Frühjahrstagung des Politischen Clubs

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Untergang des Abendlandes? - Der Kopftuchstreit
Frühjahrstagung des Politischen Clubs
Der Kopftuchstreit erhitzt weiterhin die Gemüter: Darf eine muslimische Lehrerin die
Kopfbedeckung in der Schule tragen als Ausdruck ihrer Religionszugehörigkeit zum
Islam oder setzt sie damit ein unmissverständliches politisches Signal, das der
Indoktrination und Missionierung dienen könnte?
Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom September des vergangenen
Jahres sind jetzt die Länder aufgefordert, entsprechende Gesetze auszuarbeiten, die
das Tragen eines Kopftuches im Unterricht regeln sollen.
Auf der Frühjahrstagung des Politischen Clubs der Evangelischen Akademie Tutzing
erörterten Politiker, Juristen und Theologen den Grundsatzstreit in seiner
verfassungspolitischen und gesellschaftlichen Bedeutung: Gilt die Religionsfreiheit für alle
Religionen unbeschränkt? Wird Deutschland zum laizistischen Staat? Gelten die universellen
Werte der Verfassung auch für Muslime und Hindus?
Aus den Vorträgen von Bundestagspräsident Wolfgang Thierse, der Rechtsanwältin Seyran
Ates sowie der Migrationsbeauftragten Marieluise Beck und der baden-württembergischen
Kultusministerin Annette Schavan geben wir nachfolgende Auszüge wieder:
Wolfgang Thierse
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Auf der Waagschale - das Verhältnis von religiöser Identität und
demokratischem Rechtsstaat
Seit einem halben Jahr, seit dem Urteil des Verfassungsgerichts vom 24. September 2003 hält eine
Debatte an und will an Schärfe nicht verlieren: der sogenannte Kopftuchstreit. In ihm geht es um
grundlegende Fragen des Verhältnisses zwischen Staat und Kirche, Politik und Religion, um
Religionsfreiheit und staatlichen Erziehungsauftrag, um kulturelle Identität und Integration. Dass
wir in Zeiten immer neuer und näher rückender terroristischer Gefährdungen darüber diskutieren,
befördert Gelassenheit und Differenzierung nicht unbedingt. Aber gerade deshalb müssen wir uns
dazu immer wieder neu durchringen. Denn die Abwehr der terroristischen Gefahr darf nicht selbst
zur Gefährdung unseres demokratischen Rechtsstaates und seiner Verfassung und Grundwerte
führen!
Ich will als katholischer Christ ganz deutlich sagen: Ich bin selbstverständlich für eine
Gleichbehandlung von Religionen, wie es unser Grundgesetz vorsieht. Wir haben keine
Staatsreligion verbunden mit religiöser Toleranz, sondern – worauf der Verfassungsrechtler ErnstWolfgang Böckenförde zu Recht immer wieder hingewiesen hat - der Staat erklärt sich gegenüber
den Religionen und Weltanschauungen für neutral.
Dies ist gerade auch für uns Christen in der Politik von außerordentlicher Bedeutung: Wie anders
als durch die Trennung von Kirche und Staat könnte Religionsfreiheit gewährleistet werden? Die
Religionsfreiheit, auf die sich auch Muslime bei uns mit Recht berufen!
Im Hinblick auf den Kopftuchstreit hat die letztlich entscheidende Frage Böckenförde in seinem
Beitrag in der Süddeutschen Zeitung vom 16. Januar 2004 so formuliert. Ich zitiere: „Die relevante
Frage ist deshalb nur, was sich aus einer politischen Dimension des Kopftuches für dessen
Zulassung oder Verbot ergeben kann.“ Das Urteil des Verfassungsgerichts lässt beides zu: ein
Verbot oder eine Zulassung in einem bestimmten Umfang. Die Abwehr konkreter Gefahren und der
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sollten uns bei unseren Überlegungen leiten.
Da wir uns also laut Verfassungsgericht für wie gegen ein Verbot des muslimischen Kopftuchs für
Lehrerinnen in Schule und Unterricht entscheiden können, da wir dabei nicht eine endgültige
Entscheidung treffen können, ob es sich um ein religiöses Symbol oder gar eine Vorschrift handelt
oder nicht, was im Islam selbst umstritten ist, und da wir eine wie immer begründete
Diskriminierung der Frau nicht akzeptieren dürfen, müssen wir eine Güterabwägung vornehmen
zwischen der individuellen Religionsfreiheit und der weltanschaulichen Neutralität der Schule und
der besonderen Verpflichtung von Beamten gegenüber dem Grundgesetz.
Demnach sind folgende Alternativen denkbar:
1.
