Schöpfungslehre, Anthropologie, Eschatologie

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Schöpfungslehre, Anthropologie,
Eschatologie
Prof. Dr. Lucia Scherzberg
WS 2009/10
Eschatologie
• τα έσχατα = die letzten Dinge
• die letzten „Dinge“ = Ende der Welt, Tod,
Auferstehung, Gericht, Himmel, Hölle,
Fegefeuer
• kein dinghaftes Verständnis: Thema der
Eschatologie ist die Hoffnung auf Vollendung
• allgemeine Eschatologie: Vollendung der Welt
• Individuelle Eschatologie: Vollendung der
Einzelnen
Zwei Fragen:
1. Wie geht die Geschichte aus?
Zwei Fragen
2. Was geschieht
mit dem Einzelnen
und wie hängt sein
Schicksal mit dem
Schicksal der Welt
zusammen?
Vollendung des
Einzelnen
Vollendung des
Einzelnen
Vollendung der
Welt
1. Wie geht die Geschichte aus?
Lehre von der Apokatastasis
• αποκατάστασις =
Wiederherstellung
• Auferstehung aller
• keine dauerhafte Existenz
des Bösen
• Läuterungsprozess für alle,
selbst die Dämonen
• kosmologische Vorstellung
Origenes
Apokatastasis-Lehre - Hintergründe
• Darstellung des christlichen Glaubens mit Hilfe
hellenistischer Sprache und Begrifflichkeit
• Vorstellung einer präexistenten und einer
zeitlichen Schöpfung
• Die zeitliche Schöpfung ist Ergebnis eines
Sündenfalls der Seelen.
• Möglichkeit des Wiederaufstiegs durch die
Inkarnation des Logos
• Logos als Lehrer und Arzt
Apokatastasis-Lehre = Häresie?
"Die Rezeption und Wirkungsgeschichte der Lehre des Origenes (Origenismus) führten in den
folgenden Jahrhunderten zu heftigen theologischen Auseinandersetzungen. Nach seinem Tod
wurde die Schultradition in Caesarea Palaestinae zunächst von Pamphilos, dann von Eusebios
von Caesarea fortgesetzt und beeinflusste nahezu die gesamte Theologie des griechischen
Ostens vom 3. bis 5. Jahrhundert. Im Gegensatz zur unbehinderten Verbreitung der Exegese
und Spiritualität des Origenes lösten seine Metaphysik und Trinitätslehre, besonders seine
Vorstellung von der Präexistenz der Seelen, der allgemeinen Auferstehung, der Pluralität der
Schöpfungswelten und der Ewigkeit der Materie, die origenistischen Streitigkeiten aus: Als
im 4. Jahrhundert namhafte Theologen wie Hieronymus die Rehabilitierung des ehemals
exkommunizierten Origenes betrieben, erreichte der Metropolit von Zypern Epiphanios
angesichts von Auseinandersetzungen unter den Mönchen Ägyptens die Verurteilung des
Origenes (399). Als im 6. Jahrhundert Mönche Palästinas erneute Anklage wegen derselben
Inhalte erhoben, ließ Kaiser Justinian I. häretische Lehren aus den Werken des Origenes
zusammenstellen und auf einer Synode in Konstantinopel (543) verurteilen. Sie wurden
nachträglich den Akten des 2. Konzils von Konstantinopel (553) hinzugefügt und somit
allgemein verworfen. Die Zusammenstellung der Thesen spiegelt ein Lehrsystem, das weit
über das hinaus geht, was Origenes lehrte. Origenes wurde nicht namentlich genannt,
nichtsdestoweniger wurde die Apokatastasis-Lehre seit dieser Zeit als häretisch angesehen."
(Brockhaus)
Doppelter Ausgang der Geschichte
Augustinus
• ewige Seligkeit und ewige
Verdammnis
• Menschheit als massa
damnata (Sündenlehre)
• Rettung durch die Gnade
Gottes
• Prädestinationslehre
Gerettete
Gerettete
Verdammte
Gerettete
Gerettete
Gerettete
Verdammte
Allversöhnung oder doppelter Ausgang?
