent.
Und nach dem vom Landeskabinett am 16. August 2016 beschlossenen „Leitbild
für die Energie- und Klimaschutzpolitik“ sollen die Treibhausgasemissionen bis
2050 um 80 bis 95 Prozent reduziert und die Energieversorgung bis zu diesem
Zeitpunkt nahezu vollständig auf Erneuerbare Energien umgestellt werden.
Damit hat die Energiewende in Niedersachsen bereits heute eine erfreulich klare
– und im vollen Einklang mit dem Pariser Klimaschutzabkommen stehende –
Zielperspektive.
Anrede,
entscheidend aber ist die Frage der Umsetzung.
Wir können der weiteren Entwicklung nicht zusehen und abwarten, bis Investoren
irgendwo in Niedersachsen Windenergie-, Biogas- oder Photovoltaikanlagen
errichten.
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Darum ist es ausgesprochen hilfreich, dass wir mit dem für den „Runden Tisch
Energiewende“ erarbeiteten Gutachten „Szenarien zur Energieversorgung in
Niedersachsen im Jahr 2050“ einen Fahrplan vorliegen haben, an dem sich der
weitere Umbau unserer Energieerzeugung bis zum Jahr 2050 orientieren kann.
Die in dem Gutachten entwickelten Szenarien beschreiben und begründen die
weitere Entwicklung der regenerativen Energieerzeugung in Niedersachsen in
den kommenden Jahrzehnten. Danach wird sich insbesondere der Energiemix
der Erneuerbaren deutlich verändern. Die gegenwärtig dominierende Stellung der
Windkraft wird sich zugunsten der Solarenergie verschieben. Nach dem
Gutachten soll die Photovoltaik im Jahr 2050 mit 36,1 Prozent den größten
Deckungsbeitrag zum Energieendverbrauch in Niedersachsen liefern.
Im Jahr 2015 lag dieser Anteil mit ca. 3 Milliarden kWh bei vergleichsweise
geringen 9,4 Prozent.
Anrede,
wenn dieser Umbau gelingen soll, müssen die Rahmenbedingungen jetzt
angepasst werden. Der Bau von Photovoltaikanlagen muss auch im Norden
attraktiver werden.
Anrede,
Niedersachsen ist das Bundesland mit den meisten Beschäftigten im Bereich der
Erneuerbaren Energien.
Prozentual gesehen arbeiten in Niedersachsen so viele Menschen in der
Erneuerbaren-Energiebranche, wie in keinem anderen deutschen Flächenland.
Die Erneuerbaren stehen für 55.000 Arbeitsplätze in Niedersachsen – bisher vor
allem in der Wind- und Bioenergie.
Den zurzeit unklaren Wachstumsaussichten der Photovoltaik steht in
Niedersachsen das bundesweit zweitgrößte Potenzial zur solaren
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Energieerzeugung unter allen Bundesländern gegenüber. Der Ausbau der
Solarenergie ist in Niedersachsen bislang jedoch nur unterdurchschnittlich.
Das ist auch deswegen bedauerlich, weil sich Sonnen- und Windenergie sehr gut
ergänzen. Während die Windenergie im Winter ihre Stärke hat, ist die
Sonnenenergie gerade im Sommer intensiv nutzbar.
Eine Kombination von Wind und Sonne minimiert nicht nur den Bedarf an fossiler
Energie, sondern auch an Übertragungs- und Speicherkapazitäten.
Anrede,
einen wesentlichen Schritt für die Beschleunigung des Ausbaus dezentraler
Photovoltaik hat der Bundesrat bereits mit seinem Beschluss vom 10. März 2017
auf den Weg gebracht, mit dem der Bund aufgefordert wird, die im EEG 2017
enthaltene Verordnungsermächtigung für eine Gleichstellung von
Eigenverbrauch- und Mieterstrom bei der EEG-Umlage umzusetzen. PVMieterstrommodellen kann damit wieder eine wirtschaftliche Perspektive gegeben
werden, indem der Direktverbrauch dem Eigenverbrauch wirtschaftlich
gleichgestellt wird.
In diesem Zusammenhang leisten insbesondere „dezentrale Solarstromanlagen
zum Eigenverbrauch“ einen sinnvollen Beitrag für die Energiewende. Der
erzeugte Strom kann großteils lokal genutzt werden, so dass auf aufwändige
Transport- und Speicherlösungen entbehrlich sind.