Wer die hohe Bedeutung der Glaubensfreiheit betont und die staatliche Neutralität im
Sinne einer Kooperation in den Vordergrund rückt und die Schule nicht als religionsfreien
Raum betrachtet, wird dem Islam Gleiches zubilligen wie dem Christentum und für die
grundsätzliche Zulassung eines Kopftuchs votieren. Konkrete Schwierigkeiten wären im
Einzelfall disziplinarisch zu ahnden. Diese Position ist angesichts der offensichtlichen
Mehrdeutigkeit des Kopftuches problematisch.
2.
Wer das Kopftuch als sowohl politisch-gesellschaftliches Symbol als auch Ausdruck
für eine Interpretation des Islam betrachtet, das für eine Parallel- oder sogar eine
Gegengesellschaft zur westlich-demokratischen deutschen Gesellschaft und gegen den
säkularen Rechtsstaat steht, wird sich auf das Argument stützen, dass das islamische
Kopftuch im Widerspruch zu Artikel 3 Absatz 2 des Grundgesetzes steht. Das Kopftuch
vermittelt in diesem Sinn die islamische Vorstellung von einem niederen Rang der Frau. Ein
Verbot eines solchen Symbols, das mit dem grundgesetzlichen Gebot der
Gleichberechtigung von Frau und Mann nicht in Übereinstimmung zu bringen ist, wäre die
notwendige Konsequenz. Hinzu kommt, dass das gedeihliche Zusammenwirken in der
Schule gefährdet wäre. Die Kinder und Jugendlichen in unserem Land sollen erzogen
werden im Geiste der Menschlichkeit, der Demokratie und der Freiheit, zur Duldsamkeit
und zur Achtung der Überzeugung des anderen – ein Lehrer muss im Unterricht diese
Grundwerte der Verfassung glaubhaft vermitteln können. Der Staat ist zur Erfüllung seines
Erziehungsauftrages auf Lehrer angewiesen, die sich vorbehalts- und widerspruchsfrei zu
unserer Verfassung und ihren Werten bekennen.
Die Religionsfreiheit wäre durch ein solches Verbot meines Erachtens schon deshalb nicht tangiert,
weil es sich um eine bloße Konkretisierung des besonderen Treueverhältnisses von Beamten
gegenüber dem Grundgesetz handelt. Folglich finde ich den Vorschlag aus mehreren Bundesländern
(Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen) überzeugend, einem entsprechend neutral formulierten
Verbot, einen Erlaubnisvorbehalt hinzuzufügen. Die Formulierung für das Verbot lautet:
„... im Dienste keine Kleidung oder Zeichen [zu] tragen..., deren objektiver Erklärungsgehalt zu
den Grundwerten der Verfassung, insbesondere der Menschenwürde sowie den Freiheits- und
Gleichheitsrechten, in Widerspruch steht und die geeignet sind, den Schulfrieden zu
beeinträchtigen...“.
Der Umstand, dass das Kopftuch objektiv eine politische Botschaft vermittelt, nämlich ein
bestimmtes Frauenbild, das mit Art. 3 GG nicht vereinbar ist, begründet das generelle Verbot. Der
Umstand, dass das Kopftuch auch schlichter Ausdruck eines individuellen religiösen Bekenntnisses
und der Zugehörigkeit zum Islam in seiner Vielfältigkeit sein kann, begründet die Möglichkeit der
Ausnahme.
Der Vorschlag kehrt die Beweislast um: Die Bewerberin muss zeigen, dass sie auch mit Kopftuch
grundgesetzkonform unterrichten wird. Mit anderen Worten, von einer Lehrerin oder einer Lehramtsbewerberin, die ihr Kopftuch aus religiösen Motiven nicht ablegen möchte, kann wegen des
mehrdeutigen und auch diskriminierenden Gehalts des Kopftuches verlangt werden, glaubhaft zu
machen, dass sie für unser Grundgesetz, für Gleichberechtigung und Toleranz eintritt. Dabei muss
ein Verfahren gewählt werden, dem objektiv nachvollziehbare Kriterien zugrunde liegen und das
nicht in einer „Gesinnungsprüfung“ mündet. Damit sollte zudem sichergestellt sein, dass keine
Muslima gehindert ist, Beamtin zu werden, wenn sie den beamtenrechtlichen Dienstpflichten
nachkommt und ihre Rechtstreue zweifelsfrei feststeht.
Gegen eine solche Regelung könnte weder der Vorwurf erhoben werden, die Religionsfreiheit
würde gefährdet, noch könnten wir uns umgekehrt den Vorwurf machen, wir würden unsere eigenen
Verfassungsgebote und unsere eigenen Bemühungen um die tatsächliche Gleichstellung der
Geschlechter falsch verstandener religiöser oder kultureller Toleranz opfern.
Mit einer solchen behutsamen Regelung vermeiden wir übrigens auch eine Einmischung in den
innerislamischen Streit, ob es sich um ein strikt religiöses Symbol handelt und ob es als solches für
Musliminnen zwingend ist.
