Stadt Solingen Drucksachen-Nr. BESCHLUSSVORLAGE 832 - öffentlich - 02.09.2010 Gremium Bezirksvertretung Burg/Höhscheid TOP Datum dafür 16.09.2010 dagegen enthalten Denkmalliste der Stadt Solingen hier: Schützenstraße 39-43 (ehem. Brauerei Beckmann) 1. Beschlussempfehlung: 1) Bezirksvertretung Burg/Höhscheid Die Bezirksvertretung Burg/Höhscheid stimmt der Eintragung des Brauereiturmes, des Flaschenraumes sowie des Schlossereigebäudes der ehem. Brauerei Beckmann in die Denkmalliste der Stadt Solingen zu. 2. Grund der Vorlage: Im Zuge allgemeiner städtebaulicher Überlegungen zur zukünftigen Verwertung des ehem. Brauerei-Standortes war u.a. thematisiert worden, ob Teile des dort vorhandenen umfangreichen Gebäudebe-standes erhaltungswürdig sind. Im Fokus stand hierbei zunächst der unmittelbar an der Schützenstraße plazierte Brauereiturm mit seiner markanten Architektur. In einem im April 2004 vorgelegten Gutachten kommt das Rheinisches Amt für Denkmalpflege (nach Um-benennung: LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland) zu dem Ergebnis, dass es sich bei dem Objekt um ein Denkmal gemäß § 2 Denkmalschutzgesetz NRW - DSchG NRW - handelt. Dem entsprechend wurde vom Denkmalfachamt mit Schreiben vom 07.04.2004 die Eintragung des Brauereiturmes in die Denkmalliste der Stadt Solingen beantragt. Auf Wunsch der Eigentümergemeinschaft wurden in der Folgezeit weitere Betriebsgebäude auf eine evtl. vorhandene Denkmaleigenschaft hin untersucht mit dem Ergebnis, dass das unmittelbar an den Brauereiturm anschließende, leicht zurückspringende Gebäude des Flaschenraumes sowie der daran anschließende Backsteinbau der Schlosserei ebenfalls als denkmalwert einzustufen sind. Das Eintragungsersuchen aus dem Jahre 2004 wurde darauf hin um die v.g. Nebenanlagen erweitert und der Denkmalwert dieser Anlagenteile in einem gesonderten Gutachten vom 22.04.2009 begründet. Seitens der Unteren Denkmalbehörde wird die Eintragung in die Denkmalliste in dem vom Denkmalfachamt beantragen Umfang befürwortet. Mit dem vorgeschlagenen Schutzumfang wird auch den Interessen der Eigentümergemeinschaft Rechnung getragen, die mit Schreiben vom 19.08.2010 die Eintragung der im Beschlussentwurf aufgeführten Gebäude in die Denkmalliste beantragt hat. -23. Sachverhalt 3.1 Denkmalbegriff Nach den vorerwähnten Gutachten des LVR-Amtes erfüllt der Brauereiturm mit den techn. Nebenbauten die Kriterien für ein Denkmal gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 DSchG NRW. Denkmäler i. S. dieser Vorschrift sind Sachen, Mehrheiten von Sachen und Teile von Sachen, an deren Erhaltung und Nutzung ein öffentliches Interesse besteht. Nach Satz 2 dieser Vorschrift besteht ein öffentliches Interesse, wenn die Sachen bedeutend für die Geschichte des Menschen, für Städte und Siedlungen oder für die Entwicklung der Arbeits- und Produktionsverhältnisse sind und für die Erhaltung und Nutzung künstlerische, wissenschaftliche, volkskundliche oder städtebauliche Gründe vorliegen. Baudenkmäler sind nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Denkmäler, die aus baulichen Anlagen oder Teilen baulicher Anlagen bestehen, wenn sie die Voraussetzungen des Abs. 1 erfüllen. 