Vorlesung: Christologie und Gotteslehre 2 Inkarnation als Gottes Gegenwart Prof. Dr. Lucia Scherzberg Sommersemester 2010 Alttestamentliche Wurzeln: Die personifizierte Weisheit • Ersterschaffene vor der Schöpfung • Gottes geliebtes Kind • Mittlerin zwischen Gott und Mensch • Ich spielte auf seinem Erdenrund und meine Freude war es, bei den Menschen zu sein. Nun, ihr Söhne, hört auf mich! Wohl dem, der auf meine Wege achtet. … Wer mich findet, findet Leben und erlangt das Gefallen des Herrn.“ (Spr 8, 31-32.35) Alttestamentliche Wurzeln: Die Schechina-Theologie • Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt … (Joh 1,14) Και ὁ λογος σαϱξ ἐγένετο και ἐσκήνωσεν ἐν ἡμῑν • σκηνώο = ein Zelt aufschlagen, in einem Zelt wohnen, Wohnung nehmen • hebr.: ŝkn = wohnen, sich niederlassen Vorexilisch: Gegenwart Gottes im Tempel • Tempel als Ort der Gegenwart Gottes • Ort, an dem irdischer und himmlischer Bereich ineinander übergehen. Ezechiel • Tempelvisionen des Ezechiel (Entrückung nach Jerusalem) • Auszug der Herrlichkeit JHWHs aus dem Tempel Abwesenheit Gottes • Wiedereinzug der Herrlichkeit JHWHs in den neuen Tempel Anwesenheit Gottes inmitten seines Volkes • Selbstbindung Gottes an Israel Nach der Zerstörung des Tempels: Priesterschrift • Gegenwart der Herrlichkeit JHWHs auf dem Sinai (Ex 24,16) • Übertragung der Gegenwart auf das Begegnungszelt (Ex 25,8) • wandert mit durch die Wüste • Heiligtum = Ort, an dem JHWH inmitten seines Volkes wohnen will (Ex 29,45f); JHWH ist der Gott Israels Der Kern der nach-exilischen Schechina-Theologie • Übertragung der für den Gottesberg Zion und den Tempel zugesagten Gegenwart Gottes auf das Volk Israel Weiterentwicklung der SchechinaTheologie jüdisch • rabbinische Theologie: Hauptbegriff für die Daseins- und Wirkweise Gottes in der Welt, anthropomorphe Darstellung als weibliche Gestalt • Kabbala: Schechina = - Gott selbst - unterste Kraft der Sefiroth christlich • Jesus Christus als Ort der Gegenwart Gottes, als Offenbarung der Herrlichkeit Gottes Inkarnation aus der Perspektive jüdischer Philosophie Michael Wyschogrod • 1928 geb. in Berlin • 1939 Emigration der Familie in die USA • Studium des Talmud und jüdischer Philosophie • Diss. über Kierkegaard und Heidegger • Professor für Philosophie, emer. 2002 • Kontinuierliche Auseinandersetzung mit christlicher Theologie Ist das Judentum nicht inkarnatorisch? • Jüdische Ablehnung der Aussage, dass ein Mensch Gott sei • 1. Grund: Ablehnung von Götzendienst • 2. Grund: Ablehnung, materiellen Dingen Göttlichkeit oder Gott physische Merkmale zuzuschreiben Ist das Judentum nicht inkarnatorisch? • Anthropomorphismen der Bibel, körperliche Merkmale und Eigenschaften Gottes Ist das Judentum nicht inkarnatorisch? • Anthropomorphismen der Bibel, körperliche Merkmale und Eigenschaften Gottes • sind natürlich Metaphern, aber Ist das Judentum nicht inkarnatorisch? • Anthropomorphismen der Bibel, körperliche Merkmale und Eigenschaften Gottes • sind natürlich Metaphern, aber… • Bestimmte Aussagen will Wyschogrod nicht als bloße Metaphern verstehen… Ist das Judentum nicht inkarnatorisch? • Anthropomorphismen der Bibel, körperliche Merkmale und Eigenschaften Gottes • sind natürlich Metaphern, aber… • Bestimmte Aussagen will Wyschogrod nicht als bloße Metaphern verstehen… • … die Aussagen darüber, wo Gott wohnt (in der Stiftshütte, im Tempel, im Land) • Gott wohnt dort, wie er nirgendwo anders wohnt Dialektisches Verständnis • Gott tritt in die Welt des Menschen ein, scheut auch die „Räumlichkeit“ nicht. • Kein Raum kann Gott fassen. Unterschied in der Perspektive Wyschogrods Judentum Christentum • … kann nicht von vorn herein ablehnen, dass Gott in Menschengestalt erscheinen kann. • … ist stärker an Dialektik von Transzendenz und Immanenz interessiert. • … versteht Inkarnation als Einwohnung Gottes in seinem Volk. • … konkretisiert das Eintreten Gottes in die Welt in einer bestimmten Person. • … erklärt diese eine Person für göttlich. Inkarnation aus der Perspektive jüdischer Philosophie Emmanuel Levinas • 1906-1995, geb. in Litauen • Studium bei Husserl und Heidegger • 1930 französische Staatsbürgerschaft • Offizier im 2. Weltkrieg • Eltern und Brüder wurden Opfer der Shoah; Frau und Kind überlebten die Verfolgung • Lehrer und Professor der Philosophie, zuletzt an der Sorbonne, emer. 1976 Kritik am Subjektverständnis • Das Subjekt kommt im Anderen zu sich selbst. • Streben nach Überwindung des Dualismus von Subjekt – Objekt • Gott = absolute Subjektivität • Inkarnation= Gott ist im Andern/im Menschen bei sich • Inkarnation in Jesus = höchste geschichtliche Entfaltung der absoluten Subjektivität • Überwindung des Dualismus von Gott und Geschichte – Christentum als