Im Kopftuchstreit haben wir mit der Schwierigkeit zu kämpfen, dass sich hinter dem religiösen
Motiv, ein Kopftuch zu tragen, das politische Motiv verbirgt, die Diskriminierung der Frau zu
verfestigen statt sie aufzuheben. Diese Wahrnehmung ist solange berechtigt, wie der Islam – bei den
erwähnten Ausnahmen – beansprucht, auch alleinige Richtschnur für Politik und Kultur zu sein.
Gelöst werden kann diese Schwierigkeit nur durch Mäßigung der Religion. Das heißt, wir müssen
angesichts des Kopftuchstreits aufpassen, dass wir in unserem Bemühen um religiöse Toleranz nicht
nachlassen, nicht sogar wieder zurückfallen vor Lessing und in religiös motivierte Machtkämpfe.
Von unseren Mitbürgern und Mitbürgerinnen islamischen Glaubens können und müssen wir
dieselbe Mäßigung der Religion erwarten und ebenso, dass sie sich den für alle gleichen
rechtsstaatlichen Regeln beugen.
Seyran Ates
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Religionsfreiheit nicht auf Kosten der Gleichberechtigung von Mann und Frau
Wir haben das Urteil des Bundesverfassungsgerichts und von diesem Urteil müssen wir jetzt
ausgehen. Auch wenn einiges an diesem Urteil zu kritisieren ist. Wir werden also, wie das
Bundesverfassungsgericht es verlangt, bald 16 verschiedene Gesetze haben, um das „Problem“ mit
dem Kopftuch in der Schule zu lösen. Wir werden damit nicht die Probleme gelöst haben, die sich
in Verbindung mit dem Kopftuch eigentlich ergeben. Aber dies war leider nicht relevant für das
Bundesverfassungsgericht.
Wenn wir uns mit dem Kopftuch und seiner Wirkung beschäftigen, müssen wir uns notgedrungen
seiner Symbolik im Islam bewusst werden. Es gibt zwar viele Auslegungsmöglichkeiten, ob ein
Kopftuch nach dem Koran religiöse Pflicht ist oder nicht. Es gibt aber nach der Entscheidung, dass
es eine religiöse Pflicht darstellt, keine Interpretationsmöglichkeit mehr, warum eine Frau ihren
Kopf zu bedecken hat.
Muslimische Frauen, die sich der Interpretation des Koran anschließen und das Kopftuch als
religiöse Pflicht anerkennen, erkennen gleichzeitig an, dass die Frau damit ihre Unterordnung zum
Mann nach außen demonstriert, nicht etwa ihre Unterordnung zu Gott.
Stellen wir also die Frage,
Sind Mann und Frau im Islam gleichberechtigt?
Dazu können wir in einem kleinen Heftchen des „Deutschsprachigen Muslimkreises Karlsruhe“
nachlesen:
„Im Islam geht es darum, unter Berücksichtigung der Verschiedenheit der Geschlechter,
Gerechtigkeit zwischen beiden herzustellen. Daher hat Gott Mann und Frau bestimmte Rechte und
Pflichten zugewiesen, die ihrer jeweiligen Natur gerecht werden“.
Hier wird deutlich, dass es einen klaren Unterschied gibt zwischen Mann und Frau, der auch in der
westlichen, christlichen und jüdischen Welt immer wieder so begründet wurde. Nämlich die
Trennung der Geschlechter aufgrund ihrer Natur.
Ich wage es zu behaupten, dass es keinen einzigen Hoca in Berlin gibt, der den Koran unterrichtet
und anders denkt. Es geht weiter:
„Wenn sie sich jedoch von ihrer Natur entfernen, kommt dies einer Gleichmachung nahe. Vor Gott
sind beide gleich. Aber in ihrer Beziehung zueinander sind die jeweiligen Rechte des einzelnen
unterschiedlich, wie ja auch Mann und Frau von Natur aus unterschiedlich sind. Grundsätzlich
kann man sagen, dass sich die Rechte des einen aus den Pflichten des anderen ergeben und
umgekehrt“.
Damit wird klar und deutlich erklärt, dass Mann und Frau nicht gleichberechtigt sind.
Warum tragen muslimische Frauen ein Kopftuch?
„Das Kopftuch der muslimischen Frau ist Teil ihrer gesamten Kleidung, die bestimmten
Vorschriften unterliegt.
Muslime sollten grundsätzlich Kleidung tragen, die den Körper in der Weise bedeckt, dass die
Figur nicht sichtbar wird, um das Interesse des anderen Geschlechts nicht auf sich zu lenken. Da
die Haare bzw. Frisur der Frau eine sehr wichtige Rolle für ihr Aussehen spielen und auch eine
gewisse Anziehung ausüben können, gilt für Frauen zusätzlich, dass sie ein Kopftuch tragen.
Grundlage für diese Regelung ist die KoransteIle 24:31 sowie ein Ausspruch des Propheten
Muhammad, nach dem von einer Frau nichts außer Gesicht und Händen zu sehen sein soll.