3.2 Beschreibung der Unterschutzstellungsobjekte Brauereiturm Die Brauerei Carl Beckmann, deren straßenseitige (Schützenstraße) repräsentative Bebauung im 2. Weltkrieg völlig zerstört wurde, ist in ihren Hauptbestandteilen in der Zeit von 1894 bis zur Wende zum 20. Jahrhundert entstanden. Dies gilt auch für das 13 m hohe turmartige Bauwerk an der nördlichen Grundstücksgrenze. Das dreiseitig freistehende, dreigeschossige, drei zu sechs Achsen messende Backsteingebäude wies ursprünglich ein flach geneigtes Pyramidendach, das durch 4 Ecktürmchen gefasst war, auf. Der Bau ist reich gegliedert. Lisenen und Gesimse rahmen Rundbogenfenster mit Überfangböden. Das Erdgeschoss zeigte ursprünglich allseitig Stichbogenfensteröffnungen, die auf der Hofinnenseite beseitigt wurden. Den oberen Abschluss der Wandfelder zur Traufe hin bildet ein reiches Mehrfachgesims aus Stufen-, Rundbogen- und Zahnschnittfriesen. Die Fenster zur Schützenstraße und zum ehemaligen Brauerei-Innenhof hin zeigten noch die ursprüngliche Gusssprossenteilung (leider wurden sie zwischenzeitlich ausgebaut), während die Öffnungen auf der Nordseite (Richtung Rathausstraße) wohl schon in der Erbauungszeit geschlossen ausgebildet waren und noch sind. Das Turmgebäude beinhaltete im Erdgeschoss ursprünglich die Flaschenhalle (Abfüllraum) und war architektonischer Abschluss einer sich südwestlich anschließenden, ehemals eingeschossigen Bebauung, die in den 1920/30er Jahren aufgestockt bzw. baulich geschlossen wurde. Direkt anschließend befand sich eine offene Lagerhalle für Flaschen, darauf folgte die Schlosserei, dann Garage, Abortanlage und Pferdestall. Die Umbau- und Aufstockungsmaßnahmen wurden vom dem Solinger Bauunternehmer und Architekten Wilhelm Maus durchgeführt. Maus erhöhte das dreigeschossige Gebäude im Jahr 1927, indem er das massive Pyramidendach durch ein steiles, ca. 3,90 m hohes Mansarddach ersetzte, was zwangsläufig die Beseitigung der 4 Ecktürmchen zur Folge hatte. Grund hierfür war der Einbau eines neuen, vermutlich größeren Reserve-Wassertanks, dessen Vorgänger - als quasi verstecktes 4. Geschoss - sich hinter dem hohen, reich verzierten Drempel befunden hatte. Vom jetzigen Zustand, einer Nachkriegsbaumaßnahme, unterscheidet sich die damals beantragte Dachkonstruktion dadurch, dass sie nicht den staffelgeschossähnlichen ca. 1 m hohen Unterbau aufweist. Auch war das damalige Dach ein echtes, geknicktes Mansarddach, mit steilerem unteren und flachem oberen Teil. Heute bildet eine Art Flachdach den oberen Abschluss. Unter dem Reservewasserbehälter soll sich der sog. Schalander, der Veranstaltungs- und Personalraum der Brauereimitarbeiter, darunter - also im 1. Obergeschoss - die Waschkaue, mit mittig angeordnetem, kreisrundem Waschbrunnen und den Spinden im Randbereich, befunden haben. -3Im Gebäudeinneren ist noch die ursprüngliche Raumstruktur erhalten. Die Stahltreppe wurde wie die o.a. Fenster beseitigt. Der Turmbau ist das einzige Gebäude auf dem Areal der ehem. Brauerei Beckmann, die ihren Betrieb an der Schützenstraße in den 1960er Jahren eingestellt hat, das die Kriegzerstörungen und die Neubau- und Umbauwelle der Nachkriegszeit relativ unbeschadet überstanden hat. Nebenbauten (Flaschenraum u. Schlosserei) Unmittelbar anschließend an das