Predigtreihe über das Gebet Gehalten von Patrick Siegfried in der EMK Sevelen Das Gebet als Übung Drei Einsiedlern leben auf einer einsamen Insel. Ihr Gebet um Nähe und Liebe ist einfach: „Wir sind drei; Du bist drei; sei barmherzig mit uns. Amen.“ Manchmal geschahen auch Wunder, wenn sie so beteten. Als der Bischof von diesen drei Einsiedlern hört, beschliesst er, zu diesen drei Einsiedler zu gehen. Er will ihnen erklären, was ein richtiges Gebet ist. So macht er sich auf den Weg zur kleinen Insel. Nachdem er die Mönche angeleitet hat, setzt sich der Bischof wieder ins Boot und setzt die Segel. Er ist froh darüber, die Seelen dieser einfachen Männer erleuchtet zu haben. Auf dem Meer sieht er plötzlich einen riesigen Feuerball, der über das Meer geflogen kommt. Als dieser näher herankommt, sieht er, dass es die drei Einsiedler sind, die auf dem Wasser laufen. Als sie an Bord des Schiffes geklettert sind, sagen sie zum Bischof: „Entschuldigen Sie bitte. Aber wir haben einige ihrer Lehren zum Gebet wieder vergessen. Können sie uns das noch einmal erklären?“ Der Bischof schüttelte den Kopf und antwortete leise: „Vergesst alles, was ich euch gelehrt habe, und betet so weiter wie bisher.“ Ich darf nicht erst beten, wenn ich alles weiss. Ich kann nicht erst beten, wenn ich vom Bischof aufgeklärt worden bin. Und trotzdem bleibt die Frage: wie kann ich beten? Wie kann ich das Gebet zu einer Gewohnheit machen, die mir, meinen Umständen, meinem Temperament entspricht? Das Fragen die Jünger Jesus. In Matthäus 6 die Verse 5 bis 14 antwortet Jesus auf diese Fragen: „Wenn ihr betet, macht es nicht wie die Heuchler. Sie stellen sich beim Gebet gern in die Synagogen und an die Strassenecken, damit sie von den Leuten gesehen werden (...) Du aber geh in deine Kammer, wenn du betest und schliess die Tür zu; dann bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist. Dein Vater, der auch das Verborgene sieht, wird es dir vergelten. Wenn ihr betet, sollt ihr nicht plappern wie die Heiden; die meinen, sie werden nur erhört, wenn sie viele Worte machen. Macht es nicht wie sie; denn euer Vater weiss, was ihr braucht, bevor ihr ihn bittet. So sollt ihr beten: Unser Vater im Himmel, dein Name werde geheiligt, dein Reich komme, dein Wille geschehe wie im Himmel, so auf der Erde. Gib uns heute das Brot, das wir brauchen. Und erlass uns unsere Schulden, wie auch wir sie unseren Schuldern erlassen haben. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern rette uns vor dem Bösen.“ Jesus weist die Jünger bei der Frage nach dem richtigen Gebet nicht ab. Er antwortet ihnen direkt. Das heisst, wenn wir nach dem richtigen Gebet fragen, sind wir auf dem richtigen Dampfer. Beim beten geht es um lernen, um einüben, um trainieren. Das hat nichts damit zu tun, dass ich mir ab morgen wieder vornehme, mehr zu beten, wie die guten Vorsätze im neuen Jahr oder sage, eigentlich wäre es schon gut, dass ich wieder mehr bete. Nein. Beten hat damit zu tun, dass ich lerne. Und ich werde nie fertig mit dem lernen – auch wenn ich schon über Wasser laufen kann. Was dieses lernen ausmacht, möchte ich jetzt näher mit euch anschauen. Doch bevor ich das tue, muss ich zwei Warnungen aussprechen. Die erste Warnung gilt denen, die schnell den Eindruck bekommen: jetzt muss ich auch das noch tun. Sie haben den Eindruck, Christsein beinhalte eine Liste von Anforderungen, die es zu erfüllen gilt. Bevor sie jetzt beim Gebet an Pflichterfüllung denken, lehnen sie sich einmal zurück. Christus führt uns in die Freiheit. Das steht im Galaterbrief: „Christus hat uns zur Freiheit berufen. Bleibt daher fest und lasst euch nicht von neuem das Joch der Knechtschaft auflegen“ (Gal. 5,1). Also, die Übungen zum Gebet, sind keine gesetzlichen Vorschriften, die den Hauptinhalt des Glaubens ausmachen. Was dann geschieht, können wir bei den Pharisäern sehen! Meine zweite Warnung gilt denen, die denken, das Gebet käme von alleine. Sie denken: ich brauche keine Strukturen oder Gewohnheiten, damit mein Glaube wächst. Ich spiele nach Gehör. Ich lasse Gott tun, was immer er möchte, und dann sehe ich ja was passiert. Diese Haltung ist Selbstbetrug. Wir