2 Allgemeine Mineralogie 2.1 Einführung Die Mineralogie ist eine sehr alte Wissenschaft, denn seit Menschen versuchen, aus Steinen Werkzeuge, Farben oder Metalle zu gewinnen, beschäftigen sie sich mit Mineralien. Dennoch tritt die Mineralogie im Leben eines heutigen Durchschnittsbürgers kaum in Erscheinung – wer hat schon näher mit Mineralien und Gesteinen zu tun, außer wenn er einmal im Garten ein paar Steine aus dem Gemüsebeet klaubt? In der Schule hört man das Wort nicht ein einziges Mal, und so könnte man zu dem Schluss kommen, die Mineralogie sei heutzutage entbehrlich. Dies ist aber nicht der Fall, wie dieses Kapitel zeigen wird: In einer modernen, auf stetig verbesserten Materialeigenschaften künstlicher oder natürlicher Werkstoffe aufbauenden Industriegesellschaft wie auch in den modernen Geowissenschaften sind die theoretischen Konzepte der Mineralogie und die angewendeten Analyseverfahren unverzichtbar. Denn was ist Mineralogie anderes als die Beschreibung, die Untersuchung, das theoretische Verständnis und die Herstellung ursprünglich nur natürlicher, inzwischen aber auch künstlicher Feststoffe? Wenn wir heute über den Internbau von Kristallen, die färbenden Eigenschaften von Ionen in Feststoffen, die Korrosionsbeständigkeit von Materialien oder die geeigneten Prozesse zur Herstellung von Porzellan genau Bescheid wissen, so wird dies zwar häufig der Physik oder der Chemie „gutgeschrieben“. Natürlich haben diese daran auch ihren Anteil, aber im Grunde waren diese Probleme immer mineralogischer Natur, und bevor die Mineralogie aus der Schule und aus den Curricula für Studenten der Chemie und Physik völlig verschwand, war dies auch allgemeines Wissen. Heute umfasst die inzwischen stark quantitativ arbeitende, modellierende und analytisch ausgerichtete Mineralogie nach wie vor das gesamte Feld von der Geländearbeit über experimentelle Untersuchungen zur Stabilität von Mineralen in Erdkruste, Erdmantel und seit wenigen Jahren – seit man experimentell so hohe Drucke und Temperaturen erzeugen kann – sogar im Erdkern bis zur Untersuchung, Charakterisierung und Entwicklung bekannter oder neuer Werkstoffe. Die Mineralogie bildet also die Brücke zwischen der Geologie auf der einen und den Materialwissenschaften auf der anderen Seite. Sie untergliedert sich heute entsprechend in folgende Teilbereiche: – Allgemeine Mineralogie mit dem Schwerpunkt auf der Chemie und Physik von Mineralen und auf der Kristallographie, die heutzutage selbst häufig in die Physik „abgewandert“ ist und daher zwischen Geowissenschaften, Materialwissenschaften und Physik steht; – Spezielle Mineralogie mit dem Schwerpunkt auf der Untersuchung und Neubeschreibung einzelner Mineralarten; – Petrologie, Vulkanologie, Geochemie und Lagerstättenkunde sind die geländebezogenen, aber auch stark analytischen Teilgebiete der Mineralogie, die sich mit der Entstehung und Veränderung von Gesteinen, der Quantifizierung geodynamischer Prozesse, der Elementverteilung und -umverteilung in Gesteinen, der Datierung von Mineralen, Gesteinen und geologischen Prozessen sowie der Bildung von Erz- und Minerallagerstätten beschäftigen; 120 2 Allgemeine Mineralogie – Die angewandte Mineralogie wendet mineralogische Methoden (also z. B. Analytik, Thermodynamik von Mineralen, Kristallstrukturtheorie) auf industrielle Fragestellungen an, wobei die Untersuchung, Optimierung und Herstellung von Gläsern, Legierungen, Supraleitern, Halbleitern, Zement, Putz- und Estrichkomponenten oder keramischen Roh- und Werkstoffen von besonderer Bedeutung ist. Zur Untersuchung und Beschreibung neuer Mineralien, der speziellen Mineralogie, müssen noch einige ergänzende Worte gesagt werden. Damit nicht jeder, der glaubt, etwas Neues gefunden zu haben, einfach ein neues Mineral definieren kann, gibt es eine Kommission der International Mineralogical Association (IMA), die über die Anerkennung von neuen Mineralnamen