Brauerei-Hauptgebäude liegt, leicht zurückspringend, nach Südwesten an der nordwestlichen Grundstücksgrenze das zweigeschossige Gebäude des Flaschenraumes. Der wohl ursprünglich mit einer Wellblech-Tonne gedeckte Trakt erscheint bereits in einem Bestandsplan von 1919, ein Entwässerungsplan aus dem Jahr 1913 zeigt die nachgetragene Baudatumsangabe 1897/98. Die Erscheinungsform hat sich seither geändert zu einem flachdachgedeckten, zweigeschossigen Backsteinbau. Die Hoffront zeigt im Untergeschoss eine Unterfangung mit Doppel-T-Trägern auf Stahlstütze, das Obergeschoss ist durch paarweise gekoppelte Stichbogenfenster belichtet. Die Fensteröffnungen haben die ursprüngliche Gusseisen-Sprossung nahezu vollständig erhalten. Die nordwestliche Fassade zum Nachbargrundstück ist undurchfenstert und zeigt Lisenengliederung. Von der ursprünglichen Innenausstattung hat sich nichts erhalten. Wiederum südwestlich anschließend folgt an der Grundstücksgrenze der zweigeschossige Backsteinbau der Schlosserei mit sieben Achsen Länge. Der Bau erscheint in der Firmenansicht der 1920er Jahre als eingeschossiger Trakt mit Sheddachstaffeln. Seither ist der Bau zweistöckig ausgebildet und weist ein Flachdach auf. Im Gegensatz zur ehemaligen Flaschenhalle zeigt die hofseitige Fassade eine einfache Lisenengliederung mit einfacher Kapitellbildung. Zwei gekoppelte Stichbogenfenster belichten das jeweilige Fassadenfeld des 1. Obergeschosses, ein Fenster belichtet jeweils das Erdgeschoss. Zur Traufe werden die Mauerwerksflächen durch ein einfaches Stufengesims begrenzt. Der Eingang befindet sich in der mittleren der sieben Achsen. Wie beim Flaschenraum ist die nordwestliche Fassade zum Nachbargrundstück undurchfenstert und weist eine einfache Lisenengliederung auf. Die jetzige Gestalt erhielt der Bau im Jahr 1928, dem Jahr der Veränderung des Dachgeschosses des Hauptgebäudes. Es wurden die beiden Shedstaffeln des Daches abgetragen und ein zweites Stockwerk hinzugefügt. Genietete Stahlstützen unter Doppel-T-Trägern trugen die neue Geschossdecke mit Betonkappen. Das Erdgeschoss diente als Flaschenlager, die Schlosserei wurde im Obergeschoss angeordnet. 3.3 Denkmalwert Bei dem regelmäßigen, dreiseitig freistehenden Bau der ehem. Brauerei Beckmann handelt es sich um ein Denkmal i. S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 DSchG NRW. An seiner Erhaltung und Nutzung besteht ein öffentliches Interesse, da der Bau bedeutend ist für die Städte und Siedlungen sowie die Entwicklung der Arbeits- und Produktionsverhältnisse und künstlerische und städtebauliche Gründe vorliegen. Der Bau ist charakteristisch für die Hochzeit des historisierenden Stils im Industriebau, von dem es in Solingen nur äußerst seltene Beispiele gibt. Nach brauereitypischer Manier ist der Turmbau reich geziert und auf Wirkung in das städtische Umfeld hin ausgelegt, was insbesondere aus der sehr reichen Gestaltung des weithin wahrnehmbaren Hauptgesimses hervorgeht. Diese Wirkung wird noch verstärkt durch die funktionsbedingt hoch ausgeführte Gestalt des Kopfbaus, der bewusst dem Straßenraum zugewandt wurde. Der leicht geänderte Dachaufbau stört trotz geringfügiger Aufhöhung nicht den positiven Eindruck der Gesamtkubatur. Ebenso wie der