können ohne eine gewisse Absicht und ohne Strukturen auf die Dauer im Christsein nicht bestehen: genauso wenig wie wir abnehmen oder Muskeln aufbauen können, wenn wir uns einfach zurücklehnen und abwarten, was passiert. Wenn mir etwas wichtig ist, dann überlege ich mir, wie kann ich das erreichen. Ich entscheide mich vorher, dass bestimmte Übungen mich zum Ziel führen. Keine andere Bibelstelle wie in Matthäus 6 sagt uns so direkt, wie wir beten sollen. Schauen wir uns das genauer an: Wenn ihr betet ... Jesus ging ganz einfach davon aus, dass die Jünger beten. Er sagte nicht, falls ihr einmal auf die Idee kommt, dann betet so oder so. Er sagt, wenn ihr betet. Er ging davon aus, dass die Jünger regelmässig beten. Das ist ein ziemlich hoher Anspruch an die heutigen Jünger Jesu. Die meisten von uns würden sagen, dass uns einfach die Zeit fehlt, jeden Tag zu beten. Aber wollen wir nicht, dass das Gebet zu einem lebenswichtigen Teil unserer Existenz wird? Egal, auf welchem Gebiet wir uns weiter entwickeln wollen – Klavierspiel, Kochen oder körperliche Fitness – wir müssen dazu regelmässig üben. Die Segelteams zum Beispiel, die das wichtigste Rennen der Welt bestreiten wollen, den Americas Cup müssen zwei Jahre dafür trainieren! Und sie wissen haargenau, dass nur einer gewinnen kann! Sechs Tage in der Woche, acht Stunden am Tag werden Kondition, Umgang mit dem Material und Segelmanöver geübt. Menschen, denen etwas wichtig ist, schaffen für diese Sache immer Raum in ihren Plänen. Einsam beten Warum wird das Alleinsein betont? Dafür gibt es zuerst einen praktischen Grund. Wir werden jeden Tag abgelenkt von Tausenden von Bildern, Gedanken und Worten. Eine Werbung zum Beispiel, die nicht innerhalb von einer Sekunde mehrere Bildwechsel hat, wir heute als langweilig empfunden. Wir werden abgelenkt von Aktivitäten, Sorgen und Gefühlen. So schnell geschieht es, dass wieder eine Woche vorbei ist und wir fragen: was ist eigentlich geschehen? Wir lassen uns so schnell ablenken, wenn es darum geht, Gott zu begegnen – fast jede Art von Lärm, Stimmen, Musik, ein Telefon, Kinder, Hunde, Vögel – kann mir die Konzentration rauben. Jesus weiss das und er rät: „Bemühe Dich nicht darum, gegen die Ablenkung zu kämpfen. Du wirst verlieren. Such Dir vielmehr einen ruhigen Ort, an dem Du ohne Unterbrechung beten kannst.“ Das kann jeden Tag ein Waldspaziergang sein, den Du zwischen Arbeit und nach Hause kommen einschiebst. Wenn Du Mutter mit kleinen Kindern bist, kann es das WC sein, in dem Du wenigstens für fünf Minuten Dich zurückziehst. Das kann ein bestimmter Stuhl in Deiner Wohnung sein, wo alle Deiner Familie wissen: jetzt braucht sie Ruhe. Und dieser Ort kann sich verändern. Als Naemi zu uns kam, habe ich gedacht, ich könnte mich in meinem Arbeitszimmer weiterhin zurückziehen. Bis ich nach einigen Wochen merkte: das geht gar nicht. Ich lasse mich so schnell ablenken! Also gehe ich jetzt in die Kapelle, um in der Stille vor Gott zu sein. Wenn sie sich bewusst einen Ort schaffen, wo sie beten, ist das auch so ein Nachhause kommen. Es ist wie das Lieblingsrestaurant für besondere Gelegenheiten oder der Ort, wo man am liebsten Ferien verbringt. Es ist wie das zweite Zuhause, wenn wir uns bewusst einen Ort schaffen und regelmässig dorthin gehen. Ehrlich beten Jesus weist auf die Gefahr hin: wenn ihr öffentlich betet, sei es in Versammlungen oder beim Essen, dann macht es nicht, damit ihr gesehen werdet. Jesus warnt vor der Gefahr, sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen. Es ist die Gefahr nicht von Herzen zu beten, sondern irgendwelche Floskeln zu benutzen. Macht das öffentliche Gebet nicht zum Gradmesser eurer Frömmigkeit! Bei euch und bei anderen. Jesus sagt nicht: Beten in der Gemeinschaft ist grundsätzlich falsch. In der Gebetsgemeinschaft liegt ein grosser Segen, wenn Jesus verspricht: „Da wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, bin ich mitten unter ihnen.