entscheidet. Nur wenn Zusammensetzung, Struktur, Fundort und einige physikalische Eigenschaften wie die Dichte bekannt sind, darf der Entdecker oder der bearbeitende Wissenschaftler einen Namen vorschlagen, der sich häufig auf den Fundort, die chemische Zusammensetzung, verdiente Mineralogen, den Erstfinder oder eine besondere Eigenschaft bezieht (z. B. Hechtsbergit nach einem Fundort im Schwarzwald; Cualstibit für ein Cu-Al-Sb-Oxid aus der Grube Clara bei Wolfach; Graeserit nach dem Mineralogen Stefan Graeser aus Basel; Wilhelmvierlingit nach einem langjährigen Mineraliensammler in Ostbayern oder Magnetit für ein magnetisches Mineral). Die meisten Mineralnamen und alle heutzutage vergebenen enden auf „it“ (englische „ite“). Neben diesen wissenschaftlichen Namen existieren aber – leider, muss man wohl sagen – noch eine Vielzahl alter, z. T. sehr plastischer Bergmannsnamen wie z. B. Zinkblende für Sphalerit, Kupferkies für Chalkopyrit oder Schwerspat für Baryt sowie Unmengen an Varietätsnamen. Allein der als Edelstein geschätzte Beryll, ein Be-Al-Silikat, heißt Smaragd, wenn er grün ist, Aquamarin, wenn er hellblau gefärbt ist, Morganit ist die rote Varietät und Heliodor die gelbe! In der Universität ist die Mineralogie die Materialwissenschaft unter den Geowissenschaften, sodass heutzutage geowissenschaftliche Fragestellungen meist durch Kombination von geologischen, mineralogischen und häufig auch geophysikalischen Methoden bearbeitet werden. Entsprechend der oben genannten Vielfalt arbeiten Mineralogen heute außer an Universitäten in einer Vielzahl von Industriebetrieben und Behörden, die mit der Entwicklung, Gewinnung oder Qualitätssicherung praktisch aller denkbaren Feststoffe in Verbindung stehen, von geologischen Landesämtern bis hin zu Steinbruchbetrieben, von großen Glasherstellern bis zu Automobilzulieferern. Die Grundlage dafür ist das Verständnis anorganischer Materie, das im Folgenden gelegt werden soll. 2.2 Kristallgeometrie und Kristallmorphologie 2.2.1 Symmetrien Jedem, der zum ersten Mal mit Kristallen zu tun hat, stechen ihre Perfektion, ihre Formen, ihr Flächenreichtum und ihre Symmetrie ins Auge (Abb. 2.1). Die Flächen und die Symmetrien hängen direkt mit dem submikroskopischen Internbau von Mineralen zusammen, also mit der Anordnung von Atomen in ihrem Kristallgitter. Wir werden uns im Folgenden mit der Internstruktur und den daraus resultierenden Kristallsymmetrien beschäftigen, denn erst diese ermöglichen die genaue Beschreibung einer Substanz und ihre sichere Identifizierung. Darüber hinaus sind sie auch noch für viele interessante Eigenschaften wie die Doppelbrechung oder die Piezoelektrizität verantwortlich. In diesem Zusammenhang ist der Begriff der Nah- und der Fernordnung von Bedeutung. Da bestimmte Anordnungen von Atomen besonders stabil sind, also energetisch besonders günstig, werden sie in Kristallen bevorzugt. Das bringt im Endeffekt durch ständige räumliche Wiederholung dieser Atomanordnungen die Symmetrien hervor. Dies bedeutet auch, dass 2.2 Kristallgeometrie und Kristallmorphologie 121 2.1 Formen von Mineralen: O: BarytKristalle von der Grube Clara bei Wolfach, Schwarzwald, BB: ca. 40 cm; U: nadelige Büschel des Ca-Mg-Arsenats Pikropharmakolith von der Grube Anton im Heubach bei Schiltach im Schwarzwald, BB ca. 3 cm. Kristalle eine Fernordnung aufweisen, dass also die Internstruktur am einen Ende des Kristalls genauso aussieht wie am anderen Ende des Kristalls. Besonders deutlich wird diese Eigenschaft im direkten Vergleich mit Materialien, die keine Fernordnung aufweisen, also z. B. Flüssigkeiten. In ihnen kann man nie sicher sein, wie die Atome oder Moleküle ein paar Mikrometer entfernt von dem Ort, den man gerade betrachtet, angeordnet sind, da diese sich beliebig hin- und herbewegen können. Silikatschmelzen, auf die wir in Kapitel 3 eingehen werden, und Gläser besitzen eine gewisse Ordnung, z. B. enthalten sie