Wiederaufleben der
Apokatastasis-Lehre
Festhalten am doppelten
Ausgang der Geschichte
• in der Täuferbewegung
• im Pietismus
• in katholischer und
evangelischer Theologie im
20. Jahrhundert
• Thomas v. Aquin: Ablehnung der ApokatastasisLehre, aber auch des
augustinischen
Heilspessimismus
• Reformatoren (z.B. CA)
• reformierte Kirche:
Prädestinationslehre (heute
Distanzierung)
• katholische Kirche
2. Was geschieht mit den Einzelnen?
Unsterblichkeit der Seele?
Auferstehung des Fleisches?
Was geschieht mit den Einzelnen?
• allmähliche Verbindung der Vorstellung von der
Auferstehung des Fleisches mit der
Unsterblichkeit der Seele
• Auferstehung als Prozess von der Taufe bis zur
Läuterung nach dem Tod (Clemens v. Alexandrien
und Origenes)
• Augustinus: erste und zweite Auferstehung
(persönliche Umkehr bzw. Auferstehung der
Leiber am Jüngsten Tag)
Zwischenzustand der Seelen?
Scholastik
Konzil von Vienne 1311/12
• Vermittlung der Unsterblichkeit der Seele mit der
Auferstehung des Leibes
durch den aristotelischen
Hylemorphismus: anima
forma corporis
• Leib-Seele-Einheit
• Ferner verwerfen Wir mit
Zustimmung des eben
erwähnten heiligen Konzils
jede Lehre bzw. Auffassung als
irrig und der Wahrheit des
katholischen Glaubens
widerstreitend, die leichtfertig
leugnet oder in Zweifel zieht,
dass die Substanz der
vernunft- bzw. verstandesbegabten Seele wahrhaftig
und durch sich die Form des
menschlichen Leibes ist...
• (Denzinger-Hünermann 902)
Problem
individueller
Tod
Auferstehung
am Jüngsten
Tag
• Gibt es eine Zwischen„zeit“ oder einen
Zwischenzustand?
• Wann steht das
Individuum vor dem
Gericht Gottes?
Konstitution Benedictus Deus von Benedikt XII.
1336
• Unterscheidung von
besonderem Gericht
nach dem individuellen
Tod und allgemeinem
Gericht am Ende der
Zeiten
Durch diese auf immer geltende
Konstitution definieren Wir Kraft
apostolischer Autorität: dass
nach allgemeiner Anordnung
Gottes die Seelen aller Heiligen…
sogleich nach ihrem Tod und
besagter Reinigung bei jenen, die
einer solchen Reinigung
bedurften, auch vor der
Wiederannahme ihrer Leiber und
dem allgemeinen Gericht … eben
dieses göttliche Wesen vor dem
allgemeinen Gericht schauen
und des genießen werden; …
Konstitution Benedictus Deus von
Benedikt XII. 1336
•
•
Sofortige
Entscheidung
über Himmel
oder Hölle
Rechenschaft
aller vor dem
allgemeinen
Gericht
•
•
Definieren zudem,
dass nach allgemeiner Anordnung
Gottes, die Seelen der in einer
aktuellen Todsünde
Dahinscheidenden sogleich nach
ihrem Tod zur Hölle hinabsteigen, wo
sie mit den Qualen der Hölle
gepeinigt werden,
und das nichts desto weniger am
Tage des Gerichts alle Menschen
»vor dem Richterstuhl Christi« mit
ihren Leibern erscheinen werden,
um Rechenschaft ihrer eigenen Taten
abzulegen, »damit ein jeder seinen
Lohn empfangen für das, was er im
Leib Gutes oder Böses getan hat« (2
Korinther 5,10).
