Predigten im Internet: www.reformierte.de ________________________________________ „Worte und Unworte“ – Predigt am 15. So. nach Trinitatis; 12. September 2010, Pastorin Sabine Dreßler­Kromminga, Bartholomäuskirche Braunschweig „Nehmt an, ein Baum ist gut, so wird auch seine Frucht gut sein; oder nehmt an, ein Baum ist faul, so wird auch seine Frucht faul sein. Denn an der Frucht erkennt man den Baum. Ihr Schlangenbrut, wie könnt ihr Gutes reden, die ihr böse seid? Wes das Herz voll ist, des geht der Mund über. Ein guter Mensch bringt Gutes hervor aus dem guten Schatz seines Herzens; und ein böser Mensch bringt Böses hervor aus seinem bösen Schatz. Ich sage euch aber, dass die Menschen Rechenschaft geben müssen am Tage des Gerichts von jedem nichtsnutzigen Wort, das sie geredet haben. Aus deinen Worten wirst du gerechtfertigt werden, und aus deinen Worten wirst du verdammt werden.“ (Matthäus 12,33‐37) Liebe Gemeinde, harte Worte über unnütze und böse Worte sind das! Jesus liegt im Clinch mit seinen Gegnern – das sind hier die Pharisäer ‐ und wir spüren seinen Worten ab, wie ernst und hart dieser Konflikt ist. Hören wir’s für uns als Adressaten, weit weg von damals, klingt es trotzdem nicht viel milder. Es ist ein bisschen so, als würden wir erschrecken, wie wenn wir bei etwas ertappt werden. Immerhin wird jeder von uns schon mal unnütze Worte von sich gegeben haben. So sagen wir ja auch nicht umsonst, dass einer viel redet, wenn der Tag lang ist. _________________________________________________________________________________ Seite 1 von 8 pdf erstellt: 13.09.10 21:58 © Ev.-ref. Gemeinde Braunschweig Predigten im Internet: www.reformierte.de ________________________________________ Was mich stutzen lässt, ist die Aussage ganz am Schluss: am Jüngsten Tag, an dem Tag, an dem ich vor meinen Schöpfer trete und quasi Bilanz gezogen wird, werde ich mich verantworten müssen, nicht nur – und das ist das Besondere – für meine Taten, sondern schon für meine Worte, mein Reden, also für das, was dem Tun vorausgeht: „Ich sage euch aber, dass die Menschen Rechenschaft geben müssen am Tage des Gerichts von jedem nichtsnutzigen Wort, das sie geredet haben. Aus deinen Worten wirst du gerechtfertigt werden, und aus deinen Worten wirst du verdammt werden.“ Wie viele Worte, die einfach unnötig und zu viel sind, werden tagtäglich gesagt; überflüssige, sinnlose, gleichgültige, dumme Worte? Wir „reden uns den Mund fusselig“ oder, neudeutsch: wir „texten jemanden zu“, ohne den anderen wirklich zu erreichen oder etwas zu verändern. Wir „reden uns um Kopf und Kragen“ – und machen dadurch eine Angelegenheit nur noch schlimmer als ohnehin schon. Wir „führen oder wir machen große Worte“ – weil wir meinen, damit besser anzukommen, uns mehr Gehör zu verschaffen oder interessanter zu sein. Wir hören anderen in Talkshows wie in einer Endlosschleife zu ‐ und fast immer geht _________________________________________________________________________________ Seite 2 von 8 pdf erstellt: 13.09.10 21:58 © Ev.-ref. Gemeinde Braunschweig Predigten im Internet: www.reformierte.de ________________________________________ es dabei viel weniger um Problemlösungen als um Selbstdarstellung und gegenseitiges Niederreden, mithin, der Pflege einer Unkultur. Was, wenn wir uns für all dieses Überflüssige und Nichtsnutzige rechtfertigen müssen, dermaleinst im Angesicht des Schöpfers? Mehr noch: Wie schnell kommt mir etwas über die Lippen, was ich in der nächsten Minute sofort zurücknehmen will – und ja oft auch meine, dass es damit getan ist. Wie fix bin ich zuweilen mit unbedachten Äußerungen zu einer Sache oder auch zu einer Person – und davon überzeugt, dass meine Rede ja keine wirklichen Konsequenzen hat. Erst wenn ich zur Tat schreite, wird’s ernst. Erst das Handeln ist etwas, das ich zu verantworten habe. Aber wie wenig ernst nehme ich dann das, was ich von mir gebe? Wie ernst die Worte, die andere machen? „Man muss ja nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen“ – ein beliebtes Sprichwort. „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern“ – leider eine Haltung, und eine erbärmliche zumal, die gegenwärtig nicht selten zu finden ist und dabei noch meint, irgendwie witzig zu sein. _________________________________________________________________________________ Seite 3 von 8 pdf erstellt: 13.09.10 21:58 © Ev.-ref. Gemeinde Braunschweig Predigten im Internet: www.reformierte.de ________________________________________ Was, wenn uns einmal einer dabei behaftet und daran erinnert, dass wir auch dafür Verantwortung tragen? Aber es kann noch schlimmer kommen: Das ist dann die Kategorie von „Man wird ja wohl noch was sagen dürfen“ über „In einer Demokratie muss das möglich sein“ bis zu „Gut, dass das endlich mal einer sagt“. Und genau da fängt’s an: dass unser Reden oftmals nicht von unserem Tun zu trennen ist, sondern gewissermaßen die Worte Vorbereitung und Voraussetzung für die Taten sein können. Wie nah der Zusammenhang von Reden und Tun ist, das hat vor einigen Jahren Johannes Rau, ehedem Bundespräsident, deutlich gemacht. Damals ging es jedoch nicht um lediglich unnütze, überflüssige Worte, sondern um das, was mit dem Begriff „Unwort“ belegt ist. In einem Interview im Jahr 2000 sagte Rau: "Wer sich über die Untaten aus Fremdenfeindlichkeit empört, der darf die Unworte nicht überhören oder gar selber gebrauchen, die viel zu häufig die Runde machen. Unworte bereiten Untaten den Boden." _________________________________________________________________________________ Seite 4 von 8 pdf erstellt: 13.09.10 21:58 © Ev.