Muslimische Mädchen kleiden sich, wenn die Körperformen sichtbar werden (etwa mit Beginn der
Pubertät), in der oben beschriebenen Art und Weise.“
Mit dem Kopftuch unterstreicht jede muslimische Frau diese Interpretation des Korans. Sie muss
nicht damit sagen, dass sie eine Fundamentalistin ist oder ihre Bereitschaft zum Selbstmordattentat
zeigen. Es genügt, dass sie eine Kopftuch trägt, um damit zu demonstrieren, ich bin etwas anderes
als der Mann. Ich bin eine Frau und Frauen sind Männern untergeordnet. Das demonstriere ich mit
dem Kopftuch.
(Eine gleichgültige und oberflächlich-tolerante deutsche Gesellschaft) zieht es vor, sich mit den
wenigen Frauen, die sich in der Öffentlichkeit als selbstbewusste und emanzipierte Frauen
darstellen, zu solidarisieren, um das Kopftuch in der Schule zuzulassen. Sie suchen nicht den
Kontakt und Dialog mit den Frauen, die nicht an die Öffentlichkeit können.
Für mich ist das der einfache und bequeme Weg. So müssen Sie sich nicht mit der Situation der
Mehrheit der muslimischen Frauen auseinandersetzen. Erlauben Sie das Kopftuch aus einem
falschen Toleranzverständnis heraus und Sie haben Ruhe.
Genau so haben Sie 40 Jahre Integrationspolitik betrieben und dazu beigetragen, dass
Parallelgesellschaften entstanden sind. Seien wir tolerant, lassen wir andere Kulturen auch leben.
Wie gnädig das doch ist. Ihre Toleranz geht sogar so weit, dass Sie Menschenrechtsverletzungen
unkommentiert lassen, um nicht als arrogante Westler mit eurozentrischem Denken hingestellt zu
werden. Mit Nächstenliebe hat das aber nichts zu tun.
Sie haben trotz Aufklärung durch die aufgeklärte zweite Generation und ausreichende Hinweise erst
vor einem Jahr offene Ohren für das Thema „Zwangsheirat“ bekommen. Ich werde zur Zeit mit
Interviewanfragen überhäuft, obwohl ich seit 1983 darauf hingewiesen habe, dass muslimische
Mädchen zwangsverheiratet werden. Von den Bemühungen der Zufluchtseinrichtungen für
Migrantinnen wollen wir gar nicht erst sprechen.
Es ist interessant, dass Sie politische Aktivitäten und Ansichten aus den linken und feministischen
Reihen der Migrantinnen stets ignoriert haben und auch bei dem Thema Kopftuch ignorieren.
Ihre Toleranz ist Ignoranz. Wären Sie so tolerant und multikulti wie viele Deutsche es zur Zeit
besonders gern betonen, dann würde sich das in der gesellschaftlichen Realität widerspiegeln. Aber
nicht einmal in einer Multikultipartei wie Bündnis 90/Die Grünen sehen wir Migratinnen in
wichtigen Positionen und Ämtern.
Das Streben nach Multikulti, Vielfalt der Kulturen und religiöse Vielfalt, geht auf Kosten der
Frauen und Mädchen, weil Sie nach ihrem Verständnis von einer multikulturellen Gesellschaft
menschenverachtende und insbesondere Frauen verachtende Traditionen unterstützen, indem Sie sie
nicht auf ihre Grundrechtfestigkeit überprüfen.
Marieluise Beck
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Islam einbürgern - über den Umgang mit religiöser Vielfalt unter dem deutschen
Verfassungsbogen
Die Tatsache, dass Deutschland ein Einwanderungsland mit inzwischen bald 50jähriger Tradition
ist, hat inzwischen ihren Niederschlag in der Zuwanderungs- und Integrationspolitik gefunden. Hier
sind insbesondere die Reform der Einbürgerungsgesetzgebung sowie die anhaltenden Bemühungen
zur Umsetzung einer Zuwanderungsgesetzgebung zu nennen.
Dagegen haben die religiösen Belange von Migrantinnen und Migranten in der Integrationspolitik
lange, zu lange, keine nennenswerte Rolle gespielt. Das ist nicht besonders überraschend für ein
Land, das sich so lange so schwer damit getan hat, überhaupt anzuerkennen, das es ein
Einwanderungsland ist. Diese Erkenntnis ist aber dennoch für das Verständnis der Debatte um die
Frage, ob muslimische Lehrerinnen mit Kopftuch an öffentlichen Schulen zugelassen werden
sollen, von zentraler Bedeutung.
Zu offenen Konflikten führt der durch die Zuwanderung ausgelöste religiöse Wandel bislang jedoch
immer dort, wo dieser Wandel sichtbar wird. Wo also Angehörige zugewanderter
Religionsgemeinschaften sichtbar einen Teil des öffentlichen Raums für sich reklamieren. Das gilt
für den islamischen Religionsunterricht, den Ruf des Muezzins oder repräsentative Moscheebauten.