Allerdings halten sich Hausbesitzer mit Investitionen in Photovoltaik-Anlagen
gegenwärtig zurück. Wohl auch als Folge der hitzigen Debatten um die 2014er
EEG-Novelle werden Investitionen in PV-Anlagen vielfach als unwirtschaftlich und
nicht mehr sinnvoll angesehen.
Anrede,
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diese Einschätzung ist faktisch kaum gerechtfertigt und wohl darin begründet,
dass Aspekte wie die Eigenstromnutzung nicht in die Überlegungen einbezogen
werden. In der Regel lohnen sich die Investitionen in dezentrale
Photovoltaikanlagen, wenn es gelingt, den selbst hergestellten Strom auch
größtenteils selbst zu verbrauchen.
Anrede,
Aufklärung tut not, um investitionshemmende Überzeugungen mit Informationsund Aufklärungsmaßnahmen aufzulösen.
Und da ist es doch gut, dass wir als Instrument die Niedersächsische
Klimaschutz- und Energieagentur zur Verfügung haben, mit der landesweit ein
Beratungsschwerpunkt zu diesem Aspekt auf den Weg gebracht werden kann.
Auch die Landesverwaltung selbst kann im Rahmen internen Handelns einen
Beitrag zum Ausbau dezentraler Photovoltaik leisten, indem vorrangig bei Neuund Umbauten landeseigener Gebäude die Eignung von Dachflächen für die
Errichtung von PV-Anlagen zur Eigenstromversorgung geprüft und im
Eignungsfall realisiert wird.
Anrede,
ein weiteres Hemmnis für den Ausbau der Photovoltaik stellt schlechterdings die
geographische Lage Niedersachsens dar. Die meteorologischen Bedingungen für
die Erzeugung von Strom aus Sonne sind in Niedersachen schlicht ungünstiger
als in Süddeutschland.
Die geographische Lage kriegen wir zwar selbst mit politischen Beschlüssen
dieses Hauses nicht geändert. Aber man kann diese Benachteiligung durch eine
Anpassung der Förderkulisse ausgleichen.
Bei der Windenergienutzung tun wir das ja auch. Dort werden die
standortbedingten Nachteile Mittel- und Süddeutschlands durch das sogenannte
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Referenzertragsmodell ausgeglichen. Eine entsprechende Regelung gibt für
Solarenergie leider nicht. Jedenfalls noch nicht. Denn wenn wir die PV-Nutzung in
Niedersachsen ausbauen wollen, müssen niedersächsische Investoren im
Ausschreibungswettbewerb für Solarstromanlagen die gleichen Chancen auf
Zuschlagserteilung haben, wie Investoren für süddeutsche Standorte.
Anrede,
hier muss der Bund faire Chancen schaffen, damit auch Projekte an Standorten
im Norden, mit gegenüber Süddeutschland etwas geringerer Sonneneinstrahlung,
Erfolgsaussichten in dem mit dem EEG 2017 eingeführten
Ausschreibungswettbewerb haben.
Anrede,
einen weiteren Ansatzpunkt zur Stimulierung des Ausbaus dezentraler PVAnlagen stellen die kleinen und mittleren Unternehmen dar. Bedauerlicherweise
können Photovoltaik-Anlagen mit großen Nennleistungen unter den begrenzten
Bedingungen des EEG-Ausschreibungsmodells kaum wirtschaftlich betrieben
werden. Und die auf den selbst erzeugten Strom zu zahlende EEG-Umlage macht
diese Anlagen für die Eigenstromversorgung von Wirtschafts- und
Industriebetrieben in der Regel unwirtschaftlich.
Es wäre darum sehr wünschenswert, wenn die mit dem EEG-2014 eingeführte
Umlagepflicht für den gesamten Eigenverbrauch insoweit gelockert würde, dass
insbesondere KMU’s eine wirtschaftliche Perspektive für die Eigenstromnutzung
aus selbsterzeugtem PV-Strom erhalten.
Das in diesem Zusammenhang eine europarechts- und beihilfekonforme
Regelung gefunden werden muss, ist klar. Aber die Chancen, einen
nennenswerten Beitrag zum Ausbau der dezentralen PV-Nutzung zu generieren,
sind ebenfalls überzeugend, so dass diese Möglichkeiten noch einmal geprüft
werden sollten.
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