-ref. Gemeinde Braunschweig Predigten im Internet: www.reformierte.de ________________________________________ Nun haben wir zur Zeit viel Gelegenheit, in der Öffentlichkeit, von Politikern und hochrangigen Vertretern gesellschaftlicher und öffentlicher Einrichtungen genau solche Worte zu hören bzw. zu lesen. Nicht nur überflüssige Worte, was schon reichen würde. Nicht nur Worte, an denen etwas faul ist, wie die Frucht eines ebensolchen Baumes, sondern solche Worte, die – unter moralisch‐ethischem Gesichtspunkt ‐ in die Kategorie „böse“ fallen, die also, philosophisch betrachtet aus der Schatzkiste des Bösen hervorquellen, und vor christlichem, biblischem Hintergrund bei Mt. als „böser Schatz“ bezeichnet werden. Ich werde diesen Worten, die zur Zeit in Deutschland im Schwange sind, hier keinen Raum geben; als ZeitungsleserInnen und aufmerksame Zeitgenossen wissen Sie, wovon ich rede und wer gemeint ist. Ich will auch nicht, dass wir uns „durchs Dorf treiben lassen“ von Provokateuren und Hetzern – uns also ihre Themen von ihnen aufzwängen lassen: die natürlich genau dieses erzielen wollen: dass jedes Medium und jede Runde sich nun mit ihren Aussagen befasst und dadurch die Popularität ihrer Thesen nur erhöht und diese quasi „gesellschaftsfähig“ gemacht werden. _________________________________________________________________________________ Seite 5 von 8 pdf erstellt: 13.09.10 21:58 © Ev.-ref. Gemeinde Braunschweig Predigten im Internet: www.reformierte.de ________________________________________ Wenn wir hier und heute trotzdem darauf eingehen, dann deshalb, weil es wichtig und notwendig ist, zu schauen, was unsere Grundlage, die Heilige Schrift, zu gesellschaftlichen Themen, Debatten und Entwicklungen wie den aktuellen zu sagen hat; mithin: was Christen als Bürger wissen sollten und was der Bürger als Christ verteidigen muss. Und da wir beides sind und als Christen in dieser Welt leben, tut es gut, daran erinnert zu werden: dass die Menschen Rechenschaft geben müssen von jedem nichtsnutzigen Wort, das sie geredet haben. Und es ist ebenso wichtig, dass wir unsererseits andere daran erinnern, dass es eine Instanz gibt – eben jenen Tag des Gerichts – an dem wir uns nicht mehr herausreden können („war doch nicht so gemeint; ich bin da wohl falsch verstanden worden“), sondern wo wir einstehen müssen schon für das, was wir „nur“ gesagt haben. Die Folgen von schlechten Reden können sogar viel verheerender sein als die von schlechten Taten; die Verleumdung, die Hetze und Verachtung, öffentlich und von prominenter Stelle geäußert, hat eine ungeheure brandstifterische Wirkung – und wer solche Reden führt, rechnet und kalkuliert genau dies ein: _________________________________________________________________________________ Seite 6 von 8 pdf erstellt: 13.09.10 21:58 © Ev.-ref. Gemeinde Braunschweig Predigten im Internet: www.reformierte.de ________________________________________ dass der Brand sich schnell fortsetzt und seinen Weg findet, wie ein Lauffeuer das tut. Vom Schreibtisch aus macht man sich die Finger nicht schmutzig, das übernehmen dann bereitwillig schon andere. Liebe Gemeinde, vor diesem Hintergrund scheint es mir dann ein geradezu tröstlicher Text zu sein, diese harte Aussage Jesu über das Sich‐Verantworten‐müssen und das Gerichtetwerden gemäß der eigenen Worte. Denn wenn es hier, d.h. im politsch‐gesellschaftlichen System, keine gut funktionierende Instanz gibt, die mit genügend Autorität ausgestattet wäre, solchem Reden Einhalt zu gebieten; und wenn hier, in unseren Alltag, Respektlosigkeit und Verachtung gesellschaftsfähig gemacht werden sollen, dann ist es immerhin tröstlich, zu wissen, dass das letzte Wort noch nicht gesprochen ist; vielmehr: dass es Einen gibt, der uns ernst nimmt und uns nach unseren Worten beurteilt und an dem auch die Brandstifter nicht vorbeikommen. Schließlich, aber das wäre der Inhalt einer weiteren Predigt: _________________________________________________________________________________ Seite 7 von 8 pdf erstellt: 13.09.10 21:58 © Ev.-ref. Gemeinde Braunschweig Predigten im Internet: www.reformierte.de ________________________________________ es ist unsere dringende Aufgabe hier und heute, andere Worte laut werden zu lassen, dem Einen Wort Gottes, Jesus Christus, Raum zu geben und das zu tun, was wir eingangs schon im Apostelzitat gehört haben: „Halte dich an das Vorbild der heilsamen Worte, die du von mir gehört hast, im Glauben und in der Liebe in Christus Jesus. Dieses kostbare Gut, das dir anvertraut ist, bewahre durch den Heiligen Geist, der in uns wohnt.“ Amen _________________________________________________________________________________ Seite 8 von 8 pdf erstellt: 13.09.10 21:58 © Ev.-ref. Gemeinde Braunschweig