Und eben auch für das Kopftuch muslimischer Lehrerinnen.
In diesen Konflikten artikuliert sich immer auch der Wunsch und der Anspruch, in Deutschland
anzukommen, hier heimisch zu werden. Aus integrationspolitischer Sicht ist es zentral, dies zur
Kenntnis zu nehmen, ohne dass damit schon immer eine Antwort für den Umgang mit diesen
Ansprüchen und Wünschen gegeben wäre. Da Integration immer einen wechselseitigen Prozess von
Zuwanderern und Mehrheitsgesellschaft voraussetzt, kann die Antwort sicherlich nicht die schlichte
Übernahme aller Anliegen, die von muslimischer Seite vorgetragen werden, sein. Aber aus dem
gleichen Grund kann die Lösung auch nicht deren pauschale Ablehnung sein.
Die vielfältigen Gründe des Kopftuchtragens nicht mit einer pauschalisierenden Zuschreibung
beantworten
Es lassen sich aus unserer verfassungsrechtlichen Tradition im Umgang mit religiöser Vielfalt, wie
es das Bundesverfassungsgericht selbst in der Kopftuchentscheidung gesagt hat, gute Gründe dafür
anführen, Lehrerinnen mit Kopftuch in der Schule aufzunehmen, weil hierdurch die Einübung
wechselseitiger Toleranz gefördert und so ein Beitrag in dem Bemühen um Integration geleistet
werden kann. Wer dennoch für ein generelles Kopftuchverbot bei Lehrerinnen eintritt, muss daher
gewichtige Gründe auf seiner Seite wissen.
Zunächst sollte aber bei allem Streit, den das Kopftuch quer zu allen politischen Lagern ausgelöst
hat, nicht übersehen werden, dass in einigen zentralen Punkten Einigkeit besteht: Das Kopftuch
kann in der Tat ein politisches Symbol sein. Kein Streit besteht auch über folgenden Punkt: In der
Schule politisch agierende und religiös missionierende Lehrerinnen und Lehrer gehören nicht in die
Schule.
Die umstrittene Frage ist aber, ob das Kopftuch - wie die Befürworter eines Kopftuchverbotes
annehmen - ein hinreichender und unwiderlegbarer Beweis dafür ist, dass eine Lehrerin im
Unterricht politisch agitiert oder religiös missioniert, oder, dies ist die etwas abgemilderte Variante,
ob nicht zumindest der politische Symbolgehalt des Kopftuchs so stark ist, dass es auch ohne das
weitere Zutun der Lehrerin und sogar gegen ihren Willen die Schule zu einem Ort der politischen
und religiösen Agitation machen würde. Nach allem, was wir bislang wissen, ist die Annahme
empirisch nicht zu halten, dass mit dem Kopftuch eine Erziehung zu Demokratie, Toleranz und
Pluralismus nicht möglich ist.
Wir würden es uns zu einfach machen, wenn wir das Kopftuch ausschließlich als politisches
Symbol oder als Symbol der kulturellen Abgrenzung werteten. Ganz abgesehen davon, dass das
Bundesverfassungsgericht eine solche verkürzende Sichtweise für unzulässig befunden hat, wären
wir integrationspolitisch schlecht beraten, wenn wir uns weigern, die Brückenfunktion, die das
Kopftuch auch einnehmen kann, zur Kenntnis zu nehmen. Der Einwand, dass es sich hierbei
lediglich um eine Minderheit der Kopftuchträgerinnen handelt, die unter den Muslimen in
Deutschland ohnehin in der Minderheit sind, kann angesichts des Umstandes, dass es hier um den
Schutz grundrechtlich verbürgter Freiheiten geht, nicht überzeugen. Die sorgfältige Beachtung aller
individuellen Umstände des Einzelfalles in Grundrechtsfragen gehört zu dem Kernbestand unseres
freiheitssichernden Verfassungsverständnisses.
Von einem generellen Kopftuchverbot geht eine Botschaft der Ausgrenzung aus
Wer für ein generelles Kopftuchverbot bei Lehrerinnen an öffentlichen Schulen bzw. im gesamten
öffentlichen Dienst eintritt, muss sich mit den gesellschaftlichen Folgewirkungen eines solchen
Verbotes auseinandersetzen. Schon durch die Debatte, die das Urteil des Bundesverfassungsgerichts
ausgelöst hat, zeichnet sich ab, dass solche Verbote weit über ihren konkreten gesetzlichen
Anwendungsbereich hinaus wirken werden. Kopftuchträgerinnen berichten schon jetzt davon, dass
ihnen, seit diese Debatte geführt wird, immer offenere Ablehnung entgegenschlägt. Die für
Kopftuchträgerinnen ohnehin schon schwierige Suche nach einem Arbeitsplatz oder einer
Ausbildungsstelle auch im nichtpädagogischen Bereich sei noch schwieriger geworden.