Hauptbau der ehem. Brauerei Beckmann handelt es sich auch bei den oben beschriebenen Nebenanlagen um ein Denkmal i. S. des § 2 Abs. 1 DSchG NRW. Das öffentliche -4Interesse an der Erhaltung und Nutzung gründet sich auf deren Bedeutung für Städte und Siedlungen sowie für die Entwicklung der Arbeits- und Produktionsverhältnisse. Zusammen mit dem Hauptbau, der einen für Brauerein typischen charakteristischen Gebäudetypus darstellt, belegen die technischen Nebenbauten wie Flaschenraum und Schlosserei das Gesamtgefüge einer komplexen Anlage der Nahrungsmittelversorgung in der Zeit der vorletzten Jahrhundertwende, zu der ursprünglich noch weitere Anlagenteile wie Fuhrpark, Lagergebäude, Gärkeller, Küferei etc. gehörten. Angesichts der stets weniger werdenden Braustätten in Stadt und Land ist die Anlage an der Schützenstraße zumindest in Teilen repräsentativ für die einst existierende Vielzahl von Brauereibetrieben und für die traditionsmäßig hohe baukünstlerische Qualität der Anlagen dieser Branche. 3.4 Zuständigkeiten, Verfahren Gemäß § 37 Abs. 1 Buchst. b Gemeindeordnung NRW entscheiden die Bezirkvertretungen in Angelegenheiten des Denkmalschutzes, der Pflege des Ortsbildes sowie der Grünpflege, deren Bedeutung nicht wesentlich über den Stadtbezirk hinausgeht, soweit nicht der Rat nach § 41 Abs. 1 GO NRW ausschließlich zuständig ist. Der Rat kann nähere Einzelheiten in der Hauptsatzung regeln und dabei die Aufgaben im Einzelnen abgrenzen. Für die Stadt Solingen wurde in Ergänzung und Auslegung der Vorschriften der GO NRW eine Regelung dahingehend getroffen, dass die Bezirksvertretungen gemäß § 8 Abs. 2 Buchst. o der Hauptsatzung i. d. F. der II. Änderungssatzung vom 26.11.2009 über die Fortschreibung der Denkmalliste entscheiden. Gemeint ist hier die Eintragung oder Löschung von Denkmälern von bezirklicher Bedeutung. Ferner wird darauf hingewiesen, dass durch die Antragstellung nach § 3 (2) Satz 2 DSchG NRW (siehe Ziffer 2., letzter Absatz) den Eigentümern eine verfahrensrechtliche Rechtsposition eingeräumt wird. Diese gewährt einen Anspruch auf Einleitung und Durchführung des förmlichen Eintragungsverfahrens unter Mitwirkung des Denkmalfachamtes und umfasst auch eine abschließende Sachentscheidung. Ein Rechtsanspruch auf Unterschutzstellung läßt sich hieraus jedoch nicht ableiten. 4. Kostenauswirkungen für die Stadt Solingen: Die Eintragung eines Denkmals in die Denkmalliste ist vom Eigentümer im Rahmen der Sozialbindung des Eigentums entschädigungslos hinzunehmen. 5. Kostenauswirkungen für Dritte: Gemäß § 29 DSchG NRW werden für Amtshandlungen nach diesem Gesetz keine Gebühren erhoben. Zu den gebührenfreien Amtshandlungen zählen u.a. die Eintragung von Objekten in die Denkmalliste und die Erteilung von denkmalrechtlichen Erlaubnissen. Einzige Ausnahme von der Gebührenfreiheit bilden die Bescheinigungen für die Erlangung von Steuervergünstigungen gemäß § 40 DSchG NRW, sofern der bescheinigungsfähige Aufwand mehr als 5.000 beträgt. 6. Anlagen 6.1 Lageplan, Fotos 6.2 Anträge und Gutachten des LVR-Amtes vom 07.04.2004 u. 22.04.2009 6.3 Antrag der Eigentümergemeinschaft vom 19.08.2010 Ressort 5: Erster Beigeordneter Hoferichter Vorlage: Städtebauliche Planung und Denkmalpflege