40 Cent Milchgeld: Gelobtes Südtirol

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MARKT
40 Cent Milchgeld:
Gelobtes Südtirol
Deutlich über 40 Cent pro Liter Milch
zahlen die Südtiroler Molkereien an
die Bauern aus. Wie ist dies möglich?
top agrar war vor Ort.
I
m vergangenen Jahr hat der Milchhof
Sterzing fast 50 Cent pro Liter Milch
ausgezahlt“, freut sich Milcherzeuger
Paul Sparber aus Gossensass in Südtirol.
Damit lag seine Genossenschaft auf Platz
zwei aller Milchverarbeiter der norditalienischen Provinz.
Im Durchschnitt erzielten die knapp
6 000 Südtiroler Milchbauern im Jahr
2004 einen Milchpreis von knapp
43 Ct/l. Dieser vom Sennereiverband
Südtirol ermittelte Preis gilt für die
durchschnittlichen Inhaltsstoffe aller Betriebe (4,15 % Fett und 3,52 % Eiweiß).
Er enthält alle Qualitätszuschläge und
9 % Mehrwertsteuer. Dieses hohe Preisniveau ist für die Betriebe lebensnotwendig, denn sie produzieren zu sehr hohen
Kosten (kleine Betriebsstruktur, Gebirgsregion).
Vier Gründe verantwortlich
Wie schaffen es die Südtiroler Molkereien so hohe Preise auszuzahlen? Ausschlaggebend dafür sind vier Aspekte:
■ Die geringe Konzentration des Lebensmittelhandels und ein geringerer
Wettbewerb zwischen den Ketten.
■ Die hohe Qualität der Milch und die
Fähigkeit der Verarbeitungs-Unternehmen, daraus gefragte Spezialitäten zu
produzieren.
■ Die landesweit gentechnikfreie Produktion.
■ Die gezielte Förderung der Molkereien durch den Staat.
Schauen wir uns den Punkt Lebensmittelhandel genauer an: Im Vergleich zu
Deutschland und Österreich ist die Konzentration des Handels in Südtirol deutlich geringer. Es gibt hier viele kleinere
Supermärkte verschiedener Ketten. Am
stärksten verbreitet ist die zur Spar gehörende „Despar“. Dieser Name steht in
R10 top agrar 11/2005
Paul Sparber aus
Gossensass:
„Aufgrund der
guten Milchpreise
habe ich mich zu
einem Stallneubau
entschlossen.“
Italien für kleine Nachbarschaftssupermärkte mit einem Warensortiment, das in
erster Linie auf den täglichen bzw. wöchentlichen Einkauf ausgelegt ist.
Hinzu kommt: Während bei uns Discounter wie Pilze aus der Erde sprießen,
muss man sie in Südtirol fast noch suchen.
Momentan liegt ihr Marktanteil noch
deutlich unter 10 %.
Bis zu 20 % höhere Preise
Milchprodukte kosten in den Südtiroler Supermärkten deutlich mehr als bei
uns. Für Südtiroler Frischmilch etwa, die
jedes Unternehmen der Provinz als
Markenmilch verkauft, zahlt der Verbraucher in fast allen Lebensmittelgeschäften
1,09 E pro Liter.
Auch wenn sich die Molkereichefs der
Konkurrenz aus Österreich und Deutschland bewusst sind, soll sich an der Preispolitik nichts ändern. „Wir geben unsere qualitativ hochwertige Frischmilch
nicht so billig her, wie das die Mitbewerber aus den Nachbarländern tun“, erklärt
Dr. Günther Seidner, Geschäftsführer
beim Milchhof Sterzing. Auch Kollege
Willi Tauber vom Milchhof in Brixen hat
hierzu eine klare Meinung: „Südtiroler
Molkereien produzieren keine billigen
Handelsmarken und liefern auch nicht an
Discounter. Die werden aus Österreich
und Deutschland beliefert.“ So bietet
zum Beispiel Despar im Milchregal direkt neben der heimischen Markenmilch
für 1,09 E eine Trinkmilch aus Österreich
für 63 Cent an!
Die „Billigmilch“ aus dem Norden
bleibt nicht ohne Folgen für die Milchbetriebe in Südtirol. Allerdings sind die
Auswirkungen weit geringer als die Preisunterschiede vermuten lassen. „Bei der
Frischmilch verlieren wir durch die Billigkonkurrenz jährlich etwas über 1 % Absatz“, so Brimi-Geschäftsführer Tauber.
Den Grund sieht er darin, dass „die Produkte aus Österreich und Deutschland
bei uns als der ‚billige Jakob‘ verschrien
sind“. Die meisten Verbraucher in Südtirol würden mehr auf die Qualität als auf
den Preis achten.
Diese Aussage deckt sich mit den Ergebnissen einer aktuellen Studie des
Nürnberger Marktforschungsunternehmens GfK zum Einkaufsverhalten der
Verbraucher in Europa. Danach kaufen
in Italien nur knapp 37 % der Verbraucher ihre Lebensmittel nach dem Preis,
die überwiegende Mehrheit dagegen
ist Südtirol die einzige geschlossene Provinz Europas,
deren gesamte Milchwirtschaft
ausnahmslos Milch mit gentechnikfreiem Futter herstellt.