Auch wenn die Befürworter eines generellen Kopftuchverbotes in aller Regel betonen, dass es ihnen
nicht um die Ausgrenzung des Islam insgesamt geht, so scheinen doch Zweifel angebracht, ob diese
Differenzierung in der gesellschaftlichen Realität noch überall ankommt. In der Kopftuchdebatte
gibt es Ansätze eines ideologisierten Kulturkampfes, einer konfrontativen Gegenüberstellung von
einerseits christlich-abendländischen Werten und andererseits dem Islam, dessen kulturelle
Fremdheit betont wird. Das gibt jedenfalls Anlass zur Sorge. Denn auch sehr ernst zu nehmende
integrationspolitische Probleme von Musliminnen drohen so in einem ideologischen
Schlagabtausch instrumentalisiert zu werden.
Das gilt insbesondere für die Frage der islamischen Schülerinnen, die von ihren Familien vom
koedukativen Sport- und Schwimmunterricht, vom Sexualkundeunterrricht, von der Teilnahme an
Klassenfahrten abgehalten werden oder eben gegen ihren Willen zum Tragen eines Kopftuches
gezwunden werden. Konzentrierte sich die Kopftuchdebatte insbesondere in der Zeit noch vor der
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auf die Frage, ob eine Kopftuch tragende Lehrerin
einer mehrheitlich nicht-muslimischen Schülerschaft zugemutet werden kann, so hat sich der Fokus
der Debatte in den vergangenen Wochen und Monaten deutlich verschoben: der Blick richtet sich
nunmehr verstärkt auf die Auswirkungen, die eine Zulassung von Lehrerinnen mit Kopftuch auf
muslimische Schülerinnen haben könnte. Misstrauisch macht mich, wenn nun der Eindruck erweckt
wird, gerade ein Kopftuchverbot für Lehrerinnen befreie muslimische Schülerinnen von den
patriarchalen Zwängen, denen sie von ihrer Familie oder Community ausgesetzt sind. Ich fürchte,
das Gegenteil wäre der Fall. Das Signal der Ausgrenzung und Ablehnung, das von einem
Kopftuchverbot ausgeht, könnte gerade diejenigen Milieus bestärken, denen das Kopftuchverbot
nur als ein weiterer Beleg dafür dient, dass Muslime in dieser Gesellschaft ohnehin nicht
willkommen sind und dass die muslimische Community die einzig wahre Gemeinschaft für
Muslime in Deutschland bietet.
Die wirksame Bekämpfung des Islamismus setzt Einbürgerung des Islam voraus
Der politischen Instrumentalisierung des Islam mit seinen demokratiefeindlichen, antisemitischen
und frauenfeindlichen Strömungen muss entschieden entgegen getreten werden, gerade auch im
Interesse von Integration und Toleranz. Sicher berufen sich Islamisten bei der Durchsetzung ihrer
Interessen auch auf die grundgesetzlich garantierten Werte wie Religions- und Meinungsfreiheit.
Dem sollten wir aber keinesfalls mit dem Abbau von Grundrechten begegnen, sondern mit den
Instrumenten der wehrhaften Demokratie: Mit Polizei, Justiz und Verfassungsschutz kann und soll
gegen den harten Kern der Islamisten vorgegangen werden.
Den Unentschlossenen müssen wir die geistige Auseinandersetzung anbieten und die Werte einer
offenen Gesellschaft aktiv verteidigen. Hierbei müssen wir aber aufpassen, dass wir nicht selbst
durch Ausgrenzung von Muslimen den Islamisten in die Hände arbeiten. Ausgrenzung ist der
Nährboden für die Herausbildung von radikalisierten Milieus. Wenn unsere deutsche
Mehrheitsgesellschaft für die religiösen Frauen nicht mehr als ein Verbot bereithält, statt ihnen die
Zugänge zur Gesellschaft zu eröffnen, dann werden sich die Fundamentalisten die Hände reiben.
Was brauchen sie mehr, als die Botschaft, dass den „Fremden“ in der deutschen Gesellschaft die
Türen verschlossen bleiben.
Es ist keine Frage, Integration kann nie eine Einbahnstraße sein. Integration erfordert
Dialogbereitschaft auf allen Ebenen, ein höheres Maß an Transparenz in den organisierten
muslimischen Strukturen und eine klare Absage und Abgrenzung gegenüber allen islamistischen
Tendenzen. Es hieße aber die Geschichte der Integrationspolitik in diesem Land auf den Kopf zu
stellen, wenn jetzt betont wird, dass Integration eine Bringschuld der hier lebenden Migrantinnen
und Migranten ist. Unsere integrationspolitischen Probleme rühren in der überwiegenden Mehrheit
nicht daher, dass wir an die Migrantinnen und Migranten zu geringe Anforderungen gestellt haben.