(Denzinger-Hünermann 1000-1002)
Zweites Konzil von Lyon 1274, Glaubensbekenntnis
des Kaisers Michael Palaiologos
• Die Seelen derer, die nach dem Empfang der Taufe überhaupt
keiner Sündenschuld verfallen sind, sowie jene, die nach einer
zugezogenen Sündenschuld entweder noch in ihrer Leibern
verweilend oder nachdem sie eben dies abgelegt haben, gereinigt
wurden, werden sogleich in den Himmel aufgenommen.
• Die Seelen derer aber, die in einer aktuellen Todsünde oder allein
mit der Ursünde verscheiden, steigen alsbald in die Hölle hinab,
werden jedoch mit ungleichen Strafen bestraft.
• Dieselbe hochheilige Römische Kirche glaubt fest und behauptet
fest, das nichts desto weniger am Tage des Gerichtes alle Menschen
mit ihren Leibern vor dem Richterstuhl Christi erscheinen werden,
um über ihre Taten Rechenschaft abzulegen (vgl. Römer 14,10-11).
• (Denzinger-Hünermann 856-859)
Was fällt auf?
Was fällt auf?
• Keine wirkliche Lösung des Problems:
• Inkonsistenz: Wahrhaftes Glück oder
Verdammnis erfolgen sofort nach dem Tod –
Lohn und Strafe werden am Tag des Gerichts
verteilt.
• Abwertung des allgemeinen Gerichts
• Was ist mit der Reinigung gemeint?
Martin Luther
• relationale Begründung der
Unsterblichkeit der Seele
• Gottesebenbildlichkeit
• Zwischenzustand als
Todesschlaf, keine Reinigung
• „Wo aber und mit wem Gott
redet, es sei im Zorn oder in
der Gnade, derselbe ist gewiss
unsterblich. Die Person
Gottes, die da redet, und das
Wort Gottes zeigen, dass wir
solche Kreaturen sind, mit
denen Gott bis in die Ewigkeit
und unsterblicher Weise
reden will."
Deutscher Idealismus
•
•
•
•
Identifikation von Seele und Subjekt
Auferstehung = Unsterblichkeit des Subjekts
Garantie gegenüber Gott
weitgehender Ausschluss des Leibes
Katholische Kirche
• Festhalten an Existenz der
Hölle und Ewigkeit der
Höllenstrafen
• Anfang des 20. Jhd.s Streit
um die Realität der Hölle
und des Höllenfeuers
• nach dem Mariendogma
von 1950 Diskussion über
die Unsterblichkeit der
Seele
• 1968: Th. und G. Sartory: In
der Hölle brennt kein Feuer
(Buchveröffentlichung)
Moderne Erklärungsversuche
katholisch
• Endentscheidungshypothese: Im
Tod wird der Mensch vor die
endgültige Entscheidung gestellt.
• Auferstehung im Tod: Tod des
ganzen Menschen; Zusammenfall
von besonderem und
allgemeinem Gericht
• den Tod überwindende Form der
Identität: der durch die
Beziehung zu Christus geformte
Mensch ist der mit Leib und
Seele Auferstandene
evangelisch
• Vorstellung vom Ganztod :
Tod des Leibes und der
Seele = Entplatonisierung
Auferstehung als Gegenbegriff zur Unsterblichkeit
der Seele
Auferstehung als
Neuschöpfung
Moderne Erklärungsversuche
Kritik katholisch
• Ist das gelebte Leben nicht
relevant für das Jenseits?
• Gehört der verwesende Leib
nicht zur Auferstehung?
• Abwertung des allgemeinen
Gerichts und der Vollendung der
ganzen Schöpfung
• Notwendigkeit eines „Finales“
der Geschichte; Vollendung steht
noch aus (Theodizee)
• Gerechtigkeit Gottes und
allgemeines Gericht
Kritik evangelisch
• Wie kann die Identität und
Kontinuität des Einzelnen
gewahrt werden?