absolute Religion Kritik am Subjektverständnis • Das Subjekt kommt im Anderen zu sich selbst. • Streben nach Überwindung des Dualismus von Subjekt – Objekt • Gott = absolute Subjektivität • Inkarnation= Gott ist im Andern/im Menschen bei sich • Inkarnation in Jesus = höchste geschichtliche Entfaltung der absoluten Subjektivität • Überwindung des Dualismus von Gott und Geschichte – Christentum als absolute Religion • Das Subjekt kommt im Andern immer nur bei sich selbst an. Kritik am Subjektverständnis • Das Subjekt kommt im Anderen zu sich selbst. • Streben nach Überwindung des Dualismus von Subjekt – Objekt • Gott = absolute Subjektivität • Inkarnation= Gott ist im Andern/im Menschen bei sich • Inkarnation in Jesus = höchste geschichtliche Entfaltung der absoluten Subjektivität • Überwindung des Dualismus von Gott und Geschichte – Christentum als absolute Religion • Das Subjekt kommt im Andern immer nur bei sich selbst an, • sucht die Einheit auf Kosten des Andern, bewahrt seine Andersheit nicht. Kritik am Subjektverständnis • Das Subjekt kommt im Anderen zu sich selbst. • Streben nach Überwindung des Dualismus von Subjekt – Objekt • Gott = absolute Subjektivität • Inkarnation= Gott ist im Andern/im Menschen bei sich • Inkarnation in Jesus = höchste geschichtliche Entfaltung der absoluten Subjektivität • Überwindung des Dualismus von Gott und Geschichte – Christentum als absolute Religion • Das Subjekt kommt im Andern immer nur bei sich selbst an, • sucht die Einheit auf Kosten des Andern, bewahrt seine Andersheit nicht. • Gott wird zu einer Funktion des Subjekts. Kritik am Subjektverständnis • Das Subjekt kommt im Anderen zu sich selbst. • Streben nach Überwindung des Dualismus von Subjekt – Objekt • Gott = absolute Subjektivität • Inkarnation= Gott ist im Andern/im Menschen bei sich • Inkarnation in Jesus = höchste geschichtliche Entfaltung der absoluten Subjektivität • Überwindung des Dualismus von Gott und Geschichte – Christentum als absolute Religion • Das Subjekt kommt im Andern immer nur bei sich selbst an, • sucht die Einheit auf Kosten des Andern, bewahrt seine Andersheit nicht. • Gott wird zu einer Funktion des Subjekts. • Gottes Transzendenz wird nicht gewahrt. Das Konzept der Alterität • Philosophie muss die den Anderen vor dem Zugriff des Subjekts schützen. • Der Andere ist „exterior“, kann nicht eingegliedert werden. Stellvertretung • Überwindung des Subjekts durch die Gottesidee: Passivität des Subjekts gegenüber Gott • Passivität gegenüber dem Andern = Offenheit • Unmittelbare Betroffenheit von dem Andern und seiner Not • Eintreten an Stelle Gottes für den Andern = Stellvertretung/ Entäußerung Gottes Inkarniertes Subjekt • Jeder Mensch muss in die Verantwortung für die Menschheit und die Schöpfung eintreten. • Im Mittragen des Leides geschieht Inkarnation. Mensch = inkarniertes Subjekt • Inkarniertes Subjekt = Pro-Existenz (für andere) • Dadurch wird das menschliche „Fleisch“ zum „Wort“. Universaler Messianismus • gilt für alle Menschen • keine privilegierte Inkarnation • kein übernatürlicher Vorgang Die „Illeité“ Gottes • Gott bleibt transzendent. • Gott ist nur erkennbar in der „Spur“, die er im Gesicht des Andern hinterlässt. • Gott ist kein unmittelbares Gegenüber, kein Du, sondern ist nur vom Andern her zu erkennen. Zusammenfassung • Begriff der absoluten Subjektivität Gottes gefährdet • Begriff der absoluten Subjektivität Gottes gefährdet die Transzendenz Gottes und den Andern • Begriff der absoluten Subjektivität Gottes gefährdet die Transzendenz Gottes und den Andern Philosophie nach Auschwitz bewahrt • Begriff der absoluten Subjektivität Gottes gefährdet die Transzendenz Gottes und den Andern Philosophie nach Auschwitz bewahrt Anders-Sein des Andern entmachtet Subjekt durch die Idee des höchsten Wesens, vor dem dieses passiv ist • Passivität des Subjekts gegenüber Gott und dem Andern führt zu • Passivität des Subjekts gegenüber Gott und dem Andern führt zu • Stellvertretung = Übernahme der Verantwortung an Stelle Gottes für den Andern (und für die Menschheit und die Schöpfung) • Passivität des Subjekts gegenüber Gott und dem Andern führt zu • Stellvertretung = Übernahme der Verantwortung an Stelle Gottes für den Andern (und für die Menschheit und die Schöpfung) • Jeder ist Stellvertreter Gottes, nicht nur ein bestimmter Mensch. • Passivität des Subjekts gegenüber Gott und dem Andern führt zu • Stellvertretung = Übernahme der Verantwortung an Stelle Gottes für den Andern (und für die Menschheit und die Schöpfung) • Jeder ist Stellvertreter Gottes, nicht nur ein bestimmter Mensch. • Schutz der Transzendenz Gottes – Gott ist nur erkennbar in „der Spur auf dem Gesicht des Andern“. VIELEN DANK FÜR IHRE AUFMERKSAMKEIT!