Integration krankt in diesem Land nach wie vor daran, dass wir den zu uns gekommenen
Migrantinnen und Migranten immer noch zu wenige Türen geöffnet haben. Noch fehlt es an den
Vorbildern, Mittlern und Brückenbauern, von denen das unumkehrbare Signal ausgehen könnte,
dass Deutschland auch für Menschen mit Migrationshintergrund die Chance auf eine
gleichberechtigte Teilhabe bietet.
Bezogen auf die Zuwanderer muslimischer Religionszugehörigkeit könnte das Motto lauten: Den
Islam einbürgern. Denn ähnlich wie bei der Frage des Staatsangehörigkeitsrechts geht es auch hier
um die Frage einer dauerhaften Integration mit dem Ziel eines gleichberechtigten Miteinander.
Annette Schavan
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Das Kopftuch - ein auch politisches Symbol
Namens der Landesregierung lege ich Ihnen den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des
Schulgesetzes vor, das Lehrkräften an öffentlichen Schulen in Baden-Württemberg politische,
religiöse oder weltanschauliche Bekundungen untersagt, die die Neutralitätspflicht des Staates oder
den Schulfrieden stören oder gefährden und grundlegende Verfassungswerte missachten können.
Damit soll die gesetzliche Grundlage dafür geschaffen werden, muslimischen Lehrerinnen zu
verbieten, im Unterricht ein Kopftuch zu tragen.
Die dem Staat gebotene religiös-weltanschauliche Neutralität im Sinne einer offenen, die
Glaubensfreiheit für alle Bekenntnisse gleichermaßen fördernde Haltung bestimmt in Deutschland
das Verhältnis zwischen Staat und Religion. Damit ist konsequentweise dem
Bundesverfassungsgericht und dem Bundespräsidenten zu folgen, dass hier keine Unterschiede
zwischen Religionen im Blick auf die Glaubensfreiheit ihrer Mitglieder gemacht werden dürfen.
Zugleich sind wir davon überzeugt, dass damit nicht schon differenziert genug die Rolle des
Kopftuchs im Islam gewürdigt ist.
Die Mehrdeutigkeit des Kopftuches
Wäre das Kopftuch ein ausschließlich religiöses Symbol, dann gebe es wohl weder in Deutschland
noch in anderen europäischen Ländern über die Frage, ob eine Lehrerin in der Schule ein Kopftuch
tragen darf, eine so heftige Debatte. Es sind unsere muslimischen Mitbürgerinnen und Mitbürger,
die uns darauf hinweisen, dass das Kopftuch auch für eine bestimmte Auslegung des Islam im Sinne
des politischen Islamismus steht; das Kopftuch also mit einer politischen Botschaft verbunden sein
kann und zunehmend im Islam als Zeichen einer kulturellen Abgrenzung gewertet wird. Der Streit
verläuft also nicht primär zwischen Moslems und Nichtmoslems.
Und der Bundespräsident hat in seiner Rede erklärt: „Die Debatte über das Kopftuch wäre also viel
einfacher, wenn es ein eindeutiges Symbol wäre. Das ist es aber nicht.“ Die Mehrdeutigkeit der
Botschaften, die mit dem Kopftuch verbunden sein können, wird schließlich auch vom
Bundesverfassungsgericht eingeräumt. Ich bin davon überzeugt, dass wir dem Islam nicht unrecht
tun, wenn wir sagen, dass das Kopftuch ein auch politisches Symbol ist. Das deuten nicht wir in das
Kopftuch hinein. Das wird uns von muslimischen Experten gesagt, die darüber hinaus darauf
hinweisen, dass wir im Blick auf die Mehrdeutigkeit der Botschaften, die mit dem Kopftuch
verbunden sein können, nicht Toleranz mit Ignoranz verwechseln dürfen. Hier nun setzt der
entscheidende Punkt an: Das Kopftuch als ein auch politisches Symbol ist Teil einer
Unterdrückungsgeschichte der Frau; es kann für eine Auslegung des Islam im Sinne des politischen
Islamismus stehen, die mit dem Grundsatz der Gleichberechtigung von Mann und Frau nicht
vereinbar ist. Damit ist es nicht vereinbar mit einem Verfassungswert, der in unserem Grundgesetz
verankert ist.
Nun ist unbestritten, dass es unterschiedliche Gründe für muslimische Frauen gibt, ein Kopftuch zu
tragen. Es kann Ausdruck des Selbstbewusstseins von Frauen sein, modisches Accessoire, Ausdruck
einer persönlichen bzw. religiösen Grundhaltung. Aber es kann eben auch Ausdruck des politischen
Islamismus sein. Genau an dieser Stelle ziehen wir aus den Informationen, die wir aus der
innerislamischen Debatte über das Kopftuch haben, eine andere Konsequenz als der
Bundespräsident. Er erklärt: „der mögliche Missbrauch einer Sache darf ihren Gebrauch nicht
hindern“. Wir sagen: Schülerinnen und Schüler in der öffentlichen Schule müssen vor dem
möglichen Missbrauch einer Sache geschützt werden. Zur weltanschaulich religiösen Neutralität
des Staates gehört, dass Bekundungen und Darstellungen in der Schule nicht zugelassen werden
dürfen, die mit einer Botschaft verbunden sein können, die unseren Verfassungswerten widerspricht.