Landwirte dürfen nur Futtermittel nach einer Positivliste
verwenden. Damit versucht
Südtirol, sich vom übrigen
Marktangebot abzuheben. Dieses Konzept verhindert auch,
dass Milch von Erzeugern außerhalb Südtirols von den einheimischen Unternehmen verarbeitet werden kann. Aufgrund der hohen Milchpreise
hatten in der Vergangenheit
immer wieder Landwirte aus
Österreich versucht, an Südtiroler Molkereien zu liefern.
Zuschüsse für
Molkereien
Als vierter Grund für die
hohen Milchpreise sind die Investitionszuschüsse des Landes und die Steuerbefreiung
der Molkereien zu nennen.
„Bei uns setzt die Agrarpolitik seit jeher mehr auf die
Förderung der VerarbeitungsIm Kühlregal der Supermärkte steht teure Südtiroler Markenmilch neben billiger Trinkmilch aus
struktur“, erklärt Dr. Herbert
Österreich.
Fotos: Altmann Dorfmann, Direktor des Südtiroler Bauernbundes. „Dafür
nach Qualität ein. Die absoluten Spar- liegt der Milchhof Sterzing mit 6,5 % ist die Einzelförderung für die Bauern
meister sind die Deutschen. Hier ist für Marktanteil an vierter Stelle. Und das etwas niedriger als zum Beispiel in
62 % der Verbraucher der Preis das wich- ohne die riesigen Werbeetats wie bei den Österreich.“
tigste Kaufkriterium.
Müllers & Co.
Die Zuschüsse für Molkereimaschinen
Auch die „Brimi“ in Brixen hat mit belaufen sich laut Erich Kofler von der
der Spezialisierung auf Frischkäse wie Landesregierung auf bis zu 30 %, bei bauHoher Veredlungsgrad
Mozzarella, Ricotta und Mascarpone auf lichen Investitionen auf bis zu 40 % der
Für Alfons Hainz, Geschäftsführer des das richtige Pferd gesetzt. Taubers Devise Gesamtausgaben. Im Jahr 2004 habe SüdSennereiverbandes in Bozen, ist auch lautet: „Wenn ich einen Markt habe, dann tirol 4,3 Mio. E, in diesem Jahr 7,6 Mio. E
„die hervorragende Qualität der Südtiro- habe ich auch eine Zukunft. Schwierig dafür zur Verfügung gestellt. „Die Fördeler Rohmilch ein wesentlicher Grund für wird es dagegen, wenn ich für einen Mas- rungssummen richten sich immer nach
den hohen Milchpreis“. Für ihn steht au- senmarkt produziere.“
der jeweiligen Haushaltslage“, so Kofler.
ßer Frage, dass die Milch „durch die VielMit ihrer Produktpalette hat die Brifalt an Kräutern und Gräsern auf der mi ein sicheres Standbein im italieni- „Auch künftig gute
Alpensüdseite eine besondere Qualität schen Frischkäse-Segment gefunden. Und
Milchpreise“
hat, die Milch aus anderen Regionen Tauber erwartet ein weiteres kontinuiernicht hat“.
liches Wachstum in den nächsten Jahren.
Die weitere Entwicklung des MilchpreiUnd die Molkereien in Südtirol sind 70 % der 81 Mio. kg verarbeiteten Milch ses sehen die meisten Südtiroler optimisoffensichtlich in der Lage, aus dieser werden in Italien vermarktet, der Rest tisch. So sieht es z. B. für Sterzing-GeMilch gefragte Produkte zu produzieren. geht in 20 europäische Länder und nach schäftsführer Günther Seidner „auch heuDazu Sterzing-Geschäftsführer Seidner: Asien.
er nicht schlecht für den Milchpreis aus“.
„Wir stellen Milchprodukte her, die beim
Soll heißen: Man wird das Niveau von
Verbraucher ankommen und für die man Der Trick mit der gentechnikknapp 50 Cent wohl erneut erreichen.
entsprechende Verkaufserlöse erzielen
Klare Aussagen auch von Brimi-Chef
freien Produktion
kann.“ Der Milchhof Sterzing hat sich auf
Tauber: „Wir kommen mit unseren innodie Herstellung von Becher-Joghurt speDer dritte Grund für die hohen Milch- vativen Ideen gut am Markt an. Zudem arzialisiert. Mit ausgezeichneten Produkten preise in Südtirol ist die gentechnikfreie beiten wir kundenorientiert und kostenhat es das kleine Unternehmen (40 Mio. Produktion.
bewusst.“ Für ihn steht fest: „Der hohe
kg) geschafft, im Konzert der Großen
Die Bauern der norditalienischen Pro- Auszahlungpreis ist absolut notwendig,
dieses Segmentes mitzuspielen. Hinter vinz erzeugen die Milch seit 2001 mit gen- damit die Bauern uns auch weiterhin den
den Marktführern Danone (20 % Markt- technikfreiem Futter. Dies hat die Landes- Rohstoff Milch liefern können.“
anteil), Müller (17 %) und Yomo (8 %) regierung per Gesetz beschlossen. Damit
Torsten Altmann
top agrar 11/2005
R 11
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