bestimmte Silikatketten, doch auch diese können sich unterschiedlich bewegen und anordnen. Hier spricht man von einer Nahordnung. Nun aber zur Kristallsymmetrie. Einer der wichtigsten Begriffe in diesem Zusammenhang ist die Symmetrieoperation, d. h. die Abbildung einer Kristallstruktur unter Beibehaltung aller Winkel und Abstände auf sich selbst. In Kristallen gibt es (Abb. 2.2 und 2.3): – Spiegelungen; – zwei-, drei-, vier- oder sechszählige Drehungen. Alle anderen „Zählungen“ kommen in Kristallstrukturen nicht vor. Offenbar hängt dies damit zusammen, dass mit 5- oder 7zähligen Flächen oder Körpern, also Fünfoder Siebenecken zum Beispiel, eine Fläche bzw. ein Raum nicht vollständig ausgefüllt werden kann und diese daher mit der Periodizität von Kristallstrukturen nicht vereinbar sind; 122 2 Allgemeine Mineralogie zweizählige Drehung 2.2 Gleitspiegelung Translation Spiegelung dreizählige Drehung vierzählige Drehung sechszählige Drehung Symmetrieoperationen. – Translationen (Verschiebungen); – Gleitspiegelungen: Spiegelung und Translation werden miteinander verknüpft; – Punktspiegelungen (Inversion): es wird nicht an einer Linie, sondern an einem Punkt gespiegelt, was zur Folge hat, dass jede Kristallfläche eine parallele Komplementärfläche besitzt; – Schraubungen: eine Verknüpfung von Drehung um und Translation entlang einer Schraubenachse; – Drehinversionen: sie verknüpfen eine Drehung mit einer Punktspiegelung – es entstehen identische, aber nicht mehr parallele Flächen wie bei der Inversion. Bei solchen Symmetrieoperationen gibt es Fixpunkte, also Punkte, die sich nicht bewegen. Die Menge der Fixpunkte einer Symmetrieoperation bezeichnet man als ihr zugehöriges Symmetrieelement. Das können, entsprechend obigen Operationen, verschiedenzählige Drehpunkte sein (also Punkte, um die gedreht wird) oder eine Spiegellinie (Abb. 2.3). Translationen und streng genommen auch Gleitspiegelungen haben keine Symmetrieelemente, doch werden bei letzteren die Fixpunkte der zugehörigen Spiegelung als Gleitspiegellinie definiert. Die Kombination von Symmetrieelementen in einer Kristallstruktur kann neue Symmetrien eröffnen. Dazu nur zwei Beispiele: – Wenn eine Struktur 2- und 3-zählige Drehpunkte enthält, so gibt es auch 6-zählige Drehpunkte, da 6 das kleinste gemeinsame Vielfache von 2 und 3 ist. – Schneiden sich zwei Spiegellinien unter einem Winkel von § = 30°, so ist auch die Drehung um den Winkel 2 § = 60° um den Schnittpunkt der Spiegellinien eine Symmetrieoperation. Die Zähligkeit dieser Drehachse ist entsprechend 180°/ § = 6. Man erkennt dabei aber auch sofort, dass nur bestimmte Kombinationen erlaubt sein können, damit wieder erlaubte Symmetrieelemente entstehen. Eine Kombination von zwei Spiegelebenen, die sich unter 25° schneiden, wäre z. B. verboten, da eine unerlaubte Zähligkeit entstünde, nämlich 7,2. Ebenso kann eine Struktur nicht 4- und 6-zählige Drehpunkte enthalten, da ja 12-zählige Symmetrien in Kristallen verboten sind. 2.2 Kristallgeometrie und Kristallmorphologie 123 2.3 Im Text erklärte Symmetrieelemente, die die roten Punkte ineinander überführen. 2.2.2 Kristallgitter Will man die Translationssymmetrie von Kristallen anschaulich machen, so verwendet man am besten die Beschreibung durch das Punktgitter. Definiert wird es als die Endpunkte der Translationsvektoren einer Struktur, wenn man diese von einem einzigen, beliebigen Punkt der Struktur ausgehen lässt. Dies ist in Abb. 2.4 veranschaulicht. Man sieht, dass man ein gesamtes Kristallsystem auf diese Weise aufbauen kann, indem man von einem Anfangspunkt den verschiedenen Translationsvektoren folgt. Überträgt man das in Abb. 2.4 für den zweidimensionalen Fall gezeigte Verfahren auf den dreidimensionalen Fall, so kann man statt des 124 2 Allgemeine Mineralogie usw. 2.4 Aufbau eines Translationsgitters aus Gitterpunkten. 