Das Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes
Der zentrale Inhalt unseres Gesetzes besagt, dass die Neutralitätspflicht von Lehrkräften im Sinne
des Mäßigungsgebotes verlangt, alles zu vermeiden, was den Eindruck erweckt, dass sie gegen
Menschenrechte, Gleichberechtigung von Mann und Frau, gegen Freiheitsrechte oder gegen die
freiheitlich demokratische Grundordnung auftreten. Wer durch politische, religiöse,
weltanschauliche oder ähnliche äußere Bekundungen daran Zweifel aufkommen lässt, ist nicht
geeignet für den Schuldienst. Aufgrund seiner ambivalenten Rolle als auch politisches Zeichen hat
das Kopftuch einer Lehrerin in der Schule deshalb keinen Platz. Unser Gesetz ist nach unserer
festen Überzeugung kein Schritt in die Laizität. Wir greifen niemanden wegen seiner Religion an.
Wir wollen weder die religionsfreie Existenz noch die religionslose Schule. Wir verlangen aber
Mäßigung im Blick auf eine damit nicht auszuschließende politische Botschaft, die mit den
Grundüberzeugungen der Verfassung nicht vereinbar ist. Gerade in einer religiös pluraler
werdenden Gese1lschaft ist die eindeutige Unterscheidung zwischen Politik und Religion
bedeutsam.
Aus a1ledem ergibt sich auch, dass die bloße Gleichsetzung des Kopftuches mit anderen religiösen
Symbolen seiner Mehrdeutigkeit, der Mehrdeutigkeit damit verbundener möglicher Botschaften,
nicht gerecht wird.
Unser Gesetz schützt zugleich die in der Landesverfassung verankerten christlichen und
abendländischen Bildungs- und Kulturwerte oder Traditionen. Damit beziehen wir uns auf das, was
das Bundesverfassungsgericht 1995 festgestellt hat, wonach auch ein Staat, der sich selbst zu
religiös-weltanschaulicher Neutralität verpflichtet, die kulturell vermittelten und historisch
verwurzelten Wertüberzeugungen und Einstellungen nicht abstreifen kann, auf denen der
gesellschaftliche Zusammenhang beruht und von denen auch die Erfüllung seiner eigenen Aufgaben
abhängt. Das Gericht stellte damals fest, dass der christliche Glaube und die christlichen Kirchen
dabei von überragender Prägekraft gewesen sind und dass die darauf zurückgehenden
Denktraditionen, Sinnerfahrungen und Verhaltensmuster dem Staat nicht gleichgültig sein können.
Das gilt auch für das öffentliche Schulwesen.
Wir reduzieren das Kopftuch nicht auf seine politische Bedeutung. Wir glauben aber, dass es auch
nicht auf ein religiöses Symbol reduziert werden kann. Wir sind uns sehr wohl bewusst, dass
unserem Verbot des Kopftuches für Lehrerinnen in der Schule ein hoch komplizierter
Abwägungsprozess zu Grunde liegt. Der Landesgesetzgeber muss in seiner Verantwortung für die
öffentliche Schule eine gewissenhafte Abwägung unterschiedlicher Rechte und Pflichten der
Lehrkräfte, der Schülerinnen und Schüler und ihrer Eltern vornehmen. Derjenige, der von der auch
politischen Bedeutung des Kopftuches im Islam spricht, leugnet nicht eine andere mögliche
subjektive Haltung einer muslimischen Lehrerin, die sich auf ihre religiöse Grundhaltung bezieht.
Deshalb sind wir uns auch bewusst, dass dies subjektiv als ein Eingriff in die Glaubensfreiheit
gewertet werden kann. Wir befinden uns auf einem schmalen Grat, der nicht alle Spannungen
auflöst und angreifbar ist. Angreifbar sind wir aber ebenso, wenn wir zulassen, dass mögliche
politische Botschaften in unsere Schulen getragen werden, die weder mit dem Grundgesetz noch
mit unserer Landesverfassung vereinbar sind. Damit würden wir eindeutig gegen unsere Pflichten
verstoßen.
Der bessere Weg gegenüber der Laizität ist nach meiner Überzeugung das sehr freiheitliche Modell
im Verhältnis von Religion und Staat, das zur Tradition in Deutschland gehört. Dafür gibt es gute
Gründe. Aber wer in einer religiös pluraler werdenden Gesellschaft diese Tradition wahren will,
muss, wenn der Eindruck zweideutiger Botschaften nicht auszuschließen ist, von Lehrkräften an
einer öffentlichen Schule Diskretion und die Vermeidung von Provokation erwarten. Das ist auch
ein Beitrag zur Integration und zur Toleranz.
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