“ Bringe Dich also in die Gebetsgemeinschaft ein. Denn die Gebetsgemeinschaft ist ein Dienst, den wir untereinander tun. Vielleicht kannst genau Du mit deinen Worten das aussprechen, das die anderen nicht formulieren können und nötig haben. Die Herausforderung bleibt, darüber nachzudenken, was wir im Gebet sagen. Bitte achtet auf eure Gebete und auf das, was ihr von Gott erwartet. Manchmal sind es Gebete im Sinne von: lieber Gott gib mir Geduld aber schnell. Das ist nicht Gottes Art. Mir zum Beispiel ist aufgefallen, dass ich Gott immer wieder gebeten habe: Gott, bitte sei bei mir, wenn ich jetzt auf Reise gehe, mich für die Predigt vorbereite und so weiter. Das klingt ja ganz heilig. Doch sie ergibt keinen Sinn. Denn Gott ist überall, wo wir auch sind und wo wir auch hingehen. Weshalb bitten wir also Gott für etwas, das er doch schon tut? Jesus macht deutlich: „Ich bin bei euch, alle Tage, bis ans Ende der Welt.“ Oder im Hebräerbrief wird er als der Immanuel bezeichnet. Das heisst Gott ist mit uns. Wir brauchen Gott nicht zu bitten, bei uns zu sein, wenn wir zu seiner Familie gehören. Wir müssen ihm vielmehr danken, dass er überall mit uns hingeht und ihn darum bitten, dass wir uns seiner Gegenwart bewusst werden. Gott zu bitten, bei uns zu sein, wenn er schon lange da ist, ist auch eine Art des Plapperns. Konkret beten Gebet ist ein Gespräch mit unserem Vater im Himmel – ein vertikales, nicht ein horizontales. Ein kleiner Junge brüllte einmal aus Leibeskräften: „Lieber Gott, bitte mach, dass ich eine grosse Schachtel Praline zum Geburtstag bekomme!“ Seine Mutter wies ihn zurecht: „Deshalb brauchst Du nicht so zu schreien!“ Gott ist doch nicht taub!“ Der kleine Junge antwortete: „Nein, aber Opa und der sitzt im anderen Zimmer.“ Wenn wir beten, wenden wir uns nicht an andere Menschen und führen kein Selbstgespräch: wir wenden uns an Gott, der schon weiss, was wir brauchen, noch ehe wir ihn darum bitten. Gott will nicht, dass wir imponierende Phrasen ansammeln. Er möchte, dass wir einfach mit ihm reden so wie mit einem Freund oder einem Vater. In Psalm 62,9 heisst es: Schüttet euer Herz vor ihm aus. Reden sie mit ihm. Sagen sie: „Herr, so geht es mir heute. Darüber habe ich nachgedacht. Das macht mir Sorgen. Das bedrückt mich. Darüber bin ich froh.“ Sprechen Sie ehrlich mit ihrem Vater. Um seinen Jüngern zu zeigen, was es heisst zu beten, gab er ihnen das Unser Vater als Vorlage. Das Unser Vater enthält das Entscheidende: Es beinhaltet die Anerkennung und der Lobpreiss, dass Gott nichts unmöglich ist (Unser Vater im Himmel). Es enthält die Einordnung, dass Gottes Wille der entscheidende ist (Dein Wille geschehe) Natürlich haben auch Bitten ihren Platz (unser tägliches Brot gib uns heute) und Sündenbekenntnis (vergib uns unsere Schuld ...) Das Unser Vater ist eine ausgezeichnete Vorlage zum Gebet. Es ist keine Zauberformel, kein hohles Geschwätz. Es beinhaltet unser ganzes Leben. Und mir wurde es schon zu grosser Hilfe, wenn ich nichts mehr beten konnte, wenn ich kein Wort mehr sagen konnte. Zum Gebet gehört Übung. Aber nicht die Übung ist das Entscheidende, sondern die Offenheit, sich beschenken zu lassen. Denkt an den Unterschied, ob man ein Segelboot oder ein Motorboot fährt. Jeder von uns kann ein Motorboot fahren, auch ohne Führerschein. Wir können den Tank füllen und den Motor starten. Wir haben alles unter Kontrolle. Aber bei einem Segelboot ist das etwas anders. Wir können die Segel hissen und das Ruder halten, aber wir sind völlig vom Wind abhängig. Der Wind macht die eigentliche Arbeit. Wenn kein Wind bläst, bleibt das Boot ruhig im Wasser liegen. Genauso ist das Gebet. Es geht nicht darum dass wir uns anstrengen, so dass wir das Gefühl haben, permanent unter Strom stehen zu müssen. Sondern es geht darum, durch die Übungen das Wirken des Heiligen Geistes zuzulassen. (Der Wind weht, wo es ihm gefällt. Du hörst ihn rauschen, aber weißt nicht, woher er kommt und wohin er geht. So ist es auch bei denen, die vom Geist geboren werden. Joh. 3,8) Amen Verwendete Literatur für die ganze Predigtreihe: Magnus Malm: Gott braucht keine Helden Richard Forster: Gottes Herz steht allen offen M. Martinez, Abba, lieber Vater Bill Hybels, Aufbruch zur Stille Theo Sorg, Wenn ihr aber betet Nicky Gymbel, Fragen an das Leben Autor unbekannt, Der kniende Christ 25.04.2007/ patrick siegfried www.emksevelen.ch