2.5 Aufbau eines Raumgitters aus Elementarzellen. Anfangspunktes ein Anfangsvolumen definieren (Abb. 2.5). Dieses Anfangsvolumen wird Elementarzelle genannt. Diese ist normalerweise die kleinste Einheit, durch deren Verschiebung entlang Translationsvektoren (die in diesem Fall kristallographische Achsen genannt werden) ein gesamtes Raumgitter ausgefüllt werden kann, wie es in Abb. 2.5 gezeigt wird. Eine Elementarzelle ist also ein dreidimensionales Parallelogramm, ein so genanntes Parallelepiped. Die Seitenbegrenzungen dieses 2.6 Die Wahl der geeigneten Elementarzelle: primitiv (A) oder raumzentriert (B). Epipeds sind gegeben durch die Gitterkonstanten. Diese Gitterkonstanten definieren die Ausdehnung der Elementarzelle in jeder Richtung und die Winkel zwischen den Seiten. Will man also die Translationssymmetrie eines Punktgitters beschreiben, um z. B. röntgenographisch Mineralstrukturen eindeutig bestimmen zu können, so verwendet man dazu die Elementarzelle. Sonderbarerweise hat man bei der Auswahl der Elementarzelle für ein gegebenes Punktgitter eine gewisse Auswahl (Abb. 2.6): die kleinste Elementarzelle ist bisweilen nicht die praktischste und auch nicht die höchst symmetrische, und so wählt man dann statt einer primitiven Elementarzelle, die nur Gitterpunkte an ihren Ecken hat (A in Abb. 2.6), eine zentrierte Elementarzelle (B in Abb. 2.6), die auch im Inneren einen Gitterpunkt enthält. Man legt also konventionellerweise den Ursprung der Elementarzelle in einen Punkt möglichst hoher Symmetrie. Die kristallographischen Achsen werden laut Konvention mit den Buchstaben a, b und c abgekürzt, die Winkel zwischen ihnen mit § , g und + . Die c-Achse wird dabei meist vertikal ausgerichtet (Abb. 2.7), während a und b eine Fläche aufspannen. Die c-Achse ist daher häu- 2.2 Kristallgeometrie und Kristallmorphologie 125 2.7 Kristallographisches Koordinatensystem. fig (aber nicht immer!) parallel zur nadeligen oder stängeligen Form länglich ausgebildeter Minerale. Schließlich muss noch der Begriff der Netzebene eingeführt werden, da er im Folgenden von Bedeutung sein wird. Netzebenen sind Ebenen in der Kristallstruktur, die durch die Schwerpunkte von Atomen verlaufen. Zu jeder derartigen Netzebene gibt es natürlich in einem Kristall unendlich viele parallele Netzebenen in einem wohl definierten Abstand, die zusammen eine Netzebenenschar bilden (Abb. 2.8). Die makroskopisch sichtbaren Flächen eines Kristalls werden von besonders stabilen Netzebenen gebildet, die meist dicht mit Atomen besetzte Oberflächen darstellen. Diese stehen in einer einfachen geometrischen Beziehung zur Elementarzelle (z. B. parallel zu deren Seiten). Wir halten fest: Elementarzellen haben als Maße die Gitterkonstanten (Längen und Winkel), und sie werden entlang von kristallographischen Achsen so verschoben, dass sie das gesamte dreidimensionale Gitter, also den Kristall, ausfüllen. Sie definieren somit durch die Gitterkonstanten ein für eine Substanz typisches kristallographisches Koordinatensystem. Makroskopische Kristalle erhält man durch unzähliges Aneinanderreihen von Elementarzellen, wobei allerdings der sichtbare Kristall kein Abbild der Elementarzelle sein muss (und auch nur selten ist), sondern lediglich mit erlaubten Symmetrieoperationen aus 2.8 Netzebenenscharen in einem Punktgitter. ihr erzeugt wird. Identisch sind also nicht die Form, aber die Hauptsymmetrieelemente von Kristall und – geschickt gewählter – Elementarzelle. Wir kommen damit zu den Kristallsystemen, mit deren Hilfe man Kristalle schnell aufgrund ihrer – häufig schon makroskopisch erkennbaren – Symmetrieeigenschaften einteilen kann. 2.2.3 Kristallsysteme Es gibt sieben Kristallsysteme, die durch ihre Symmetrien eindeutig voneinander unterschieden werden: kubisch, tetragonal, orthorhombisch, hexagonal, trigonal, monoklin und triklin (Abb. 2.9 und 2.10). Wie oben erläutert, sind kristallographische Koordinatensysteme definiert durch die Winkel und Kristallachsen der