Der Zwischenzustand
• Ursprung der Lehre vom Fegefeuer
• Origenes: postmortale Läuterung
Westliche Kirche:
Weiterentwicklung
Östliche Kirche:
Ablehnung wegen des
Zusammenhangs mit
der ApokatastasisLehre
Früh- und Hochscholastik
• Frühscholastik: Verbindung mit der Bußtheologie
• Hochscholastik: Unterscheidung von Schuld- und
Strafverhaftung – Befreiung von Schuld durch das
Bußsakrament, aber nicht von den sog. zeitlichen
Sündenstrafen
• zeitliche Sündenstrafen = Folgen der Sünde, die
durch Reue und Absolution nicht verschwunden
sind (zugefügtes Leid)
• Wiedergutmachung durch entsprechende
Bußleistung oder durch einen Reinigungsprozess
nach dem Tod
Das
Reinigungsgeschehen
Der
Reinigungsprozess
wird nicht als Ort
verstanden.
• Zweites Konzil von Lyon 1274,
Glaubensbekenntnis des Kaisers Michael
Palaiologos
• Wenn sie aber in wahrer Buße in der Liebe
verschieden sind, ohne zuvor durch
würdige Früchte der Buße für das
Begangene und Unterlassene Genugtuung
geleistet zu haben, so werden ihre Seelen,
wie uns der Bruder Johannes erklärte, nach
dem Tod durch Reinigungs-bzw.
Läuterungsstrafen gereinigt: und zur
Milderung derartiger Strafen nützen ihnen
die Fürbitten der lebenden Gläubigen,
nämlich Messopfer, Gebete, Almosen und
anderer Werke der Frömmigkeit, die von
den Gläubigen entsprechend den
Anordnungen der Kirche für andere
Gläubige gewöhnlich verrichtet werden.
• (DH 856-859; s. auch 1304-1306)
Ist das Reinigungsgeschehen doch ein
Ort?
Domenico de Michelino, La Divina Commedia di
Dante 1465
Purgatorium als Reinigungsort
• Konzil von Trient 1545-1563, Dekret über den Reinigungsort
(1563)
• Da die katholische Kirche, vom Heiligen Geist belehrt,
aufgrund der heiligen Schriften und der alten Überlieferung
der Väter auf den heiligen Konzilien und zuletzt auf diesem
ökumenischen Konzil gelehrt hat, es gebe einen
Reinigungsort, und den dort fest gehaltenen Seelen werde
durch die Fürbitten der Gläubigen, vor allem aber durch das
wohlgefällige Opfer des Altars geholfen: so gebietet das
heilige Konzil den Bischöfen, sorgsam darum bemüht zu
sein, dass die von den heiligen Vätern und den heiligen
Konzilien überlieferte gesunde Lehre vom Reinigungsort
von den Christgläubigen geglaubt, festgehalten, gelehrt und
überall verkündet werde. (DH 1820)
Betr.: Ablass
• Von den volkstümlichen Predigten vor dem
ungebildeten Volk aber sollen die eher schwierigen und
spitzfindigen Fragen, die zur Erbauung nichts beitragen
und aus denen meist kein Zuwachs an Frömmigkeit
entsteht, ausgeschlossen werden. Desgleichen sollen
sie nicht zulassen, dass Unsicheres bzw. was am Schein
der Falschheit krankt, unters Volk gebracht und
behandelt wird. Das aber, was zu einer gewissen
Neugierde oder zum Aberglauben gehört oder nach
schändlichem Gewinn schmeckt, sollen sie als Ärgernis
und Anstoß für die Gläubigen verbieten....
• (Denzinger-Hünermann 1820)
Fegefeuer – auch
heute noch?
2. Vatikanisches Konzil
ecclesia triumphans
ecclesia in purgatorio
oder ecclesia patiens
ecclesia militans
Solidarität mit den
Verstorbenen
Aufarbeitung alles
dessen, was im Leben
nicht integriert
werden konnte
Wiedergutmachung
Aus der elsässischen Übersetzung der
Legenda aurea 1419
Noch etwas zur
Auflockerung …
Vielen Dank für
Ihre
Aufmerksamkeit!
Das nächste Thema
ist …
Himmel und Hölle
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