Elementarzelle. Besonders hochsymmetrische Kristallsysteme (kubisch, hexagonal) werden typischerweise von Verbindungen relativ einfacher chemischer Zusammensetzung bevorzugt, also zum Beispiel von Elementen und einfachen Sulfiden und Oxiden, während chemisch komplizierte Minerale häufig in Systemen niedriger Symmetrie kristallisieren. Gesteinsbildende Silikate sind daher häufig mo- 126 2 Allgemeine Mineralogie kubisch c a=b=c b a tetragonal 4 dreizählige Drehachsen α = β = γ = 90° c a=b=c 1 vierzählige Drehachse α = β = γ = 90° b a hexagonal c a=b=c α = β = 90°, γ = 120° 1 sechszählige Drehachse b a trigonal 1 dreizählige Drehachse a=b=c b c a α = β = γ = 90° orthorhombisch c 3 zweizählige Drehachsen a=b=c b a monoklin α = β = γ = 90° c b a triklin a=b=c α = γ = 90°, β = 90° 1 zweizählige Drehachse c b a a=b=c α = β = γ = 90° noklin oder triklin. Wie man die genaue Struktur von Mineralien ermittelt, wird in Abschnitt 2.5.2 beschrieben. Bevor wir mit der Besprechung der einzelnen Kristallsysteme beginnen, seien noch die wichtigsten Kristallformen, die gelegentlich im Text auftauchen, in einer Abbildung zusammengestellt (Abb. 2.11). Die Gestalt eines Kristalles nennt man übrigens seinen Habitus, der z. B. säulig, isometrisch, nadelig oder tafelig sein kann, während die Gesamtheit der an einem Kristall entwickelten Flächen seine Tracht genannt wird (Abb. 2.12). - 2.9 Die Kristallsysteme und ihre kristallographischen Parameter. In rot ist das jeweilige kristallographische Koordinatensystem eingezeichnet. Das höchst-symmetrische ist das kubische System, das stets vier dreizählige Drehachsen aufweist, die parallel zu den Raumdiagonalen eines Würfels angeordnet sind. Hinzutreten können im kubischen System noch zwei- und vierzählige Drehachsen, Spiegelebenen und ein Punktsymmetriezentrum. Allerdings gibt es hier unterschiedliche Kristallklassen, die neben den immer vorhandenen vier dreizähligen Drehachsen unterschiedliche Kombinationen, nur einzelne oder sogar keine der zusätzlichen Symmetrieelemente aufweisen können. Die Gitterparameter von kubischen Kristallen sind 2.2 Kristallgeometrie und Kristallmorphologie 127 (a) kubisch Pyrit Granat Zirkon Anatas Olivin Schwefel (b) tetragonal (c) orthorhombisch (d) hexagonal Nephelin Beryll (e) trigonal Quarz Calcit Klinopyroxen Gips (f) monoklin (g) triklin 2.10 Beispiele von natürlichen Kristallen für die verschiedenen Kristallsysteme. Feldspat 128 2 Allgemeine Mineralogie tetragonales Prisma tetragonale Pyramide tetragonale Bipyramide hexagonales Prisma hexagonale Pyramide hexagonale Bipyramide trigonales Rhomboeder ditrigonale Bipyramide ditrigonales Skalenoeder Würfel (Hexaeder) Tetraeder Oktaeder Rhombendodekaeder Pentagondodekaeder Tristetraeder Deltoidikositetraeder Tetrakishexaeder Kuboktaeder 2.11 Nomenklatur von Kristallformen. denkbar einfach: alle Kristallachsen sind gleich lang und alle Winkel betragen 90°. Der einfachste kubische Körper ist der Würfel, dane- 2.12 Habitus und Tracht: die zwei linken Kristalle haben dieselbe Tracht, aber unterschiedlichen Habitus, der linke und der rechte Kristall haben denselben Habitus, aber unterschiedliche Tracht. ben gehören aber auch Oktaeder, Tetraeder und Rhombendodekaeder zu diesem Kristallsystem (Abb. 2.10a). Häufige oder bekannte Minerale (was ja leider nicht immer dasselbe ist), die im kubischen System kristallisieren, sind Diamant, Gold, Zinkblende, Bleiglanz, Granat, Magnetit und Pyrit. Das nächste niedriger-symmetrische System ist das tetragonale, das aber in der Natur nicht sehr verbreitet ist. Minerale wie Zirkon, Rutil oder Anatas bilden Dipyramiden oder Säulen im tetragonalen System (Abb. 2.10b). Wiederum sind alle Gitterwinkel 90°. Zwei der Kristallachsen sind gleich lang, die dritte jedoch hat eine unterschiedliche Länge. Somit tritt als Hauptsymmetrieelement nur noch eine vierzählige Drehachse auf, neben potenziell http://www.springer.com/978-3-8274-1804-3